Protocol of the Session on January 30, 2013

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Dr. Stange, Sie haben natürlich recht, dass auf Bundesebene von der KMK schon viele Dinge vereinbart

worden sind. Aber ich denke, es ist wichtig, dass wir auch in den Landtagen das Thema intensiv diskutieren: Wie viel Vergleichbarkeit wollen wir? Welche gemeinsamen Standards wollen wir? Wollen wir beispielsweise bundesweit gemeinsame Bezeichnungen für die unterschiedlichen Schularten? Dazu haben wir jetzt noch keine Position, aber es wäre einmal interessant, zu erörtern, ob man das regeln will. Das sollte nicht nur in Hinterzimmern geschehen – Entschuldigung, Frau Kurth –, sondern es sollte vor allem hier im Plenum öffentlich diskutiert werden.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Die Standards wollen Sie hier diskutieren?)

Frau Dr. Stange, es geht nicht darum, die Standards zu diskutieren, sondern: Wie viel Gemeinsamkeit wollen wir? Sind es beispielsweise gemeinsame Bezeichnungen? Sind es gemeinsame Abituraufgaben? Sind es gemeinsame und gleiche Abschlüsse – ja oder nein? Das gehört in die Landtage, da ist es richtig aufgehoben. Das sollte man diskutieren. Es gibt gute Gründe, die dafür sprechen, es gibt Gründe, die dagegen sprechen, aber wir brauchen diese öffentliche Diskussion hier in Sachsen, denn die Bürger wollen diese Fragen beantwortet haben, deshalb führen wir diese Diskussion.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Frau Dr. Stange, die Aufhebung des Kooperationsverbotes ist doch eine völlige Phantomdiskussion. Sie reden doch am Thema vorbei, wenn Sie das hier ansprechen.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Sie reden am Thema vorbei, Herr Bläsner!)

Sie reden daran vorbei, weil mit der Aufhebung des Kooperationsverbotes nichts in Deutschland vergleichbarer wird. Bestenfalls führt es zu mehr Geld in den Ländern – für Bildung, das ist richtig.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Aha! – Zurufe von den LINKEN – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Moment! Ein Standard sollte auch sein, dass man sich alles anhört. Den sollten auch die LINKEN kennen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Frage ist aber: Wollen wir, dass dann drei Ebenen im Bereich Bildungspolitik mitsprechen: die Kommune, das Land und der Bund? Wir wissen, dass Mischtfinanzierung und Mischtverantwortlichkeit immer Probleme mit sich bringen, dass es dann die „goldenen Zügel“ gibt. Vielleicht will dann – ich sage es einmal ein wenig salopp; wir mögen davon verschont bleiben – eine SPD-geführte Bundesregierung mit den „goldenen Zügeln“ die Gemeinschaftsschule einführen. Das wollen wir als Sachsen nicht, deswegen lehnen wir auch eine Verantwortlichkeit beim Bund ab.

Vorhin kam noch der Einwurf, die FDP hätte dem im Bund zugestimmt. Ich möchte das klarstellen: Es ging um den Bereich Hochschule, um eine ganz andere Problema

tik, und dort ist es sinnvoll, dass man bei überregional bedeutsamen Universitäten eine Ausnahme macht. Das hat aber nichts mit dem Kooperationsverbot im Schulbereich zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Bläsner sprach für die FDP-Fraktion. – Gibt es Redebedarf bei den LINKEN? – Kein weiterer Redebedarf. SPD? – Frau Dr. Stange, Sie ergreifen erneut das Wort für die SPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Manches kann nicht unwidersprochen stehen bleiben. Ich bleibe dabei, Herr Bienst: Das meiste, was Sie gesagt haben – oder eigentlich alles – – Man kann die Bausteine aus den KMK-Beschlüssen nehmen und sie in den Staatsvertrag hineinsetzen, dazu braucht man auch kein Jahr, um sich das zu überlegen, sondern das kann man innerhalb weniger Stunden tun, und genauso ist der Staatsvertrag aufgebaut. Es sind einfach Bausteine aus den Beschlüssen der KMK herausgenommen und dort eingesetzt worden, und Sie haben sie wunderbar zitiert.

Ich möchte darauf hinweisen, da Sie gerade die Abituraufgaben angeführt haben – ich habe das schon mehrfach thematisiert und auch Anfragen an das Kultusministerium, damals noch unter Herrn Wöller, gestellt –, warum sich einzelne Länder auf den Weg gemacht haben, diese schwierigen Aufgaben zu entwickeln, die kompetenzbasiert und getestet sein müssen, bevor man sie auf den Weg bringt, wo wir, alle 16 Bundesländer, doch gemeinsam ein Institut finanzieren, das genau diesen Auftrag hat: Das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, das IQB an der Humboldt-Universität, hat genau diesen Auftrag – aus den Gründen, die Sie genannt haben. Dort arbeiten Fachkolleginnen und -kollegen an den Aufgaben mit. Sie werden so erarbeitet, dass wir sie ruhigen Gewissens in den Schulen einsetzen können und sie kompatibel sind. Warum finanzieren wir das doppelt? Warum betreibt das Kultusministerium mit einigen Ländern, nur um ein Jahr eher auf dem Markt zu sein, so einen Riesenaufwand, wenn das IQB parallel diese Aufgaben entwickelt? Ich bitte, dass das geprüft wird, auch von Ihrer Fraktion.

Herr Bläsner, ein Wort zum Thema Staatsvertrag: Haben Sie sich einmal angesehen, wie lange es dauert, einen Staatsvertrag abzuschließen? Die KMK ist noch im Eilzugtempo unterwegs, wenn sie ihre gemeinsamen Empfehlungen abgibt, und da sagen wir schon immer, das sei recht langsam. Ein Staatsvertrag muss durch 16 Parlamente, und wenn Sie dann noch anfangen wollen, inhaltlich über die Bildungsstandards zu diskutieren – ich weiß nicht, ob Sie überhaupt mal in irgendeinen solchen Bildungsstandard, zum Beispiel Deutsch für die Hauptschule, hineingeschaut haben –, dann habe ich schon erhebliche Zweifel, ob das wirklich eine Angelegenheit des Parlaments ist. Die Bildungsstandards sind verabschiedet. Sie liegen vor. Sie werden umgesetzt und sind in

den Lehrplänen. Sie sind in den Vergleichsarbeiten bereits enthalten. Dazu brauche ich keinen Bildungsstaatsvertrag mehr.

Wir haben übrigens einen Staatsvertrag im Bildungssystem – den Staatsvertrag zur Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz –, und das ist auch sinnvoll; denn in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz sitzen die Finanzminister mit am Tisch. Dabei geht es nämlich auch um Finanzen, und wenn sich die Finanzminister, Bildungsminister, Bund und Länder nicht einigen, dann geht das in die Ministerpräsidentenkonferenz, und das schafft Verbindlichkeit. Ich glaube nicht, dass Sie mit Ihrem Bildungsstaatsvertrag so weit gehen wollten. Sie brauchen mindestens ein Jahr, um Empfehlungen, die die KMK heute vielleicht in einem halben Jahr schafft zu erarbeiten, durch alle 16 Parlamente zu treiben. Das ist vollkommener Aberwitz und würde das Bildungssystem vollkommen lahmlegen, wenn Sie das machen.

Ich verweise abschließend noch auf einen Beitrag, den ich jüngst in diesem Kontext – in Kooperation mit Herrn Prof. Thies von der KMK und Herrn Prof. Meyer, sicherlich noch gut bekannt als ehemaliger Wissenschaftsminister hier im Landtag – im Journal „Denkströme“ für die Sächsische Akademie der Wissenschaften geschrieben habe, in dem es darum geht, wie wir zu einem besseren kooperativen Bildungsföderalismus kommen. Ich denke, darin steht ein praktikabler Vorschlag, der auch ein Stück weitergeht, als nur einen Bildungsrat zu etablieren. Aber Sie werden es nicht schaffen, wenn Sie nicht im Grundgesetz endlich die Bremse lockern und das Kooperationsverbot aufheben. Dann wird Ihnen auch der Bildungsstaatsvertrag, wenn er jemals zustande kommen sollte, nicht weiterhelfen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Frau Kollegin

Dr. Stange sprach für die SPD-Fraktion. – Gibt es Redebedarf bei den GRÜNEN? – Das kann ich nicht erkennen. NPD? – Ebenfalls nicht. Wir könnten eine dritte Rednerrunde eröffnen. Gibt es Redebedarf bei den einbringenden Fraktionen? – Gibt es überhaupt Redebedarf aus dem Kreis der Fraktionen? – Den kann ich nicht erkennen. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin Kurth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Gemeinsam zum Erfolg – Anerkennung und Vergleichbarkeit durch Bildungsstaatsvertrag verbessern“ – ja, genau das plant Sachsen mit Bayern und Niedersachsen mit diesem Bildungsstaatsvertrag, und ganz nebenbei – es wurde heute schon mehrfach erwähnt – haben sich neben diesen drei Ländern weitere drei Länder auf den Weg gemacht, 2014 gemeinsame Abituraufgaben zu einem einheitlichen Termin zu erstellen, und ich habe im Dezember dieser Beratung hier in Sachsen beigewohnt. Es ist ein Herzensanliegen, genau diese Vergleichbarkeit und diese Gemeinsamkeit im Abitur schon 2014 zu

schaffen, und ich meine auch, dass sich noch weitere Länder auf diesen Weg machen werden.

Zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik vor über 60 Jahren haben sich Länder auf den Weg gemacht, verbindliche länderübergreifende Regelungen für Bildung zu vereinbaren. Die Initiative zum Bildungsstaatsvertrag ist eine gute Initiative. Schauen wir in die Wirtschaft, so ist heutzutage Mobilität gefragt. Arbeitnehmer verbringen ihr Berufsleben nicht mehr an einem Ort, sondern wechseln die Orte und Bundesländer, und Familien mit Kindern soll diese Mobilität nicht zum Nachteil gereichen. Sie sollen in einer anderen Schule beim Lernen in den Fächern an das anschließen können, mit dem sie an der vorherigen Schule aufgehört haben.

Beim Thema Staatsvertrag, Mobilität und Vergleichbarkeit von Bildung geht es mir um einen pragmatisch gelebten Bildungsföderalismus, nicht um politische Ideologie. Mir geht es nicht um parteipolitisches Gezerre, meine Damen und Herren. Mir geht es beim Thema Bildungsföderalismus um die Menschen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Prof. Dr. Dr. Gerhard Besier, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Mir geht es um die Schüler, mir geht es um die Eltern und die Lehrer, und genau diese profitieren vom Bildungsstaatsvertrag. Die bildungspolitische Brille nützt niemandem etwas. Ideologie macht in Sachsen keine Schule.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der Bildungsföderalismus – das durfte ich, zwölf Jahre selbst in der Schule tätig gewesen, hautnah miterleben –, ich stehe dazu, ist für Sachsen ein Glücksfall.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Wozu brauchen wir jetzt einen Staatsvertrag?)

Bildung ist nicht zum Nulltarif zu haben, Bildung kostet viel Geld. In Zeiten knapper Kassen kann ich sehr gut verstehen, dass nach dem finanziellen Engagement des Bundes gerufen wird. Aber schauen wir uns doch das finanzielle Engagement des Bundes und den Ruf danach an. Es ist unrealistisch zu glauben, dass der Bund Geld ohne inhaltliche Vorgaben an die Länder geben wird, und Vorgaben des Bundes nehmen uns in Sachsen die Freiheit für unseren Bildungsweg, den wir – Gott sei Dank – kontinuierlich seit 1990 beschreiten konnten. Das ist ein Garant, ein Geheimrezept für unseren Erfolg.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb muss unser Ziel sein, einen pragmatischen Bildungsföderalismus anzustreben, eine sinnvolle Zusammenarbeit, die Gemeinsamkeiten und Vergleichbarkeit im Bildungswesen sichert. Wem es um die Sache geht, wem es um Inhalte geht – und darum geht es uns in Sachsens Schulpolitik statt um parteipolitisches Gezerre –,

(Oh-Rufe von der SPD)

der blickt weiter als bis zur nächsten Wahl, und wer weiter blickt als bis zur nächsten Wahl, der ist für eine sinnvolle Zusammenarbeit der Länder, die dringend erforderlich ist, und genau für diese sinnvolle Zusammenarbeit ist der Staatsvertrag sinnvoll.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! In mehreren Redebeiträgen wurden die Beschlüsse der KMK angesprochen. Diese Beschlüsse sind eine sehr gute Grundlage. Wir wissen aber alle, dass die Beschlüsse der KMK – wie die aller Fachministerkonferenzen – empfehlenden Charakter haben. Laufbahnrechtliche Voraussetzungen zwischen den Ländern anzugleichen, das ist mit Beschlüssen der KMK nicht möglich, und so kann auch berufliche Mobilität nicht gefördert werden. Der Bildungsstaatsvertrag – das ist der Unterschied zu allem, was bisher existiert – bindet alle Verantwortlichen: die Länderparlamente und die Regierung.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Prof. Besier, Frau Staatsministerin?

Jawohl, sehr gern.

Bitte, Herr Prof. Besier.

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Es ist eine Frage jenseits von Parteiengezänk, sondern

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall bei den LINKEN und der SPD – Steffen Flath, CDU: Na, na, na!)

eine Frage, die ich mir als Vater stelle. Die Vergleichbarkeit der Abiturprüfungen leidet auch darunter, dass beispielsweise, wenn wir einen Extremfall nehmen, in Hamburg alle möglichen Fächer abgewählt werden können, in Sachsen hingegen nicht; und auch dann, wenn die Situation eintreten sollte, –

Was ist Ihre Frage, Herr Prof. Besier?