Protocol of the Session on May 16, 2013

Noch einige Bemerkungen zu der EZB-Studie, auf die sich die NPD bezieht. Schon beim ersten Lesen der Studie gewinnt man den Eindruck – das ist durch die Autoren dieser Studie selbst vorangestellt worden –, dass keine einfachen Schlüsse aus den vorgestellten Zahlen gezogen werden können. Aber was kümmert es die NPD? Sie ist mit einfachen Schlüssen schnell zur Hand. Hauptsache, sie lassen sich in nationalistischer und antieuropäischer Manier instrumentalisieren.

Allein auf der Grundlage des Instrumentariums der EZBStudie kann keine abschließende Differenzierung in wohlhabende und nicht wohlhabende EU-Staaten erfolgen. Das leuchtet bereits anhand der mit der Studie vorgelegten Zahlen selbst ein.

Zum Beispiel sind Haushaltsgrößen – die durchschnittliche Anzahl der Haushaltsmitglieder – in den verglichenen Staaten zu heterogen, um generalisierende Schlüsse bezüglich des Vermögens der jeweiligen Bevölkerung zu ziehen. Hierbei spielt der Anteil von Einpersonenhaushalten eine besondere Rolle, insbesondere wenn der Median als Vergleichsgröße genutzt wird. Deutschland mit einem vergleichsweise hohen Anteil von Einpersonenhaushalten muss allein deswegen im Median tendenziell unterhalb von Staaten liegen, deren Zusammenleben stärker von Mehrgenerationenfamilien geprägt ist.

Auch bezieht sich das in der Studie verwendete Konstrukt des Haushaltsvermögens wesentlich auf Grund- und Hauseigentum. In Deutschland ist dieser Anteil von Vermögen vergleichsweise gering. Kurz: Das Konstrukt des Haushaltsnettoeinkommens, wie es die Studie verwendet, kann nicht als abschließendes und alleiniges Vergleichskriterium für Vermögen und Wohlstand der Bevölkerung einzelner EU-Staaten genutzt werden.

Wer dies wie die NPD dennoch tut, bedient sich eines demagogischen Taschenspielertricks, indem er höchst komplexe und widersprüchliche Zusammenhänge auf einzelne statistische Ergebnisse reduziert, die sich dann scheinbar für plausible Erklärungen und ideologische Zwecke missbrauchen lassen.

Den vorliegenden NPD-Antrag abzulehnen gehört daher zum Ehrenkodex einer jeden Demokratin und eines jeden Demokraten im Sächsischen Landtag, der die Fortentwicklung der europäischen Einigung wünscht.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das war Herr Kosel für die Fraktion DIE LINKE. – Es gibt in dieser ersten Rede

keinen weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen. Wir können in eine zweite Rednerrunde eintreten. Das Wort ergreift für die einbringende NPD-Fraktion der Abg. Schimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die heutige Debatte war seitens der Redner der etablierten Parteien einmal mehr nur von den üblichen Schlagworten und Reflexen geprägt, und das hat uns als NPD weiß Gott nicht überrascht.

(Zuruf von den LINKEN: Das haben Sie schon aufgeschrieben?)

Das Dogma des reichen und vom Euro profitierenden Deutschlands ist bei vielen auch gutgläubigen Deutschen immer noch felsenfest verankert, und nur so war es den etablierten Parteien möglich, eine sogenannte EuroRettungspolitik durchzubringen, die von Anfang an gegen die Interessen des deutschen Volkes gerichtet war. Deshalb ist es Ihnen so unangenehm, wenn hier über die Vermögensstatistik der Europäischen Zentralbank gesprochen wird.

Nach der Veröffentlichung dieser Studie der Europäischen Zentralbank meldete sich sofort Kanzlerin Merkel über die „Bild“-Zeitung zu Wort – ihre Argumente wurden von meinen beiden Vorrednern bzw. von Herrn Rohwer und Herrn Kosel noch einmal paraphrasiert – und behauptete, die Ergebnisse der Studie seien verzerrt, da beispielsweise die Rentenansprüche der Deutschen nicht angemessen berücksichtigt worden seien.

Schon diesen Vorgang und auch das Verhalten meiner Vorredner von den etablierten Parteien darf man wohl als absolut einmalig bezeichnen. Da bringt die Europäische Zentralbank, die nicht als Gralshüter der deutschen Interessen bekannt ist, eine Statistik heraus, in der nachgewiesen wird, dass die Deutschen, was das Vermögen angeht, die rote Laterne in der Eurozone halten. Anstatt nun diese Statistik als Argumentationsvorlage bei den nächsten Verhandlungen auf EU-Ebene zu nutzen, stellt sich die Bundeskanzlerin ohne zu zögern auf die Gegenseite, argumentiert gegen die Interessen des eigenen Volkes und scheut sich dabei auch nicht, einfach falsche Argumente zu benutzen, und das alles nur, damit die eigenen Bürger weniger Widerstand leisten, wenn sie wie eine Weihnachtsgans ausgenommen und um ihre Ersparnisse gebracht werden.

(Beifall bei der NPD)

So, meine Damen und Herren, sieht also das neue Europa der Merkels, Schäubles, Draghis und Barosos aus. Die Deutschen arbeiten bis 67 – oder bald bis 70 –, bekommen dafür aber deutlich weniger Rente, haben das geringste Vermögen in Europa, um dann Ländern wie Zypern, deren Bürger ein fünffach höheres mittleres Vermögen als der Durchschnittsdeutsche aufweisen, auch noch Rettungspakete zu finanzieren.

Aber auch dieser Wahnsinn – mein Fraktionskollege Jürgen Gansel hat es angedeutet – ist noch steigerbar. Nun

soll die deutsche Haftung auch noch auf alle EU-Staaten ausgedehnt werden, die bislang noch nicht den Euro eingeführt haben, und zwar über die Einführung einer sogenannten „Facilität des finanziellen Beistands für Mitgliedsstaaten, deren Währung nicht der Euro ist“. Es existiert schon eine Vorlage des EU-Rates zur Einführung dieses Instruments, das die Drucksachennummer KOM (2012) 336 trägt, wobei in dem Entwurf steht, dass Darlehen, die einem Mitgliedsstaat gewährt werden, auf 50 Milliarden Euro begrenzt werden sollen. Das ergebe für alle zehn EU-Mitglieder, die nicht dem Euroraum angehören, die gigantische Summe von 500 Milliarden Euro.

Wieder einmal sollen also im Zuge dieser Euro-Krise die begrenzte Einzelfallermächtigung sowie das Subsidiaritätsprinzip mit Füßen getreten werden, und wieder sind es nur einzelne Verantwortungsträger, die dagegen ihre Stimme erheben.

Man muss sich auch fragen: Was würde denn eine Parlamentsbeteiligung des Deutschen Bundestages bringen, wenn dort nur Abnicker sitzen, die sich nicht als freie Mandatsträger mit Rechtsbewusstsein und Gewissen verstehen, sondern sich wie Angestellte ihrer Parteien verhalten? Auch bei einer Bundestagsentscheidung über diesen Schatten-ESM würde wieder nur eine Handvoll Gerechter um Peter Gauweiler, Frank Schäffler, Veronika Bellmann und Klaus-Peter Willsch gegen den SchattenESM stimmen.

Die bittere Wahrheit, meine Damen und Herren, ist – das ist auch heute hier wieder ganz klar geworden –, dass es die meisten Abgeordneten gar nicht kümmert, dass systematisch Recht gebrochen wird und Risiken in Kauf genommen werden, die den Staatsbankrott Deutschlands bedeuten könnten. Der Kollege Lichdi hat hier in diesem Haus mit Blick auf die seiner Auffassung nach zu geringe Förderung der Solarindustrie einmal von einem Elitenversagen gesprochen. Dieses kollektive Elitenversagen gibt es tatsächlich, allerdings auf einem anderen Politikfeld, nämlich bei der Währungspolitik,

(Beifall bei der NPD)

wobei hier der Rechtsbruch institutionalisiert wird und selbst gegen geltende europäische Verträge verstoßen wird. Wir als NPD sind uns sicher, dass die Deutschen die Zerstörung des Rechtsstaats nicht widerstandlos hinnehmen werden.

Die Redezeit ist zu Ende.

Ja. – Die, die Wind gesät haben, werden schon bald Sturm ernten. Nur eines ist auch für die Zukunft sicher: Die NPD wird immer an der Seite derjenigen stehen, die den Rechtsstaat gegen die unbegrenzte Schuldenunion verteidigen.

Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Für die einbringende NPD-Fraktion war das der Abg. Schimmer. – Es gibt keinen weiteren Redebedarf aus den Fraktionen. Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Damit hat die NPD-Fraktion die Möglichkeit des Schlussworts.

(Zuruf von der CDU: Es reicht! – Gegenruf von der NPD: Ihr bekommt die volle Dosis!)

Ich möchte wirklich einen Diskurs und eine Debatte mit Ihnen führen, meine Damen und Herren. Das wollen Sie natürlich nicht. Aber ich möchte mir auch die Zeit nehmen, auf die Argumente meiner Vorredner einzugehen. Ich muss sagen: Was sich wie ein roter Faden durch die Argumentation von Kollegen Rohwer und von Kollegen Kosel gezogen hat, war eine gewisse – ich sage es einmal umgangssprachlich – Korinthenkackerei, dass man dann herumgerechnet hat: Mensch, in Spanien leben 2,7 Personen in einem Haushalt, in Deutschland nur zwei. – Wenn es leichter ist, Immobilien bzw. Eigentum in südeuropäischen Ländern zu erwerben, dann muss ich mich fragen, warum es dort leichter ist: wahrscheinlich, weil es dort auch leichter ist, dass sich die Bürger Vermögen ansparen können.

Aber ganz ehrlich: Was bringt es jetzt, wenn wir volkswirtschaftlich und empirisch abgesichert feststellen würden, dass die Italiener nur ein dreifach höheres Durchschnittsvermögen als die Deutschen haben und nicht ein dreieinhalbfach höheres, wie es jetzt in der EZBVermögensstatistik ausgewiesen wurde? Fest steht doch – da haben selbst einige Volkswirte in der „FAZ“ Tacheles geredet –: Die EZB-Vermögensstudie ist im Grunde genommen solide und weist die richtigen Zahlen aus. Selbst wenn es an der einen oder anderen Stelle vielleicht eine gewisse Überzeichnung gegeben hat: Die Deutschen haben eben den geringsten Vermögensmedian im Euroraum. Es kann nicht angehen, dass derjenige, der das geringste Vermögen hat, noch Rettungspakete für die weit reicheren Nachbarn finanzieren soll. Wo bleibt Ihr soziales Herz bei den LINKEN? Das frage ich mich wirklich. Haben Sie nur ein soziales Herz für griechische und italienische Arbeitnehmer und nicht für die eigenen Landsleute? Das würde ich schade finden;

(Beifall bei der NPD)

denn das wäre umgekehrter Rassismus. Ich frage mich, warum Sie immer jedes Argument bezüglich der Euro

Krise so hindrehen, dass deutsche Arbeitnehmer, wenn sie von der Diskriminierung betroffen sind, plötzlich doch angeblich bessergestellt sind und weiterzahlen sollen. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Herr Rohwer, bei Ihnen hat mich sehr gewundert, als Sie sagten, im Zuge der Globalisierung müssten wir uns auch an verschiedene Finanzkulturen gewöhnen. Was ist denn darunter zu verstehen? Darunter ist beispielsweise zu verstehen, dass heute ein Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschienen ist, nach dem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte in Zusammenarbeit mit der Prüfungskommission des Europäischen Rates festgestellt hat, dass in Zypern immer noch die Geldwäschegesetze nicht angewendet werden. Das Bild war also weit schlechter, als man es sich hätte vorher in den schlimmsten Vorstellungen ausmalen können.

Es ist tatsächlich immer noch so, dass die zyprischen Banken vielen Konten nicht einmal Inhaber zuordnen können. Was wollen Sie uns also damit sagen, wenn Sie uns sagen, dass wir uns daran gewöhnen müssen, dass im Zuge der Globalisierung verschiedene Finanzierungskulturen existieren? Sollen wir es deswegen akzeptieren, dass andere Länder und ihr Bankensystem die Mafia geradezu einladen, kriminelle Gelder in ihrem Bankensystem anzulegen?

Die drei Minuten für das Schlusswort sind zu Ende, Herr Schimmer.

Ich glaube, das kann nicht wirklich das Ende eines Globalisierungs- oder Internationalisierungsprozesses sein. Wir werden hier auch weiterhin auf rechtsstaatliche Prinzipien hinweisen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Das war das Schlusswort der einbringenden NPD-Fraktion.

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/11889 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Drucksache 5/11889 nicht beschlossen, und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 12

Landesentwicklungsplan 2012 Geänderter Entwurf für das

Beteiligungsverfahren gemäß §§ 9 und 10 ROG in Verbindung mit

§ 6 Abs. 2 SächsLPIG (Kabinettsbeschluss vom 25. September 2012)

Drucksache 5/10471, Unterrichtung durch das Sächsische Staatsministerium des Innern

Drucksache 5/11823, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Das Präsidium hat dafür eine Redezeit von 10 Minuten je Fraktion festgelegt, die Sie natürlich nicht unbedingt voll ausschöpfen müssen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD, Staatsregierung, wenn gewünscht.

Zunächst ergreift Herr Kollege Fritzsche für die CDUFraktion das Wort; bitte.