Protocol of the Session on January 20, 2010

bedienen, die Polizeiautos kaputtmachen und Dinge angreifen, zurückweisen.

(Holger Apfel, NPD: Sie unterstützen, Sie bedienen sich nicht! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Es hat sich im vergangenen Jahr um Anmeldungen von demokratischen Demonstrationen gegen den Neonaziaufmarsch gehandelt, und ich weiß, dass es sich auch in diesem Jahr um demokratische und korrekt angemeldete Versammlungen gegen den Neonaziaufmarsch, der alljährlich in Dresden stattfindet, handelt. Diese Richtigstellung hielt ich für wichtig. – Vielen Dank.

Wir setzen in unserer Rednerliste weiter fort. Die FDP-Fraktion; Herr Abg. Biesok, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag haben sich FDP und CDU verpflichtet, alle versammlungsrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um bis zum 13. Februar 2010 das Versammlungsrecht zu ändern, um Extremisten in Sachsen deutliche Grenzen zu setzen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir Wort gehalten. Wir haben als Gesetzgeber auf die zunehmenden Ausschreitungen – beginnend von Rechts, mit nicht minder schweren Ausschreitungen von Links, insbesondere am 13. und 14. Februar in Dresden – reagiert. Wir haben das Versammlungsrecht nicht neu erfunden. Wir haben das bewährte Versammlungsrecht des Bundes fast vollständig in Landesrecht überführt. Wir haben lediglich die Möglichkeit eröffnet, an wenigen Tagen und an wenigen Orten bestimmte Versammlungen zu beschränken oder – als Ultima Ratio – zu verbieten. Der Aufschrei war groß: Wir würden das Versammlungsrecht aushöhlen, der Gesetzentwurf sei völlig untauglich. Gerade uns Liberalen wurde vorgeworfen, Freiheitsrechte zu missachten.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Wir sind uns der Verantwortung im Umgang mit Freiheit und Menschenrechten, anders als SPD und GRÜNE zu Zeiten ihrer gemeinsamen Bundesregierung, sehr bewusst.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber die Grundrechte finden ihre Grenze dort, wo sie anderen Bürgern die Ausübung ihrer Grundrechte vereiteln. Was wir in den letzten Jahren am 13. und 14. Februar in Dresden gesehen haben, war keine Ausübung von Freiheitsrechten mehr, es war deren Perversion. Gruppen, die in der Tradition von Nationalsozialisten stehen, nutzten den Tag der Zerstörung Dresdens, um die Verantwortung für den Krieg, die Opfer des Krieges und die Zerstörung Dresdens den Alliierten zuzuschieben.

(Jürgen Gansel, NPD: Ja, wer saß denn in den Fliegern, die Dresden bombardiert haben?)

Herr Apfel und die Kollegen von der NPD, es waren Ihre geistigen Großeltern, die den Zweiten Weltkrieg angefangen haben, in dessen Folge Dresden fast vollständig zerstört wurde. Es ist Ihre geschichtliche Verantwortung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wer die Würde der Opfer des Nationalsozialismus verletzt, indem er die nationalsozialistische Gewaltherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt, kann sich nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. November 2009 ausdrücklich festgestellt. Wir sorgen mit unserem Gesetzentwurf dafür, dass solche Menschen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nunmehr auch hier in Sachsen nicht mehr missbrauchen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir stellen mit unserem Gesetz die Freiheit derjenigen wieder her, die am 13. Februar still und friedlich der Opfer des Zweiten Weltkrieges hier in Dresden gedenken wollen.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Das ist doch ein Einzelgesetz!)

Herr Kollege, das Gesetz kann sich nicht auf ein – –

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Na klar! – Zuruf von der CDU: Du Waschweib!)

Herr Kollege, dazu möchte ich doch gerade etwas sagen.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Es ist ein Einzelgesetz!)

Das Gesetz kann sich nicht auf eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes stützen, wenn wir auch die Würde der Menschen schützen wollen, die unter der kommunistischen Gewaltherrschaft Opfer menschenunwürdiger Behandlungen wurden.

Dessen sind wir uns auch bewusst. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ein solcher Schutz verfassungswidrig wäre. Diese Rechtsfrage ist schlicht und einfach noch nicht entschieden.

(Lachen des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Diese Einschränkungen beim Versammlungsrecht sind nach meiner Auffassung auch möglich. Kollege Schiemann hatte darauf noch einmal hingewiesen: Das Grundrecht wird eben nicht, wie von vielen glaubhaft gemacht wird, schrankenlos gewährt. Artikel 8 des Grundgesetzes und Artikel 23 der Sächsischen Verfassung erlauben Beschränkungen durch oder aufgrund eines Gesetzes. Sachsen hat eine andere Geschichte als SchleswigHolstein oder Niedersachsen. Unsere Verfassung geht nach ihrer Präambel von den leidvollen Erfahrungen der nationalsozialistischen und kommunistischen Gewaltherrschaft aus.

Es ist daher nach meiner festen Rechtsauffassung möglich, in einem sächsischen Landesgesetz diese Präambel

und diesen Auftrag, den der Verfassungsgeber uns damit gegeben hat, auch in ein sächsisches Landesversammlungsgesetz einfließen zu lassen. Die leidvollen Erfahrungen aus der kommunistischen Gewaltherrschaft rechtfertigen auch hier den Eingriff in ein Freiheitsrecht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Von der Opposition wird in einschlägigen Pressemitteilungen behauptet, dass quasi uferlos jede noch so friedliche Versammlung verboten werden könnte. Das ist falsch. Wir haben konkrete Kriterien gefasst, dass nur diejenigen, die die Würde der Menschen verletzen, in Dresden kein Forum bekommen, um Dresden wieder in die Schlagzeilen zu bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz ermöglicht es den Verwaltungsbehörden, dass historisch besonders herausgehobene Orte nicht mehr von Rechts- und Linksextremisten für ihre außerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung liegenden ideologischen Aufmärsche missbraucht werden. Das Gesetz hat die in Artikel 8 Grundgesetz verkörperte verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die Freiheit beachtet. Demonstrationen sind ein Stück ursprünglicher, ungebändigter und unmittelbarer Demokratie.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Richtig!)

Wir Liberalen werden diese Freiheitsrechte immer verteidigen.

(Lachen bei der NPD)

Das Gesetz entbindet uns Demokraten jedoch nicht von der Verpflichtung, zuvörderst durch eine politische Auseinandersetzung, nicht Nationalsozialisten die Geschichtsinterpretation zu überlassen.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD – Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, auch das muss friedlich erfolgen. Wer Aufmärsche von Nazis nutzt, um selbst Gewalt gegen Andersdenkende oder Polizisten anzuwenden, stellt sich außerhalb unserer Rechtsordnung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wünsche uns allen einen friedlichen 13. und 14. Februar 2010 in Dresden mit einem würdigen – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Wenn Sie mit Ihrem Redebeitrag fertig sind, kann ich diese sonst nicht mehr zulassen.

Herr Kollege Lichdi, bitte.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Kollege Lichdi, einen Moment, ich muss Sie erst einschalten.

(Heiterkeit)

Das Mikrofon meine ich natürlich, Entschuldigung.

Hochverehrte Frau Präsidentin, ich bedanke mich ausdrücklich für Ihre ausgesuchte Freundlichkeit und möchte folgende Frage an Kollegen Biesok richten: Wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass ohne Ihr Gesetz – gesetzt den Fall, dass es heute nicht zum Gesetz erhoben werden würde – das geltende Versammlungsrecht nicht schon ausreichend Handhabe bietet, um gewalttätige Demonstrationen – von wem auch immer – zu unterbinden?

Sehr geehrter Herr Kollege Lichdi, Sie kommen auch aus Dresden und haben sicherlich gesehen, was in den letzten Jahren hier los war. Offensichtlich war das bisherige Recht nicht ausreichend, um diese Aufmärsche von Rechtsextremisten mit anschließenden Krawallen von Linksextremisten zu verbieten.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion – Beifall bei der FDP und der CDU)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Wenn Sie den Kollegen schon angeschaltet haben, dann ja.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU)