Protocol of the Session on January 30, 2013

Es wurde bereits angesprochen: Warum sind Eltern so hinterher, was die einheitlichen Abschlüsse betrifft? Natürlich – die Mobilität. Diese ist im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag, der wahrscheinlich nur noch zwischen zwei Ländern abgeschlossen wird, auch nicht so der Brüller, also wenn man beispielsweise von Plauen nach Hof zieht. Außerdem sind unsere Bildungssysteme doch recht ähnlich.

Ich habe noch eine Kleine Anfrage dazu gestellt. Das Mobilitätsproblem ist gar nicht so sehr groß, wie wir es immer vermuten. Wir wollten es einfach noch einmal nachgewiesen haben. Letztendlich wechseln viermal mehr Gymnasiasten auf die Mittelschule, als Kinder aus einem anderen Bundesland in unsere Mittelschule kommen.

Den zweiten Punkt halte ich persönlich für sehr wichtig: die Vergleichbarkeit: Wie viel ist das sächsische Abitur wert bzw. sind andere sächsische Abschlüsse im Vergleich zu anderen Abituren und Abschlüssen wert? Ist es genauso schwer? Jetzt gibt es von den CDU-regierten Ländern die Initiative der gemeinsamen Aufgaben im Abitur ab 2014. Ich weiß nicht, ob es unbedingt so zielführend ist, dass alle am gleichen Tag das gleiche Abitur schreiben. Das sei einmal dahingestellt. Aber ich möchte einfach zu bedenken geben: 50 % der Schüler machen kein Abitur, sondern einen mittleren Schulabschluss: Realschul- oder Hauptschulabschluss, und ich halte es für sehr wichtig, dass wir dort auch eine Vergleichbarkeit hinbekommen; denn dort gehen die Unterschiede meines Erachtens viel weiter auseinander.

Wenn wir uns einmal den Vergleich zwischen Schülern, die keinen Abschluss bekommen, und dem Anteil von Schülern in einem Bundesland anschauen, die zu den sogenannten Risikoschülern zählen – das sind die Schüler in der 9. Klasse, die auf dem Niveau der 3. Klasse lesen, schreiben und rechnen –, dann haben wir in Sachsen in etwa eine Übereinstimmung dieses Anteils – schlimm genug –, das sind 11 % der Schüler, die keinen Abschluss bekommen und nur auf dem Niveau der 3. Klasse lesen, schreiben und rechnen.

Wenn ich mir das in Bayern anschaue, so ist es dort schon der doppelte Anteil der Kinder, die nur auf diesem Niveau lesen, schreiben und rechnen, und sind es nur halb so viele, die keinen Abschluss bekommen. Bei den anderen Ländern, mit denen wir jetzt gemeinsame Abiturprüfungen angehen – zum Beispiel Niedersachsen und Schleswig-Holstein –, ist der Anteil noch höher. Dort haben wir

25 % der Neuntklässler, die auf dem Niveau der 3. Klasse rechnen und schreiben. Da wird mir himmelangst. Aber es sind nur 7 %, die keinen Abschluss bekommen. Das ist schlimm, klar; diese 7 % sind immer noch schlimm. Aber das geht doch total auseinander. Da stimmt doch etwas mit den Abschlüssen nicht! In Hamburg ist es noch drastischer: 30 zu 7 %. Ich denke, dort müssen wir unbedingt beim Realschul- und beim Hauptschulabschluss nachsteuern, damit es vergleichbar wird und sich die Bundesländer nicht gegenseitig die Taschen vollhauen und sich mit ihren Zahlen austricksen. Davon steht leider nichts im geplanten Staatsvertrag.

Ich würde mir sehr wünschen, wenn dort nachgesteuert wird, dass dann bitte auf KMK-Ebene alle Länder mitgenommen werden. Ich denke, man sollte beherzigen, was schon vor über 65 Jahren für die KMK festgeschrieben wurde, als sie gegründet worden ist – ich zitiere –: "Die Länder nehmen in der Konferenz ihre Verantwortung für das Staatsganze auf dem Weg der Selbstkoordination wahr und sorgen in Belangen, die von länderübergreifender Bedeutung sind, für das notwendige Maß an Gemeinsamkeit in Bildung, Wissenschaft und Kultur.“ Und das bitte für alle Bundesländer.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Frau Giegengack sprach für die Fraktion GRÜNE. – Für die NPD spricht nun Herr Gansel.

Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren! Ein neuer Bildungsstaatsvertrag soll also Schülern, Eltern und Lehrern zukünftig leichter den Wechsel in andere Bundesländer ermöglichen. Die Kultusminister Sachsens, Bayerns und Niedersachsens haben hierzu Pläne für vergleichbare Abschlüsse präsentiert. Vorgesehen sind gemeinsame Bildungsstandards für mittlere Reife und Abitur sowie länderübergreifende Vergleichstests. Zudem wollen die drei Länder ihre jeweilige Lehrerausbildung miteinander abstimmen und die entsprechenden Abschlüsse anerkennen.

Hätte man diese Nachricht nicht gerade der Tagespresse entnommen, so würde man sie vielleicht in der Zeit der Reichsgründung von 1871 verorten, in der erstmals die deutsche Kleinstaaterei überwunden wurde. Für die NPD ist es ein Auswuchs des Bildungsföderalismus, dass es im Jahr 2013 innerstaatlich immer noch keine vergleichbaren Bildungsinhalte und Schulabschlüsse gibt. Die bundesrepublikanische Bildungskleinstaaterei hat zu 16 Schulsystemen mit unterschiedlichen Lehrplänen, Fächerangeboten und Schulbüchern geführt und ist aus unserer Sicht ein bildungspolitischer Anachronismus. Es ist schon grotesk: Unter dem Diktat der Europäischen Union wird nahezu alles angeglichen, vereinheitlicht und herunternivelliert, egal, wie sehr dies auch mit deutschen Interessen kollidiert. Ich denke dabei etwa an die Hochschulreform von Bologna, durch die sogar EU-weit Studieninhalte und

-abschlüsse vereinheitlicht werden, obwohl das zum Verlust deutscher Universitätstraditionen und Qualitätsstandards führt.

Vor allem denkt die NPD bei der Thematik der Angleichungspolitik an die Angleichung der europäischen Staatsschulden durch deutsche Haftungsgarantien und Milliardentransfers für südeuropäische Pleitestaaten. Gleiches gilt übrigens auch für die Zwangsharmonisierung der europäischen Zinssätze durch die EZB, die damit Pleitestaaten entschulden will und gleichzeitig deutsche Sparguthaben entwertet. Überall, meine Damen und Herren, betreiben also die Bundestagsparteien auf Drängen der EU-Bonzokratie und unserer vorgeblichen europäischen Freunde eine Angleichungspolitik. Aber ausgerechnet die innerdeutsche Bildungspolitik bleibt davon zum Schaden von Schülern, Eltern und Lehrern ausgenommen.

Folgen des übertriebenen Bildungsföderalismus sind erschwerte Schulwechsel zwischen Bundesländern, krasse schulische Niveauunterschiede zwischen den Ländern und Ungerechtigkeiten bei der Studienplatzvergabe durch unvergleichbare Schulabschlüsse. Deshalb begrüßt die NPD den Bildungsstaatsvertrag zwischen den drei Bundesländern als ersten Schritt in die richtige Richtung – wenn er denn ernst gemeint und nach dem rot-grünen Regierungswechsel in Hannover überhaupt noch möglich sein sollte.

In der Vergangenheit gab es schon viele ähnliche Verlautbarungen, Absichtserklärungen und Verträge, die aber allesamt folgenlos blieben. Erinnert sei an die erst im letzten Jahr von der Kultusministerkonferenz festgelegten bundesweiten Bildungsstandards. Geändert hat sich seitdem aber herzlich wenig. Vielmehr steht zu befürchten, dass das deutsche Schulniveau weiter sinken wird. Grund sind bildungspolitische Experimente wie Einheitsschulen und die Inklusionsideologie. Dadurch entstehen Schulen, in denen die einen Schüler chronisch unterfordert und die anderen chronisch überfordert werden und damit Schüler nicht mehr leistungs- und begabungsgerecht unterrichtet werden können.

Ein weiterer Grund für den schulischen Qualitätsverfall sind vielerorts Sprachprobleme in Klassen mit hohem Ausländeranteil. Durch fehlende Sprachkompetenz wird längst nicht nur in Bremen, Hamburg oder Berlin die schulische Wissensvermittlung erschwert. Es muss deswegen aus Sicht der NPD alles unternommen werden, um den vergleichsweise hohen Bildungsstandard in Sachsen zu halten, zu sichern und ihn bundesweit auf die Agenda der Bildungspolitiker zu setzen.

Der anstehende Generationswechsel in der Lehrerschaft und notwendige Investitionen in Ausstattung und Gebäude sind aber auch im Freistaat Sachsen, wie fast jede Plenarwoche dokumentiert, objektive Probleme, derer sich die Staatsregierung entschlossen annehmen muss.

Meine Damen und Herren, die NPD begrüßt die beabsichtigte oder zumindest angestoßene Angleichung innerdeutscher Bildungsinhalte und Schulabschlüsse, wie sie

übrigens auch in unserem Parteiprogramm gefordert wird. Darin heißt es: "Zur Durchsetzung vergleichbarer Leistungsanforderungen sind bundeseinheitliche Prüfungen für Abitur und Mittlere Reife abzuhalten.“ Insofern begrüßen wir die Debatte und hoffen darauf, dass der zum Schaden der Schüler, Eltern und Lehrer angewachsene Bildungsföderalismus ein Stück weit zurückgedrängt wird.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Das war Herr Gansel für die NPD-Fraktion. – Wir kommen zu einer zweiten Rednerrunde, und für die einbringende Fraktion der CDU ergreift erneut Herr Kollege Bienst das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wann soll eine Regierung neue Initiativen ergreifen? Irgendwann – in einem Jahr, in einem Fünfjahres- oder einem Zehnjahreszeitabschnitt – gibt es immer irgendwo Wahlen, und ich denke, diese Initiative, die unsere Kultusministerin gemeinsam mit zwei weiteren Kultusministern gerade ergriffen hat, ist zu diesem Zeitpunkt die richtige gewesen. Die Kritik, dass solche Initiativen natürlich immer irgendwo Wahlkampf bedeuten, werden wir immer annehmen müssen.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Dazu komme ich gleich, Kollegin Falken. – Aber in diesem Fall, denke ich, war sie genau an der richtigen Stelle platziert. Liebe Kollegin Giegengack – wo ist sie? jetzt ist sie weg –, ich zitiere einmal aus dem Konzept, falls Sie das auch richtig gelesen haben.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Da geht sie gerne raus!)

Im zweiten Abschnitt steht zum Bildungsmonitoring nämlich Folgendes – ich habe es vor mir liegen –:

"Erstens. Die Länder führen zur zentralen Überprüfung des Erreichens des Bildungsstandards Ländervergleiche in der Grundschule und in der Sekundarstufe I durch.

Zweitens. Die Länder führen länderspezifische und länderübergreifende Vergleichsarbeiten in Anlehnung an den Bildungsstandard durch. Länderspezifische Vergleichsarbeiten, zum Beispiel Jahrgangsstufentests, führen die Länder in eigener Verantwortung in Anlehnung an die Bildungsstandards durch.“

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Sie sind schon da!)

Das heißt im konkreten Fall, es werden also bestimmte Vergleichsarbeiten initiiert, und diejenigen, die wissen, was es bedeutet, eine Vergleichsarbeit zunächst erst einmal zu erstellen, wissen, wie viel Arbeit in solche Vergleichsarbeiten gelegt wird. Ich möchte einmal ganz kurz das Beispiel Sachsen nennen. – Frau Dr. Stange?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Kollege Bienst?

Bitte schön, Frau Dr. Stange.

Herr Bienst, damit ich nicht immer dazwischenrufen muss: Ist Ihnen bekannt, dass diese Vergleichsarbeiten sowohl länderübergreifend in der Grundschule, in der Sekundarstufe I, als auch länderspezifisch seit einigen Jahren durchgeführt werden und es dafür extra ein Institut in Berlin gibt, das IQB, das die Vergleichsaufgaben entwickelt? Ist Ihnen das bekannt?

Das ist mir bekannt.

Und nun kommt die unmittelbare Arbeit der Länder, die jetzt miteinander geführt werden, indem man zum Beispiel gemeinsame Abituraufgaben entwickelt, die länderspezifisch sind. Diese Abituraufgaben, die nicht von irgendeinem Institut entwickelt werden, sondern von den Kollegen, die unmittelbar an der Schule unterrichten, erstellt und zur Bewertung übergeben und danach freigegeben werden, sind ein Arbeitsaufwand, den Sie sich faktisch nicht vorstellen können. Wenn ich nun beispielsweise in einem Land Kollegen habe, die in jedem Jahr immer und immer wieder gleiche Abituraufgaben zu erstellen haben, und nun länderübergreifend gleiche Bildungsstandards vorhanden sind und sich die Arbeit auf ein zweites oder drittes Bundesland verteilt, dann, denke ich, haben wir auch etwas zur Entlastung der Kollegen und zur Vergleichbarkeit solcher Arbeiten getan. Deshalb finde ich diese Initiative sehr, sehr gut.

Ich bin vorhin aufgrund der Zwischenfrage unterbrochen worden. Ein zweiter Fakt, den ich als sehr positiv empfinde, ist die Organisation der Fortbildung. Dort möchte ich noch einmal einhaken. Was läuft momentan? Die Fortbildung wird autark in den Ländern organisiert. Die Fortbildungskonzeptionen werden autark erstellt. Wenn wir die Möglichkeit haben, länderübergreifend gemeinsam mit den Kollegen eine solche Initiative zu entwickeln, werden wir natürlich auch in der Umsetzung viel effektiver arbeiten können, und dies schlägt sich letztendlich in SchiLF-, der schulinternen Lehrerfortbildung, nieder; und in der Organisation einer solchen Fortbildung kann man diese länderübergreifenden Lernstandards besser einschätzen, entwickeln und Auswirkungen auf mögliche Schülerkompetenzen betrachten.

Eine zweite Erfahrung möchte ich zu Punkt 4 mitteilen, den ich vorhin angeführt habe. In der beruflichen Bildung ist es so, dass gerade bei den industriellen Berufen die Prüfungen zentral organisiert werden. Dies geschieht über ein zentrales Institut, die SALF in Stuttgart. Dort sind Lehrerkollegen bzw. auch Vertreter aus dem praktischen Bereich über ein oder mehrere Jahre tätig und erstellen zentral ihre Aufgaben. Ich habe dort acht Jahre als Lehrervertreter für Sachsen für den Beruf Elektroniker für

Betriebstechnik mitgearbeitet und bin sehr oft in Gespräche mit anderen Kollegen aus anderen Bundesländern involviert gewesen, und obwohl wir gemeinsame Rahmenlehrpläne hatten, gab es trotzdem in der Umsetzung ganz unterschiedliche Sichtweisen, um zum Bildungserfolg zu kommen.

Wenn wir länderübergreifend eine solche Kooperation hätten, dann würden wir natürlich auch im Rahmen der Schülerentwicklung eine bessere Bildungschance für diese Schüler sehen und vor allem auch entwickeln können. Diese Bildungschancen und dieses zielorientierte Ergebnis sehe ich in der Realisierung und der Intensivierung durch einen solchen Staatsvertrag gegeben. In diesem Sinne, denke ich, war es eine gute Initiative, einen solchen Staatsvertrag auf den Weg zu bringen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die einbringende CDU-Fraktion sprach Kollege Bienst. – Nun kommt erneut Herr Kollege Bläsner für die miteinbringende Fraktion der FDP zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Vorhin wurde die Frage in den Raum gestellt, warum wir uns gerade jetzt mit dem Thema Bildungsstaatsvertrag beschäftigen. Ich möchte dazu sagen: Wir als FDP haben uns 2011 sehr intensiv mit dem Thema Bildungsföderalismus auseinandergesetzt. Wir hatten einen Bundesparteitag, auf dem wir uns ganz klar gegen die Aufhebung des Kooperationsverbotes und für den Bildungsstaatsvertrag ausgesprochen haben. Wir haben das bei unserem Landesparteitag getan und ich glaube, auch die CDU hat sich auf ihrem Parteitag in Leipzig intensiv mit diesem Thema beschäftigt und ist zu den gleichen Schlüssen gekommen wie wir als FDP.

Deshalb – es dauert nun einmal einige Zeit, bis gewisse Eckpunkte erarbeitet werden – ist nun die Zeit reif, die ersten Schritte zu präsentieren und vorzustellen. Ich finde es schon sehr interessant, dass die Kollegin von den GRÜNEN quasi für Niedersachsen spricht und sagt, dass Rot-Grün – falls es denn gewählt wird; es gab immer mal Probleme bei Nominierungen von Ministerpräsidenten, und außerdem ist ja Schwarz-Gelb noch im Amt – das nicht fortsetze. Ich finde, das zeugt wenig von politischer Kontinuität.

(Zuruf des Abg. Holger Mann, SPD)

Es zeugt wenig davon, dass man Interessen wahrnimmt, sondern eigentlich eher davon, dass man aus rein parteipolitischem Kalkül irgendwelche Dinge blockieren will. Wir sind das ja von der SPD gewöhnt, Stichwort: kalte Progression. Ich fordere alle dazu auf, sich dem Thema Bildungskooperation ernsthaft zu widmen.