Mein Kollege Patrick Schreiber und ich hatten bereits vor knapp einem Monat angemahnt, dass die 590 Neueinstellungen nicht ausreichen werden. Ganz offensichtlich haben sie auch nicht ausgereicht. Ansonsten wäre nämlich diese Vorbereitung des Schuljahres nicht in letzter Sekunde quasi verworfen und neugestaltet worden. Wenn ich auch sehr froh bin, dass diese 185 zusätzlichen Lehrer jetzt kommen, so ist das Verfahren doch höchst unglücklich. Das Krisenmanagement – von Jahr zu Jahr – reicht eben nicht aus. Es ist ungünstig, um neue Lehrer und auch die Besten zu gewinnen, und es ist ebenso politisch ungünstig. Wir werden dann immer in die Lage versetzt, dass die Opposition Horrorszenarien malt, die letztendlich doch nicht eintreten. Das könnten wir uns alles ersparen, wenn wir eine Analyse – und zwar rechtzeitig und nicht erst kurz vor Toresschluss – vornehmen würden, wie viele Lehrer wir jedes Jahr einstellen müssten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben als Koalition in der Bildungspolitik – gerade im Bereich der Sicherung des Lehrerbedarfs – schon viel erreicht. Ich erinnere Sie nur an die 2 000 Lehramtsstudenten, die jedes Jahr neu anfangen. Ich erinnere Sie an die neue Lehrerausbildung in Chemnitz und an die Höhergruppierung der Ober- und Grundschullehrer. Ich erinnere an das Ende der Teilzeitvereinbarung und ein zusätzliches Budget zur Vermeidung von Unterrichtsausfall und auch zuletzt an mehr Stellen für Lehrer und Referendare. Wir müssen uns aber auch daran erinnern, dass wir in diesem Jahr einen Warnschuss bekommen haben. Wir müssen die Bemühungen zur Sicherung des Lehrerbedarfs konsequent fortführen. Wir dürfen nicht nachlassen. Deswegen müssen wir bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen nicht nur dafür Sorge tragen, dass die ausscheidenden Lehrer ersetzt werden, sondern auch – das liegt auf der Hand –, dass neue Lehrer eingestellt werden, um die steigenden Schülerzahlen und die Absicherung des Ergänzungsbereichs zu 100 % gewährleisten zu können. Das ist derzeit nicht der Fall.
Wir müssen pro Jahr über den Ersatz der Altersabgänge hinaus weitere 200 bis 400 zusätzliche Lehrer einstellen, um dies zu gewährleisten. Wir haben das Glück, dass ab dem Januar 2015 der Bund die BAföG-Mittel übernimmt und wir um 85 Millionen Euro im Staatshaushalt entlastet werden. Unser Vorschlag ist, einen Teil dieser Mittel auch für die Sicherung des Lehrerbedarfs und für die Schaffung von Lehrerstellen auszuweisen.
Lieber Kollege, habe ich es richtig verstanden, dass das, was Sie gerade vorgetragen haben, die abgestimmte Position der Koalition ist?
Das ist erstens die Meinung der FDP. Ich stehe hier als Mitglied der FDP-Fraktion. Zweitens ist dies ein Vorschlag für den kommenden Haushalt. Der kommende Haushalt wird im Herbst diskutiert. Selbstverständlich steht es jedem frei, entsprechende Vorschläge zu machen. Sie haben sicherlich am gestrigen Tag in der „LVZ“ gelesen, welche Vorstellungen wir haben, um die BAföG-Mittel einzusetzen. Es ist das gute Recht jeder Fraktion, eigene Vorschläge zu machen und in den anstehenden Haushaltsverhandlungen, die der neu gewählte Landtag führen wird, entsprechend zu diskutieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wünsche mir zukünftig eine ehrliche Diskussion zum einen von der Opposition, wenn es darum geht, Horrorszenarien auszumalen. Ich wünsche mir aber zum anderen auch eine ehrliche Diskussion darüber, was wir uns leisten möchten und leisten müssen. So schön und auch so richtig die Aussage ist, dass die Personalausstattung im Lehrerbereich 5 % über dem Durchschnitt der Flächenländer West liegt, so hat sie doch einen kleinen, für mich aber entscheidenden Haken: Wir geben uns in die Hände anderer, was die Finanzierung, aber auch die Ausgestaltung des Bildungssystems anbelangt. Wir sollten selbst darüber bestimmen können, was wir in der Bildungspolitik, welche Klassengrößen und welche qualitativen Angebote wir für notwendig erachten. Wir müssen dafür die entsprechenden Mittel und das entsprechende Personal bereithalten. Das sollte der Anspruch sein, den wir im Freistaat Sachsen haben sollten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die freie Schulwahl, die Absicherung des Unterrichts und ein qualitativ hochwertiges Angebot werden Themen sein, die im zukünftigen Haushalt eine Rolle spielen müssen. Mit dem kommenden Haushalt haben wir die Chance dafür zu sorgen, dass wir die gute Qualität sichern können und den Unterrichtsausfall in den Griff bekommen. Das geht aber nur, das sage ich ganz klar, mit ausreichend Lehrern in den Klassen.
Kollege Bläsner sprach für die FDP-Fraktion. Frau Kollegin Hermenau wird jetzt für die Fraktion GRÜNE sprechen. Bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Das, was die Empörung verursacht, die nicht nur hier im Parlament, sondern auch bei den Eltern nachzuvollziehen ist, ist der Mangel an Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Regierungshandelns in dieser Frage. Ich selbst bin eine interessierte Mutti eines Erstklässlers und höre so manches. Das ist doch ganz einfach.
Die wirkliche Überraschung ist doch, dass die Staatsregierung überrascht ist, dass es offensichtlich an Lehrern fehlt. Es ist doch kein Gewittersturm, der plötzlich hereingebrochen ist. Man kann über Jahre statistisch errechnen, wie viele Kinder vorhanden sind. Wir reden hier auch jenseits statistischer Irrtümer. Die Kinder sind nicht aus Versehen vom Himmel gefallen. Sie gibt es schon eine ganze Weile. Man kann das ausrechnen. Unerwarteter Zuwachs und flexibles Regieren – das spielt mit der Intelligenz der Eltern. Das ist nicht in Ordnung.
Wer plan- und verantwortungsvoll regieren möchte – das wäre mir in diesem Land deutlich lieber –, hat das Problem kommen sehen. Ein Minister trat zurück. Ein bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion trat zurück, um die echten wahren Zahlen durchzusetzen und publik zu machen. Das muss man sich einmal vorstellen. Die Staatsregierung würde gut daran tun, ihren Fehler einzugestehen – er ist jenseits von statistischem Irrtum und normaler Fluktuation durch Schwangerschaft einer Lehrerin – und die Prognosen zu korrigieren.
Der Bürger, die Eltern, die Kinder und die Schule – das ist doch nicht wie im Prokrustesbett, wo man streckt und den Kopf abschlägt. Beides ist fatal. Der Staat hat nicht die Eltern und Kinder passend zu machen, sondern der Staat soll für die Bürger passen. Man jongliert mit Lehrern und Stellen sowie Vollzeitäquivalenten, rechnerischen Einstellungen, wie es gerade passt. Einmal passiert das nach Schuljahren und ein anderes Mal nach Kalenderjahren, wie es einem gerade passt. Das ist kein verantwortliches Regieren. Das wissen Sie ganz genau. Deswegen erfolgt dieses Beschimpfungskonzert auf die Opposition.
Jenseits von all diesem Chaos, welches ich beschreibe und Menschen in diesem Land verunsichert, stehen wir noch vor einer viel größeren Herausforderung: Das ist die Frage nach der Qualität der Schule in Sachsen. Gute Lehrer werden gebraucht. PISA-Studien, die gerne als Monstranz vor sich hergetragen werden, haben inzwischen hier in Sachsen ein Verfallsdatum. Das hat damit zu tun, dass die hohe fachliche Kompetenz vieler Lehrer natürlich noch aus der damaligen DDR-Ausbildung, das muss ich ehrlicherweise anerkennend sagen, herrührt. Der fachfremde Einsatz von Lehrern und die Abordnung an andere Schularten zerstört Schritt für Schritt diese PISAMonstranz oder – man könnte es auch anders sagen – eines der führenden Ausbildungsländer in dieser Bundesrepublik zu sein. Im „Spiegel“ wurde zitiert, das müsste
Ihnen eigentlich peinlich genug sein, dass Sachsen noch von der sozialistischen Planwirtschaft, – ich zitiere – „in der Lehrer nach Bedarf ausgebildet wurden und nicht gemäß der Vorlieben der Lehramtsstudenten“, profitiert. Das möchte ich nicht zurück. Das ist keine Frage.
Was, bitte schön, haben wir in der Demokratie stattdessen anzubieten? Was haben wir stattdessen? Das, was Sie abliefern, ist nicht überzeugend, um deutlich zu machen, dass das früher auch nicht in Ordnung war. Das ist das Problem. Die fachspezifische Ausbildung muss der Standard sein und bleiben. Befristungen, die ausgesprochen werden, sind problematisch. Ich kann verstehen, dass man in der Verwaltung eine gewisse Flexibilität haben möchte, um zu testen, ob alles so funktioniert. Das kann ich noch nachvollziehen.
Aber natürlich verstehe ich auch das Bedürfnis, insgesamt Lehrer in Sachsen zu halten, gerade die, die neu eingestellt werden. Mecklenburg-Vorpommern fängt an, mit der Ostseeküste um Lehrer zu werben statt mit guten Schulen. Das kann doch nicht unser Maßstab sein. Die große Herausforderung wird auch noch sein, dass wir zu wenige Lehrer oder Lehramtsanwärter haben, die ein Lehramt an der Mittelschule oder an der Grundschule anstreben. Auch hier steht die Frage der Qualität wieder an erster Stelle.
Ich will es einmal so sagen: Die Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen stellen die größte Angestelltengruppe im Freistaat. Hier ist ein verlässliches, erkennbares und transparentes Personalentwicklungskonzept nicht irgendeine Kür, sondern das ist eine Pflichtveranstaltung. Das hat man zu bringen.
Das ist auch deswegen so wichtig – da bin ich durchaus geneigt, die Diskussion zu führen, auch wenn diese zum Teil kritisch gesehen wird –, um den Spitzenplatz in der Bildung zu halten. Das ist doch auch ein gewichtiger Standortfaktor und nicht nur eine Frage der Pflicht gegenüber unserer nächsten Generation, dafür zu sorgen, dass sie die bestmögliche Ausbildung bekommt, sondern das ist auch eine Frage, wie wir mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen der Zukunft, die aufgrund des demografischen Wandels einfach vor der Haustür stehen, fertig werden. Ich finde, dass das, was Sie hier abliefern, in dieser Frage einfach nicht geht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal ist es nicht von Vorteil, das Thema einer Aktuellen Debatte frühzeitig zu benennen. Gerade in Wahlkampfzeiten ist es dadurch der Koalition möglich, frühzeitig auf dieses Thema zu reagieren und so der
Zum Glück hat DIE LINKE aber ein Thema in petto, das sich wie ein roter Faden durch fast jede Ausschusssitzung und nahezu jede Plenarsitzung zieht und auch regelmäßig hier im Plenum behandelt wird: die Personalsituation im Schulbereich.
In fast schon ritualisierter Form wird der entsprechende Berichtsantrag von Frau Falken Jahr für Jahr im Ausschuss oder im Plenum eingebracht, und genauso regelmäßig werden die Berichte dann zu einem Zeitpunkt eingefordert, an dem speziell für die Berufsschulen noch gar keine abschließende Beurteilung möglich ist. Das hat wiederum zur Folge, dass der Antrag mehrfach besprochen und dann eben auch mehrfach vertagt werden muss, was offensichtlich so gewollt ist. Wie anders sonst ist dieses Verhalten zu erklären?
Nun ist es aber leider so, dass die Personalsituation im Schulbereich tatsächlich alles andere als befriedigend ist. Seit Jahren sind die Planstellen auf Kante genäht. Hinzu kommen krankheitsbedingte Ausfallzeiten unter Sachsens Lehrern. Nach Angaben des Landespersonalrates fehlte 2013 von den 33 342 Lehrern in Sachsen krankheitsbedingt im Schnitt jeder 13,5 Tage pro Jahr. 2008 lag dieser Ausfallwert noch bei 11,2 Tagen. Das ist ein klarer Beleg für die zunehmende Überalterung und Überlastung der sächsischen Lehrerschaft. Besonders betroffen sind Lehrer von Förderschulen. Hier lag die krankheitsbedingte Ausfallzeit bei durchschnittlich 18 Tagen pro Jahr. Weitere Zahlen möchte ich mir jetzt an dieser Stelle ersparen, sie wurden auch von meinen Vorrednern ausführlich genannt.
Aber auch im Bereich der Lehrerstellen hat sich in den letzten Tagen einiges bewegt. Es ist zumindest ein gewisses Bestreben der Koalition erkennbar, auch hier der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Es ist nicht zu übersehen, dass mit Frau Kurth eine Ministerin am Werk ist, die deutlich mehr finanzielle Mittel im Schulbereich herausholt, als es ihrem Vorgänger gelungen ist. Liegt es daran, dass hier eine erfahrene Netzwerkerin die Zügel in der Hand hält und in gewissen Dingen dem stets korrekten, aber doch oft etwas steif wirkenden Prof. Wöller überlegen ist? Einiges spricht dafür, dass es so ist. Wie anders ist es zu erklären, dass Frau Kurth nur andeutungsweise bereit ist, Einzelheiten über den Verhandlungsstand preiszugeben? Warum legt sie nicht die Karten auf den Tisch, und was hindert die Staatsregierung insgesamt, ein für allemal die Personalsituation im Schulbereich zu klären? Am Geld allein kann es doch nicht liegen, hätte doch der Freistaat genügend finanzielle Mittel zur Verfügung, um dieses Problem zu lösen, wenn er wollte. Woran dann?
Fakt ist, dass heute eingestellte Lehrer unbefristete Stellen bekommen müssen, um sie dann auch dauerhaft hier zu halten. Tatsache ist auch, dass Statistiker sich den Kopf darüber zerbrechen, dass wachsende Schülerzahlen, soweit sie nicht auf eigener Reproduktion beruhen, nicht
von Dauer sein werden. Macht man sich seitens der Staatsregierung möglicherweise auch Gedanken darüber, in zehn oder 15 Jahren nun wieder vor einem Personalüberhang zu stehen? Möglich wäre es.
Wenn allerdings, wie offensichtlich geplant, die Schleusen der Einwanderung weiter geöffnet werden sollen, sind für die Bildung erst recht zahlreiche Lehrkräfte vonnöten. Selbst die zurzeit überzähligen Deutschlehrer könnten dann, mit der Zusatzqualifikation Deutsch als Zweitsprache versehen, allesamt abgerufen werden. Warum spricht niemand diese Möglichkeit aus? Will man den Michel über seine Pläne im Ungewissen lassen oder hat man gar nicht vor, das Bildungsniveau der Einwanderer, wenn es sich ausnahmsweise einmal nicht um die sagenumwobenen Fachkräfte handeln sollte, zu heben? Fragen über Fragen.
Wir als NPD-Fraktion werden auch künftig gerade diesen Blick auf Bildungspolitik immer wieder thematisieren.
Der Abg. Löffler sprach für die NPD-Fraktion. Wir sind jetzt am Ende der ersten Runde angelangt und eröffnen eine zweite Runde. Frau Kollegin Falken, Sie werden jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE ergreifen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich gestern früh beim Frühstück die Zeitung las, wie ich das jeden Morgen tue und Sie dies sicherlich auch so handhaben, las ich den Artikel und stellte fest: Oh, ganz toll, das Schuljahr ist gut vorbereitet, Herr Tillich hat ein Machtwort gesprochen. Jetzt wird alles gut. Aber ich hatte den Artikel noch nicht einmal zu Ende gelesen, da rief ein Lehrer aus der Förderschule Am Rosenweg an und teilte mir mit: „Conny, das, was da in der Zeitung steht, stimmt überhaupt nicht!“
Ich saß im Auto und fuhr zum Landtag. Das Telefon klingelte, die Elternvertreter einer Grundschule aus Leipzig riefen an und sagten: Frau Falken, stimmt denn das jetzt, was da in der Zeitung steht, oder stimmt das nicht?
Werte Vertreter der Staatsregierung, werte Frau Kultusministerin! Die Nebelkerzen sind inzwischen so groß, dass wir den Eindruck haben, dass Sie selber gar nicht mehr durchsehen, wie viel Bedarf wirklich da ist und wie viel Lehrer wirklich zur Verfügung gestellt werden.