Protocol of the Session on April 10, 2014

Sie möchten reagieren, Herr Prof. Besier?

Bitte.

Ich bedauere das. Herr Gansel, Sie befeuern Vorurteile. Sie schaffen Grenzen, wo keine sind.

(Jürgen Gansel, NPD: Sagen Sie etwas zu Jugoslawien!)

Ich fand es sehr schön, wie Herr Herbst erzählt hat, wie er Europa erlebt hat.

Wir hatten neulich einen Besucherdienst. Da fragte ein CDU-Abgeordneter den NPD-Abgeordneten: „Waren Sie denn schon mal irgendwo in Europa?“, und dieser sagte: „Nein.“ Das ist das Problem.

(Heiterkeit bei den LINKEN und den GRÜNEN – Dr. Johannes Müller, NPD: Was soll denn das Gerede? Quatsch! – Jürgen Gansel, NPD: Welcher Abgeordnete soll denn das gewesen sein?)

Sie müssen es erfahren, sie müssen diese neue Offenheit erleben. Dann werden Sie vielleicht anders urteilen. Das hat also mit Erfahrung, mit Emotionen zu tun.

(Jürgen Gansel, NPD: Welcher Abgeordnete soll das gewesen sein?)

Darüber rede ich doch nicht. Ich stelle doch nicht einen Ihrer Abgeordneten bloß. Das tue ich nicht. Aber diejenigen, die dabeigewesen sind, können sich gut daran erinnern.

(Holger Szymanski, NPD: Sie sind ein frecher Lügner!)

Aber verstehen Sie? Das ist der Punkt, der den Kollegen Herbst mit mir verbindet. Wir haben Europa erlebt. Von daher haben wir ein ganz anderes Verhältnis dazu. Bedenken Sie das doch einmal!

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Gibt es in der ersten Runde weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Den sehe ich nicht.

Wir eröffnen die zweite Runde. Die Antragstellerin, die NPD-Fraktion, ergreift erneut das Wort. Bitte, Herr Szymanski.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Prof. Besier und Herr Herbst haben es erwähnt: Ja, nachdem Europa nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern lag, lag der Gedanke einer intensiven Zusammenarbeit der europäischen Staaten mit dem Ziel eines Ausgleichs verschiedener Interessen in der Luft und traf auf große Zustimmung in der Bevölkerung. Nie wieder sollten zum Beispiel Deutsche und Franzosen in einem Krieg aufeinander losgehen, sondern sie sollten gemeinsam an dem Projekt Europa arbeiten. Von dem „Friedensprojekt der europäischen Einigung“ war die Rede. Das war so.

Es ging der Mehrheit damals allerdings nicht darum, die verschiedenen Staaten zu vereinheitlichen und alle in einem Zwangskorsett zusammenzupferchen. Man war damals noch meilenweit entfernt von dem Dirigismus und Zentralismus, wie wir ihn heute in Brüssel erleben.

(Beifall bei der NPD)

Einen Trend dazu gab es allerdings schon damals. Es war einer der Väter der sozialen Marktwirtschaft, Prof. Wilhelm Röpke, der vor den gefährlichen Tendenzen einer Zwangsvereinigung von Volkswirtschaften warnte, die heute den Kern des Problems der Europäischen Union ausmachen. Wilhelm Röpke wies darauf hin, dass zum Beispiel die Schweizer Eidgenossenschaft auch nicht mit einer „kantonalen Union der Käsereien“ begonnen habe, „sondern mit einem Akt trotziger Selbstbehauptung gegen die äußere Bedrohung der Freiheit und mit dem sich ausbreitenden Gemeinschaftsgeist, der dieser Lage entsprang.“

Für Röpke lag also das Wesen Europas in seiner Vielfalt und nicht in einer künstlichen Einheit, wie wir sie heute erleben und wie sie angestrebt wird. Auch der bekannteste Vater der sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, war kein Freund einer Zentralisierung und stand der EWG deshalb damals skeptisch gegenüber. Ich weiß nicht, ob er die heutige EU vor Augen hatte, als er in seinem sehr bekannten Buch „Wohlstand für alle“ schrieb: „Es ist aber völlig illusionistisch anzunehmen, dass man in dieser Welt, das heißt in einer konkurrierenden, im Wettbewerb

stehenden Welt in Bezug auf die einzelnen Kostenfaktoren gleiche Startbedingungen herbeiführen könnte. Dieses Ziel auch nur anstreben zu wollen müsste einen Dirigismus und Dilettantismus sondergleichen auslösen.“ – Kein NPD-Politiker, sondern Ludwig Erhard von der CDU.

Genau das, was Ludwig Erhardt befürchtete, erleben wir aber heute insbesondere beim Euro und bei der EuroRettung. Genau das merken die Menschen in Europa und sie sind wütend, dass sie darüber nicht mitbestimmen können. Wenn sie nämlich gefragt werden, wie vor einigen Jahren bei der Abstimmung über die EUVerfassung in Frankreich und in den Niederlanden, dann sagen sie Nein. Damit war die EU-Verfassung zunächst Geschichte. Deshalb kehrte man auf EU-Ebene wieder zurück zur Politik der sogenannten kleinen Schritte in Gestalt des Lissabon-Vertrags und befragte mit einer Ausnahme die Bürger gar nicht erst, ob sie dem zustimmen oder nicht.

Wie diese perfide Politik der kleinen Schritte funktioniert, hat Jean-Claude Juncker in einem Interview mit dem „Spiegel“ beschrieben: Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nichts begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter. Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.

(Jürgen Gansel, NPD: Eine sehr demokratische Philosophie!)

Maßgeblich entwickelt hat diese Politik der vielen kleinen Unumkehrbarkeiten der französische Politiker Jean Monnet, wie auch die österreichische FPÖ-Abgeordnete Barbara Rosenkranz in ihrem soeben erschienenen Buch „Wie das Projekt EU Europa zerstört“ detailliert nachweist. Dieser Jean Monnet besaß übrigens – auch das passt zur heutigen EU – nie eine demokratische, parlamentarische Legitimation. Die erwähnte Frau Rosenkranz bringt noch ein weiteres Zitat von Ludwig Erhard in ihrem Buch: „Die soziale Harmonisierung steht nicht am Anfang, sondern am Ende der Integration. Sie ist nicht durch gequälte Konstruktionen zu verwirklichen, sondern durch eine Angleichung der Lebensformen und Lebensvorstellungen.“ Das kann man eben nicht künstlich erzwingen, wie wir das heute in Europa erleben.

(Beifall bei der NPD)

Wir müssen uns über diese zum Teil gewalttätigen Demonstrationen, wie zum Beispiel in Athen auf dem Syntagmaplatz, wo ich übrigens auch schon gewesen bin, Herr Prof. Besier, nicht wundern. Nein, diese Politik führt zu Neid und Verdruss. Das ist das, was wir in Europa nicht wollen, auch wir nicht als NPD.

(Beifall bei der NPD)

Die Alternative zu dieser EU ist das Europa der Vaterländer, wie es ursprünglich Charles de Gaulle einmal vorgeschlagen hat. Das wurde allerdings nach seinem Rücktritt als Staatspräsident nicht weiter verfolgt. Diesen Trend zur

Vereinheitlichung, der zum Untergang der europäischen Völker und Kulturen führen kann, werden wir als NPD nicht widerstandslos hinnehmen.

Die Redezeit ist zu Ende.

Wir sind uns dabei einig mit Millionen von Europäern. Wer Europa wirklich liebt, der kann diese Europäische Union nur ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Das war Herr Szymanski für die einbringende NPD-Fraktion. Gibt es von den Fraktionen weiteren Redebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Das Wort ergreift Herr Staatsminister Dr. Martens.

(Holger Szymanski, NPD: Nicht nur zu Protokoll geben!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

(Holger Szymanski, NPD: Der große Europäer!)

In dieser Debatte versucht die NPD-Fraktion in deutlich leiseren Tönen als in der Vergangenheit gleichwohl ihre – wie ich finde – nur schwer erträglichen Ansichten über Europa unters Volk zu bringen, und dabei werden natürlich all jene sattsam bekannten Klischees wieder hervorgeholt, die benutzt werden, um die Idee der europäischen Einigung und die Europäische Union zu diskreditieren.

(Holger Szymanski, NPD: Tatsachen, keine Klischees!)

Da wird von einem bürokratischen Monster gesprochen, mal wieder das Bild vom armen Michel bemüht, der für die EU-Bürokraten zahlt und dann, wie heißt es, die „Ausbeutung der Steuerzahler durch die Europäische Union“ angeprangert.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Herr Gansel, der schon wieder dazwischenkreischt, meinte dann, 146 Milliarden Euro hätte jemand ausgerechnet, die für die EU netto zwischen 1991 und 2008 gezahlt worden wären.

(Arne Schimmer, NPD: Prof. Willeke von der Uni Heidelberg!)

Ich weiß, Sie berufen sich immer auf irgendwelche angeblich neutralen Experten, und am Ende stellt man fest, dass es ein Zitat des bedeutenden Historikers David Irving ist.

(Holger Szymanski, NPD: Ich habe Ludwig Erhard und Wilhelm Röpke zitiert. Die sollten Sie auch kennen!)

146 Milliarden von 1991 bis 2008 stellen Sie in den Raum. Die öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik haben in diesem Zeitraum nicht 146 Milliarden, sondern 5 100 Milliarden ausgegeben. Um die Größenordnung zurecht zu schieben: Diese 5 100 Milliarden der öffentlichen Haushalte sind zum großen Teil auch im Ausland erwirtschaftet worden. Die öffentlichen Haushalte leben von dem Geld, das die deutsche Wirtschaft im Ausland verdient. Wir stellen mehr Autos her, auch in Sachsen, als wir in Deutschland oder in Sachsen brauchen. Wir verdienen Geld damit, dass Franzosen, Italiener, Niederländer, Belgier, Briten, Schweden, Dänen, Polen und Tschechen deutsche Autos kaufen, neben den USA, meine Damen und Herren.

(Alexander Delle, NPD: Das ist doch okay!)

Aber der große Teil des Handels findet mit der Europäischen Union statt und dort verdienen wir Geld. Das ist in dem genannten Zeitraum ein Vielfaches dessen, was wir an die Europäische Union gezahlt haben.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir sind nicht nur das größte Land in der Europäischen Union, wir sind bei Licht betrachtet auch der größte wirtschaftliche Gewinner der Europäischen Union.