Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Clauß, ich muss gestehen, dass ich etwas enttäuscht bin, weil die verfassungsrechtlich verankerte Elternverantwortung, die Sie gerade angesprochen haben, das eigentliche Problem ist. Es gibt schlicht Eltern, die dieser Verantwortung nicht gerecht werden können und wo wir über das Kita- und Schulsystem unterstützen müssen, damit jeder junge Mensch die besten Möglichkeiten hat, die Schule mit einem Abschluss zu beenden.
Ich will Ihnen noch ein Beispiel zum Wildwuchs bei den verschiedenen Maßnahmenprogrammen, die wir in Sachsen haben, benennen, aber dies ist kein Einzelfall. Bei der Förderschule in Reinholdshain im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge greifen vier verschiedene Maßnahmen. Das heißt, es werden für vier verschiedene Maßnahmen Anträge gestellt, Abrechnungen geleistet, Stellungnahmen geschrieben usw. usf. Das ist die „Mobile soziale Arbeit an Bildungseinrichtungen“, das ist ein Programm des Landkreises, es ist die „Berufseinstiegsbegleitung nach § 49 SGB VIII“, die „Berufseinstiegsbegleitung nach § 421 SGB III“ und die „Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern“. Das ist eine Verschwendung von Ressourcen, Frau Clauß. Das muss man bündeln.
Sie können ja die Programme zur „Chancengerechten Bildung“ anpreisen, Herr Bienst und auch Frau Clauß, aber das Problem ist doch, dass 200 000 Euro für ganz Sachsen bei 1 400 Schulen lächerlich sind. Davon kann man vier Vollzeitstellen pro Jahr finanzieren.
Das nächste Problem ist, dass es keine Verlässlichkeit gibt. Das Ganze ist nicht verlässlich, nicht nachhaltig.
Bei der Kompetenzentwicklung ist es genau das Gleiche. Sie läuft in einem Jahr aus, weil dann die neue EUFörderperiode beginnt. Aber die Fachkräfte in den Schulen brauchen jetzt die Zusage, dass es über das Jahr 2014 hinaus weitergeht. Sonst suchen sie sich eine andere Arbeit, und die Schülerinnen und Schüler bekommen wieder neue Mitarbeiter, wenn die Schulsozialarbeit an den einzelnen Schulen überhaupt fortgesetzt wird.
Herr Bienst, wir wollen keinen undifferenzierten Ausbau. Das steht nirgendwo. Deswegen verlangen wir ja ein Konzept von Ihrer Staatsregierung, damit wir dann diskutieren können, wo wir die Schulsozialarbeit ausbauen wollen. Wenn Sie das Gesetz nicht kennen, dann erkläre ich Ihnen das gern noch einmal. Im § 82 SGB VIII – er ist schon zitiert worden – steht ganz klar drin, was Aufgabe des Landes ist. Das ist nämlich, die Weiterentwicklung der Jugendhilfe auch auf der kommunalen Ebene anzuregen und zu fördern, also auch finanziell. Die Länder, also Ihre Staatsregierung, haben auf einen gleichmäßigen Ausbau der Angebote hinzuwirken und die Jugendämter bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu
unterstützen. Ich behaupte, an dieser Stelle tut die Staatsregierung zu wenig. Thüringen hat den Handlungsbedarf erkannt. Darauf habe ich schon hingewiesen.
Deswegen zum Schluss noch einmal mein Plädoyer: Die Kommunen, die örtlichen öffentlichen Träger der Jugendhilfe benötigen jetzt Planungssicherheit vom Land, –
– damit sie ihre beschlossene Jugendhilfeplanung umsetzen und fortsetzen können und nicht Maßnahmen abbrechen müssen, um sie in ein oder zwei Jahren wieder neu zu beginnen. Schulsozialarbeit braucht zwei bis drei Jahre zur Implementierung, Frau Clauß.
Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/12133 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der Drucksache 5/12133 mehrheitlich nicht zugestimmt worden. Damit ist die Drucksache nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Reihenfolge in der ersten Runde: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während in den Schulen und in den Wohnzimmern der Unterrichtsausfall beklagt wird, Lehrerinnen und Lehrer – wir haben es vorhin gehört – gegebenenfalls erneut vor einem Streik für bessere Arbeits- und Einkommensbedingungen stehen und auch das neue Schuljahr nicht unbedingt erwarten lässt, dass sich die Situation zum Guten wendet, streitet sich die Staatsregierung darum, wie sie 32 Millionen Euro in einer Imagekampagne versenken will. Nun ist Herr Zastrow nicht da, aber es wird ihm sicher übermittelt werden: Ich bin ihm ausnahmsweise einmal dankbar, dass er bis jetzt verhindern konnte, dass sich Sachsen mit viel Geld in der Bundesrepublik lächerlich macht.
Somit kommt unser Antrag gerade noch richtig, um nicht nur die Situation an den Schulen vor dem neuen Schuljahr zu verbessern, sondern auch um der Landesregierung eine Chance zu geben, noch einmal darüber nachzudenken, wie sächsisch wirklich geht; denn Sachsen und seine Menschen waren immer kreativ, flexibel und in Krisensituationen – wir haben es gerade gemerkt – besonders solidarisch. So geht sächsisch!
Zeigen Sie als Regierungskoalition nun genau diese Kreativität und Flexibilität und auch die Solidarität mit der jungen Generation! Setzen Sie die im Haushalt bereits eingepreisten 32 Millionen Euro zur Verbesserung der Qualität der öffentlichen Schulen ein!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, die Qualität unserer Bildung, unserer Schulen und Hochschulen und derer, die diese erfolgreich verlassen, ist es, die das Image Sachsens in Deutschland und international
Sachsens CDU/FDP-Landesregierung und die Regierungskoalition drohen dieses Image systematisch zu zerstören und die letzten Reserven aufzuzehren. Verstärkter und langanhaltender Unterrichtsausfall kann schon im Anfangsunterricht, wie wir gerade bei einer Kleinen Anfrage festgestellt haben, demotivieren. Weniger engagierte Lehrkräfte, große Klassen, fehlende individuelle Förderung mangels ausreichender Lehrkräfte sind nun seit Jahren an der Tagesordnung und führen zu einem schleichenden Verlust an Qualität unserer Bildungseinrichtungen.
Heute noch protestieren Schüler, Lehrkräfte und Eltern. Morgen wird es die Wirtschaft sein, da sie keine gut ausgebildeten jungen Fachkräfte bekommt. Es wird verwaltet und versorgt, statt zu gestalten und zu motivieren. Das Programm mit dem Namen „Unterrichtsversorgung“, bei dem Geld statt ausgebildeter Lehrkräfte die größten Lücken stopfen soll, droht zum System zu werden.
Der Antrag der SPD-Fraktion fordert daher die Landesregierung erneut und nochmals nachhaltig dazu auf, endlich vom Verwalter zum Gestalter zu werden. Die aktuelle Situation insbesondere in den Großstädten Dresden und Leipzig mit einer stetigen Verschlechterung der SchülerLehrer-Relation bei kontinuierlich steigenden Schülerzahlen bekommen auch die Eltern und Schulen im ländlichen Raum zu spüren. Klassen werden bis auf den letzten Platz ausgeschöpft. Im Notfall wird die Schulkonferenz erpresst, doch die im Schulgesetz fixierte maximale Schülerzahl von 28 zu überschreiten. Sonst droht die Zwangs- oder Loszuweisung von Schülern an eine weiter entfernte Schule, deren Klassen vielleicht noch nicht ganz so voll sind. Damit werden Schulwege länger und die Kosten für die Schülerbeförderung, wie wir in den aktuellen Satzungen sehen können, immer höher. Abordnungen von Lehrkräften über größere Entfernungen zwischen zwei, manchmal sogar mehr Schulen sind schon fast zur Gewohnheit geworden. Das nennt man „Optimierung“. Das ist ein technokratischer Begriff, der Schüler und Lehrer wie Schachfiguren behandelt. Wer fragt nach, wo die Qualität des Lernprozesses oder gar die Freizeitangebote der Schüler bleiben, die nach dem Schulschluss mehr als eine oder anderthalb Stunden in den Heimatort benötigen?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegen! Die Eltern protestieren aber nicht nur, sondern sie weichen aus. Sie weichen aus in die freien Schulen, und dies vor allem in den Großstädten. Im beruflichen Bereich hat sich die Landesregierung vor allem in den staatlich geregelten Berufen wie Erzieherinnen oder Pflegekräfte bereits aus ihrer Verantwortung gezogen. 30 % der Auszubildenden – so viele wie in keinem anderen Bundesland – zahlen für ihre Ausbildung an einer Schule in freier Trägerschaft. Haben wir uns offenbar an die schleichende Privatisierung der beruflichen Bildung schon gewöhnt? Ist das sächsisch?
In den Großstädten Dresden und Leipzig liegt der Anteil der Schüler an Schulen in freier Trägerschaft deutlich über dem Landesdurchschnitt, und dieser liegt schon lange über dem Bundesdurchschnitt. Allein in Leipzig besuchen 19 % der Schüler ein Gymnasium in freier Trägerschaft. Im Landesschnitt sind es 11 %. Die Eltern trauen offenbar den öffentlich-kommunalen Schulen nicht mehr zu, dass sie die versprochene Qualität liefern. Die öffentlich-kommunalen Schulen verlieren in der Konkurrenz. Sie schrecken vor zu großen Klassen und starren Lernkonzepten, ja auch vor der frühen Entscheidung für Gymnasium oder Mittelschule zurück.
Doch die Landesregierung hat bereits 2010 mithilfe der Koalition dafür Sorge getragen, dass nicht mehr jeder oder jede diesen Ausweg suchen kann, sondern nur noch die, die es sich leisten können.
Den Ausbau der freien Schulen hat man deshalb vorsichtshalber auch gedrosselt, indem man erst einmal vier Jahre Wartezeit fördert und die Neuregelung der Sachkosten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt.
Mit diesen Maßnahmen schwächen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, nicht nur die Schulen in freier Trägerschaft, die Sie zum Teil selbst mit aus der Taufe gehoben haben, sondern Sie drängen diese auch in eine elitäre Ecke, in die die meisten dieser Schulen nicht gestellt werden wollen.
Sie tragen damit auch maßgeblich dazu bei, dass sich unser Schulsystem immer mehr in eine soziale Schieflage bewegt. Ist das sächsisch?
Erstens. Nehmen Sie die 32 Millionen Euro, oder was davon nach der Ausschreibung noch übrig geblieben ist, aus der Imagekampagne und stellen Sie zusätzlich im Haushaltsansatz 200 Lehrkräfte jeweils in den Jahren 2013/2014 und 2014/2015 ein! Das dient nicht nur der Verbesserung der aktuellen Unterrichtssituation und der Integrationsleistung, sondern auch der gleitenden Vorbereitung des ab 2015/2016 massiv einsetzenden Generationswechsels und damit auch der frühzeitigen Bindung von jungen Lehrkräften in Sachsen.
Auch wenn jetzt vom Kultusministerium im Vorfeld des neuen Schuljahres immer wieder betont wird, dass mit dem neuen Schuljahr zusätzlich 257 neue Stellen laut Doppelhaushalt 2013/2014 kommen, wird damit aber immer wieder verschwiegen, dass wir noch nicht einmal wieder auf dem Stellenniveau von 2011/2012 angekommen sind, und das bei circa 4 000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern.
Auch wenn jetzt circa 1 500 qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für den Schuldienst registriert wurden, steht noch lange nicht fest, ob diese tatsächlich die Bedingungen in Sachsen akzeptieren und schulart- und fachspezifisch den Bedarf decken können. Ab 2016/2017 müssen
pro Jahr – diese Zahl wiederhole ich immer und immer wieder – 1 000 bis 1 500 neue Lehrkräfte eingestellt werden. Wo sollen diese, bitte schön, herkommen, wenn nicht bereits jetzt Vorsorge durch erhöhte Einstellung über den reinen Ersatzbedarf hinaus getätigt wird?
Halten Sie die jungen Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst in Sachsen! Geben Sie ihnen zum Beispiel einen finanziellen Ausgleich von 500 Euro im Monat und nicht von 25 Euro! Das ist lächerlich in Anbetracht dessen, was sie in anderen Bundesländern bekommen!
Aber die Landesregierung wird erst nach den Landtagswahlen 2014 über die Zukunft nachdenken. Das können wir im Haushaltsplan nachlesen.
Carl von Carlowitz lebte in Sachsen. Er wusste im 18. Jahrhundert noch, was Nachhaltigkeit und Zukunftssicherung bedeuten. Das ist sächsische Tradition!
Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition! Schaffen Sie Anreize für Lehrkräfte im ländlichen Raum! Schauen Sie nach Niedersachsen oder Bayern, wo mittlerweile sogar den jungen Leuten aus Sachsen Wohnraum angeboten und mit ihnen eine persönliche Ausprache durchgeführt wird. Schaffen Sie mit den zusätzlichen Lehrkräften verbesserte Integrationsbedingungen, damit die individuelle Förderung tatsächlich für alle, vor allen Dingen für die Schüler mit besonderem Integrationsbedarf, gelingen kann und Inklusion nicht zum Sparunwort verkommt. Lassen Sie die Schüler an Mittelschulen und Gymnasien Sprachen nach Wunsch und nicht nach dem Zufallsprinzip auswählen! Wenn die Sprachlehrer nicht ausreichen, lassen Sie den Unsinn mit der sogenannten Oberschule und beginnen Sie mit der zweiten Fremdsprache erst ab Klasse 7, wie wir es schon vor Monaten vorgeschlagen haben!
Gehen Sie endlich fair und verfassungskonform mit den Schulen in freier Trägerschaft um! Sie unterrichten die Schüler, die an den staatlich kommunalen Schulen zum Teil keinen Platz mehr finden würden wie in Dresden und Leipzig oder keine staatlich kommunale Schule mehr in der Nähe vorfinden. Dazu gehört die schnellstmögliche Anhebung der Sachkosten für die Schulen in freier Trägerschaft.