Die Staatsregierung betonte zuletzt in der Antwort auf meine Anfrage vom Mai, dass die Schulsozialarbeit – ich zitiere – „sachlich und inhaltlich etabliert“ sei und kein vorrangiger oder zwingender Handlungsbedarf für ein zusätzliches Finanzierungsprogramm gesehen werde.
Unabhängig von dem Hinweis auf den beschlossenen Haushalt stellt sich dennoch die Frage – ich halte sie für notwendig – nach der inhaltlichen Ausrichtung in Sachsen und der strukturellen Gestaltung. Die Schnittstelle zwischen SMK und SMS, zwischen Land und Kommunen bzw. Landkreisen und Jugendhilfeträgern funktioniert eben nicht. Wie es ein Schulsozialarbeiter aus Leipzig auf den Punkt brachte: „Wir werden zwischen SMK und SMS zerrieben.“
Die Staatsregierung zieht sich auf ihre in § 82 SGB VIII genannte Anregungs- und Unterstützungsfunktion zurück, obwohl dort auch klar gefordert wird, die Jugendhilfe in all ihren Formen zu fördern sowie auf einen gleichmäßigen Ausbau der Einrichtungen und Angebote hinzuwirken.
Das Sozialministerium stritt zunächst ab, dass es überhaupt die Möglichkeit zu einer fachlichen Einflussnahme oder einer gemeinsamen bildungs- und sozialpolitischen Abwägung mit den Jugendämtern der Landkreise gebe; so hieß es noch 2010 in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Frau Klepsch. Inzwischen sind wir schon ein bisschen weiter.
2011 gab es dann ein gemeinsames Positionspapier von SMS, SMK, SSG und SLKT unter dem Stichwort „Verzahnung“. Doch trotz des einheitlichen Einsatzortes Schule siedeln SMK und SMS nach wie vor den zusammengehörenden Bildungs- und Erziehungsauftrag zum Teil hier und zum Teil dort an.
Der Arbeitskreis Schulsozialarbeit in Leipzig attestierte hingegen einen gestiegenen Erziehungsbedarf und wies darauf hin, dass der Erziehungsauftrag erfüllt sein müsse, um den Bildungsauftrag zu erfüllen; sonst drohten überlastete Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler mit unzureichender Ausbildungsreife.
Ich möchte mich nicht – das habe ich schon in der Beratung zu dem Antrag der SPD-Fraktion verdeutlicht – in den Wettbewerb einreihen und an möglichst vielen, vielleicht sogar an allen Schulen von vornherein Schulsozialarbeit etablieren. „Flächendeckend“ heißt nicht unbe
dingt „in jeder Schule“. In Chemnitz gibt es durchaus Schulen – Adelsberg, Kaßberg –, wo wirklich die Frage zu stellen ist, ob das sein muss. Dafür brauchen wir an den Mittelschulen auf dem Sonnenberg vielleicht sogar zwei Sozialarbeiter. Man muss also genau hinschauen, wo entsprechender Bedarf besteht.
Ein Problem ist auf jeden Fall, dass die Fördertöpfe verstreut sind. Die Zuständigkeiten sind unklar und damit auch die Verantwortlichkeiten in finanzpolitischer Hinsicht. Ziel muss es sein, ressortübergreifend die finanziellen Mittel zu bündeln; Frau Dr. Stange hat es schon angesprochen. Wir müssen langfristig die EU-Mittel ablösen – wir können uns nicht darauf verlassen, dass sie langfristig fließen – und durch Landesmittel ersetzen. Wir brauchen für die Verwendung der Fördermittel klare Qualitätsvorgaben, die überall in unserem Land gelten. Schulsozialarbeit muss personell und finanziell grundsätzlich gesichert sein. Notwendig ist eine langfristige Lösung. Gute Sozialarbeit – das sage ich aus meinem eigenen Berufsverständnis heraus; ich war lange Jahre in der Sozialarbeit tätig – braucht Verlässlichkeit und Planbarkeit; sonst können wir als Sozialarbeiter keine gute Arbeit machen.
Die GRÜNE-Fraktion unterstützt den Antrag, auch wenn nicht sehr viele neue Informationen zu erwarten sind. Vielleicht wird deutlich, dass es aufgrund der Vielfalt der Projekte und Fördermöglichkeiten schwierig ist, das wirklich auf den Punkt zu bringen. Die Landschaft in der Schulsozialarbeit ist in der Tat unübersichtlich.
Die Evaluation der Schulsozialarbeit in Chemnitz und im Landkreis Leipzig wird am 31. August 2013 abgeschlossen sein. Dann zählt das Argument der Staatsregierung, es gebe keine gesetzlich festgelegten oder wissenschaftlich fundierten Richtwerte für den Einsatz sozialpädagogischer Fachkräfte an Schulen, nicht mehr. Es bleibt zu hoffen, dass auch dann der Satz stimmt: Einsicht ist der erste Weg zur Besserung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge und Anfragen zum Thema „Schulsozialarbeit“ kommen regelmäßig auf die Tagesordnung – meist von SPD und LINKEN –, und genauso regelmäßig stoßen sie auf wenig Gegenliebe bei den Koalitionsfraktionen.
Frau Staatsministerin Clauß zum Beispiel vertrat im Dezember 2011 in ihrer Stellungnahme zu einem SPDAntrag – zu diesem hat Frau Stange vorhin schon gesprochen – die Auffassung: „Ein Angebot von Schulsozialar
beitern an jeder einzelnen Schule im Freistaat Sachsen wird ausdrücklich nicht für erforderlich gehalten.“
Hier sollte vor einer praktischen Realisierung von Projekten und Maßnahmen vor Ort auch ein entsprechender Bedarf durch die Beteiligten festgestellt werden. Dieser Bedarf kann regional sehr unterschiedlich sein.
In Vorbereitung auf die Debatte über den heutigen Antrag der LINKEN habe ich mir noch einmal die Anhörung vom 11. Oktober 2011 angesehen; Grundlage war der Antrag „Schulsozialarbeit flächendeckend und bedarfsgerecht ausbauen“, Drucksache 5/5468. Natürlich wurde dort die Notwendigkeit eines Ausbaus der Schulsozialarbeit einhellig betont. Es wurden Einzelbeispiele und Finanzierungsschwierigkeiten angesprochen. Aber es fiel auch ziemlich oft das Wort „Reparaturbetrieb“. Darauf möchte ich eigentlich hinaus.
Abgesehen davon, dass es auch in Sachsen schon Schulen mit einem Ausländeranteil von 40, 50 % gibt, die betreffenden Eltern der Schüler kaum oder kein Deutsch sprechen und dort Schulsozialarbeit durchaus Sinn hat – im Sinne von Integration –, gibt es natürlich auch andere Problemlagen.
Hierzu möchte ich die Sachverständige Heide zitieren: „Die dickste Säule in meiner Arbeit ist die Einzelfallhilfe. In unserer Schule gibt es sehr viele Kinder, die individuelle Problemlagen haben. Das sind zum Beispiel Suchtprobleme im Elternhaus, das sind Patchworkfamilien mit häufigen Beziehungsabbrüchen, das sind dramatische Erlebnisse in der frühen Kindheit. Vernachlässigung, Gewalt, Missbrauch kommen leider oft vor.“
Ich möchte daran erinnern, dass es gerade die LINKEN sind, die sich für Drogenfreigabe und alle möglichen Beziehungsformen starkmachen. Da passt es natürlich gut ins Bild, wenn dann nach Sozialarbeitern und deren Finanzierung gerufen wird,
wenn diese übertriebene Freiheit, diese modernen Beziehungsformen zulasten der Kinder gehen. Und das geht sie so gut wie immer. Es kann doch nicht Sinn der Sache sein, dass ein Schulsozialarbeiter den Kindern Sozialverhalten beibringen muss, weil die Lehrer und natürlich in erster Linie die Eltern damit überfordert sind.
Meine Damen und Herren! Wir finden, hier läuft grundsätzlich etwas falsch. Unstrittig ist, dass Schulsozialarbeit zunehmend wichtig wird, weil es zunehmend soziale Brennpunkte gibt. Deshalb werden wir diesen Antrag mit seinem Berichtsteil und der Forderung nach einem Landeskonzept nicht ablehnen. Ich möchte aber noch einmal klarstellen, dass dies, wie damals auch einige Sachverständige gesagt haben, nur Reparaturmaßnahmen sind. Sie schaffen sich sozusagen mit der Verfestigung der Schulsozialarbeit eine Generation reparierter Kinder.
Uns interessiert natürlich auch, wie die Staatsregierung mit der immer schwieriger werdenden Situation an den sächsischen Schulen umgehen möchte. Die Schulsozialarbeit ist auch in Ihrem Koalitionsvertrag verankert. Den dort formulierten Zielen, gerade das Angebot im ländlichen Raum auszubauen, konnten Sie bisher nicht gerecht werden. Hier wird immer wieder auf die Verantwortung der Kreise und Kommunen verwiesen, in den Stellungnahmen und Antworten auf die zahlreichen Kleinen Anfragen auch. Mit der Absenkung der Jugendpauschale 2010 haben Sie sich auch in dieser Hinsicht einen Bärendienst erwiesen. Oder woher sollen die Kreise und kreisfreien Städte das Geld für die Sozialarbeiter nehmen?
Es ist also sinnvoll, dass die Staatsregierung den Landtag über die aktuelle Situation der Schulsozialarbeit informiert, weiterführende Konzepte vorstellt und erläutert, wie sie bestehende Projekte sichern will. Außerdem können Sie bei der Gelegenheit darüber berichten, inwieweit Sie die selbst gesteckten Ziele des Landesprogrammes „Chancengerechte Bildung“ erfüllen konnten. Die Ursachen aber für den zunehmenden Bedarf an Schulsozialarbeit werden Sie mit einem Bericht oder einem Landeskonzept nicht aus der Welt schaffen.
Meine Damen und Herren! Es gibt keine Wortmeldungen für eine zweite Runde. Ich frage trotzdem die Abgeordneten. – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Schulsozialarbeit ist kein gesetzlich exakt definierter Begriff. Gemeinhin versteht man unter Schulsozialarbeit die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe als Institution. Schulsozialarbeit soll dabei soziale Problemlagen von Kindern und Jugendlichen erkennen und lösen helfen. Das sind Problemlagen, die die Schule, die Familie, den sozialen Nahraum oder auch die individuellen Lebenslagen betreffen. Schulsozialarbeit ist also ein Teil der Jugendsozialarbeit und liegt damit in der kommunalen Selbstverwaltung. Ob ein Bedarf besteht, entscheidet nicht der Freistaat Sachsen, sondern der Träger der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort im Kontext aller anderen Entscheidungen. Das ist auch richtig und wichtig.
Die Abfrage bei den Jugendämtern ergab: 2010 gab es bereits 176 Schulsozialarbeiter, die zum Teil an mehreren Schulen tätig sind. So können die Maßnahmen zum Beispiel aus der Jugendpauschale finanziert werden. Seit 2010 werden jedes Jahr ungefähr 25 % der Jugendpauschale für Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII genutzt. Das sind 5 Millionen Euro pro Jahr. Mein Haus unterstützt zudem die Umsetzung vor Ort inhaltlich mit dem
Rahmenkonzept „Chancengerechte Bildung“. Das ermöglicht eine ergänzende Landesförderung über die Richtlinie Weiterentwicklung bei einer Verankerung des Projektes vor Ort. So werden 2013 mit rund 500 000 Euro Projekte der Schulsozialarbeit in acht Gebietskörperschaften mit 19 Fachkräften umgesetzt.
Neben der Förderung durch die Jugendpauschale und die Richtlinie Weiterentwicklung – auch das haben wir gehört – gibt es die dritte Fördermöglichkeit über den ESF. Ganz aktuell haben wir gemeinsam mit den Kommunen ein Programm zur Kompetenzentwicklung von Schülern aufgelegt. Dieses Programm enthält ganz ausdrücklich die Installation von Projekten und den Einsatz von Koordinierungsstellen. Mittlerweile konnten wir bereits 85 Vorhaben mit einer Summe von circa 10,5 Millionen Euro bewilligen. Das sind weit über 100 Fachkräfte auf circa 100 Vollzeitstellen. Die Förderung geht bis weit in das Jahr 2014 hinein. Dafür wurden in elf Gebietskörperschaften entsprechende Koordinierungsstellen eingerichtet und zahlreiche Angebote an Schulen geschaffen. Es werden auch weitere folgen. Der Bewilligungsbehörde liegen noch weitere Projektvorschläge vor. Auch in Zukunft wird dies ein Schwerpunkt in unserer ESFFörderung sein.
Und der Vollständigkeit halber: Auch die ausgereichten Mittel über den Bund zeigen neben dem Bildungs- und Teilhabepaket bereits ihre Wirkung.
Ganz besonders stark werden sie in Dresden und Leipzig umgesetzt. Einige Gebietskörperschaften haben nach unserem Kenntnisstand die Möglichkeit genutzt – –
Frau Clauß, ist die Information richtig, dass aus dem Programm „Kompetenzentwicklung“ keine Schulsozialarbeit finanziert werden darf, sondern lediglich Sozialarbeit, die für die Schüler zur Berufsorientierung genutzt werden kann?
Die Möglichkeit besteht, das haben wir gerade in der Produktionsschule nochmals untersetzt. Alles andere werden wir noch untersuchen.
Einige Gebietskörperschaften haben nach unserem Kenntnisstand die Möglichkeit genutzt, zusätzliche Stellen für Schulsozialarbeit zu schaffen. Das ist auch zu unterstützen. Sie sehen, die Förderung der Schulsozialarbeit kann aus mehreren Töpfen erfolgen, ganz individuell für die Situation vor Ort. Eine sachsenweite Ausweitung auf jede Schule, auch das muss hier deutlich gesagt werden, kostet den Freistaat pro Jahr circa 100 Millionen Euro. Dabei sind die schulbezogenen Maßnahmen
wie der Hort und die Ganztagsbetreuung sowie die ESFFörderung des Kultusministeriums noch gar nicht dabei. Ich kann Ihnen versichern, zu diesem Thema stehe ich mit meiner Kollegin Frau Kurth im Dialog.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Für die fachliche Qualifizierung werden wir den Landesjugendhilfeausschuss bitten, die Situationsbeschreibung zur Schulsozialarbeit im Freistaat Sachsen fortzusetzen, um die Dinge, die jetzt noch genannt worden sind, in dieser Trias der Weiterentwicklung von Produktionsschulen aufzuzeigen. Ziel ist es, ein Netz an Projekten der Schulsozialarbeit in Sachsen zu haben, das dem örtlichen Bedarf und auch den Möglichkeiten der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe entspricht. Schulsozialarbeit unterstützt auch Eltern- und Familienarbeit, betont aber gleichzeitig die verfassungsrechtlich vorgegebene Elternverantwortung. Das ist uns wichtig. Dem Antrag sind wir hier eigentlich schon gerecht geworden, indem ich Ihnen die Zahlen alle genannt habe.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Schlusswort. Frau Klepsch, bitte, für die einreichende Fraktion.