Herr Bläsner, wir in der Opposition, DIE LINKE, werden auch in dieser Legislaturperiode das Thema des längeren gemeinsamen Lernens und einer Schule für alle immer wieder auf die Tagesordnung setzen. Sie brauchen keine Angst zu haben, das wird nach wie vor hier Thema sein.
Ich weiß, dass sich das widerspricht. Ich habe das sehr bewusst so gesagt. Von Ihnen hatte ich nicht erwartet, dass Sie sehr früh die Kinder und Jugendlichen in Indianer und Häuptlinge differenzieren.
Wenn Sie das, was Sie vorhaben, jetzt wirklich umsetzen, führen Sie ab der 5. Klasse die Hauptschule ein. Ich weiß nicht, ob Ihnen das bewusst ist. Wenn Sie die Leistungsgruppen schon ab der 5. Klasse in der Mittelschule trennen, führen Sie die Hauptschule ein.
Sie führen ganz eindeutig die Hauptschule ein. Lassen Sie uns nicht darum herumreden. Sie legen nicht nur die
Nun komme ich auf die unsäglichen Begriffe Häuptling und Indianer zu sprechen. Herr Lichdi hatte es für die Stadt Dresden bereits angedeutet. In Leipzig gibt es nicht einmal mehr die Indianer. In Leipzig gibt es 15 % Schüler, die keinen Schulabschluss haben.
Mit den Maßnahmen, die Sie jetzt mit der Oberschule einleiten wollen, werden Sie dieses Problem nicht lösen. Da müssen Sie früher ansetzen. Auf die frühkindliche Bildung müssen Sie den Schwerpunkt legen. Sie müssen mehr in der Grundschule tun. Für die frühkindliche Bildung – das haben wir im Haushalt gesehen –, für die Senkung des Schlüssels im Kita-Bereich sind Sie nicht bereit, obwohl Sie dort positive, sinnvolle und richtige Grundlagen legen würden.
Noch etwas, Herr Bienst: Ich habe noch Zeit, das ist ganz toll. Sonst hätte ich es nicht mehr sagen können. Herr Bienst, wenn in der Koalitionsvereinbarung steht, was Sie vorgelesen haben, dann hoffe ich sehr, dass Sie nicht Begriffe umsetzen, sondern dass Sie Konzepte umsetzen. Ich hoffe, dass alles, was Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung geschrieben haben, auch mit Konzepten untersetzt ist. Einen Begriff kann man, glaube ich, nicht umsetzen. Man braucht dazu ein umfangreiches entsprechendes Konzept. Ich hoffe, dass Sie das haben. Bis jetzt haben wir es nicht gesehen. Bis jetzt gibt es nur allgemeine Äußerungen und allgemeine Benennungen.
Herr Bläsner, wenn ich in die Mittelschule oder zu Schülern und zu Eltern gehe – Sie wissen, dass ich das sehr häufig tue – und die Frage stelle, ob sie die zweite Fremdsprache schon ab der 6. Klasse haben wollen, höre ich dann natürlich ein Ja. Das ist keine Frage, weil das eine Grundvoraussetzung ist, um überhaupt eine Durchlässigkeit im Freistaat Sachsen hinzubekommen.
Im letzten Entwicklungsbericht, den wir bekommen haben, war ganz eindeutig, dass es nur vom Gymnasium zur Mittelschule geht und nicht von der Mittelschule zum Gymnasium. Die Prozentzahlen waren extrem gering. Die spielten eigentlich gar keine Rolle. Natürlich ist es eine Grundvoraussetzung, dass man erst einmal die Lehrpläne und die Stundentafel anpasst. Aber Sie bekommen es nicht nur mit der Sprache hin. Schauen Sie sich das an! Sie müssen weitergehen. Sie müssen auch die Lehrpläne anpassen, wenn Sie das durchführen wollen, und das für alle Schüler. Nicht die einen sind gut und die anderen sind schlecht, und wir sortieren sie schon einmal in der 5. Klasse in Gute und Schlechte, obwohl wir es gerade im Gymnasium getan haben.
Ihre Redezeit ist abgelaufen, Frau Falken, zumindest in dieser Runde. Aber Sie können dann noch einmal antreten.
Ja. – Wir schauen einmal, was die Ministerin sagt. Wir fordern Sie auf: Legen Sie ein ordentliches Konzept vor! Lassen Sie uns das hier im Parlament diskutieren und machen Sie keinen Schnellschuss, weil die Schüler und Lehrer das ausbaden werden, was Sie hier verzapfen.
Herr Kollege Schreiber, Sie möchten eine Kurzintervention machen? – Sie hätten aber auch noch jede Menge Redezeit.
Ich möchte nur auf Frau Falken antworten, nicht dass das falsch im Raum stehen bleibt. Es geht nicht darum, dass Indianer die Menschen oder die Schüler ohne Schulabschluss sind und wir mehr Indianer brauchen. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir in unserer Gesellschaft anerkennen müssen, dass nicht alle Menschen, die die Schule nicht mit Abitur verlassen, deshalb keine gleichwertigen Menschen oder sonst irgendetwas sind, sondern dass es mindestens genauso viele gibt und geben muss, die mit einem ordentlichen Realabschluss die Schule verlassen, einen ordentlichen Beruf lernen und Handwerksmeister oder sonst etwas werden. Wir müssen diesen Menschen genauso viel Wertschätzung für ihre Lebensbiografie entgegenbringen wie denen, die Abitur haben. Aber immer nur alles von Abitur oder von höchstem Bildungsgrad abhängig zu machen ist doch völlig falsch in unserer Gesellschaft. Das muss man endlich auch einmal anerkennen.
Ja, natürlich. Herr Schreiber, da sind wir doch gar nicht so weit voneinander entfernt. Da sind wir uns doch total einig. Das ist doch keine Frage. Aber die Frage ist: Was sind die bestmöglichen Bedingungen für Schülerinnen und Schüler? – Was Sie bisher gemacht haben, sind nicht die bestmöglichsten Bedingungen für Schülerinnen und Schüler. Die Ergebnisse zeigen das doch. In meinem Redebeitrag gestern habe ich das gesagt. Herr Flath hat, als er Kultusminister war – ich weiß jetzt den Jahrgang nicht –, gesagt, er will die Abbrecherquote halbieren. Die ist stetig von Jahr zu Jahr gestiegen. Sie machen dort etwas falsch!
Das, was Sie jetzt machen, wird nicht dazu führen. Die Schüler, die keinen Abschluss haben und die Schule verlassen, glaube ich, sind in Ihren Augen nicht einmal die Indianer, sondern sie stehen eigentlich noch darunter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte es nicht vor, aber ich muss mich nun doch einmal outen. Liebe Kollegin Falken, ich war 28 Jahre im Schuldienst, wahrscheinlich länger als Sie, und kann auf bestimmte Erfahrungen zurückgreifen.
Ich beginne einfach einmal mit dem Durchschnitt, den Sie gerade angesprochen haben. Wenn ein Schüler zum Beispiel in der 10. Klasse den Wunsch äußert, einen gymnasialen Abschluss zu bekommen, kann er das in Sachsen am beruflichen Gymnasium tun. Das wissen wir alle.
Jetzt stehen Sie als Lehrerin vor der Herausforderung – das wissen Sie auch –, dass man diesem Schüler Erfolgserlebnisse verschaffen muss. Er will ja ein gutes Abitur machen. Also schaue ich darauf, welchen Durchschnitt der Schüler in der 10. Klasse erworben hat. Nun nehmen Sie einmal einen Schüler, der keine guten Leistungen erreicht. Das ist kein dummer Schüler, aber er schafft es nicht, eine Leistungsfähigkeit besser als – ich sage jetzt einmal – 2,5 oder 2,7 zu erreichen.
Nun nehmen Sie einmal einen Schüler, der in der 10. Klasse einen Durchschnitt zum Beispiel von 3,0 oder 3,5 erworben hat, wo vielleicht die Eltern oder er persönlich davon überzeugt sind, dass er den gymnasialen Abschluss schafft. Er kommt zum Abitur. Den bekommen Sie einmal in die Klasse und den versuchen Sie ganz intensiv zu fördern und zum Abitur zu bringen. Sagen Sie einmal: Wie wollen Sie das erreichen, wenn der Schüler diese Leistungsfähigkeit von sich aus gar nicht aufbringt? – Das schaffen Sie nicht. Sie können ihm also keine Erfolge verschaffen. Also geht das nicht.
Ja. Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Bienst, Sie drängen geradezu eine Frage auf. Wieso gelingt es in Baden-Württemberg, Schüler mit einem Abschluss von 3,0 in der 10. Klasse erfolgreich zur Fachoberschulreife bzw. zum Abitur über das berufliche Gymnasium zu führen?
Nach Ihrer Ausführung dürfte das eigentlich nicht gelingen. Offenbar machen die Baden-Württemberger da etwas anders. Aber vielleicht können Sie mir das erklären; denn dort gilt die Übergangsquote mit 3,0 als erfüllt, um an das berufliche Gymnasium oder an die Fachoberschule zu gehen.
Darauf kann ich eine ganz kurze Antwort geben. Ich habe nicht gesagt, dass es dem Lehrer nicht gelingt. Er hat nur erhebliche Schwierigkeiten, den Schüler zum Erfolg zu führen. Er muss dem Schüler Erfolgserlebnisse verschaffen. Wir haben zum Beispiel auch Schüler aufgenommen, die die 10. Klasse an der Grenze 2,5/2,7 abgeschlossen haben. Aber genau diese Schüler hatten es sehr schwer, letztendlich auch das Abitur zu erlangen. Wenn der Schüler gerade einmal mit fünf, sechs oder sieben Punkten das Abitur erlangt, ist es für ihn sehr schwierig, den Weg zum Studium zu gehen. Das meinte ich damit.
Zweiter Punkt: Nun habe ich auch Erfahrung mit Kindern; denn ich bin – wie Sie wissen – dreifacher Großvater. Als meine kleine Tochter in der 4. Klasse war, hatte sie von sich aus den Wunsch, ans Gymnasium zu gehen. Die große Tochter, die ein Jahr älter ist, blieb an der Mittelschule. Als sie sah, wie die Schwester im Gymnasium gelernt hat, hatte sie nach der 5. Klasse auch den Wunsch, ans Gymnasium zu gehen. Beide Töchter sind auf dem Gymnasium einen super Weg gegangen. Das war eine tolle Geschichte. Einen Knacks haben sie irgendwie nicht wegbekommen. Sie haben nämlich mit einem sehr guten bzw. einem guten Ergebnis abgeschlossen.
Dritter Punkt: Noch einmal zu den Leistungsgruppen: Wir zwingen niemanden, an der Mittelschule eine Leistungsgruppe zu belegen. Wir stellen es den Schülern und Eltern frei, Leistungsgruppen zu belegen. Es ist nicht verpflichtend. Aber wo Sie recht haben: Natürlich müssen wir noch Aufgaben erledigen, eben auf dem Weg zur Oberschule ein Konzept zu entwickeln. Dazu gehört – und das hatte ich Ihnen versprochen –: Wie bereite ich die Schüler, die Eltern und die Lehrerinnen und Lehrer auf diesen neuen Weg vor? Welche Rolle bzw. welche Aufgaben übernehmen die Sächsischen Bildungsagenturen? Wie viele Schulen werden trotz flächendeckender Einführung den Weg zur Oberschule inhaltlich gehen? Wie viele Schüler werden in den Fördergruppen lernen? Wie werden sich die Förderinhalte in den Klassenstufen 5 und 6 darstellen? Wie organisiere ich die zweite Fremdsprache, um einen reibungslosen Übergang zum Gymnasium zu gewährleisten? Wie kann ich die Anschlussförderung gewährleisten, nämlich für die Schüler, die nicht ans Gymnasium gehen?
Welche positive Auswirkung hat die Differenzierung bzw. die Förderung dieser Schüler auf leistungsschwache Schüler? – Ich kann mir nämlich einen positiven Aspekt vorstellen, wenn die geförderten, leistungsstarken Schüler an der qualifizierten Mittelschule in der Mittelschule bleiben. Dann habe ich in den Klassen 7 und 8 nämlich Lerngruppen, bei denen ich auf solche leistungsstarken Schüler zurückgreifen kann. Das heißt, wir haben auch einen positiven Aspekt, weil nicht alle geförderten Schüler an das Gymnasium wechseln werden. Das ist so meine Vermutung.
Lieber Kollege Bienst, wir wissen ja alle, dass mit der Einführung der SOS, also der sächsischen Oberschule, auch ein erhöhter Personalbedarf verbunden ist. Wenn wir wissen, dass auf der anderen Seite wohl nur vier Absolventen gerade das Lehramt Mittelschule abgeschlossen haben, ist es dann nicht wichtiger, alles zu tun, dass der Unterrichtsausfall bekämpft wird, als eine Schulform einzuführen, die im Moment Kapazitäten binden würde, die wir gar nicht haben?
Das sind zwei Geschichten. Einmal der Unterrichtsausfall – ich denke, dem sind wir recht positiv entgegengetreten, indem wir verstärkt Mittel eingestellt haben. Ich spreche von 1 Million Euro in diesem Jahr, ich spreche von 4 bzw. 5 Millionen Euro im nächsten Jahr und von 6,5 Millionen Euro im übernächsten Jahr. Nun müssen wir sehen, wie wir die Mittel – das ist natürlich auch eine Aufgabe – einsetzen, um den Unterrichtsausfall auch abzudecken. Das werden wir tun, und ich denke, das werden wir auch zum Erfolg führen. Wenn ich jetzt in das System hineingehe und wir wissen, dass auch viele Lehrer noch in der Warteschleife sind, um in den Schuldienst zu kommen, und wenn wir Lehrerbedarf haben, dann werden wir auf diese Lehrer zurückgreifen und sie in den Schuldienst holen. Das müssen wir evaluieren, das werden wir sehen. Das Schuljahr ist jetzt drei Monate alt. Wir können dann nächstes Jahr gern noch einmal darüber sprechen, wie uns das gelungen ist. Aber ich denke, wir werden das schaffen.
Ich komme zum Schluss. Ich habe mir noch zwei Stichpunkte aufgeschrieben, nämlich auch noch eine Hausaufgabe, die wir uns auf die Fahnen schreiben: Welche Programme bzw. Konzepte werden den Schulen zur Berufsorientierung vorgeschlagen, aber jetzt nicht nur an den Modellschulen, sondern flächendeckend in Sachsen? Eine letzte Frage, die wir uns selbst stellen, ist die: Welche Auswirkungen hat die Qualifizierung der Mittelschule zur Oberschule auf bereits existierende Schulnetzpläne? Auch diese Frage müssen wir beleuchten.
Sie sehen, wir haben uns viele Fragen in unser Hausaufgabenheft geschrieben. Wir werden diese Fragen sicherlich beantworten können.