Protocol of the Session on June 19, 2014

wir würden uns mit Problemen immer nur kollektiv beschäftigen und nicht das individuelle Problem von Spätaussiedlern sehen.

Die Redezeit geht zu Ende.

Sie sehen das persönliche Problem der Eltern und der Kinder nicht. Deswegen ist die Argumentation, die Sie hier vortragen, scheinheilig. Sie greifen nämlich immer nur dann darauf zurück, wenn es Ihnen etwas nützt, nicht aber dann, wenn es im Interesse unserer Kinder – das höchste Gut, das wir in unserem Land haben – tatsächlich notwendig ist.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Das war Herr Kollege Gebhardt für die einbringende Fraktion DIE LINKE. Nun ergreift für die CDU-Fraktion Herr Kollege Bienst das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde einmal versuchen, die emotionsgeladene, mit Negativteilchen durchsetzte Luft hier einzuatmen, zu verdauen und zu neutralisieren.

(Beifall bei der CDU – Gelächter bei den LINKEN)

Kollege Gebhardt, als Schulpolitiker muss ich Ihnen erstens sagen, der Schuljahresbeginn ist der 01.09.2014 und wir sind hier in der Vorbereitung des neuen Schuljahres. Zum Zweiten: Beim gemeinsamen Lernen bis zur 9. Klasse – was Sie hier gerade vorgeschlagen haben – sehe ich noch nicht, dass der Unterrichtsausfall, der bedingt durch Krankheit, Schwangerschaft und andere Umstände auftreten kann, damit beseitigt ist.

(Unruhe bei den LINKEN – Zuruf von der SPD: Lehrermangel!)

Das heißt also, wir werden auch mit diesen Problemen in Zukunft zu kämpfen haben. Eine kleine Korrektur muss ich trotzdem noch mit anbringen. Unser Ministerpräsident hat gesagt, mindestens tausend Lehrer vor den Klassen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Aha-Rufe bei der SPD)

Ich zitiere alle Jahre wieder. Da heißt es in der Aktuellen Debatte der LINKEN im Jahr 2011 „Geisterfahrt des Kultusministers beim Einsatz von Lehrkräften zum Schuljahresbeginn beenden“, die GRÜNEN im Jahr 2011 „Zehn nach zwölf an Sachsens Schulen – Staatsregierung organisiert Lehrermangel“, in der Aktuellen Debatte im September 2012 von den LINKEN „Sachsen wehrt sich gegen die Schulpolitik der Kultusministerin und die Diffamierung der Lehrerinnen und Lehrer“.

(Sabine Friedel, SPD: Und warum kriegen Sie es nicht gebacken, die Probleme zu lösen?)

Das waren und sind Horrorszenarien, die jeder Grundlage entbehren. Heute zum Thema „Chaos zum Schuljahresbeginn“ – tut mir leid, ich kann mich nicht auf Ihre Ebene stellen. Ich kann nicht ins Wasserglas schauen und daraus lesen und Karten legen tue ich erst recht nicht. Orakel erfragen werde ich auch nicht. Nein, es ist nicht Spaß, was wir hier machen. Es ist ein schwieriges, ein ernstes Thema. Dieses ernste Thema möchte ich auch aufklären. Und nun zum Sachverhalt.

775 Lehrer werden zum Schuljahr 2014/15 eingestellt, 415 unbefristet und 360 befristet. Das kann man auch der Presse entnehmen. Damit bleibt der Status quo erhalten. Wir reagieren auf die erhöhten Schülerzahlen und ich denke, es ist auch so richtig. Wir haben also die gleichen Voraussetzungen wie im vergangenen Jahr.

(Widerspruch bei den LINKEN)

Die Organisation des Schuljahresbeginns richtet sich nach dem zurzeit geltenden Schulgesetz. Auch darauf brauche ich nicht extra hinweisen. Es gibt Regularien, die wir zu beachten haben. Wir haben einen beschlossenen Doppelhaushalt und damit auch einen Stellenplan. Das ist ein

Gesetz. Davon werden wir nicht abweichen, solange kein neuer Haushaltsplan beschlossen ist. Sonst, meine Damen und Herren von der Opposition, würden Sie dies hier zum Thema machen.

(Vereinzelt Gelächter bei den LINKEN)

Des Weiteren gibt es neue Herausforderungen in unserem sächsischen Schulsystem. Hier meine ich den Schüleraufwuchs. Sie können mir glauben, dieser wird auch in den nächsten Haushaltsverhandlungen eine große Rolle spielen. Ich bin überzeugt von einem reibungslosen Schuljahresbeginn und empfehle, dass die LINKEN das Thema Chaos einfach mal unter den Tisch fallen lassen

(Gelächter bei den LINKEN)

und die Arbeit der Ministerien, der SBA und der vielen Schulen in Sachsen in Vorbereitung des neuen Schuljahres würdigen.

Natürlich gibt es einen Wermutstropfen, und darüber bin ich auch nicht froh. Je zeitiger ein solcher Organisationsprozess beginnt, umso besser ist es für die Planungssicherheit und die Ruhe im System. Da gebe ich Ihnen ohne Weiteres recht. Da haben wir mit Sicherheit noch Reserven und werden es in der Zukunft besser machen. Ich kann Ihnen versprechen, sollte es wirklich Ecken und Kanten zum Schuljahresbeginn geben, sind wir Manns genug, diese kurzfristig abzuschleifen, um das Schuljahr geregelt zu beginnen.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Mit der Raspel!)

Noch ein kleiner Tipp an DIE LINKE: Vielleicht rufen Sie, sollten Sie in der nächsten Legislaturperiode im Plenum sitzen, im Herbst noch einmal dieses Thema auf und wir können darüber diskutieren, wie gut, vernünftig und mit Ruhe dieses Schuljahr 2014/2015 begonnen hat.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der Staatsministerin Brunhild Kurth)

Das war für die CDUFraktion Kollege Bienst. Nun ist die SPD-Fraktion an der Reihe. Das Wort ergreift Frau Kollegin Dr. Stange.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Herr Bienst, für die Steilvorlage, was das Aufzählen des Chaos in den letzten fünf Jahren anbelangt. Sie haben zwei maßgebliche Dinge ausgeblendet. Ich habe versucht, Sie Ihnen noch zuzurufen, damit Sie sie noch aufnehmen können.

Vor zwei Jahren ist ein Kultusminister zurückgetreten, der seiner Fraktion noch reinen Wein eingeschenkt hat, nachdem im Dezember ein Bildungspaket hoch gelobt worden ist, das alle Probleme lösen sollte und wo man drei Monate später festgestellt hat, dass dieses Bildungspaket ein hausgemachter Stellenabbau war. Deswegen ist ein Kultusminister zurückgetreten.

Wenige Monate später ist der langjährige bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion zurückgetreten, weil unter anderem das Thema Integration mit 55 Lehrkräften für die Oberschule beantwortet wurde. Das sind nur zwei Dinge, die schon in Ihrer eigenen Fraktion offenbar zu erheblichem Chaos und Irritationen geführt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist einige Jährchen her, Anfang der Neunzigerjahre, als mir der Leiter des damaligen Regionalschulamtes in Dresden Anfang des Schuljahres im August als Personalrätin mitteilte: „Liebe Frau Stange, ich habe gelernt, Schule ist nicht totzukriegen, die fängt immer wieder am ersten Schultag an.“ Damals habe ich noch gedacht, okay, wir stehen am Anfang. Wir hatten keine Lehrpläne, keine Schulbücher und wussten nicht, wo die Lehrer im nächsten Schuljahr hinkommen. Ich habe den Eindruck, dieser Slogan gilt immer noch: Schule ist nicht totzukriegen.

Voriges Jahr hat die Kultusministerin vor Beginn des Schuljahres gesagt, es wird schmerzliche Einschnitte geben. Im Jahr zuvor, als sie begonnen hatte, sagte sie, das Handtuch sei sehr knapp. In diesem Schuljahr, meine sehr geehrten Damen und Herren, antwortet der Leiter der Bildungsagentur, Herr Bélafi, schon gar nicht mehr auf die Nachfrage des Journalisten, als er gefragt wurde – Herr Präsident, gestatten Sie, dass ich zitiere –: „Sachsen braucht mehr Lehrerstellen“, sagt der Journalist. Da sagt Herr Bélafi: „Als Direktor der Sächsischen Bildungsagentur bin ich froh über das, was erreicht wurde.“ Guck an! Da ist man als Leiter der Bildungsagentur schon froh, wenn man überhaupt noch Lehrerstellen bekommt. Nicht, dass er damit gleichzeitig beantwortet hat: „Ja, Herr Journalist, Sie haben recht gehabt, wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer.“

Aber es wird noch interessanter. Wir werden in den nächsten Jahren, meine Damen und Herren – und wir haben seit vier Jahren darauf hingewiesen –, 20 000 Schülerinnen und Schüler mehr in den Schulen haben. Da mag der eine oder andere aus den ländlichen Regionen sagen, uns trifft das nicht. Die Städte trifft es sehr hart und, nicht nur die Großstädte, sondern auch das Umland.

Wir werden in den nächsten Jahren verstärkt mit der Integration voranschreiten müssen. Erste Schritte sind getan. Was sagt Herr Bélafi auf die entsprechende Frage des Journalisten: „Ist die Integrationsverordnung des Kultusministeriums nicht eigentlich Makulatur?“ „Nach dieser Verordnung sollten nicht mehr als 25 Schüler pro Klasse unterrichtet werden, aber auch hier gilt: Wenn eine Schule eine sehr hohe Nachfrage hat und Kinder aufgrund dessen abgewiesen werden müssten, stellt sich die Frage, was ist uns wichtiger? Integration setzt Verständnis in der Gesellschaft voraus.“ Aha. Das ist die Antwort von Herrn Bélafi. Das heißt, wir sollen Verständnis dafür haben, dass Integrationskinder mit 28 Kindern in einer Klasse vernünftig unterrichtet werden. Das ist die Antwort des Kultusministeriums.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur die Zahlentrickserei, von der hier schon gesprochen wurde,

ärgert mich mittlerweile. Da sitzt man im Schulausschuss, fragt nach, was es heißt, dass die Schulen so viele Lehrkräfte bekommen, wie sie brauchen, und man bekommt keine Antwort, Frau Kurth. Zwei Stunden später kommt eine Mitteilung aus der Pressestelle des Kultusministeriums, worin es heißt, dass wir 160 Lehrer bekommen. Einen Tag später heißt es, 185 Lehrer bekommen wir.

(Patrick Schreiber, CDU: Lüge!)

Dazu heißt es ganz gezielt, die müssen aus dem eigenen Haushalt bezahlt werden. Woher wird denn das Geld jetzt genommen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor zwei Monaten haben wir hier gestanden, Patrick Schreiber, und Sie sagten selbst, Sie wüssten nicht, wie man mit 50 zusätzlichen Lehrern 4 400 Schüler unterrichten solle.

(Patrick Schreiber, CDU: Das war vor einem Monat!)

Jetzt wissen wir, dass genau 415 Lehrerinnen und Lehrer unbefristet auf die frei werdenden 540 Stellen eingesetzt werden. Das ist noch nicht einmal ein Verhältnis von 1 : 1. 360 Lehrer sollen sich befristet bewerben. Davon ist mit Sicherheit ein Großteil schon verschwunden, wenn sie jetzt erst gefragt werden sollen, denn bei befristeten Stellen werden Sie nicht viele finden, denn die sind lange in anderen Bundesländern schon gut untergebracht.

Die Redezeit geht leider zu Ende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schule ist nicht totzukriegen. Ja, Frau Kurth, am ersten Schultag wird vor jeder Klasse ein Lehrer stehen, aber nur am ersten Schultag!

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Das war Frau Dr. Stange für die SPD-Fraktion. Nun spricht Kollege Bläsner für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Unmut, der bei den Eltern, Schulleitern, Lehrern und, ich glaube auch, bei uns Bildungspolitikern, besteht, kann man sehr gut verstehen. Auch die Verunsicherung, in welche Schule das Kind gehen soll, die man noch zwei Wochen länger erdulden muss, ist sicherlich keine schöne Situation. Das heraufbeschworene Chaos aber oder die Horrorszenarien, die hier an die Wand gemalt werden, können wir in der Tat nicht erkennen. Das kann ich auch nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und der Staatsregierung)

Sicherlich werfen die ursprünglich geplanten Klassenzusammenlegungen Fragen auf. Sie sind nicht nur ärgerlich, sondern das Thema der freien Schulwahl ist auch im Gesetz enthalten. Wenn wir die freie Schulwahl im Gesetz

stehen haben, dann müssen wir diese auch gewährleisten. Ich glaube, das stand im Frühjahr auch durchaus infrage. Dieses Problem – das müssen wir ebenfalls feststellen und das möchte ich gleich am Anfang tun – ist gelöst.

Mein Kollege Patrick Schreiber und ich hatten bereits vor knapp einem Monat angemahnt, dass die 590 Neueinstellungen nicht ausreichen werden. Ganz offensichtlich haben sie auch nicht ausgereicht. Ansonsten wäre nämlich diese Vorbereitung des Schuljahres nicht in letzter Sekunde quasi verworfen und neugestaltet worden. Wenn ich auch sehr froh bin, dass diese 185 zusätzlichen Lehrer jetzt kommen, so ist das Verfahren doch höchst unglücklich. Das Krisenmanagement – von Jahr zu Jahr – reicht eben nicht aus. Es ist ungünstig, um neue Lehrer und auch die Besten zu gewinnen, und es ist ebenso politisch ungünstig. Wir werden dann immer in die Lage versetzt, dass die Opposition Horrorszenarien malt, die letztendlich doch nicht eintreten. Das könnten wir uns alles ersparen, wenn wir eine Analyse – und zwar rechtzeitig und nicht erst kurz vor Toresschluss – vornehmen würden, wie viele Lehrer wir jedes Jahr einstellen müssten.