Willkommenskultur kann sich nicht in freundlichem Umgang mit Fachkräften erschöpfen, sondern ein freundliches Klima gegenüber allen Menschen, die hier ankommen, wirkt sich auch auf die Menschen aus, die für sich überlegen, hier künftig als Fachkräfte zu arbeiten. Hier müssen Sie, Herr Ulbig, als Innenminister und Sie, Frau Clauß, die im Moment zumindest nicht auf der Regierungsbank sitzt, als amtierende Vorsitzende der Integrationsministerkonferenz den Kommunen unter die Arme greifen, auf der Bundesebene durch eine Verankerung der dezentralen Unterbringung und hier in Sachsen, indem Sie die Kommunen entsprechend finanziell unterstützen.
Die jetzt im Flüchtlingsaufnahmegesetz genannte Summe, der Pauschalbetrag, den der Freistaat den Kommunen für die Aufnahme und die Unterbringung von Flüchtlingen zahlt, reicht hinten und vorn nicht für eine menschenwürdige Unterbringung. Wenn Sie das nicht anfassen, Herr Ulbig, tragen Sie auch dazu bei, dass in den Kommunen die Diskussion fremdenfeindliche Züge annimmt. Auf dieser Basis können wir nicht mehr ernsthaft und sachlich die Situation der hier Schutz Suchenden diskutieren und auf Verbesserungen in den Herkunftsländern hinwirken.
Was ist denn unser Ziel? Was treibt uns? Einzig, dass die Menschen hier im Land bei uns nicht auf der Matte stehen, oder wollen wir, dass sie in ihren Herkunftsländern ohne Diskriminierung und Verfolgung leben können? – Ich jedenfalls bin gegen die Pilatusvariante: Wir waschen unsere Hände in Unschuld. Das ist keine Lösung, für die Menschen nicht, die in Sachsen Schutz suchen, und auch nicht für die Umsetzung der Menschenrechte, zumal nicht in unserem Haus Europa.
Für die Fraktion GRÜNE war das Frau Kollegin Herrmann. – Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Klinger.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es: „Jedermann hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“ Das Recht auf Asyl ist also ein Menschenrecht.
Die Bundesrepublik ist 1973 dem Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte beigetreten. Dieser beinhaltet die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Das hat Gesetzesrang.
Wie steht es aber nun tatsächlich um das Asylrecht in Deutschland? – Mit dem Asylkompromiss 1993, mit der Einführung der sogenannten Drittstaatenregelung, mit der Regelung zu den sicheren Herkunftsstaaten und der Einführung des Flughafenverfahrens wurde das Grundrecht auf Asyl in Deutschland faktisch abgeschafft. Damals wurde auch begleitend das Asylbewerberleistungsgesetz eingeführt, ein Gesetz, das Flüchtlinge und Menschen im laufenden Asylverfahren sozial schlechterstellt. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht letztes Jahr ein Urteil gesprochen. Es hat festgestellt, dass diese Schlechterstellung gegen das Gleichbehandlungsgebot verstößt und verfassungswidrig ist.
Nichtsdestotrotz wird derzeit wieder kräftig daran gearbeitet, weitere Einschränkungen und eine Verschärfung der Asylgesetzgebung vorzunehmen, sei es auf europäischer Ebene, wo sich Deutschland daran beteiligt, aus der gemeinsamen Asylverfahrensrichtlinie, die eigentlich dazu gedacht war, gemeinsame europäische Standards für das Asylverfahren in der EU zu schaffen, eine Inhaftierungsrichtlinie zu machen, sei es auf Bundesebene, wo beispielsweise Innenminister Friedrich eine populistische Debatte um den sogenannten Asylmissbrauch befeuert. Damit liefert er rassistische Scheinargumente, die nur zu gern von Neonazis aufgegriffen werden. Wir haben das auch letztes Jahr hier in Sachsen erleben dürfen.
Das erinnert schon stark an die Situation vor gut 20 Jahren. Steigende Zahlen von Flüchtlingen und Debatten um Asylmissbrauch gab es damals und gibt es heute. Wieder sind es Roma und andere Minderheiten, die nun als Sündenböcke herhalten müssen. Wieder wird Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auf dem Rücken von Flüchtlingen ausgetragen.
Sehen wir uns die derzeitige Situation etwas genauer an. Es stimmt, die Zahlen der Asylerstanträge sind im vergangenen Jahr auf fast 65 000 deutschlandweit angestiegen. Das ist tatsächlich der höchste Stand seit zehn Jahren. Es stimmt auch: Im Herbst 2012 kam ein überproportional hoher Anteil von Menschen aus Serbien und Mazedonien nach Deutschland, 90 % davon Angehörige der Roma. Auf die Situation vor Ort ist meine Kollegin Frau Herrmann gerade eingegangen. 13 000 Asylanträge wurden von Menschen aus Serbien und Mazedonien gestellt. Aber ich möchte noch einmal kurz einen Blick auf die anderen Hauptherkunftsländer werfen.
An zweiter Stelle ist Afghanistan zu nennen, an dritter Stelle der Irak, an vierter Stelle Syrien. Warum kommen diese Menschen? – Weil in ihren Heimatländern Krieg geführt wird. Von dort, wo Kriege geführt werden, kommen auch Flüchtlinge. Kriege sind Fluchtursachen. Wann sprechen wir einmal darüber, dass Mittel- und Westeuropa dafür mitverantwortlich ist, dass diese Kriege geführt werden? Haben Sie denn geglaubt, meine Damen und Herren, dass diese Menschen einen Bogen um Deutschland machen würden?
Wir stehen mit in der Verantwortung für diese Menschen und dafür, die Fluchtursachen in diesen Ländern zu bekämpfen.
Lassen Sie mich wieder zu den Menschen und den Flüchtlingen aus den Balkanländern zurückkommen. Die Bundesregierung antwortet auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, dass grundsätzlich eine Asylanerkennung in Bezug auf Menschen aus Serbien und Mazedonien nicht ausgeschlossen ist. Es gibt die Anerkennungsmöglichkeit aufgrund der sogenannten kumulativen Verfolgung, das heißt aufgrund von Diskriminierungen, die für sich genommen keine Anerkennung rechtfertigen würden, im Gesamtbild und in den Auswirkungen auf die Betroffenen aber dennoch den Charakter einer Menschenrechtsverletzung haben, und das ist der Fall.
Die Europäische Union, die Vereinten Nationen und der Europarat bestätigen, dass in den Gebieten Ex-Jugoslawiens massive Diskriminierungen vorliegen. Die Anerkennungsquote von Menschen aus Serbien liegt EU-weit zumindest bei 2 % und nicht bei null, wie es in Deutschland der Fall ist.
Trotz der gestiegenen Antragszahlen muss jeder Einzelfall sorgfältig und unvoreingenommen geprüft werden. Wir brauchen keine politisch gewollten Schnellverfahren, denn die Realität in Serbien und Mazedonien steht in
Und wer behauptet, eine niedrige Anerkennungsquote heißt automatisch, dass in den betreffenden Staaten keine relevanten Fluchtgründe vorliegen, der argumentiert gefährlich verantwortungslos. Nur weil wir vielleicht die Augen verschließen, weil wir die Augen abwenden, heißt das nicht, dass die massiven rassistischen Diskriminierungen, dass der gesellschaftliche Ausschluss, von dem auch Frau Herrmann berichtet hat, nicht stattfinden.
Das Verdrängen von Problemen hat Anfang der Neunzigerjahre dazu geführt, dass Asylunterkünfte brannten. Ich möchte erinnern und mahnen, dass es dazu nicht wieder kommen darf. Wir brauchen keine Neuauflage von 1992. Wir brauchen keine Unterstellung. Wir brauchen keine Hetze.
Wir brauchen eine sachliche Debatte, anstatt Neofaschisten Munition für ihre rassistische Hetze zu liefern. Wir brauchen ein entsprechendes sächsisches Handeln. Wir brauchen die Bereitstellung von Aufnahmekapazitäten, denn diese wurden in den letzten zehn Jahren kontinuierlich abgebaut. Aber wir brauchen keine Panikmache wie zum Beispiel mit der Containeraufstellung in der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz vorletzte Woche. Wir brauchen ein Problembewusstsein und einen unaufgeregten Umgang damit, und wir brauchen interkulturelle Offenheit und einen menschenwürdigen Umgang mit denen, die Schutz bei uns suchen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Asylrecht und unser Umgang mit Flüchtlingen sind Indikatoren dafür, wie es insgesamt um die Menschenrechte in unserer Gesellschaft bestellt ist. Es ist unsere Pflicht, die Würde der Asylsuchenden genauso zu schützen, wie wir die Würde aller Menschen in Deutschland und in Sachsen schützen müssen. Rechte von Flüchtlingen zu verteidigen heißt deshalb auch, insgesamt Menschenrechte zu verteidigen. Dazu muss Sachsen seinen Beitrag leisten; denn Menschenrechte sind unteilbar, hier und überall.
Herr Präsident, vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf einen Punkt unseres gemeinsamen Antrags besonders eingehen. Das ist der erste Punkt unserer drei Forderungen. Er betrifft das Thema Wintererlass – Abschiebestopp im Winter.
Natürlich haben wir eine bestehende Gesetzeslage. Diese müssen wir erfüllen. Sie besagt, dass derjenige abgescho
So ist es, Herr Krauß. Deswegen möchte ich noch einmal wiederholen, was ich gerade gesagt habe: abgeschoben werden kann. Unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist es, der Exekutive mögliche Spielräume zu lassen, sodass sie die Gesetze mit Augenmaß anwenden kann.
Das macht die Exekutive beispielsweise in Thüringen, wo es einen solchen Wintererlass und Abschiebestopp gibt. Das macht die Exekutive in Schleswig-Holstein, wo es einen solchen Abschiebestopp im Winter gibt. Das wird in Nordrhein-Westfalen so gemacht.
In Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und BadenWürttemberg ist dies der Fall. In all diesen Bundesländern ist die Regierung bereit, zumindest im Winter nicht abzuschieben. Wir haben gerade gehört, unter welchen Lebensbedingungen diejenigen, die hier Schutz und Hilfe gesucht haben, in ihrer Heimat leben müssen – nämlich so, dass es für sie keine Heimat mehr sein kann.
(Andreas Storr, NPD: Wenn es danach geht, müssten Millionen nach Deutschland kommen! Das ist doch Wahnsinn!)
Wir haben diesen Antrag am 16. Januar gestellt. Es war schon etwas bedrückend, am 17. Januar eine Pressemitteilung lesen zu müssen. Es war eine Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern. In dieser wurde uns gesagt, dass 31 mazedonische und 47 serbische Staatsangehörige abgeschoben wurden. Wir hatten gerade die Unterschriften frisch unter das Papier gesetzt.
Ich weiß gar nicht, ob Sie die Zahl im Kopf haben. Das SMI war so freundlich, diese noch einmal aufzuschreiben. Es waren im Jahr 2012 498 Menschen. Sie sind am 17. Januar in ein Land abgeschoben worden, in welchem sie nicht willkommen sind, unter fürchterlichen Bedingungen leben, sie diskriminiert werden und keine Heizung oder Wohnung haben. Dort herrschen Temperaturen unter null Grad Celsius. Darum geht es.
Es geht wenigstens um diesen einen ersten Punkt. Ich sehe ein, dass man sich über einen bundesweiten Ab
schiebestopp trefflich streiten kann. Dabei müssen wir nicht einer Meinung sein. Das Thema der Bekämpfung der Diskriminierung in den Herkunftsländern ist auch etwas sperrig. Mit Blick auf diesen ersten Punkt, wenigstens im Winter die Abschiebungen auszusetzen, bitte ich Sie, darüber nachzudenken, ob dieser kleine Ermessensspielraum nicht genutzt werden sollte.
Das hat etwas mit Humanität zu tun – mit nichts anderem. Es geht um die Anerkennung der gesetzlichen Vorschriften und die Humanität beim Erfüllen dieser Vorschriften.
Die Thüringer Ministerpräsidentin, Frau Lieberknecht, hat vor wenigen Tagen aus anderem Anlass einen sehr klugen Satz gesagt. Sie sagte Folgendes: Das Unheil fängt stets im Kleinen an. Wir haben schon oft im Landtag über das Unheil geredet, was aus dieser Ecke im Hinblick auf Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Diskriminierung kommt. Diesem Unheil zu begegnen, fängt immer im Kleinen an. Es fängt auch ein wenig mit der Vorbildwirkung des Staates an, der dieses Unheil versucht abzuwenden.