Protocol of the Session on January 20, 2010

Wir werden sehr genau beobachten, ob die FDP möglicherweise in den nächsten Wochen auch noch eine Spende vom Zentralrat der Juden bekommt.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Frau Dr. Franke, Sie wünschen das Wort?

Herr Präsident, ich ersuche Sie, solchen Schmähreden gegenüber Antifaschisten und Juden unverzüglich ein Ende zu setzen, wenn damit wieder angefangen wird. Ich möchte hier betonen: Ich fühle mich davon persönlich auch zutiefst beleidigt.

Meine Eltern haben während der Nazizeit im Zuchthaus als Antifaschisten gesessen. Ich bekenne mich dazu, auch ein Antifaschist zu sein.

Danke.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Carsten Biesok, FDP)

Vielen Dank, Frau Dr. Franke.

Meine Damen und Herren! Wird seitens der Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP über die landesrechtliche Geltung des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge, wie er heute zur Abstimmung steht, wird von der Sächsischen Staatsregierung ausdrücklich unterstützt.

Mit diesem Entwurf bringt der Freistaat Sachsen ein Versammlungsgesetz auf den Weg, das in Dresden am 13. Februar zu einem friedlichen und würdevollen Gedenken und im ganzen Land zu einem besseren Schutz bei der Ausübung des Versammlungsrechts beitragen wird.

Den Koalitionsfraktionen gilt die Anerkennung der Staatsregierung für einen Entwurf, der bei der Konkretisierung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit im Spannungsfeld zu anderen verfassungsrechtlichen Schutzgütern das rechte Maß wahrt und das Handeln der Behörden auf eine stabile Grundlage stellt.

Erfreulich ist, dass das parlamentarische Verfahren tatsächlich so zügig durchgeführt wurde, dass das Gesetz noch rechtzeitig vor dem Gedenktag 13. Februar verabschiedet werden kann. Die Koalitionsvereinbarung steht damit in einem Punkt von erheblicher politischer Bedeutung, wie wir heute gesehen haben, unmittelbar vor der Umsetzung. Dafür möchte ich mich auch noch einmal bei den Beteiligten persönlich bedanken.

Meine Damen und Herren! Das neue sächsische Versammlungsgesetz reagiert auf eine immer bedrohlicher werdende Situation. Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit vereinnahmen Rechtsextremisten in aller Öffentlichkeit die Opfer des Krieges und des NS-Regimes für ihre Geschichtsfälschung und ihre Hetze. Die Reden, die heute von der NPD gehalten worden sind, zeigen dies überdeutlich.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Rechtsextremisten wollen nicht trauern, sie wollen nicht gedenken, sie wollen provozieren und ihre Geschichtsfälschung unter die Leute bringen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Sie beeinträchtigen in Wirklichkeit die Würde all dieser Opfer und sie beeinträchtigen die angemessene Erinnerung an diese Opfer, wie sie vor allem auch hier in Dresden gepflegt wird.

Zugleich – lassen Sie mich das auch sagen – missverstehen andere die Naziaufmärsche als Gelegenheit zu tätlichen Auseinandersetzungen. Die Ausschreitungen, bei denen zunehmend Verletzte zu beklagen waren, haben im letzten Jahr ein Ausmaß erreicht, das bisher nicht vorstellbar gewesen ist. Dieses Jahr, meine Damen und Herren, lassen Sie mich das deutlich sagen, droht nach Einschätzung der verantwortlichen Behörden wesentlich Schlimmeres. Das liegt auch an der Lage des Gedenktages an einem Wochenende und an weiteren Ankündigungen aus verschiedenen Richtungen, die sich vom 13. Februar entsprechende Demonstrationen und Ereignisse versprechen.

Meine Damen und Herren! Da verwundert es schon – und das lassen Sie mich bitte ausdrücklich in Richtung Linksfraktion sagen –, wenn von Abgeordneten der Linksfraktion ausdrücklich verlangt wird, dass linke Demonstranten, einschließlich autonomer Gegendemonstranten, möglichst nah an den Naziaufmarsch herankommen sollen, am Besten nicht weiter als den berühmten „einen Steinwurf weit weg“. Es ist mehr als bedenklich, wenn so etwas in dieser Situation offen verlangt wird und ausgerechnet von denjenigen, die uns vor einem Jahr mit treuem Augenaufschlag erzählen wollten, dass eine Demonstration, bei der Polizeiautos umgestürzt und angezündet worden sind, besonders friedlich verlaufen wäre.

(Starker Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Dr. Martens, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sogleich.

Meine Damen und Herren! Glauben Sie im Ernst, dass eine verantwortlich handelnde Staatsregierung oder eine verantwortlich handelnde Regierungskoalition sehenden Auges so etwas noch einmal geschehen lassen müsste? Mit Sicherheit nicht!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gestatten Sie die Zwischenfrage zunächst von Frau Jähnigen?

Damen zuerst.

Ich gehöre zu den Anmeldern einer Gegendemonstration, möglicherweise in der Nähe einer potenziellen Demonstration der NPD.

Ich möchte von Ihnen wissen, ob Sie uns angesichts des Aufrufes zur Gewaltfreiheit kollegial unterstellen wollen, dass wir Gewaltausübung fördern wollen, und womit Sie das begründen.

Sehr geehrte Frau Kollegin, selbstverständlich möchte ich Ihnen nichts unterstellen. Ich halte mich nur an die Beobachtungen, die im letzten Jahr gemacht worden sind, und an die Ankündigungen, die dieses Jahr wieder gemacht werden. Die lassen in der Tat den Schluss zu, dass zwar nicht die Anmelder oder die Unterschreibenden irgendwelcher Unterschriftenlisten, aber andere Teilnehmer ein heftiges Interesse an einer – sagen wir einmal – „erlebnisorientierten Demonstrationskultur“ haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Da wir uns einig sind, dass wir Anmelder das nicht wollen, woher nehmen Sie den Optimismus, dass sich die schwere Einsatzlage der Polizei verbessern wird, wenn die Demonstrationen in Dresden an den Rand der Innenstadt abgedrängt werden?

Das Abdrängen an den Rand der Innenstadt müssen die Ordnungsbehörden entscheiden. Es soll nur eins klar sein: Im Kernbereich um die Frauenkirche, dort, wo sich seit Jahrzehnten eine besondere Form des stillen Gedenkens an die Opfer des Krieges herausgebildet hat, finden solche Aufmärsche nicht statt. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das ist auch gut so.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Sie haben noch eine Nachfrage?

Eine letzte Nachfrage.

Ist Ihnen bekannt, dass in diesem Bereich noch nie eine Demonstration der NPD in Dresden genehmigt wurde?

In unmittelbarer Nähe nicht. Aber es geht ja um das Gedenken, und das wird nicht nur von Naziaufmärschen gestört, sondern auch von johlenden Gegendemonstranten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Staatsminister, Sie gestatten noch eine Zwischenfrage vom Abg. Klaus Bartl?

Selbstverständlich.

Danke, Herr Präsident. – Herr Staatsminister, ich bedanke mich, dass Sie bereit sind, meine Frage zu beantworten.

Sie haben vorhin Anmeldern zum Vorwurf gemacht, dass sie begehren, in Sicht- und Reichweite der Demo der Neonazis zu kommen. Geben Sie mir darin recht, dass es

gesicherte Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts ist, dass es bei Gegendemonstrationen geradezu einen Anspruch darauf gibt, in die Nähe der Demonstration zu kommen, der ich begegnen will? Wenn nein, geben Sie mir dann darin recht, dass Sie das noch im Vorjahr anders gesehen haben, als Sie als Oppositionspolitiker hier saßen?

Die Frage beantworte ich nicht mit Ja oder Nein, sondern mit weder – noch. Weder habe ich es im letzten Jahr anders gesehen, noch würde es uneingeschränkt gelten, gewalttätige oder gewaltbereite Demonstranten in Steinwurfweite eines anderen Aufzuges kommen zu lassen. Das hat nichts mit der Möglichkeit zu tun, Gegendemonstranten auch die Möglichkeit zu geben, in Sicht- und Hörweite eines anderen Demonstrationszuges aufzumarschieren.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Aha!)

Aber das gilt nur, solange diese Gegendemonstration friedlich ist und keine Anhaltspunkte tatsächlicher Art dafür vorliegen, dass es eine unfriedliche Gegendemonstration wird. Nach meiner Kenntnis gibt es hier reichliche solcher Anhaltspunkte.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Bartl hat noch eine Nachfrage.