Protocol of the Session on January 30, 2013

Die Thüringer Ministerpräsidentin, Frau Lieberknecht, hat vor wenigen Tagen aus anderem Anlass einen sehr klugen Satz gesagt. Sie sagte Folgendes: Das Unheil fängt stets im Kleinen an. Wir haben schon oft im Landtag über das Unheil geredet, was aus dieser Ecke im Hinblick auf Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Diskriminierung kommt. Diesem Unheil zu begegnen, fängt immer im Kleinen an. Es fängt auch ein wenig mit der Vorbildwirkung des Staates an, der dieses Unheil versucht abzuwenden.

Deswegen bitte ich Sie herzlich, wenn wir punktweise abstimmen sollten, wenigstens diesem ersten Punkt zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Frau Kollegin Friedel sprach für die SPD-Fraktion. Für die CDU ergreift nun Herr Kollege Hartmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Abschiebestopp von Roma, Ashkali und Balkan-Ägyptern in die Staaten der Balkanhalbinsel“ lautet der Antrag. Frau Klinger hat eine sachliche und unaufgeregte Debatte zu diesem Thema angeraten und empfohlen. Ich bedaure insoweit, dass dieser Antrag, den man in Ruhe sachlich diskutieren sollte, nicht als Erstes den Weg in die Ausschüsse gefunden hat, um dort eine sachliche und ruhige Debatte zu führen. Vielmehr ist er gleich in das Plenum getragen worden, um doch die öffentliche, kurze Landtagsdiskussion zu wählen. Nun gut.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir machen es uns mit der Frage nach dem Asylrecht nicht leicht. Ja, es gilt der Artikel 16 a des Grundgesetzes. Ja, für uns sind die Genfer Menschenrechtskonvention und auch die EU-Menschenrechtsrichtlinie verbindlich. Sie sind Grundlage unseres Handelns. Gerade deswegen machen wir es uns mit diesem Thema nicht leicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es um die Frage geht, wer als Asylbewerber in unserem Land

Aufnahme finden soll und für wen die Regeln und die Unterbringung gelten sollen, ist das ein sehr harter und sehr intensiv an Regeln zu bewertender Maßstab. Wenn in einem Land wie Syrien, Afghanistan und anderen Ländern Krieg herrscht, ist es unbenommen eine Verantwortung unserer Gesellschaft, Asylbewerbern hier eine Unterkunft zu geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Sie haben leider in diesem Plenum noch die Zeit, Ihre Sprüche abzulassen. Vielleicht verschonen Sie mich in dieser Zeit vor unqualifizierten Bemerkungen. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Es stört mich einfach nur beim Reden. Ansonsten ist es unerheblich, was Sie hier zum Besten geben.

Es liegt etwas anders bei der Frage der Balkanstaaten und deren Anerkennung. Das ist nicht so einfach zu bewerten. Unbenommen sind die Lebensverhältnisse dort andere als bei uns. Unbenommen ist es so, dass es tatsächlich Diskriminierungen und Handlungsbedarfe mit Blick auf Roma, Ashkali und Balkan-Ägyptern in dieser Region gibt. Die Frage der politischen und gesellschaftlichen Verfolgung ist an dieser Stelle nicht so einfach zu beantworten. In erster Linie liegt die Verantwortung sicherlich bei Deutschland und der Europäischen Union – auch im Prozess mit den Staaten, die Veränderung herbeizuführen. Ich glaube eben nicht, dass die Lösung darin besteht, Asyl zu gewähren und jeden anzuerkennen. Das halten wir in unserer Gesellschaft nicht aus. Das übersteigt die Regelungen des Asylrechts.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es geht beim Asylrecht um mehr als nur um die Frage, nach außen einen edlen und guten Anspruch zu tragen. Es geht um die sachliche Bewertung, was eine Gesellschaft leisten kann, wie sie mit den Menschen und Grundrechten umgeht und wie sie ihr gesellschaftliches Zusammenleben gestaltet. Dazu gehört für uns eine Zuwanderungs- und Integrationspolitik, die aber auch eine Akzeptanz in unserer Gesellschaft finden muss. Das ist ein Prozess, den unsere Gesellschaft aktiv gestalten muss. Gerade deswegen ist es wichtig, bei den Fragen des Asylrechts darauf zu achten, dass die Regeln normativ eingehalten, aber gleichwohl auch der Verdacht von Asylmissbrauch nicht aufkommen darf. Das konterkariert alle Bemühungen eines vernünftigen und fairen Asylrechts. Es konterkariert die Bemühungen um Zuwanderung, Integration und Toleranz.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Entscheidung darüber, ob ein Asylverfahren anerkannt wird oder nicht, liegt im Rahmen des Schnellverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Es bestehen hierbei die Prüfungsmöglichkeiten. Es werden hier die Abschiebehindernisse geprüft. Es können individuelle Gründe angegeben werden, die bewertet werden. Wenn nach einem rechtlichen Verfahren in der

Bewertung die Entscheidung zur Abschiebung steht, ist das zu akzeptieren. Diese Abschiebung ist zu vollziehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deswegen – mit allem Respekt vor den betroffenen Menschen und Verständnis dafür, dass es dort Leid und Not gibt – kann es nicht Aufgabe unserer Gesellschaft sein, über die geltenden Regelungen hinaus hier allen Menschen eine Perspektive zu geben. Das wird nicht funktionieren. Dazu ist auch unsere Gesellschaft nicht in der Lage. Wenn wir diese Diskussion mit Blick auf den Balkan führen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann fallen mir viele Regionen dieser Welt ein, wo wir auch diese Verantwortung wahrnehmen könnten oder – in der Folge auch – müssten.

(Andreas Storr, NPD: Wohl wahr!)

Wir stehen – damit möchte ich zum Ende meiner Ausführungen kommen – klar zu den geltenden Regelungen. Wir stehen zum Asylrecht. Wenn ein Asylverfahren abgelehnt wurde, dann steht an dieser Stelle die Entscheidung der Abschiebung. Diese ist zu vollziehen.

Ausdrücklich möchte ich sagen: Ja, wir müssen in Sachsen, wir müssen in der Bundesrepublik mit der Europäischen Union einen Diskussionsprozess darüber führen, wie wir mit Unterstützung, mit Förderung in diesen Regionen umgehen, wie wir auch konkret etwas für die dort herrschenden Minderheiten tun, wie wir uns mit den im Übrigen ja nicht erst seit drei oder vier Jahren schlechten Situationen der Roma in diesen Regionen auseinandersetzen. Das sind historische Bezüge. Da ist die Diskussion notwendig und zwingend geboten. Aber bitte vermischen Sie nicht alles in eine Debatte. An der Stelle werden wir den Antrag ablehnen. Wir haben es uns damit nicht einfach gemacht, aber staatliche Regeln gelten letzten Endes für alle und in jedem Entscheidungsprozess.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das war Herr Kollege Hartmann für die CDU-Fraktion. Die FDP-Fraktion ist jetzt am Zuge. Das Wort ergreift Herr Kollege Karabinski.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahl der aus Mazedonien, dem Kosovo und Serbien nach Deutschland und damit auch nach Sachsen gekommenen Asylbewerber hat im letzten Jahr deutlich zugenommen und ist 2012 dreimal so hoch gewesen wie im Jahr 2007. Allein im November 2012 waren es nach Angaben der Landesdirektion 400 Menschen aus den genannten Ländern, die in Sachsen einen Asylantrag gestellt haben.

Das Asyl- und Flüchtlingsrecht als universelles Menschenrecht ist als Grundrecht in unserer Verfassung verankert. Die Wiedereinführung der Visumspflicht für Serbien und Mazedonien ist daher ebenso abzulehnen wie sogenannte Schnellverfahren. Jeder Asylbewerber – und ich betone das: jeder Asylbewerber – hat das Recht auf

eine individuelle Prüfung seines Asylantrages. Das ist selbstverständlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns eint die Feststellung, dass Angehörige der Volksgruppen der Roma, der Ashkali oder auch der Balkan-Ägypter in den Ländern auf dem Balkan teilweise prekären Lebensbedingungen ausgesetzt sind. Das betrifft Fragen der Beteiligung am Arbeitsmarkt, das betrifft die Wohnverhältnisse oder auch die Teilhabe am Gesundheitswesen.

Anders als Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, stellt für mich aber ein sogenannter Wintererlass, mit dem Abschiebungen von Angehörigen der Volksgruppen der Roma, Ashkali und der Balkan-Ägypter in die Balkanländer ausgesetzt werden sollen, keine Lösung der Probleme dar. An den schwierigen Lebensverhältnissen der Roma-Völker, die übrigens auch in anderen Staaten vorherrschen – denken Sie an die Slowakei, an Bulgarien oder Rumänien –, ändert ein solcher Erlass rein gar nichts. Deswegen wäre ein solcher Erlass auch ein reines Placebo.

Auch ein generelles Abschiebeverbot für die Angehörigen der genannten Volksgruppen in den Kosovo, wie von Ihnen im Weiteren gefordert, ist nicht der richtige Weg. Zuallererst ist die Sicherheitslage dort eine andere wie noch 2004 oder 2005. Laut den aktuellen Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes ist die Lage in Kosovo heute grundsätzlich ruhig. Die Verfassung des Kosovo garantiert ausdrücklich einen umfassenden Schutz von allen im Kosovo anerkannten Minderheiten. Dies betrifft auch Roma, Ashkali und Ägypter. Laut Auswärtigem Amt ist eine Wiederholung der interethnischen Ausschreitungen vom März 2004 unwahrscheinlich.

Ein Abschiebestopp für Roma-Angehörige in Deutschland bringt den Minderheiten im Kosovo mittel- und langfristig wenig. Die Lebensbedingungen dort vor Ort müssen verbessert werden. Die Regierenden im Kosovo müssen auf die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Minderheitenschutzes verpflichtet werden. Angehörigen aller Volksgruppen muss ein Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Bildungseinrichtungen ohne Diskriminierung möglich sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Staaten des Balkans drängen auf einen schnellen Beitritt zur Europäischen Union. Hier liegt auch der Schlüssel zur Lösung des Problems. Kosovo, Serbien oder Mazedonien müssen auf dem Weg zu einem EU-Beitritt die Lage ihrer nationalen Minderheiten entschieden verbessern. Ein Wintererlass oder gar ein Abschiebestopp sind der falsche Weg, um die Lebensverhältnisse auf dem Balkan zu verändern.

Meine Damen und Herren von der Opposition, eine Diskussion im Ausschuss wäre wünschenswert gewesen. Eine Diskussion gemeinsam mit dem Innenministerium darüber, wie die einzelnen Fälle betrachtet werden, wie man damit umgeht, wäre im Ausschuss sinnvoll und richtig gewesen. Sie aber haben die Öffentlichkeit gesucht. Sie waren nicht an der besten Lösung interessiert. Deswegen werden wir Ihren Antrag hier auch ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Karabinski sprach für die FDP. Für die NPD spricht nun Herr Storr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal herzlichen Dank an die drei Linksfraktionen für diese kostenlose Steilvorlage. Dieser Antrag ist nicht nur eine komprimierte Zusammenfassung der volksfeindlichen Ziele Ihrer Fraktionen, er ist auch eine geradezu meisterhafte Verdichtung aller Unverschämtheiten, gegen die sich die Mehrheit der noch normalen Sachsen mit Händen und Füßen wehren wird.

Während ein guter Teil der GRÜNEN beispielsweise die deutsche Nation oder das deutsche Volk für eine Konstruktion hält, betreiben Sie hier in diesem Antrag geradezu ethnologische Differenzierungsverrenkungen, um diesen Haufen ungebetener Gäste in seiner feinsten Stammesverästelung aufzudröseln, als wäre es nicht schon genug des nur uns deutschen aufgezwungenen Sprachterrorismus, dass wir Zigeuner nicht mehr beim Namen nennen dürfen, sondern als Roma bezeichnen sollen.

Nun zum Antrag. Unter Punkt I wollen Sie den Landtag glatt dazu verleiten, dreist zu lügen und den offenkundigen Asylmissbrauch – laut Statistik null Prozent Anerkennung – durch die Personengruppe zu leugnen, die man englisch als Gypsies bezeichnet, französisch als Tzigane, italienisch als Zingaro sowie russisch und polnisch als Zigan, bei uns aber als Roma.

Die Staatsregierung hat Ihnen bereits die gesetzlichen Voraussetzungen der Asylgewährung auseinandergesetzt. Sie hat auch deutlich gemacht, warum eine Wiedereinführung der Visumspflicht für Serbien und Mazedonien aus der Perspektive vernunftbegabter Menschen unbedingt geboten ist.

Sie fordern des Weiteren unter Punkt II schon wieder für diese Gruppierungen Sonderrechte, hier einen Wintererlass. Das ist einer der vielen Versuche der Asyllobby, die hiesige Gesetzgebung zu unterlaufen und eine Einladung an die Zigeuner, es sich hier ein paar Monate auf Kosten der Deutschen gutgehen zu lassen.

Sie fordern ein generelles und bundesweites Verbot von Abschiebungen in den Kosovo. Auch da widersprechen Ihnen 95 % aller Sachsen heftig und fordern nicht nur die sofortige Abschiebung ziganiner Asylbetrüger, sondern auch der hier abgetauchten und untergekommenen Kosovo-Albaner.

Herr Storr, mäßigen Sie sich jetzt in Ihren Ausführungen, sonst erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

(Holger Apfel, NPD: Pauschal oder konkret?)

Unfreiwillig weisen Sie in Ihrer Begründung nämlich darauf hin, dass es im Kosovo immer wieder zu interethnischen Zwischenfällen – in den

USA nennt man so etwas Rassenkonflikte – kommt, was durchaus der Wahrheit entspricht. Warum aber nun diese interethnischen Zwischenfälle, also Diebstähle, Messerstechereien, Vergewaltigungen und Morde zwischen Zigeunern und Albanern, ausgerechnet nach Sachsen importiert werden sollen – denn alle Gruppen treffen sich ja hier in Deutschland wieder –, das ist den Deutschen weder klarzumachen noch zuzumuten.

Sie beklagen, dass selbst zwölf Jahre nach dem angeblichen Ende des Krieges im Kosovo immer noch kein Frieden herrscht. Das liegt daran, meine Damen und Herren von den GRÜNEN und der SPD, dass Sie in Ihrer außen- und militärpolitischen Einfalt ohne Grund Kriege lostreten, die kein Kriegsziel kennen, den Gegner sowieso nicht und schon gar keine Lösung, und die deswegen schon doppelt so lange dauern wie der Zweite Weltkrieg.

Zuletzt fordern Sie noch auf Bundesebene Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung von Zigeunern in Rumänien, im Kosovo und in Bulgarien. Was für Maßnahmen sollen das denn sein? Sollen wir wieder das deutsche Euro-Füllhorn in ein Fass ohne Boden ausschütten? Maßnahmen hätten Sie ergreifen können, indem Sie den Beitritt dieser Länder so lange herausgeschoben hätten, bis die interethnischen Verhältnisse dort geklärt worden wären.