Protocol of the Session on October 18, 2012

Die Große Anfrage setzt sich dabei mit der Entwicklung der Lebenslagen von Frauen in ausgewählten Bereichen seit 1990 und bis 2010 auseinander. Dies soll laut Begründung als Grundlage für die Erarbeitung von notwendigen politischen Interventionen dienen. Ob diese Grundlage durch die Große Anfrage allerdings geschaffen wird, darf bezweifelt werden. So ist einerseits eine gewisse Akribie bei den einzelnen Themen festzustellen, ich frage mich jedoch, welche Intervention Sie im Zusammenhang mit der Frage „Wie viele der Frauen, die bei Verkehrsunfällen zu Tode kamen, waren Beifahrerinnen bzw. Mitfahrerinnen?“ und deren Beantwortung planen.

Auf der anderen Seite wird auch deutlich, dass gewisse Aspekte nur unzureichend befragt werden. Meines Erachtens ist es bei diesem Thema der Großen Anfrage beispielsweise auch von Bedeutung, die unterschiedlichen Generationen von Frauen stärker in den Fokus zu rücken. Darauf wird leider nicht so richtig eingegangen. Das finde ich schade, da trotz vieler Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen auch Unterschiede bestehen und einer anderen Herangehensweise zur Problemlösung bedürfen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich beispielhaft nur einmal auf die bereits vielfach besprochenen Wanderungsbewegungen junger Frauen in die alten Bundesländer und/oder in die Städte eingehen. Dies hat für den Freistaat eine positive, aber auch eine negative Dimension. Aufgrund eines hohen Bildungsniveaus, gepaart mit den Eigenschaften Mobilität und Flexibilität, bieten diese

Frauen hervorragende Voraussetzungen für einen globalisierten Arbeitsmarkt. Auf der anderen Seite haben wir allerdings Landstriche, in denen diese Frauen fehlen und sich eine andere Entwicklung abzeichnet. Dies bedarf einer anderen Herangehensweise zur Problemlösung als bei einer Frau, welche in den Neunzigerjahren arbeitslos geworden ist und demnächst in Rente geht.

Ansonsten lässt sich feststellen, dass die Große Anfrage ein weites Feld von Themen abdeckt. Allerdings kann man die Frage in den Raum stellen, ob es dieser Großen Anfrage mit diesen Fragen wirklich bedurft hätte, denn mit einer ordentlichen Recherche lassen sich die Antworten zu den vielen Fragen selber finden.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun zum Vierten Frauenförderungsbericht kommen.

Zuerst möchte ich der Staatsregierung für die Erstellung des sehr umfangreichen Berichtes danken. Der Bericht gibt die Situation der Umsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst von 2004 bis 2008 sowie einer Ressortumfrage von 2010 wieder. Wie bereits der Dritte Frauenförderungsbericht ist dieser sehr offen und nennt deutlich Defizite, beispielsweise die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, spricht aber auch erstmals Handlungsempfehlungen aus.

Gestatten Sie mir, auf einige Aspekte näher einzugehen.

Der Bericht macht deutlich, dass der Frauenanteil im öffentlichen Dienst bei über 65 % liegt.

(Andreas Storr, NPD: Da wird ja mal eine Männerquote fällig!)

Grundsätzlich ist dies zu begrüßen und zeigt auch die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber. Bricht man allerdings diese Zahl auf einzelne Teilfelder herunter, wird ein anderes Bild deutlich. So ist im Bereich der Beamten festzustellen, dass Frauen in jeder Laufbahngruppe geringer vertreten sind. Hingegen ist festzustellen, dass Frauen im Bereich der Arbeitnehmer überrepräsentiert sind. Ebenso ist aber, wie bereits im Dritten Frauenförderungsbericht, festzustellen, dass mit steigender Funktionsebene der Frauenanteil sinkt.

Auf einen Aspekt möchte ich noch besonders hinweisen, da dieser wiederholt Gegenstand parlamentarischer Debatten war: die Gremienbesetzung. Hierzu ist festzustellen, dass der Anteil der weiblichen berufenen Gremienmitglieder im Vergleich zum letzten Bericht zugenommen hat und bei knapp 40 % liegt.

Meine Damen und Herren! Beim Lesen des Berichtes wird deutlich, dass sich Verbesserungen zum letzten Bericht ergeben haben. Gleichwohl ist aber deutlich zu machen, dass es durchaus weiteren Handlungsbedarf gibt. Der vorliegende Bericht greift dies genau auf. In diesem Zusammenhang ist erfreulicherweise festzustellen, dass Kritikpunkte, die beim Dritten Frauenförderungsbericht in diesem Zusammenhang geäußert worden sind, Eingang in die Erstellung des vierten Berichtes gefunden haben.

So sei an dieser Stelle auf den Punkt 4.1 – Die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes im Freistaat Sachsen – zu verweisen. In diesem Punkt werden die Ursachen genannt, aber auch Handlungsempfehlungen gegeben, beispielsweise Mentoring-Programm, Jobrotation oder Transformation der Rahmenbedingungen für Karrieren.

Ein zweiter Punkt, der im Bericht eine nicht unwesentliche Rolle spielt, ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im öffentlichen Dienst des Freistaates. So wird im Bericht deutlich, dass der Freistaat in nicht unerheblichem Maße Anstrengungen unternommen hat, um eine verbesserte Vereinbarkeit zu erzielen.

Meine Damen und Herren! Damit möchte ich zum Schluss kommen. Meines Erachtens wird im vorliegenden Bericht deutlich, dass man sich auf dem richtigen Weg befindet. Diese Anstrengungen gilt es zu forcieren, um die angesprochenen Defizite weiter abzubauen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die SPD Frau Dr. Deicke, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fragen und die Antworten der Großen Anfrage haben die Qualität eines Krimis im Privatfernsehen. Wenn es spannend wird, dann wird unterbrochen. Ich glaube, das kennen Sie. Das liegt leider auch an den Fragen, die da nicht weiter bohren, wo es zu erwarten gewesen ist, dass seitens der Staatsregierung wenig kommt. Es liegt aber ganz besonders an den teilweise liederlichen Antworten.

Was nützen beispielsweise Fragen wie die Frage Nr. 17 unter dem Punkt I., die lautet: Wie hoch war 1990, 2000 und 2001 der jeweilige Anteil von ledigen, verheirateten und verwitweten Frauen?

(Christian Piwarz, CDU: Die Frage ist doch eindeutig!)

Die Antwort zeigt nichts mehr als eine Tabelle. Es gibt keine Vergleichsgröße zu Männern oder zu den anderen Bundesländern oder, oder, oder. Mit diesen Zahlen lässt sich eigentlich nichts anfangen, zumal interessanterweise – das lassen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen – die Prozentzahlen dieser Gruppen von Frauen in der Summe der prozentualen Anteile über 200 % ergeben. Diese Prozentzahl würde ich mir sehr wünschen, wenn es um das Engagement der Staatsregierung bzw. auch der Koalitionsfraktionen in Sachen Gleichstellung und Frauenförderung geht. Dies ist dringend notwendig. Stattdessen muss ich konstatieren: Außer Zahlen ist hierzu nichts gewesen.

Das lässt sich gut an weiteren Beispielen verdeutlichen. Laut den Antworten auf die Große Anfrage ist der Frauenanteil in Sachsen gegenüber 1990 um 2,5 % zurückgegangen. Als Gründe hierfür werden allgemeine Wande

rungsbewegungen angegeben. Die Staatsregierung brüstet sich damit, was sie bisher unternommen hat. Mit welchen Maßnahmen sie die nach wie vor vorhandene Abwanderung von Frauen aus Sachsen verhindern will, dazu lese ich herzlich wenig.

Es muss vermehrt an der Abwanderung liegen, denn die Lebenserwartung von Frauen steigt insgesamt. Einen Abwanderungsverlust von rund 156 000 Frauen seit 1990 weisen die Antworten aus.

(Anja Jonas, FDP: Vielleicht liegt es auch an der Qualität der Männer!)

Jedoch könnte die Staatsregierung aus dem Vollen schöpfen, was politische Maßnahmen angeht. Frauenförderung, Frauenförderung und nochmals Frauenförderung, jetzt erst recht, wäre das gegenwärtige Mittel der Wahl und nicht die Streichung des Existenzgründerinnenprogramms für den ländlichen Raums, wie ihn der aktuelle Entwurf des Haushaltsplanes vorsieht. So aber unterstützen Sie die Abwanderung von Frauen, und zwar durch unterlassene Hilfestellung.

Ich möchte Ihnen noch ein Beispiel nennen: In den Antworten auf die Fragen 7 bis 10 unter Punkt II. heißt es, dass die Beschäftigtenzahl von Frauen sowie die Zahl derjenigen Frauen, die in Vollzeit beschäftigt sind, zurückgegangen ist. Der Anteil an Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen ist aber stets gestiegen.

Ich frage einmal so: Was unternehmen Sie denn gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse von Frauen, gegen Teilzeitbeschäftigung, gegen befristete Arbeitsverhältnisse, wovon Sie noch nicht einmal wissen, wie viele es sind, oder gegen den Niedriglohnsektor? Wo sind denn Ihre Initiativen für einen Mindestlohn, für eine höhere Tarifbindungsquote und Allgemeinverbindlichkeitserklärungen sowie gegen Sach- und fremde Befristungen?

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Wie unterstützen Sie denn, dass Frauen in Sachsen ein ausreichendes Angebot an guten Arbeitsplätzen zur Verfügung steht? Es hilft nicht, wenn Sie sagen: Die Förderprogramme des SMWA stehen gleichberechtigt offen. Darin kann ich noch keine Frauenförderung erkennen.

Auch kann ich keine Frauenförderung durch die ständige Degradierung der Gleichstellung der Geschlechter innerhalb der Staatsregierung erkennen. Zunächst existierte in Sachsen eine eigene Staatsministerin, dann nur noch eine Staatssekretärin, und so ging es weiter bergab – bis dahin, dass aus der Leitstelle Gleichstellung das Referat 45, Familie und Gesellschaft, Gleichstellung von Frau und Mann, wurde. – Na, das ist ja einmal ein Abstieg! Besser kann Geisteshaltung kaum zur Schau gestellt werden.

Meine Damen und Herren! Machen wir uns nichts vor: Mit Blick auf den Vierten Erfahrungsbericht zur Gleichstellung im öffentlichen Dienst verbessert sich das allgemeine Unwohlsein, das sich angesichts der niedrigen Wertschätzung von Gleichstellungsarbeit in Sachsen einstellt, mitnichten.

Im Bericht wird festgestellt, dass Frauen nach wie vor in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Ich frage Sie, Frau Staatsministerin: Was war daraus vor zwei Jahren Ihre Schlussfolgerung? Ist daraus die Konsequenz, dass die Mittel für die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Haushalt gekürzt wurden? Kürzen, was das Zeug hält, das ist Ihr Instrument, um Frauen im öffentlichen Dienst zu stärken. Das ist keine Gleichstellungsarbeit.

(Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Das ist Hohn und Spott auf Kosten derer, die sich in Ihrer Dienststelle für die Chancengleichheit von Frauen einsetzen.

Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Punkt des Erfahrungsberichtes eingehen, den ich hier zitieren möchte: „Um die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen und Gremien zu überwinden, kann die Einführung einer Quotenregelung für einen bestimmten Zeitraum, einen bestimmten Bereich oder Teilbereich eine sinnvolle Maßnahme darstellen.“

(Gitta Schüßler, NPD: Die Stelle ist mir auch aufgefallen!)

Positiv überrascht war ich, als ich den Satz las. Für einen Moment dachte ich tatsächlich, dass der Erkenntnisprozess bei der Staatsregierung in vollem Gange ist. Nur wenige Seiten später wurde deutlich, dass Sie diese sinnvolle Maßnahme aber nicht einsetzen werden. Kurzgefasst bedeutet das: Eine Quote ist ein probates Mittel, aber das ist uns egal. Das zeugt nicht gerade von politischem Gestaltungswillen.

Ihre Untätigkeit ist der eigentliche Vorwurf, der Ihnen, Frau Staatsministerin Clauß, bzw. auch Ihren Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition zu machen ist. Selbst dort, wo Sie gemerkt haben, dass sich etwas ändern muss, tun Sie nichts oder sie tun das Falsche. Ich kann nur hoffen, dass Sie irgendwann nicht nur wissen, dass Sie eigentlich etwas zur Gleichstellung der Geschlechter unternehmen müssten, sondern Sie auch endlich einmal damit beginnen.

Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Thomas Jurk, SPD, Heiderose Gläß, DIE LINKE, und Elke Herrmann, GRÜNE)

Für die FDPFraktion Frau Abg. Jonas; bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Wir unterhalten uns heute über die Lebenslagen von Frauen in Sachsen, und wie Sie alle sehen, ist das Interesse daran hier im Parlament wahnsinnig groß. Auch von denjenigen, die die Quote permanent fordern, ist mitunter nicht einmal der Quotenanteil anwesend.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Thomas Jurk, SPD: Was?)

Aber kommen wir zurück zur Großen Anfrage. Lassen Sie es mich gleich voranstellen: Das Frauenbild, das Sie mit Ihrer Großen Anfrage erzeugen, teile ich nicht. Wir, die gesamte Fraktion, sehen Frauen nicht per se als benachteiligt an. Wir sehen Frauen als selbstbewusste Menschen, die ihr Leben in eigener Verantwortung leben wollen, die eigenständig und unabhängig entscheiden.

Mit unseren Frauen in Sachsen haben wir einen ganz besonderen Schatz, das machen die Bildungskarrieren deutlich. Die Frauen in den neuen Ländern sind bildungshungrig und verschaffen sich damit günstige Ausbildungs- und Ausgangspositionen für ein erfolgreiches Erwerbsleben. Ihre Abiturnoten und -quoten sind höher als die ihrer Mitschülerinnen beispielsweise in Westdeutschland. Nach einer bundesweiten Studie des Jahres 2009 ist Sachsen hierbei klarer Spitzenreiter. Auch im Jahr 2012 sind die Frauen im Anteil der Abiturienten, die ihre Hochschulreife mit 1,0 ablegten, wieder deutlich führend.

Genau dieses Potenzial wird auch an unseren Universitäten genutzt. Über 9 000 Frauen haben sich 2011 als Studienanfängerinnen an unseren Hochschulen immatrikuliert. Wir sehen: Unsere Frauen wollen finanziell unabhängig sein, berufliche Verantwortung übernehmen und sich im Beruf verwirklichen. Sachsen war 2011 das Bundesland mit dem höchsten Frauenanteil in Chefetagen mittelständischer Unternehmen. Fast jede dritte Firma hier wird von einer Frau geführt. Dieses moderne Rollenverständnis und der Ehrgeiz, der dahintersteht – das ist es, wie wir das Rollenverständnis sehen, und wir sehen, dass Frauen dies erreichen und es nicht nur ein stiller Wunsch, sondern in vielen Familien und Unternehmen gelebte Realität ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerinnen sind schon darauf eingegangen: Der öffentliche Dienst ist besonders interessant für Frauen. Das hat der Vierte Frauenförderungsbericht gezeigt. Gründe dafür sind sicherlich die flexiblen Arbeitszeiten, die rechtlich verfestigten Rahmenbedingungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die damit besonders erleichtert werden. Das ist sicherlich eine der Voraussetzungen, damit Frauen auch weiterhin berufliche Spitzenpositionen anstreben. Familiäre Netzwerke, Freundes- und Bekanntenkreis sind aber für die Unterstützung genauso notwendig und wichtig.