Protocol of the Session on January 20, 2010

Doch wer A sagt und eine Anhebung der Hinzuverdienstgrenze fordert, der muss auch B sagen und sich zu gesetzlichen Mindestlöhnen bekennen, um Lohndumping und Ausbeutung nicht weiter zu fördern.

Herr Kollege, bitte achten Sie auf die Redezeit.

Ich bin gerade bei der Hälfte.

Nein, Sie haben noch drei Sekunden. Bitte.

Ja, drei Sekunden habe ich noch.

(Allgemeine Heiterkeit)

Hartz IV ist zur Rutschbahn des sozialen Abstiegs für ehemals Beschäftigte geworden. Hartz IV ist zur dominanten Triebkraft der dramatischen Ausweitung des Niedriglohnsektors auf mittlerweile 6,5 Millionen Beschäftigte geworden. Deshalb fordert die NPD die Rückkehr zum dualen System aus Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und die Einführung flächendeckender Mindestlöhne.

Die Redezeit ist abgelaufen.

Der Kampf gegen Hartz IV muss weitergehen.

Ich werde Ihnen das Wort entziehen.

Wir von der NPD werden ihn auch weiterführen.

(Beifall bei der NPD)

Wir sind am Ende der ersten Runde. Wir müssten noch einmal auf die Redezeit schauen und über diese verfügen. Die Fraktion der CDU hat noch fast 13 Minuten, die Fraktion DIE LINKE hat fast 15 Minuten und die anderen Fraktionen verfügen über keine Redezeiten mehr.

Ich bitte noch einmal die einbringende Fraktion, DIE LINKE, um eine Stellungnahme. Herr Pellmann Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbst diese knapp 15 Minuten würden kaum ausreichen, um das Problem auch nur annähernd erschöpfend zu behandeln.

Deshalb möchte ich zunächst eine Vorbemerkung machen, um das ein für alle mal klarzustellen: Die damalige PDS hat sich – auch in den jeweiligen Regierungen – von Anfang an gegen Hartz IV gestellt.

(Holger Apfel, NPD: Ihr hättet austreten müssen aus der Regierung!)

Weil wahrscheinlich die Herrschaften von der NPD hoffentlich nie im Parlament richtig ankommen werden, mache ich den letzten Versuch einer Nachhilfe. In solchen Situationen – wenn ein Teil der Koalition dagegen und ein anderer Teil dafür ist – ist es üblich, dass sich die jeweilige Regierung enthält.

(Zwischenrufe der Abg. Holger Apfel und Jürgen Gansel, NPD)

Das ist seit eh und je der Fall.

(Holger Apfel, NPD: Dann muss man die Koalition aufkündigen, wenn man es ehrlich meint!)

Ich möchte noch einiges zur Analyse beitragen und einige Auswegmöglichkeiten andeuten.

Wir können davon ausgehen, dass es laut Statistik einen geringen Rückgang der Arbeitslosen- und insbesondere der Langzeitarbeitslosenzahlen gegeben hat.

Erstens: Die Statistik war ungenau, weil sie seit Jahr und Tag mit Trick und Tücke arbeitet. Des Weiteren gibt es eine Reihe von Faktoren, die es deutlich machen. Auf jeden Fall war für den zwischenzeitlichen Rückgang nicht Hartz IV, sondern beispielsweise für Sachsen die verstärkte Abwanderung von vornehmlich jungen Arbeitskräften oder die Zwangsfrühverrentung verantwortlich. Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen Sie sich das genau an.

(Beifall des Abg. Andreas Storr, NPD)

Zweitens: Herr Krauß, ich sage Ihnen das nicht zum ersten Mal. Sie behaupten ständig, dass Hartz IV und die Leistung von Arbeitslosengeld II Armut verhindern würden. Ich sage Ihnen: Keine dieser Sozialleistungen verhindert Armut. Die Sozialleistungen, die gewährt werden, sind nicht armutsfest.

Schauen Sie sich endlich die objektiven EU-Kriterien an; dann können Sie erkennen, was eine Armutsquote ist. All diese Sozialleistungen – ich stelle das noch einmal deutlich heraus – gelten in Sachsen offiziell als arm und nichts anderes. Leider ist das so, Herr Hahn.

Drittens: Eines der größten und diskriminierendsten Probleme von Hartz IV ist die Bedarfsgemeinschaft, und zwar aus folgendem Grund: Insbesondere Frauen und Jugendliche werden diskriminiert. Es ist eine Fortsetzung des sogenannten Alleinernährermodells des vorigen Jahrhunderts, wie es in Westdeutschland vorherrschte, und es wurde wieder „aufgelebt“. Das kann man nicht hinnehmen. Wir fordern daher eine Individualveranlagung all derer, die auf Sozialleistungen angewiesen sind. Wir fordern insbesondere endlich die Abschaffung der sogenannten Fünfundzwanziger-Regelung, dass Jugendliche auf Gedeih und Verderb in ihrem Elternhaus zu verbleiben und keinen Anspruch auf eine eigene Wohnung bzw. auf einen eigenständigen Bedarfsgemeinschaftsstatus haben.

Viertens: Wir wollen eine Anhebung der Regelleistungen und insbesondere eine Anhebung der Regelleistungen für alle. Man kann von dem, was gegenwärtig gewährt wird, nicht vernünftig leben. Die Bemerkung, die man gelegentlich hört, ist, dass es dem soziokulturellen Existenzminimum entsprechen würde. Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Diese Zahl für das soziokulturelle Existenzminimum ist eine politisch motivierte Zusammenstellung. Sie ist weit ab vom realen Leben. Insbesondere sage ich: Wir fordern – wie andere – einen eigenen Regelsatz für Kinder. Das Versagen der Staatsregierung besteht auch darin, dass sie erst einmal abwarten will, wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Politik kann so nicht funktionieren: Man begibt sich erst nach Karlsruhe, wo entschieden wird, ob man richtig oder falsch gehandelt hat. Wir hätten schon längst über den Bundesrat eine Initiative ergreifen kön

nen, mit der wir einen eigenen Regelsatz für Kinder schaffen. Wir müssten nicht länger auf das Bundesverfassungsgericht warten.

Fünftens: Wir steuern durch Hartz IV auf immer mehr Altersarmut zu. Es ist schon mehrfach deutlich gesagt worden. Deshalb erneuere ich unsere Forderung.

Herr Kollege Pellmann, Ihre Redezeit ist zu Ende. Sie haben nachher noch Möglichkeiten.

– Selbstverständlich, Herr Präsident! Ich möchte den Satz nur noch zu Ende bringen.

Wir müssen sichern, dass endlich ein angemessener Beitrag in die Rentenkassen eingezahlt wird und Altersarmut zumindest eingedämmt werden kann. Ansonsten steuern wir mit riesigen Schritten darauf zu.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war Kollege Pellmann für die einbringende Fraktion DIE LINKE. – Als Nächstes spricht Herr Kollege Krauß für die CDUFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir haben eine interessante Debatte mit konstruktiven Vorschlägen von SPD, FDP und GRÜNEN, über die man sicher reden kann, erlebt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wir haben auch Vorschläge gemacht!)

Ja, darauf wollte ich gerade eingehen. Man muss aber fragen, ob diese konstruktiv waren.

Die veränderte Regel, die besagt, dass man nicht automatisch mit 18 Jahren aus der elterlichen Wohnung ausziehen kann und eine vom Staat finanzierte Wohnung bekommt, war aus meiner Sicht richtig.

(Jürgen Gansel, NPD: Das wissen wir alle!)

Wenn beide Eltern arbeiten und das Kind studiert oder eine Ausbildung beginnt, zieht es auch nicht automatisch aus der elterlichen Wohnung aus und bekommt diese von der Allgemeinheit bezahlt. Ich glaube, das war eine richtige Korrektur an den Hartz-IV-Reformen, die man relativ schnell durchgeführt hat.

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Kollege Krauß?

Ja. Bitte, Herr Pellmann.

Danke. Herr Krauß, würden Sie mir zustimmen, dass es wohl nicht sein kann, dass ich mit 18 Jahren zwar nicht darüber entscheiden darf, ob ich eine eigene Wohnung haben will, aber beispielsweise den Wehrdienst anzutreten habe? Meinen Sie, dass das in Ordnung ist?

(Zuruf von der CDU)

Herr Pellmann, ich glaube, jeder, der eine Wohnung haben will und mit seinen eigenen Händen das Geld verdient hat, der kann sich sehr gern eine Wohnung besorgen. Das ist doch jedem freigestellt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Pellmann, Sie haben – das rechne ich Ihnen hoch an – darüber gesprochen, dass die Arbeitslosenquote zurückgegangen ist, was Herr Hahn ja noch geleugnet hat.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Nein!)

Dann sind Sie aber auf die Statistik eingegangen. Da sagen Sie einerseits, dass daran herummanipuliert wird, aber andererseits, dass früher auch daran herummanipuliert wurde. Wenn früher daran herummanipuliert wurde und jetzt wieder, dann muss man sich doch fragen: Wieso ist die Quote gesunken?