– und mich auf die Rede von Herrn Brangs beziehen, der davon gesprochen hat, was im Jahr 2000 hier im Landtag passiert ist. Ich war damals nicht dabei, als Ihr Vorvorgänger Herr Adler und Herr Bandmann sich damals ein Wortgefecht geliefert haben. Sie haben sich damals gefetzt, so haben Sie es gesagt, ob die Schmierereien, die man sieht, wenn man mit der Bahn nach Dresden hineinfährt, Kunst oder Sachbeschädigung sind. Heute sind wir uns doch einig, dass das ganz eindeutig Sachbeschädigung ist. Wenn jemand das Eigentum fremder Leute beschmiert, ohne dass die Eigentümer das wollen, dann brauchen wir nicht darüber zu diskutieren, ob das Kunst ist oder Sachbeschädigung, das ist Sachbeschädigung. Das ist das eine.
Das andere. Herr Pohle hat genickt. Ich denke, er hat deswegen genickt, weil Sie beschrieben haben, warum die Zahl der Sachbeschädigungen in Leipzig nach oben geht: weil die Sozialdemokraten wegsehen und nichts tun. Deswegen hat Herr Pohle genickt und damit hat er völlig recht.
Jetzt möchte ich Ihnen, Herr Brangs, doch noch zustimmen. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, was die Ursachen sind. Diesen Anstoß soll der Antrag geben. Es ist eine Jugendsubkultur und Jugendliche wollen Raum. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie sich Jugendliche ausleben können. Das gehört selbstverständlich dazu, aber deswegen können wir noch lange nicht zulassen, dass sachsenweit Sachbeschädigungen durch Graffiti zunehmen. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt.
Sehr gern, Herr Präsident. Lieber Kollege, was Sie zum Schluss ausgeführt haben, steht nicht in dem Antrag. Das ist mein Vorwurf: dass Sie nicht konkret geworden sind. Was Sie gerade getan haben, wäre mal ein konkreter Punkt gewesen, den man in einen Antrag hätte gießen können. Das haben Sie nicht getan. Ich frage mich, warum das der Fall ist. Warum nähern Sie sich dem Thema durch immer weitere Berichtsanträge?
Des Weiteren würde ich vorsichtig sein, wenn Sie darüber sprechen, dass die Sozialdemokraten in Leipzig es toll finden, wenn irgendwelche Leute Sachbeschädigungen begehen und Wände vollschmieren. Das ist auch eine Klatsche gegenüber der Polizei, die dort ermitteln muss, und eine Klatsche gegenüber denjenigen, die das in Leipzig zu verantworten haben. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Kollege Merbitz in unsere Partei eingetreten wäre. Insofern ist das abstrus, was Sie hier zu konstruieren versuchen. Es geht hier im Wesentlichen darum, bei einem sehr komplexen schwierigen Thema, zu dem es bei den Menschen ganz unterschiedliche Empfindungen gibt, mit einfachen populistischen Botschaften etwas zu verklären, was dieser Antrag nicht enthält. Was Sie dort hineininterpretieren, ist nicht Gegenstand Ihres Antrags, sondern Sie lassen sich erneut – ich sage es noch einmal – nach 14 Jahren berichten und sagen nicht, was Sie ändern wollen.
Meine Damen und Herren, wir setzen mit der Aussprache fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Dr. Gerstenberg. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sind die Dinge klar. Straftaten müssen von Strafverfolgungsbehörden ermittelt und verfolgt werden. Das ist die gesetzliche Aufgabe von Staatsanwaltschaft und Polizei. Illegale Graffiti sind Straftaten, wenn sie einen Straftatbestand erfüllen. Einer Sachbeschädigung macht sich strafbar, wer eine fremde Sache beschädigt oder zerstört. Die Strafverfolgungsbehörden werden dann auf Antrag oder von Amts wegen aktiv, wenn sie ein besonderes öffentliches Interesse bejahen.
Wir kennen auch die mitunter schwierige Abgrenzung, wann tatbestandlich eine Straftat vorliegt, aber dabei hilft uns doch diese Debatte nicht weiter. Dafür braucht es doch keine politische Willensbildung hier im Sächsischen Landtag. Dafür gibt es Staatsanwaltschaften und Gerichte. Wozu also diese Debatte?
Offensichtlich geht es der Koalition aus CDU und FDP doch und wieder einmal darum, sich als Garant für Law and Order zu präsentieren.
Da ist Ihnen der große Topf von „Graffitischmierereien“ gerade recht. Sie lassen Ihren Sorgen um eine sichere und saubere Stadt freien Lauf und im Zweifel müsse man eben über schärfere Gesetze nachdenken. So kann man es sinngemäß aus Ihrer Begründung herauslesen. Allein – Ihnen fehlt die Tatsachengrundlage. Ihnen fehlen Zahlen, Tatmotive und Tatmittel. Die wollen Sie sich mit Ihrem Antrag erst verschaffen.
Sie geben vor, aufklären zu wollen, aber Sie haben Ihr Urteil bereits getroffen. Sie fordern schon mal in der Überschrift die Bekämpfung zu verstärken, selbstverständlich nur von illegalen Graffiti, auch wenn Ihnen, das zeigt die Debatte, Kollege Pohle, generell Schmierereien von Übel sind. Sie bemühen die moralisierende Kategorie des Respekts vor dem Eigentum. Von wem meinen Sie eigentlich diesen Respekt einfordern zu müssen? Auch von Graffitikünstlern und von denjenigen, die nicht von vornherein stigmatisieren, sondern die legale Entfaltungsmöglichkeiten schaffen wollen? Auch von den Polizisten, die das öffentliche Interesse nicht bejahen können, weil sie bei immer ausgedünnteren Besetzungszahlen alle Hände voll zu tun haben, wenigstens Gefahr für Leib und Leben abzuwenden?
Ich habe heute auch nichts von Ihnen gehört, dass Sie sich an menschenverachtenden, diskriminierenden Botschaften stören, die Stadtteile überziehen und Schwärzungen nach sich ziehen, weil Bürgerinnen und Bürger das so nicht vor ihrem Haus stehen lassen wollen.
Ich möchte Ihnen ein Präventionsbeispiel geben. Die GRÜNE-Stadtratsfraktion hat in Dresden einen Antrag eingebracht, der Graffiti als Street Art ernst nimmt und auf einen Interessenausgleich abzielt. Wir wollen erreichen, dass sich die Stadt Gedanken macht, an welchen städtischen Objekten und Liegenschaften, Schulen, Kitas und Ortsämtern geeignete Flächen vorhanden sind, die für Urban Art freigegeben werden können. Daraufhin soll eine Übersicht erarbeitet und veröffentlicht werden, in der die Nutzungsart und -dauer beschrieben wird, nämlich zum Beispiel die Gestaltung als Kunstprojekt, eine freie legale Nutzung, aber eben auch eine Gestaltung als Projekt der Graffitiprävention, die Tabus und Tabuzonen festlegt.
Wir wollen, dass die Stadt mit den Eigentümern, zum Beispiel der Bahn, der VVO, den Wohnungsgenossenschaften, den privaten Eigentümern, Verhandlungen führt über geeignete Wände und Flächen, die für eine legale Nutzung durch Street Artists freigegeben werden können. Kollege Karabinski, es ist schon verwunderlich, wenn wir aus der Lokalpresse entnehmen müssen, dass im Ortsbeirat Prohlis gerade vom FDP-Vertreter Staudinger die schärfste Kritik an einem solchen Präventionsprojekt erfolgt.
Kollege Pohle, Sie sprachen am Anfang davon, Graffiti wäre schädlich für den Tourismus. Sie haben offensicht
lich nicht die Vorstellung, dass Graffitis Kunstwerke sein können. Ich möchte Ihnen helfen. Graffitis sind auch tourismusfördernd.
Das zeigt zum Beispiel das Angebot in der Stadt Dresden mit beliebten Graffiti- und Urban-Art-Touren. Es gibt dort zum Beispiel – gut geeignet für Sie – Street Art und Wandmalerei als Angebot für 15 Euro zu haben. Ich würde es Ihnen gern spendieren.
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wir werden heute Ihrem Antrag nicht zustimmen, nicht weil wir Eigentum nicht respektieren würden, sondern weil wir nicht darauf setzen, mit Stimmungsmache für öffentliche Sicherheit zu sorgen.
Sie sind für uns nur glaubhaft in Ihrem Einsatz für öffentliche Sicherheit, wenn Sie sich solchen Konzepten, wie wir sie gerade als Stadtratsfraktion in Dresden vorgeschlagen haben, nicht verschließen, wenn Sie die Polizeipräsenz nicht immer weiter zurückfahren und die Sicherheitslage in Großstädten umfassend betrachten.
Lassen Sie mich einmal einen anderen Gesichtspunkt der Sicherheit bringen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Zahl der Fahrraddiebstähle in Sachsen seit 2010 um bis zu 50 % gestiegen ist. Das hat meine Kollegin Eva Jähnigen in einer Kleinen Anfrage erfahren. Es ist doch wohl keine Frage, dass Diebstahl zu bestrafen ist, genau wie Sachbeschädigung durch Graffiti. Damit das gelingt, müssen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen, verhindern, dass die Entscheidung sächsischer Polizisten mangels Ressourcen nicht lauten muss: entweder-oder. Sie müssen sich für eine ordentliche Ausstattung der sächsischen Polizei starkmachen und hier im Plenum nicht die rhetorische Law-and-order-Keule schwingen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte mich am Anfang meiner Ausführungen zunächst für die Einsicht der Koalition, die der Einbringung dieses Antrages zugrunde zu liegen scheint, bedanken. Es ist die Einsicht, dass der Antrag mit der Drucksache 5/12859 der NPD-Fraktion vom Oktober des vergangenen Jahres mit dem Titel „Bekämpfung der Graffiti-Kriminalität im Freistaat Sachsen“ doch bedenkenswerter ist, als man damals einräumen wollte. Unser damaliger Antrag wurde vom CDU-Abgeordneten
Hartmann als – Zitat – „entbehrlich“ bezeichnet, weil er – Zitat – „einen Bericht fordert, den wir in den entsprechenden Präsentationspublikationen auch des Sächsischen
Staatsministeriums des Innern und des Landeskriminalamtes nachlesen können“. Überdies konstatierte Herr Hartmann, dass er keinen Handlungsbedarf in dieser Sache erkennen könne.
Ein halbes Jahr später kommen nun die CDU und FDP selbst mit einem Berichtsantrag um die Ecke, der die Bekämpfung illegaler Graffiti zum Inhalt hat. Einen Dank wird es vonseiten meiner Fraktion jedoch nicht geben. Die einzige Einsicht, die diesem Antrag zugrunde liegt, ist die Erkenntnis, dass es sich im beginnenden Wahlkampf ganz gut macht, den Hüter der öffentlichen Ordnung zu spielen. Deshalb fordert der Antrag auch keinerlei konkrete Maßnahmen, die dem Graffitiunwesen Einhalt gebieten könnten.
Er steht damit in einer Reihe mit dem Antrag 3/0831 der CDU aus dem Jahr 2000, der auch schon öfters erwähnt wurde. Dieser beinhaltete lediglich sechs Fragen zu diesem Thema. Die seinerzeit von Innenminister Hardraht in der Antwort aufgeführten Maßnahmen enthielten zwar eine erstaunliche Fülle konkreter Projekte im Rahmen der polizeilichen Prävention, Sensibilisierung der Bevölkerung und erhöhten Ermittlungsdrucks; sie sind aber seither nach und nach im Sande verlaufen.
14 Jahre CDU-geführter Staatsregierung, in denen auch das Innenministerium in den gleichen Händen lag, haben an dem bestehenden Problem nichts, aber auch gar nichts geändert. Warum? Das Problem ist Ihnen im Prinzip wurscht, solange es nicht die eigenen vier Wände sind, die verschönert werden. Ansonsten ist das Thema für Sie nicht mehr als ein Wahlkampfvehikel, mit dem Sie sich als Ordnungskraft aufspielen wollen.
Unseren Antrag vom letzten Herbst haben Sie ebenso wie den NPD-Antrag aus dem Jahr 2006 mit der Drucksachennummer 4/6582, der den Titel „Bekämpfung von unerlaubten Veränderungen des Erscheinungsbildes
fremder Sachen (Graffiti-Kriminalität) in Sachsen“ trug, abgelehnt. Letzteren haben Sie sogar in namentlicher Abstimmung und unter Verzicht auf jegliche Art der Stellungnahme abgelehnt. Die Sicherheit der Bürger im Freistaat Sachsen ist für Sie bestenfalls Nebensache. Die Graffitischmierereien bilden dabei keine Ausnahme.
Was tut man nicht alles, um dem Wähler zu gefallen? Innenminister Ulbig geht sogar so weit, dass er in der Asylfrage derzeit einen recht harten Kurs fährt, um so auf die Forderungen der Bürger einzugehen, denen die NPD ihre Stimme verleiht. Das Spiel ist jedoch für jeden politisch interessierten Bürger durchschaubar: Wahl vorbei, Aktionismus auch vorbei. Aus diesem Grunde wird sich die NPD-Fraktion, obwohl sie das inhaltliche Anliegen an sich teilt, der Stimme trotzdem enthalten.
Recht vielen Dank, Herr Präsident! Zunächst einmal freue ich mich über die lebhafte Debatte und den Austausch von Meinungen und Standpunkten. Ich bin jedoch überrascht, wie dieser von uns zur Debatte gestellte Antrag diskutiert wird. Die Art und Weise, wie einige Kollegen mit einer vorgefertigten Meinung in die Bütt gehen, ohne auf das vorher Gesagte Rücksicht zu nehmen, überrascht mich sehr. Man schlägt und trägt einen Antrag im Plenum vor und wünscht sich einen Austausch von Argumenten.
Herr Gerstenberg, Sie sprachen von einer Tourismusförderung. Ich möchte das anhand eines Beispiels belegen. Graffiti und Schmierereien sind ein weltweites Problem. Es ist Jahrhunderte alt. Vor wenigen Monaten ereignete sich in Ägypten folgender Vorfall: Ein kleiner Chinese beschmierte den Lendenschurz von Alexander dem Großen auf chinesisch mit dem Graffiti „Ding Jinhao war hier“. Der Direktor des dortigen Museums behandelte dies sehr locker, obwohl der Schaden mehrere Tausend Euro betrug. Er sagte, dass in den 1890er Jahren bereits jemand den Lendenschurz beschmiert hatte. Wissen Sie, worin jedoch der Unterschied liegt? Die Eltern dieses kleinen Chinesen haben sich stellvertretend für ihren Schützling und für die Chinesen bei den Ägyptern entschuldigt. Können Sie sich vorstellen, dass sich die Jugendlichen oder die Eltern der Straftäter jemals für ihre Taten oder Schützlinge entschuldigen? Wie weit sind wir in dieser Gesellschaft gekommen? – Ich wollte dieses Beispiel nur einmal anführen.