Protocol of the Session on October 18, 2012

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerinnen sind schon darauf eingegangen: Der öffentliche Dienst ist besonders interessant für Frauen. Das hat der Vierte Frauenförderungsbericht gezeigt. Gründe dafür sind sicherlich die flexiblen Arbeitszeiten, die rechtlich verfestigten Rahmenbedingungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die damit besonders erleichtert werden. Das ist sicherlich eine der Voraussetzungen, damit Frauen auch weiterhin berufliche Spitzenpositionen anstreben. Familiäre Netzwerke, Freundes- und Bekanntenkreis sind aber für die Unterstützung genauso notwendig und wichtig.

Das gesetzlich verordnete Mittel einer Frauenquote – auch darauf wurde bereits hingewiesen –, um Frauen in Führungspositionen zu hieven, teilt die Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung und unsere Fraktion nicht. Auch ein Großteil der Frauen selbst lehnt sie ab.

Ihr Bild, liebe Kollegen von den LINKEN, wie die sächsischen Frauen so aussehen, sieht die Frauen eher als schwach und benachteiligt. Nicht umsonst haben Sie vorwiegend diese Fragen gestellt: nach der Wohnungslosigkeit von Frauen, ihrem Anteil an der Zahl der Verkehrstoten – mit dieser Frage konnte ich überhaupt nichts

anfangen, welche Auswirkungen das haben soll – und nach Suchterkrankungen. Warum haben Sie aber beispielsweise nicht gefragt, wie viele Frauen seit 2000 die Scheidung von ihrem Ehemann selbst eingereicht haben – als Ausdruck der Emanzipation, eigener Lebensentwürfe und der Handlungsfähigkeit bezüglich der Entscheidung –, oder die Frage gestellt: Wie viele sächsische Frauen haben an den Olympischen Spielen teilgenommen und sind als Medaillengewinnerinnen hervorgegangen? Auch dazu könnte ich Ihnen die Zahlen und die Antworten liefern: Wir haben fünf sächsische Medaillengewinnerinnen und nur drei Medaillengewinner.

(Beifall bei der FDP – Christian Piwarz, CDU: Wo bleibt da die Gleichberechtigung? – Zuruf der Abg. Heike Werner, DIE LINKE)

Bitte gestatten Sie mir noch ein weiteres Beispiel für Frauen in Sachsen. Vor acht Wochen habe ich gemeinsam mit Ihrem Kollegen Herrn Kind an der Gesellenfreisprechung des Kammerbezirkes Leipzig teilgenommen. 524 Gesellinnen und Gesellen erhielten ihren Gesellenbrief. Über 220 davon waren junge Handwerkerinnen. Bei der Bestenehrung in neun Berufsgruppen waren sechs Frauen dabei, und das eben nicht nur in Berufen wie Frisör und Gebäudereiniger, sondern sie waren auch die besten in den Berufsgruppen des Malerhandwerks, der Automobilverkäufer, der Fahrzeugtechnik und im Bereich der Lackiertechnik.

Unser Bild von den sächsischen Frauen ist eben ein emanzipiertes. Wir wollen ihnen Brücken bauen, damit sie ihre Ziele erreichen können. Sächsische Frauen sind stark, und wir wollen ihnen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, damit sie ihre Chancen auch wahrnehmen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Frau Herrmann, bitte.

(Gitta Schüßler, NPD, meldet Redebedarf an.)

Möchten Sie eine Kurzintervention vornehmen? – Gut. Frau Herrmann bleibt hier vorn, und Sie machen die Kurzintervention.

Danke, Frau Präsidentin. – Ich wollte nur kurz anmerken: Frau Jonas, ich stimme Ihnen hundertprozentig zu; ich hätte die Rede genauso halten können. Nur haben Sie die Hälfte vergessen, und zwar den Teil, dass die weiblichen Erwerbsbiografien – gerade hier in Sachsen – auch eine Voraussetzung für die Altersarmut sind. Diesen Teil hätten Sie wenigstens ein klein wenig anschneiden können. Ansonsten würde ich mich Ihnen auf jeden Fall anschließen.

(Beifall des Abg. Andreas Storr, NPD)

Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, hat hier irgendjemand bezweifelt, dass Frauen stark sind?

(Anja Jonas, FDP: War das Ihr Thema? Ich glaube schon!)

Das glaube ich nicht; aber ich glaube, es sind sehr viele Fragen darin, die diesen Aspekt schon deutlich werden lassen. Man muss es jedoch auch so lesen.

Jedenfalls bedanke ich mich bei der LINKEN für die Große Anfrage zu ausgewählten Lebenslagen von Frauen in Sachsen. Die Antworten sind aufschlussreich, bestätigen manche Vermutung und untermauern den Befund. Werfen Sie uns jetzt bitte nicht vor, dass wir nur danach suchen, uns bestätigt zu fühlen. Die Große Anfrage hat halt viele der Vermutungen bestätigt, zum Beispiel, dass Frauen in erster Linie von Altersarmut bedroht sind, mehr als Männer. Das liegt auch daran, dass Frauen weniger verdienen als Männer und deshalb stärker von Altersarmut betroffen sind. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit, obwohl wir alle wissen, dass heute auch Männer Familienarbeit übernehmen wollen. Warum arbeiten wenige Männer in Teilzeit?

Frauen nehmen häufiger Familienverantwortung wahr, auch in der Pflege. Das Durchschnittsalter ist steigend. Das betrifft allerdings sowohl Männer als auch Frauen. Geschlechterstereotype scheinen sich nichtsdestotrotz zu verfestigen. Der Anteil von Frauen in frauentypischen Berufen mit den bekannten Auswirkungen – zum Beispiel niedriger Lohn – ist steigend, wie der Vergleich von 2000 zu 2010 deutlich macht. Das ist die Frage II.9.

Das Phänomen der Leiharbeit wiederum ist eher männlich – die folgende Frage. Der Anteil der Frauen ohne Ausbildungsabschluss ist sinkend. Insofern haben Sie richtig dargestellt, dass Frauen durchaus ihre Bildungschancen wahrnehmen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang zu wissen, ob dies bei Männern in gleicher Weise der Fall ist. Bei dem Anteil von Frauen als Professorinnen und Rektorinnen sind Steigerungen im Minimalbereich zu verzeichnen. Waren 2000 von 30 Rektoren drei Frauen, so waren 2010 von 28 Rektoren immerhin sechs Frauen.

Sehr großen Nachholbedarf, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es bei der Polizei. Keine Frau leitet eine Polizeidienststelle, keine Frau ist stellvertretende Leiterin im Einsatz. Wenn man bedenkt, dass Straffälligkeit ohnehin in erster Linie ein männliches Problem ist, dann kommt man zu dem Schluss: Das machen die Kerle unter sich aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Immerhin beträgt der Anteil der Abteilungsleiterinnen 5,9 %, allerdings: Tendenz sinkend.

(Heiderose Gläß, DIE LINKE: Genau!)

Zu einem ähnlichen Befund kommt auch der Vierte Frauenförderungsbericht. Liebe Kolleginnen und

Kollegen, Mann und Frau müssen sich angesichts der sich

aus der Großen Anfrage ergebenden Daten und Ergebnisse des Frauenförderungsberichts fragen: Wo liegt der Handlungsbedarf? Ich denke, wir haben großen Handlungsbedarf in Sachsen, und ich frage mich: Wie sieht die Gleichstellungspolitik der Staatsregierung aus?

Überall dort, wo die Staatsregierung tatsächlich gestalten könnte, verzichtet sie. Nicht überall, aber an vielen Stellen verzichtet sie darauf, und zum Teil mit fadenscheinigen Argumenten.

Erstens. Zum Beispiel äußert die Staatsregierung bei der Frage nach diskriminierungsfreien Arbeitsbewertungsverfahren stets ihre Einsicht in deren Notwendigkeit – ich glaube, wir haben sie das letzte Mal am 8. März debattiert –, hebt aber dann wieder die Hände und verweist auf die Tarifparteien. Das ist auch absolut korrekt. Solange wir diesbezüglich keine gesetzlichen Regelungen haben, wie zum Beispiel im angelsächsischen Raum, sind wir darauf angewiesen, dass die Tarifvertragsparteien diskriminierungsfreie Arbeitsbewerbungsverfahren in den Tarifregelwerken etablieren. Allerdings – das ist es, was mich wundert – sind die Staatsministerien ja immerhin Arbeitgeber. Wieso verstehen sie sich nicht als Tarifparteien? Wer sind denn die Tarifparteien? Das sind Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, und selbstverständlich

können Sie sich über Ihren Arbeitgeberverband für diskriminierungsfreie Arbeitsbewertungsverfahren, zum Beispiel Logib, Abrakadabra usw., einsetzen. Aber Sie tun es nicht.

Zweitens. Sie hätten auch im Bundesrat für die Einführung von Geschlechterquoten in Aufsichtsräten stimmen können – haben Sie aber nicht. Sie haben sich dagegen ausgesprochen und verzichten auf ein wichtiges Instrument, um struktureller Ungleichbehandlung entgegenzuwirken.

Drittens. Gender Mainstreaming war in Sachsen in der letzten Legislaturperiode ein ganz großes Thema. Es wurde 2004 per Kabinettsbeschluss als politisches Leitprinzip verankert. Ende 2007 hat das Sächsische Staatsministerium für Soziales dem Kabinett über den Implementierungsstand von Gender Mainstreaming in den obersten Landesbehörden berichtet. Im dazugehörigen Kabinettsbeschluss wurde verfügt, dass der Einführungsprozess in den kommenden Jahren von den Ressorts eigenverantwortlich fortzuführen ist. Und wo ist jetzt das Leitprinzip?

Apropos Leit-: mit dem Leitprinzip ist auch sang- und klanglos die Leitstelle für die Gleichstellung von Mann und Frau verschwunden.

Dass Gender Mainstreaming in der Landesverwaltung so ganz und gar keine Rolle mehr spielt, zeigt sich als Letztes auch in einer Verwaltungsvorschrift zur Haushalts- und Wirtschaftsführung 2012. Darin heißt es unter 3.1.3. so einfach wie lapidar: „Ersatzeinstellungen auf Stellen für im Mutterschutz befindliche Beschäftigte sind nicht statthaft. Erstattungsbeiträge stehen nicht für Ersatzeinstellungen während der Mutterschutzfristen zur Verfügung.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet

konkret für die Hochschulen, in denen kurze und befristete Arbeitsverhältnisse die Regel sind, dass Vorlesungen und Seminare für ein komplettes Semester ausfallen können. Das wiederum kann sich keine Hochschule auf Dauer leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Konsequenz ist, dass keine Frauen eingestellt werden. Damit legen Sie den Exzellenzbemühungen sächsischer Hochschulen ziemlich große Steine in den Weg. Ein wesentlicher Baustein zur Exzellenz sind nämlich aktive Maßnahmen zur Gleichstellung. Was Sie aber an den Tag legen, sind aktive Maßnahmen zur Verhinderung von Gleichstellung.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Dabei verkennen Sie, dass Sie verpflichtet sind zu handeln. Ihr Handlungsauftrag – wohlgemerkt: nicht Handlungsoption, sondern -auftrag – entspringt Artikel 3 der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland und Artikel 8 der Sächsischen Verfassung.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Eine derartige Verfassungsuntreue an den Tag zu legen ist wirklich nur in Sachsen möglich. Da sind wir echt einmalig und ganz besonders toll im Ignorieren von Verfassungsgrundsätzen. Ich möchte an Sie appellieren, an die wenigen Kolleginnen und Kollegen, die aus allen Fraktionen hier anwesend sind, und auch an Sie, Frau Staatsministerin: Werden Sie aktiv bei Sachsens Gleichstellung! Frauen und Männer werden davon profitieren.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Wird von den Fraktionen noch einmal das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Frau Staatsministerin, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Eines haben sowohl die Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage als auch der Vierte Frauenförderungsbericht gezeigt: Wir Frauen und Männer haben seit der friedlichen Revolution viel für unsere Frauen erreicht. Das ist gut, wichtig und richtig.

Hierzu einige Beispiele: Die Staatsregierung setzt sich seit Jahren dafür ein, in allen Berufs- und Lebensphasen attraktive Rahmenbedingungen für Frauen zu schaffen. Sowohl die oft erwähnte „Allianz für Familie“ als auch die „Fachkräftestrategie 2020“ leisten einen wichtigen Beitrag zur Schaffung förderlicher Rahmenbedingungen, um Frauen die Berufstätigkeit zu erleichtern. Auch hier sind die Hauptthemen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Ausbildung und die Fort- und Weiterbildung.

In der Reihe „Fachkräfteforum“ der Staatsregierung wird am 5. Dezember 2012 abermals intensiv über das Thema „Familie und Beruf“ mit allen beteiligten Akteuren diskutiert, zum Beispiel über bedarfsgerechte und flexible Kinderbetreuungsangebote. Die Staatsregierung unterstützt den Modellversuch für flexible Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen; denn wenn von den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen eine hohe Flexibilität hinsichtlich ihrer Arbeitszeiten erwartet wird, dürfen – und in diesem Falle auch müssen – das berufstätige Eltern auch von ihrer Kita erwarten.

Auch im Bereich der Ausbildung ist viel erreicht worden, aber es bleibt noch einiges zu tun. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt hat sich so gewandelt, dass nun die Firmen um Auszubildende kämpfen – und nicht mehr andersherum. Das heißt auch, dass eine familienfreundliche Personalpolitik kein unternehmerischer Luxus mehr ist, sondern Voraussetzung, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

Dies beginnt bereits bei der Ausbildung, es ist bei jungen Männern genauso wichtig wie bei jungen Frauen und muss das ganze Berufsleben lang gelten. Speziell Frauen unterstützen wir deshalb auf dem Weg in die Selbstständigkeit mit verschiedenen Förderprogrammen und Auszeichnungen.

Das Förderprogramm für Frauen im ländlichen Raum, unser Gründerinnenpreis und die ESF-Richtlinie zur Qualifizierung für Arbeitslose seien hier ebenfalls genannt, und wenn im kommenden Doppelhaushalt für den ländlichen Raum der Gründerinnenpreis anders bezeichnet ist, dann wollen wir auch hier Frauen und Männer gleichstellen, und wir wollen sie nicht mit geringen Summen und Fördermöglichkeiten abspeisen. Daneben gibt es berufsbegleitende Qualifizierungsmöglichkeiten für Frauen zur Übernahme einer Führungsposition, für die Rückkehr in den Beruf nach der Elternzeit und für eine Umschulung in zukunftsfähige Berufe.