Protocol of the Session on October 16, 2013

Den hier aufgezeigten Weg über die Entfristung im Bildungs- und Teilhabepaket wollen Sie nicht unterstützen. Das halte ich für eine grob fahrlässige Politik.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, wollen Sie sich dazu äußern? – Nein. Wir kommen nun zum Schlusswort. Es wird gehalten von Frau Werner von den LINKEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es nur noch einmal sagen: Die Schulsozialarbeit und das Mittagessen im Hort wurden als Teil des Kompromisses des Bildungs- und Teilhabepaketes mit an die Kommunen übertragen. Die Fachaufsicht und die Weisungspflicht dazu wurden den Ländern übertragen. Ich finde es unredlich, dass die Staatsregierung in Sachsen offensichtlich durch Untätigkeit das Ganze mehr oder weniger unterlaufen hat. Ich muss fragen: Was sind im Land Kompromisse von CDU und FDP überhaupt noch wert?

Weiterhin wurde das Bildungs- und Teilhabepaket in Form der Schulsozialarbeit aus unserer Sicht auch missbraucht. Ich denke, dass es der Staatsregierung ganz recht gewesen ist, dass die zusätzlichen Bundesmittel für den Haushalt kamen – das waren immerhin knapp 90 Millionen Euro in den letzten drei Jahren –, und so hat sich die Staatsregierung zwei Jahre kommunalen Frieden erschlichen. Das Land hätte hier anders agieren können.

Frau Schütz, da Sie die kommunale Selbstverwaltung ansprachen: Diese Krokodilstränen kann ich schon gar nicht mehr sehen. Das ist Ihnen immer dann recht, wenn es nichts kostet. An anderer Stelle, wo wir als Kommunen die Unterstützung des Landes bräuchten, wird entweder hineinregiert, zum Beispiel bei der Schulnetzplanung, oder es gibt nicht die Gelder, die uns zustehen, beispielsweise beim ÖPNV. Der Mehrbelastungsausgleich für die Kommunen reicht hinten und vorn nicht. Beim Thema Asyl gibt es nicht die Unterstützung durch das Land und die Kommunen bleiben auf ihren Kosten sitzen.

Zum Thema Lernförderung, Herr Schreiber, kann ich Ihnen genau erklären, wo das Problem in Sachsen liegt. Die Lernförderung ist beim Bildungs- und Teilhabepaket

ganz eng ausgelegt. Nur dann, wenn Kinder versetzungsgefährdet sind, greift es, und auch nur für eine kurze Zeit. Andere Länder haben das anders geregelt. Ich muss jetzt leider wieder Nordrhein-Westfalen zitieren. Dort können auch Schülerinnen und Schüler, die formal nicht versetzungsgefährdet sind, Zugang zu Lernförderung erhalten. Zudem wird die Erreichung eines höheren Bildungsniveaus gefördert, was der Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt dient. Es gibt auch keine zeitliche Einschränkung der Lernförderung. Das BMAS hat bestätigt, dass das Land im Rahmen der Fachaufsicht diese Weisung tatsächlich leisten kann.

Zum Letzten, warum das Thema aktuell ist – wir haben den Antrag im vorigen Jahr gestellt. Das Land hätte die Möglichkeit gehabt, hier tätig zu werden. Das hat es nicht getan. Jetzt stehen Entlassungen an. Jetzt müssen die Menschen, die zwei Jahre Schulsozialarbeit geleistet haben, entlassen werden, weil die weitere Finanzierung nicht geregelt ist. Deswegen ist es jetzt notwendig, dass wir uns für eine Ausweitung und Aufstockung der Schulsozialarbeit einsetzen.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir können jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE kommen. Zu II. ist durch Frau Abg. Jähnigen beantragt worden, über zwei Anstriche getrennt abzustimmen.

Ich beginne mit der Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 5/8748, Punkt I. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist Punkt I mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe von Punkt II den ersten Anstrich auf. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Auch hier gibt es gleiches Abstimmungsverhalten. Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist bei Punkt II der erste Anstrich abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über Punkt II, zweiter Anstrich, ab. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei einer Anzahl von DafürStimmen ist dennoch auch dieser zweite Anstrich mit Mehrheit abgelehnt worden. Deshalb erübrigt sich eine Gesamtabstimmung. Ich kann diesen Tagesordnungspunkt schließen.

Tagesordnungspunkt 5

Integration durch Teilhabe an demokratischen

Entscheidungsprozessen – Kommunales Wahlrecht

für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger ermöglichen!

Drucksache 5/12358, Antrag der Fraktion SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Wir beginnen mit der SPD, Frau Abg. Friedel. Danach folgen die CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Bitte, Frau Abg. Friedel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Ich würde es nicht als Missachtung meiner Person und des Anliegens empfinden, wenn hier der eine oder andere Abgeordnete zur Verabschiedung von Herrn Jurk, die gerade in der A 300 beginnt, geht.

Wir haben Ihnen einen Antrag vorgelegt, der sich mit dem Wahlrecht befasst. Wir haben heute Vormittag schon über das Wahlrecht zum Sächsischen Landtag gesprochen. Da wissen wir ja noch gar nicht, wann die Wahlen sind – irgendwann im nächsten Jahr im Sommer. Das werden wir aber sicher noch vor den Herbstferien erfahren.

Wir haben im nächsten Jahr eine zweite Wahl: die Kommunalwahl. Wir wollen Ihnen heute einen Vorschlag für eine Änderung des Kommunalwahlrechts vorlegen.

Wie ist es bisher bei den Kommunalwahlen, also bei den Wahlen zu den Stadträten, zu den Kreistagen und den Gemeinderäten? Da sind alle stimmberechtigt und wahl

berechtigt, die mindestens 18 Jahre alt sind, die drei Monate in dem Ort wohnen, in dem sie wählen wollen, und die nicht nur die deutsche, sondern sogar EUStaatsangehörigkeit besitzen. Das ist eine Besonderheit auf dieser Ebene, die wir für sehr gut empfinden. Also: Im Gegensatz zu den Landtags- und den Bundestagswahlen können bei den Kommunalwahlen, bei denen es um die Entscheidung vor Ort geht, auch Menschen abstimmen und sich wählen lassen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Es reicht, wenn sie Staatsangehörige eines der EU-Mitgliedsstaaten sind.

Was uns daran nicht gefällt und wir gern ändern wollen, ist, Unterschiede zu machen zwischen denen, die in einem EU-Staat wohnen, und denen, die in keinem EU-Staat wohnen; dass es nur die Ausländerinnen und Ausländer aus EU-Mitgliedsstaaten sind, die auf kommunaler Ebene mitentscheiden dürfen. Das macht eigentlich keinen Sinn, denn die Grundidee ist, in der Kommune, in der man dauerhaft lebt und arbeitet, in der man seinen Wohnsitz hat, soll man mitentscheiden können, selbst wenn man kein Staatsbürger ist. Wir haben eine ganze Reihe von Frauen und Männern aus anderen Staaten, die hier bei uns in Sachsen wohnen. Viele davon sind aus europäischen Staaten, aber viele haben auch eine ganz andere Staats

bürgerschaft. Trotzdem leben und arbeiten sie hier. Sie wohnen hier und bringen sich ein. Wir finden, es sollte auch denen ermöglicht werden, an den Kommunalwahlen teilzunehmen.

Was brauchen wir dafür? Das haben wir in unserem Antrag geschrieben. Wir brauchen erstens eine Änderung des Grundgesetzes, denn das Wahlrecht ist im Grundgesetz Artikel 28 Abs. 1 verankert. Wir wünschen uns, dass sich der Freistaat Sachsen auf Bundesebene dafür starkmacht, dass dieser Artikel so geändert wird, dass Länder Nicht-EU-Ausländern das kommunale Wahlrecht ermöglichen können.

Wenn wir das geschafft haben – wir haben ja heute schon von einigen Dingen gehört, die Sachsen erfolgreich im Bund angestoßen hat –, dann möchten wir gern als zweiten Punkt ein entsprechendes Landesgesetz einführen, in dem dieses Wahlrecht verankert ist.

Wir werden sicher gleich in den Reden der Kollegen hören, zumindest von der konservativeren Seite, dass das Wahlrecht kein Mittel zur Integration, sondern die Krönung des Integrationsprozesses sein soll und deswegen am Ende in Form der Staatsbürgerschaft verliehen werden soll – es sei denn, uns erwarten inzwischen intelligentere Argumente. Wenn es auf dieses Argument hinausläuft, würde ich Ihnen gern mit auf den Weg geben: Integration ist kein Prozess, bei dem man irgendwann einmal am Ende, am Ziel ist. Integration ist nicht eine Leistung, die vor allem der Hergekommene erbringen muss und die Gesellschaft gibt ihm nichts, am Ende vielleicht einen Bonbon. So funktioniert Integration nicht, sondern natürlich ist Integration ein Nehmen und Geben zwischen dem ausländischen Mitbürger und der Aufnahmegesellschaft. Wir denken, ein wichtiger Beitrag zu mehr Respekt und zur Teilhabe wäre diese Verleihung des kommunalen Wahlrechts.

Wir bitten Sie sehr herzlich, diese Initiative aufzugreifen und dem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Modschiedler von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Politisch interessant gedacht, Frau Friedel, aber jetzt müssen wir noch einmal so richtig juristisch werden.

Nach Artikel 20 Grundgesetz ist das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland der Träger der Staatsgewalt. Das gilt über den Artikel 28 Abs. 1 und 2 Grundgesetz auch für die Länder und Kommunen.

Jetzt kommen wir zum Maastrichter Vertrag. Dort wurde die Unionsbürgerschaft eingeführt. Daraufhin wurde auch das Grundgesetz Artikel 28 Abs. 1 Satz 3 dahin gehend geändert, dass nur auf Kommunalebene EU-Bürger, also Bürger unserer Gemeinschaft, Unionsbürger, wie der

Maastrichter Vertrag sagt, an den Wahlen teilnehmen können. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass kein Wahlrecht für alle Ausländer auf Landes- und Bundesebene, für Nicht-EU-Bürger auch auf Kommunalebene besteht. Das soll nach unserer Ansicht aber auch so bleiben, denn Ihre Idee verträgt sich mit unserem Grundgesetz nicht und erst recht nicht mit dem Gedanken des vereinigten Europa.

Artikel 20 Grundgesetz geht von den Bürgern deutscher Staatsangehörigkeit aus und nicht von irgendwelchen Menschen, die sich in Deutschland aufhalten. Genau das wollten nämlich die Väter des Grundgesetzes nicht.

Die Ausnahmen im Kommunalrecht, die zunächst im Maastrichter Vertrag auch festgelegt wurden und dann über Artikel 28 in unserer Verfassung verankert wurden, sind mit dem Gedanken des Artikels 20 Grundgesetz aber vereinbar, denn wir sind eine Europäische Union. Wir wollten uns eine gemeinsame Verfassung geben, die leider an dem Einstimmigkeitsgrundsatz gescheitert ist. Sonst hätten wir jetzt eine Europäische Verfassung. Wir sind also Unionsbürger und haben es so mit dem Maastrichter Vertrag alle gemeinsam so beschlossen. Damit kann nach diesen Grundsätzen auch ein EU-Bürger, ein Unionsbürger, auf Kommunalebene wählen bzw. gewählt werden, denn er kann im europäischen Sinn Träger der Staatsgewalt sein. Hier schlägt sich wieder der Bogen zum Grundgesetz.

Ein Ausländer außerhalb der EU erfüllt aber diese Voraussetzung nicht. Ein Nicht-EU-Bürger, der in Deutschland geboren ist oder sich langjährig in Deutschland aufhält, kann wählen und gewählt werden, wenn er die deutsche Staatsbürgerschaft erwirbt. Dies ist aber nach deutschem Staatsangehörigkeitsrecht unter erleichterten Bedingungen auch möglich. Das ist für uns die wahrhafte Integration von Ausländern auf der Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.

Wir als CDU-Fraktion haben politische und ethische Grundsätze, die wir auch bewahren wollen. Wegen irgendwelcher politischer Interessen, die jetzt auch in dem Antrag nicht einmal klar formuliert werden, werfen wir unsere Grundsätze der Verfassung nicht einfach über Bord, was im Übrigen auch gar nicht gehen könnte, da das Grundgesetz an diesem Punkt zu ändern – da gehe ich auf die Ewigkeitsgarantie ein – auch nicht ohne Weiteres möglich wäre.

Aus den oben genannten Gründen kann ein Nicht-EUAusländer das aktive und passive Wahlrecht gar nicht wirksam ausüben. Insoweit ist dem Antrag auch gar nicht stattzugeben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Bartl für die Linksfraktion ist der nächste Redner. Herr Bartl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorab ohne Umschweife sage ich Folgendes: Was die SPD-Fraktion mit diesem Antrag möchte und anstrebt, findet unsere ungeteilte Unterstützung. Jawohl, Integration von in Deutschland lebenden ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist ein wichtiger und unserer Meinung nach unverzichtbarer Bestandteil einer sozialen und auf Chancengleichheit ausgerichteten Gesellschaft. Richtig, Integration bedeutet Teilhabe. Die Teilhabe muss sich eben auch auf die Möglichkeit erstrecken, an demokratischer Willensbildung teilnehmen zu können. Dies geschieht zuallererst dort, wo unsere inzwischen Millionen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger arbeiten, ihre Steuern entrichten, Unternehmen gründen, auch Deutschen Arbeit geben, in Rentenfonds einzahlen und vielleicht die Chance der Generationengerechtigkeit erhalten helfen.

Über diesen Fakt als solchen müssen wir nachdenken, Herr Kollege Modschiedler – bei aller Verfassungslage. Diese akzeptiere ich zunächst einmal. Ich sage dazu aber noch etwas. Der Status quo, auf den Sie hingewiesen haben, ist unbestritten. Dieser wird auch vom Ansatz her im Antrag der SPD nicht bestritten.

Die Staatsregierung hat in ihrer Stellungnahme recht: Artikel 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes bestimmt, dass das Staatsvolk Inhaber der Staatsgewalt ist und die Staatsgewalt insbesondere durch Wahlen ausgeübt wird. Das ist keine Frage. Es ist ebenfalls richtig, dass die Zugehörigkeit zum Staatsvolk wiederum durch die Staatsangehörigkeit vermittelt wird und nicht schlechterdings durch den Aufenthalt an einem Ort oder in einer Stadt, auch nicht temporär.

Herr Kollege Modschiedler, Sie sprachen von der Ewigkeitsgarantie. Das Abstellen auf die Staatsangehörigkeit im Artikel 20 Grundgesetz ist dem Grunde nach bereits aufgeweicht, weil in Artikel 28 des Grundgesetzes die Unionsbürgerschaft aufgenommen wurde. Dass die Welt sich gedreht hat und die Situation anders als zu dem Zeitpunkt ist, als der Parlamentarische Rat die entsprechenden Empfehlungen zum Wahlrecht – die auch das Bundesverfassungsgericht bis in die Neunzigerjahre vertreten hat – kreiert hat, ist unbestritten.