Protocol of the Session on September 18, 2013

Wichtigstes Thema bei uns: Wir wollen das Thema Mütterrente verwirklichen. Alle Frauen, die nach 1992 Kinder bekommen haben, bekommen drei Entgeltpunkte in der Rente gutgeschrieben.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: So ist es!)

Wir wollen aber gern sicherstellen – da Altersarmut vor allem weiblich ist –, dass es dort eine Besserstellung der Frauen gibt. Eigentlich müssten wir sagen „zwei Jahre zwei Entgeltpunkte für die Frauen zusätzlich“, denn dann hätte man einen Gleichstand. Dann wäre es egal, ob die Frau vor 1992 oder nach 1992 Kinder bekommen hat.

Wir müssen aber ehrlich sein. Was können wir von heute auf morgen machen? Was können wir 2014 machen? Da haben wir „ein Entgeltpunkt“ gesagt. Das bedeutet für Frauen, die in Ostdeutschland Kinder haben, 26 Euro pro Kind pro Monat mehr Rente. Das kostet insgesamt schon 6,5 Milliarden Euro. Das ist eine Herausforderung. Wir wollen uns dieser Herausforderung stellen. Wenn es gut läuft, sollten wir 6,5 Milliarden in die Hand nehmen, um eine wirkliche Gleichstellung zu haben, sodass es egal ist, ob die Kinder vor 1992 oder nach 1992 geboren wurden.

Zweites Thema, Lebensleistungsrente – so heißt das bei der CDU –: Dazu gibt es unterschiedliche Konzepte. Die GRÜNEN nennen das „Garantierente“, die SPD nennt es „Solidarrente“. Da bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auch parteiübergreifend etwas hinbekommen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das denke ich auch!)

Das Ziel muss sein: Wer sein Leben lang gearbeitet hat, der muss am Lebensende mehr Geld haben als jemand, der nie gearbeitet hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das heißt, wir brauchen eine Lebensleistungsrente, die bei 850 Euro liegen sollte, denn wir wissen, dass die Grundsicherung, also Hartz IV, im Alter in Sachsen bei ungefähr 650 Euro liegt, sodass klar ist, dass jemand, der sein Leben lang gearbeitet hat, nicht weniger hat als jemand, der nicht gearbeitet hat.

Wie wichtig das ist, will ich an einem Rechenmodell zeigen. Wenn Sie heute 47 Jahre alt sind, noch 20 Jahre zu arbeiten haben, 10 Euro Stundenlohn erhalten und insgesamt 47 Jahre durchgängig gearbeitet haben, bekommen Sie eine Rente, die auf dem Grundsicherungsniveau ist, und das ist ungerecht. Ich bin davon überzeugt, dass jemand, der ein ganzes Leben lang gearbeitet hat, mehr haben muss als jemand, der nie gearbeitet hat.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist doch Ihre Regierungspolitik!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Kollege Pellmann.

Herzlichen Dank. – Herr Krauß, Sie wissen aber – so wie ich –, dass die 850 Euro, die Sie jetzt ansetzen, bereits heute unter der offiziellen Armutsgrenze liegen und ohnehin unter der Pfändungsgrenze, die natürlich auch etwas mit Armutsdefinition zu tun hat? Ich gehe davon aus, dass Sie das wissen.

Ich will mich mal nicht auf Ihre Armutsdefinition einlassen.

(Zurufe von den LINKEN)

Mir geht es darum, dass jemand, der nie gearbeitet hat, bei uns ungefähr 650 Euro bekommt. Es kann nicht sein, dass jemand, der sein Leben durchgängig gearbeitet hat, auch 650 Euro bekommt, sondern es muss einen deutlichen Unterschied geben.

Ein weiterer Punkt betrifft die Erwerbsunfähigkeitsrentner. Auch das ist etwas, was parteiübergreifend eigentlich klar ist: dass man dort eine Besserstellung haben muss und dass die Zurechnungszeiten erhöht werden. Wenn Sie die Zurechnungszeiten erhöhen, bekommen Erwerbsunfähigkeitsrentner 45 Euro pro Monat mehr Rente, denn wir wissen, dass überproportional viele Invaliditätsrentner in der Grundsicherung sind – 10 % –, ansonsten – das hatte ich schon gesagt – im Durchschnitt nur 2 %. Also, diese sind besonders betroffen, und dort müssen wir etwas tun.

Es gibt eine Zwischenfrage von Frau Herrmann.

Bitte, Frau Herrmann.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Krauß, ich hatte noch einmal nachgeschaut. Es war, glaube ich, 2007, da hatten wir eine Anhörung im Landtag, bei der verschiedene Möglichkeiten der Angleichung des Rentensystems in Ost und West diskutiert worden sind. Es gab da Vorschläge, unter anderem von ver.di oder vom Katholischen Verein. Sie zählen jetzt auf, was Sie sich alles vorstellen können. Ich frage mich allerdings – Sie waren jetzt vier Jahre lang in Regierungsverantwortung, die Modelle sind ja alle nicht neu –: Warum haben Sie nicht mehr bewerkstelligt, als Sie in Regierungsverantwortung waren? Sie unterbreiten uns jetzt hier Vorschläge. Ich kann als Wähler nicht davon ausgehen, dass Sie das in den nächsten vier Jahren machen, denn es stand im Koalitionsvertrag, und Sie haben es bis jetzt nicht gemacht.

Weil ich ein Preisschild dranhänge. Deswegen ist die Antwort relativ einfach. Ich hatte Ihnen gesagt: Die Mütterrente kostet 6,5 Milliarden Euro, das ist der eine Entgeltpunkt. Die Lebensleistungsrente kostet uns 3 Milliarden Euro. Die Ehrlichkeit würde ich

mir auch von anderen Parteien wünschen. Wenn Sie sich noch an das ver.di-Modell erinnern – was ich gut finde, die Staatsregierung hat auch gesagt, dass es ein gutes Modell ist –: Das waren 25 Milliarden Euro, die dieses Rentenangleichungsmodell kostet. Da muss ich fragen: Wenn wir es durchsetzen,

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: In fünf Jahren!)

ja, in fünf Jahren, aber dauerhaft –, woher nehmen wir dann diese 25 Milliarden Euro? Also immer, wenn ich bei der Mütterrente von 6,5 Milliarden Euro rede, bedeutet das: jedes Jahr 6,5 Milliarden Euro. Wenn ich von der Lebensleistungsrente spreche, dann bedeutet das

3 Milliarden Euro jedes Jahr mehr und nicht nur einmalig. Deswegen müssen wir Prioritäten setzen. Ich bin davon überzeugt, dass die Prioritäten in erster Linie sein werden, dass die Erziehungszeiten von Müttern besser anerkannt werden müssen, weil Frauen einen besonders hohen Beitrag zur Kindererziehung, zur Stabilität des Rentensystems geleistet haben und es auch gerecht sein muss, es sich lohnen muss, dass man arbeitet, und der, der arbeitet, nicht der Dumme sein darf. Das sind unsere Prioritäten, die wir setzen.

Auch das Thema Rentenangleichung von Ost und West ist wichtig und auch nachvollziehbar. Aber es ist eben das Sahnehäubchen auf dem Kaffee. So ehrlich müssen wir auch mal sein.

(Elke Herrmann, GRÜNE: Mütterrente haben wir auch nicht!)

Herr Kollege Hahn, ein Thema hat mich schon ein wenig bedrückt, und zwar, als Sie von dem „Rentenstrafrecht“ gesprochen haben. Ich habe vorhin nur einmal kurz gesagt, wie die Renten zu DDR-Zeiten waren und wie sie heute sind. Den Rentnern geht es im Durchschnitt allen deutlich besser. Wofür Sie sich seit Jahren einsetzen – auch im Deutschen Bundestag –, das sind – das verbirgt sich ja hinter dem Begriff – höhere Renten für Stasileute. Da – das können Sie wissen, Herr Hahn – werden wir nicht mitmachen. Mit uns wird es das nicht geben. Es kann ja wohl nicht sein, dass derjenige, der einen einsperrt – zu Unrecht –, eine höhere Rente hat als derjenige, der im Gefängnis saß – zu Unrecht – und keine hohe Rente bekommt. Wir sind dafür, dass es dazu nicht kommt. Deswegen werden wir dieses Rentenkonzept, das Sie haben – höhere Renten für Stasileute – mit Sicherheit nicht mitmachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP – Zurufe von der LINKEN)

Herr Krauß sprach für die CDU-Fraktion. – Die SPD-Fraktion hat noch 1 Minute und 22 Sekunden. Will sie sie nutzen?

(Stefan Brangs, SPD: Die will sie gewinnbringend einsetzen!)

Ja. Möchten Sie in dieser Runde das Wort ergreifen?

(Stefan Brangs, SPD: Vielleicht!)

Vielleicht. Gut, Kollege Brangs. – Die FDP, Frau Schütz, hat keine Zeit mehr. Die GRÜNEN auch nicht. Die NPD ebenfalls nicht. – Wir sind damit bei einer dritten Runde angekommen. Die einbringende Fraktion ergreift, vertreten durch Herrn Kollegen Dr. Pellmann, erneut das Wort.

Herr Präsident! Versprechen soll man halten. Ich hatte Ihnen vier Scheinargumente der CDU und FDP versprochen, zu denen ich hier Stellung nehmen möchte. Ich war bei meinem ersten Redebeitrag erst beim zweiten stehengeblieben, also folgt das dritte Scheinargument. Herr Krauß hat dankenswerterweise die Dinge heute wieder fleißig bedient, und zwar: die Ostdeutschen seien schon heute mit einer im Durchschnitt höheren gesetzlichen Rente versorgt als ihre westdeutschen Schwestern und Brüder.

(Zuruf von der CDU)

Das lesen wir ja ständig in der „Bild“-Zeitung, und deshalb wird dann auch gleich noch gesagt: Deswegen könne man ja verstehen, weshalb der Rentenwert nicht angeglichen werden müsse – bzw. nicht so schnell angeglichen werden müsse. Da darf ich zumindest in Erinnerung rufen – Herr Krauß, wenn Sie dem zustimmen, umso besser –, dass wir selbstverständlich insbesondere bei Frauen noch mehr Arbeitsjahre im Osten haben, die natürlich auch angerechnet werden, und dass wir selbstverständlich im Osten in der gesetzlichen Rente nicht die Berücksichtigung von Tätigkeiten haben, die eigentlich im Westen Beamte auszuführen haben.

Die werden anders, nämlich in die gesetzliche Rente einbezogen. Wenn ich die Statistik jetzt ausführen würde, könnten Sie das kaum widerlegen: Es gleichen sich die Zahlbeträge in den letzten Jahren immer mehr an, weil im Osten leider mehr und mehr unterbrochene Erwerbsbiografien zur Geltung kommen. Das heißt also, dass wir sehr wohl davon ausgehen müssen, dass die Annäherung des Rentenwertes unerlässlich ist, weil, wenn wir die gesamten Alterseinkünfte sehen, der Abstand immer noch bei über 20 % liegt, da noch andere Faktoren zu berücksichtigen sind.

Das vierte von Ihnen– ich habe es mir extra aufgeschrieben – jetzt mit einem Preisschild versehene Scheinargument bedeutet, es sei kein Geld da für die Angleichung der Ostrenten. Ich will heute nicht noch einmal sagen, wofür alles Geld da war in der letzten Zeit. Zumindest Stichworte: Rettung von Banken oder diese komische Drohne, die wohl 600 Millionen Euro gekostet hat und wo keiner weiß, wer verantwortlich war. Es ließe sich dazu vieles heranziehen, was nun wahrlich nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun hat.

Aber ich werde Ihnen etwas anderes sagen, und das hören Sie natürlich nicht sehr gern, das weiß ich: Sie kommen hier immer wieder und sagen, dass der Staat 80 Milliar

den Euro zur Sicherung und Stützung der gesetzlichen Rentenversicherung zuschießen muss. Das stimmt, natürlich der Staat und damit der Steuerzahler. Aber dazu sage ich Ihnen Folgendes: Eigentlich, wenn nämlich die gesamten artfremden Leistungen nach Rentenversicherungsrecht berücksichtigt würden, müsste der Staat bereits heute 120 Milliarden Euro zuschießen. Ich will Ihnen sagen, dass ich keine dieser sozialen Leistungen missen möchte. Aber wir wollen uns hier nicht hinstellen und sagen, dass wir damit die Rentenkasse stabilisieren. Nein, wir leisten uns zu Recht soziale Leistungen. Aber das Problem besteht dann darin, dass Sie dieses Argument immer nur halbherzig benutzen. Das bedeutet, dass Sie im Endeffekt sagen, wir können uns diese hohen Zuschüsse nicht mehr leisten, also müssen wir an der Rentenformel drehen, also müssen wir die Rente mit 67 einführen.

Wenn Sie ehrlich wären und den Experten vertrauen würden, dann würden Sie eine Rechnung aufmachen, was wirklich in der gesetzlichen Rentenversicherung auszahlbar wäre, wenn es nur um die aus Einkommen gespeisten Versicherungsleistungen gehen würde.

Herr Krauß, noch eine kurze Bemerkung zum sogenannten Rentenstrafrecht. Sie werden von uns nicht hören, dass wir diese oder jene Berufsgruppe aus DDR-Zeiten nachträglich besonders hervorheben oder bevorteilen wollten. Ich will Ihnen aber eines sagen: Was wir hier erleben, ist ein Bruch mit der Geschichte der deutschen Rentenversicherung.

Ihre Redezeit geht zu Ende.

Der letzte Satz, Herr Präsident!

Wenn Sie jemanden bestrafen wollen, dann möge das die Justiz machen und nicht das Rentenrecht.