Das war die Antragstellerin, die NPD-Fraktion, für die Herr Szymanski sprach. Jetzt treten wir in die Rednerrunde ein. Das Wort ergreift jetzt für die FDP-Fraktion Herr Kollege Herbst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, auch wir von der Koalition wollen ein besseres Europa, aber eines wollen wir nicht: Ihr Europa, wie die NPD, meine Damen und Herren. Wir wollen kein Europa des Fremdenhasses. Wir wollen kein Europa des Nationalismus. Wir wollen kein Europa, in dem Minderheiten diskriminiert und unterdrückt werden, und wir wollen kein Europa, wo Grenzzäune wieder hochgezogen werden. Deshalb haben wir eine grundsätzlich andere Vorstellung von Europa als Sie, meine Damen und Herren.
In diesem Jahr – das wissen wir – jährt sich der Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal. Wenn es eine Lehre aus diesem Krieg, aus nachfolgenden Kriegen, aus Dramen, die in Europa stattgefunden haben, gibt, dann muss es doch diese Lehre sein: Kooperation ist immer besser als Konfrontation. Auch deshalb brauchen wir die EU, meine Damen und Herren.
Natürlich, meine Damen und Herren, bei allen Problemen, die es in der EU gibt, gibt es auch Dinge, die uns als Freistaat ärgern – auch uns als FDP oder als Koalition. Trotzdem ist die EU im globalen Maßstab eine Erfolgsgeschichte; viele andere Regionen beneiden uns darum.
Es wird darum gehen, dass sich Europa auf seine grundsätzlichen Erfolgsprinzipien besinnt. Es geht darum, dass wir Wohlstand für möglichst viele auf diesem Kontinent schaffen, dass wir Freiheiten gewähren, die weit über die universellen Menschenrechte hinausgehen, und dass wir uns auch um Sicherheit kümmern, weil Europa eine Wertegemeinschaft ist, und die Zusammenarbeit in Europa macht uns sicherer – auch kleinere Länder, meine Damen und Herren, das sehen wir jetzt in der UkraineKrise.
Wir als Sachsen profitieren von Europa genauso wie Deutschland. Das kann man nicht nur an den Zahlungen für die EU ablesen, sondern auch an den wesentlichen wirtschaftlichen Effekten, die wir erzielen, weil etwa 60 % unserer Exporte in die EU gehen. Das ist der Grund dafür, warum wir eine Riesenrendite zurückbekommen und warum wir wirtschaftlich von der EU profitieren, meine Damen und Herren.
In Sachsen haben wir allein über 15 Milliarden Fördermittel seit der Wende bekommen. Auch das ist Europa.
Meine Damen und Herren, Europa sind aber nicht nur Zahlen oder abstrakte Wertschöpfungsrechnungen. Es geht auch um persönliche Begegnungen. Ich selbst konnte dank Europa, nämlich dank des ERASMUS-Programms, im Ausland studieren, musste dort keine Studiengebühren zahlen, konnte meinen Lebensunterhalt bestreiten, und genauso geht es 35 000 deutschen Studenten, die in diesem Jahr ihr Praktikum oder ihr Studium im Ausland machen. Auch deshalb möchte ich Europa nicht missen, meine Damen und Herren.
Ihr Bundesvorsitzender, Herr Pastörs, hat eine andere Auffassung von Europa. Er hat gesagt, man müsse die Staatsgrenzen nach kulturell-rassischen Gesichtspunkten neu ziehen, Europa sei das Land der weißen Rasse.
Meine Damen und Herren, wir sind für ein Europa des Wohlstands, wir sind für ein besseres Europa, aber wir sagen Nein zu einem rassistischen Europa nach den Vorstellungen der NPD.
Jetzt gehe ich weiter in der Rednerrunde. Für die Fraktion DIE LINKE ergreift Herr Prof. Besier das Wort.
Man sagt ja, Schadenfreude sei die schönste Freude. Aber lassen Sie mich altmodisch sagen: Das ist eine Charakterfrage.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will der Versuchung widerstehen, Ihnen die Mythen und Meistererzählungen, die die Menschen in Europa von der Antike bis zur Gegenwart befasst haben, vorzutragen; das wäre keine Aktuelle Debatte.
Wie Kollege Herbst sollten wir bei den beiden Weltkriegen anfangen. Den Politikern, die nun die europäische Bühne betraten, war eines sehr wichtig: Nie wieder Krieg in Europa! Nie wieder Hass zwischen den Völkern Europas! – Nicht zuletzt dieses Motiv stand hinter dem frühen Bemühen, Europa zu vereinigen, zu einem politischen Subjekt neuen Typs zu entwickeln.
Die Sehnsucht nach einem vereinigten Europa trieb viele junge Menschen beispielsweise zu nächtlichen Aktionen. Sie räumten symbolisch die Grenzbäume zwischen Deutschland und Frankreich beiseite, um zu verdeutlichen, dass beide Länder in einem Europa liegen. Unter diesen Demonstranten war übrigens der junge Helmut Kohl. Viele Jahrzehnte später, Anfang 2002, war es dem alten Helmut Kohl vergönnt, die Euro-Scheine, die man ihm vorgelegt hatte, zufrieden zu signieren. Er hatte damals den Eindruck, seinem Lebensziel, die Aussöhnung mit den europäischen Nachbarn voranzubringen, ein großes Stück näher gekommen zu sein. Ich war damals eher skeptisch und habe ihm nicht zugeraten, das zu machen. Er hat sich davon nicht abbringen lassen.
In den 1990er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts verbanden sich mit dem Europa-Gedanken noch eine Emphase und eine Leidenschaft, die heute – machen wir uns nichts vor – weithin verschwunden ist. Statt Euphorie macht sich so etwas wie Europa-Verdrossenheit breit, der die großen Ideen fremd sind und die nur noch auf die handwerklichen Fehler sieht. Diese wurden sicherlich gemacht, gar keine Frage.
Dabei ist die wirtschaftliche Integration Europas weit gediehen. An den finanzpolitischen Schritten – bis hin zur Bankenunion – lässt sich erkennen, dass die Europäer aus ihren Fehlern gelernt haben.
Mit der politischen Integration hapert es noch im geschichtsbeladenen, buntscheckigen Europa mit seinen unterschiedlichen Geschwindigkeiten, Arbeitskulturen
und auch Mentalitäten. Es gibt noch viel Zerrissenheit und sogar separatistische Strömungen; denken Sie etwa an das kleine Belgien.
Aber das alles ist doch kein Grund, EU-Europa den Abschied zu geben. Die Europäische Union ist das praktizierte Europa, nicht die himmelstürmende Idee, sondern der mühsame Pfad durch die Niederungen des Alltags.
Wir werden mehr für die politische und kulturelle Integration der EU tun müssen; das ist wahr. Aber die EU und Europa wollen wir uns doch nicht auseinanderdividieren lassen, womöglich mit dem Ziel, in eine enge Nationalitätenpolitik zurückzufallen.
Die deutsche Politik – über die verschiedenen Bundesregierungen hinweg – hat bisher an sich gar nicht so viel falsch gemacht. Zum Besten zähle ich, dass Deutschland trotz Drängens, etwa des polnischen Außenministers – was an sich schon ein Vertrauensbeweis ist –, der Versuchung widerstanden hat, sich als europäische Führungsmacht zu inszenieren. Ich hoffe, dabei bleibt es.
Herr Prof. Besier sprach für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt trägt Herr Gansel eine Kurzintervention vor.
Sehr geehrter Herr Präsident, ich möchte in der Tat kurzintervenieren. – Ich muss zugeben, dass der Redebeitrag von Herrn Besier sachlich und akademisch, aber in der Sache unserer Auffassung nach nichtsdestotrotz falsch gewesen ist.
Die real existierende Europäische Union ist mitnichten ein Friedensprojekt, sondern, gelinde gesagt, ein Konfliktprojekt.
Vor allem ist sie ein Umverteilungsprojekt, mit dem vor allem deutsches Steuergeld in südeuropäische Pleitestaaten umgeleitet wird und mit dem der deutsche Steuerzahler letztlich sogar noch marode Privatbanken in den südeuropäischen Staaten subventioniert. Insofern ist die EU ein Umverteilungsregime vor allem deutschen Steuergeldes.
Das ist nicht einfach eine platte NPD-Parole. Ich möchte bei dieser Gelegenheit daran erinnern, was der emeritierte Volkswirtschaftsprofessor Franz-Ulrich Willeke aus
Heidelberg errechnet hat. In einem seiner vielen Bücher ist nachzulesen, dass Deutschland in den Jahren von 1991 bis 2008 die Summe von 146 Milliarden Euro an Nettozahlungen geleistet hat. 146 Milliarden Euro Nettozahlungen! Das ist Geld, dass Deutschland nicht aus irgendwelchen EU-Töpfen zurückbekommen hat. Insofern haben wir es eindeutig mit einer Ausbeutung des deutschen Steuerzahlers zu tun. Diese Ausbeutung des deutschen Steuerzahlers – für eine verblasene, abstrakte Europa-Idee – macht die NPD nicht mit.
Wohin krampfhaft geschaffene Vielvölkerstaaten, die auch noch bundesstaatlich organisiert sind, führen, zeigt doch das Staatsmodell des früheren Jugoslawiens, das nach dem Zusammenbruch auch der Vielvölkerrepublik
Sowjetunion bedauerlicherweise in Blut und Boden auseinandergesprengt wurde. Die Völker Jugoslawiens wollten nämlich nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der Garantiemacht Sowjetunion in ihre nationale Freiheit zurück.
Insofern ist doch der jugoslawische Bürgerkrieg das beste, aber gleichzeitig auch das traurigste Beispiel dafür, was passiert, wenn Völker gegen ihren Willen, gegen ihre Natur in ein supranationales Staatsgebilde hineingepresst werden.
Deswegen ist ein Bundesstaat, ein europäischer Vielvölkerstaat nicht ein Projekt der Kriegsverhinderung, sondern der direkte Weg in blutige Völkerkonflikte. Das wollen wir als NPD gerade nicht.