Protocol of the Session on December 10, 2009

Um auf die Frage Ihres Vorgängers einzugehen, warum sich DIE LINKE heute so furchtbar theoretisch zu diesem Thema äußert, sage ich, lieber Kollege, dass das eine fachliche Debatte auf der Grundlage von Papieren aus dem Kultusministerium und aus dem Sächsischen Staatsministerium für Soziales war. Es war nichts Ausgedachtes, sondern es waren Papiere, die diese Staatsregierung selbst in ihren Verwaltungen produziert hat.

Es ist schon mehrfach bekundet worden, und wir finden es nicht verkehrt, dass man den Forscherdrang bei Kindern stärken möchte. Die Kritikpunkte sind angemerkt. Wir finden aber schon, dass, wenn wir den Bildungsplan als Grundlage nehmen und dieser gut umgesetzt werden soll, wir die Bedingungen verbessern müssen.

Deswegen haben wir uns erlaubt, einen Änderungsantrag einzubringen, denn wer A sagt, muss auch B sagen. Das heißt, wenn wir über Bildungsqualität reden, müssen wir

Ich finde aber auch, dass das, was von der CDU gekommen ist, auch nicht mehr rational nachvollziehbar ist. Ich erhoffe mir durchaus, dass der Minister schon in Relation stellt, wie die mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung in der Kita umgesetzt wird und wie das mit dem Personalschlüssel zusammenhängt. Ich muss ja für die Bildung Erzieher einsetzen, und dafür brauche ich einen Personalschlüssel. Das muss mit beleuchtet werden, sodass Ihre Replik keinen Sinn macht.

auch über Betreuungsqualität reden. Deshalb unser Änderungsantrag, mit dem wir vorschlagen, dass wir die Staatsregierung prüfen und berichten lassen, wie sich die Umsetzung des Bildungsplanes im Bereich Naturwissenschaft und Mathematik im Zusammenhang mit dem Personalschlüssel verhält.

So viel zur Antragsbegründung. Das heißt, dass wir, da uns genau dieser Aspekt bei Ihrem Ursprungsantrag fehlt, leider Ihrem Antrag nicht zustimmen werden, aber Ihnen vorschlagen möchten, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Ich weiß, dass Sie das nicht tun werden.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist ein ganz schlechtes Angebot!)

Herr Piwarz, wir haben doch am Anfang der Legislatur bekundet, wie schön wir alle zusammenarbeiten wollen, und das auch fraktionsübergreifend. Ihr Antrag ist verbesserungswürdig. Leider waren Sie vorhin nicht im Raum, als ich meine Kritikpunkte angemerkt habe.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Gibt es noch Redebedarf zu diesem Änderungsantrag?

Frau Präsidentin, es tut uns ja furchtbar leid, aber wir können diesem Änderungsantrag selbstverständlich nicht zustimmen; denn der Inhalt unseres Antrages war, genau diese beiden Teilaspekte näher zu beleuchten, um aus den Ergebnissen Rückschlüsse ziehen zu können. Wir wollen auch Möglichkeiten aufzeigen, wie wir die Erzieherinnen bei ihrer Arbeit unterstützen können, wie wir ihnen zusätzlich Arbeitsmittel an die Hand geben, die ihnen die Arbeit leichter machen. Ich denke, dass das Thema Personalschlüssel an dieser Stelle nicht richtig angebracht ist. Deshalb lehnen wir den Änderungsantrag ab.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Annekathrin Giegengack, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Bitte, Frau Giegengack.

Ist das jetzt eine Kurzintervention oder – –?

Nein. Sie müssen jetzt zu diesem Änderungsantrag sprechen, entweder dafür oder dagegen.

Ich finde den Änderungsantrag durchaus konsequent. Was ich nicht nachvollziehen kann, ist, dass Sie dann dem Ursprungsantrag nicht zustimmen, weil das nicht mehr logisch ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gibt es weiteren Redebedarf zum Änderungsantrag?

Nein, ich stimme nicht zu, aber ich möchte begründen, warum wir jetzt dem Ursprungsantrag nicht zustimmen werden, nämlich genau aus dem Grund, der vorhin von Frau Stange und auch von uns angesprochen wurde: dass mir der Versuch der Evaluation zu einseitig ist und dass genau zwei Bereiche, nämlich Naturwissenschaft und Technik, die wirtschaftskonform sind, herausgegriffen werden sollen, während andere Aspekte wie kommunikative und soziale Bildung usw. dort ausgeklammert werden.

Wir haben ein Angebot gemacht. Ich habe auch nicht erwartet, dass Sie unserem Antrag zustimmen. Es wäre ein Wunder. Aber ich erwarte durchaus vom Kultusminister – Herr Wöller hat es ja angeboten –, dass infolge des heutigen Antrages zur naturwissenschaftlich-mathematischen Bildung in den nächsten Monaten weitere Anträge folgen, mit denen wir die anderen vier Bereiche – Sie können das ja mit in Gang bringen – ebenso evaluieren, damit wir am Ende eine Übersicht über alle Bildungsbereiche aus dem Bildungsplan haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Stimmenthaltung und einer Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Ursprungsantrag der Koalition in der Drucksache 5/596 abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Stimmenthaltung und einer Reihe von Gegenstimmen ist dieser Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Meine Damen und Herren! Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf (Beifall bei der CDU)

Tagesordnungspunkt 9

Geplante Kindergelderhöhungen im Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht auf SGB-II- und SGB-XII-Regelsätze für Kinder anrechnen

Drucksache 5/603, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion, DIE LINKE, danach die CDU, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile der Linksfraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Die Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP hat sich im Koalitionsvertrag auf eine Kindergelderhöhung um 20 Euro geeinigt. Dies soll im Zuge des sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes umgesetzt werden. Bei aller Kritik an diesem Gesetz halten wir die angedachte Erhöhung des Kindergeldes für ungemein wichtig. Von Sachsen sollte aber ein Signal ausgehen, dass diese Erhöhung tatsächlich allen Kindern zugute kommt.

Nach den derzeitigen Regelungen nämlich würden gerade die sozial bedürftigen Kinder, die, die Sozialgeld erhalten, davon gar nicht profitieren, da die Erhöhung sofort als Einkommen der Eltern gezählt und vom Regelsatz abgezogen würde, und dies bei einem Regelsatz, der weder kindgerecht ist noch zum gesunden Aufwachsen reicht. Das ist eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit. DIE LINKE fordert deshalb, dass alle Kinder und Jugendlichen diese Kindergelderhöhung anrechnungsfrei als zusätzliche Leistung erhalten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vor nahezu zehn Jahren fast genau die gleiche Rede hier schon einmal im Landtag gehalten. Es gab damals das gleiche Anliegen, nämlich die Nichtanrechnung der Kindergelderhöhung auf die Sozialhilfe. Ich erinnere mich noch gut an die damalige Diskussion – die Neuen können sich nicht erinnern, aber sie könnten wenigstens zuhören. Ich war damals entsetzt, weil die Lebenswirklichkeit der Kinder mit Eltern, die geringes Einkommen haben, nicht zur Kenntnis genommen wurde. Es gab damals ziemlich belehrende Worte zu Äpfeln, die nicht so teuer seien, Spaziergänge durch den Wald usw. Damals stand auch eine Diätenerhöhung an, die das Vielfache der Kindergelderhöhung ausmachte, und schon damals profitierten die Gutverdienenden überdurchschnittlich durch die Anhebung der Kinderfreibeträge.

Ich hatte Ihnen damals von meinen Erfahrungen mit Sozialhilfe berichtet, die ich während des Erziehungsurlaubs mit meinen Kindern bezog. Eine in dieser Zeit erfolgte Kindergelderhöhung hatte ich mit Freude zur Kenntnis genommen, musste aber später feststellen, dass sich im Sozialhilfebescheid nur ein paar Zahlen geändert hatten, ich aber praktisch kein höheres Kindergeld bekam.

Das war ein Schock, weil ich schon Vorstellungen hatte, wie ich das Geld mit meinen Kindern zusammen ausgeben wollte.

Ich fand mich damals in guter Gesellschaft, denn es gibt von der Stadt Nürnberg eine Studie zur Lebenssituation von Sozialleistungsempfängern mit Kindern. Es gibt immer die Befürchtung, dass diese nicht mit zusätzlichem Geld umgehen könnten; das wird aber als unbegründet zurückgewiesen. Die meisten Eltern sparen zuerst bei sich, dann beim Urlaub und der Wohnungseinrichtung, damit Lebensmittel und Anschaffungen für die Schule getätigt werden können. Diese Eltern leiden, denn für die Mitgliedschaft im Sportverein, für Musik, Nachhilfeunterricht, Ausflüge oder bestimmte Spielzeuge, die für andere Klassenkameraden der Kinder selbstverständlich sind, reicht das Geld auf keinen Fall.

Es wird in dieser Studie gezeigt, dass das häufig von den Massenmedien vermittelte Bild einer Sozialhilfefamilie obsolet ist, die sich um nichts mehr kümmert, keine Verantwortung trägt und ihre Kinder verwahrlosen lässt. Es wird außerdem in dieser Studie festgestellt, dass die Grundsicherungsleistungen für Kinder unzureichend sind, dass also Familien mit geringen finanziellen Mitteln mehr Dienstleistungsangebote benötigen, aber eben auch höhere Sozialleistungen.

Auch der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, mahnt, dass die neue Regierung die armen Kinder und ihre Familien nicht vergessen darf; denn sie profitieren weder vom Kindergeld noch vom Freibetrag. Das Sozialgeld für Kinder in Arbeitslosengeld-II-Familien wiederum ist nach den Berechnungen des Deutschen Caritasverbandes einfach zu niedrig.

Die Bundesregierung will aber im Moment zumindest keinen anderen Weg gehen. Statt also die Lebenssituation dieser Familien bzw. armen Kinder zu verbessern, wird Kinderarmut ausgeblendet; im Koalitionsvertrag taucht das Wort ein einziges Mal auf. Aber rund ein Drittel aller kindergeldberechtigten Kinder – also 5,9 Millionen Kinder in Deutschland – leben in Haushalten mit einem Jahreseinkommen von 15 300 Euro und weniger. Diese Kinder leiden unter gesundheitlichen Schäden zum Beispiel aufgrund von Fehl- oder Mangelernährung, Bewegungsarmut und Armutsstress; denn die Teilnahme an Klassenfahrten oder an ähnlichen Ausflügen kann zum großen Problem werden. Schlechte Wohnbedingungen führen zur Ausgrenzung auch durch die Kinder selbst, weil sie sich schämen, ihre Freundinnen und Freunde mit nach Hause zu bringen.

Genau diesen Kindern und ihren Familien nützt die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages

gar nichts. Das Kindergeld ist eine monatliche Vorauszahlung des Finanzamtes für Familien, damit ihnen die Steuerentlastungen, die sie für ihre Kinder bekommen, nicht erst mit der Einkommensteuererklärung zugute kommen. Diese sollen im nächsten Jahr steigen. Die Erhöhung des Kinderfreibetrages ist also nur für diejenigen interessant, bei denen diese Entlastung das Kindergeld übersteigt. Die steuerliche Entlastung durch den Kinderfreibetrag für besser verdienende Eltern ist nämlich deutlich höher als die monatliche finanzielle Leistung durch das Kindergeld. Die Schere zwischen Kindern aus armen und wohlhabenden Familien wird sich also in Kürze noch weiter öffnen; Kinderarmutsbekämpfung indes sucht man vergebens.

Das ist ein Skandal für dieses reiche Deutschland. Was wir hier betreiben, ist zunehmend eine ZweiklassenFamilienpolitik, und das macht mich sehr wütend.

(Beifall bei der Linksfraktion, den GRÜNEN und der Abg. Dagmar Neukirch, SPD)

Ich glaube, es war Herr Karabinski von der FDP, der gestern sagte, als er auf das Gesetz einging: Es geht um Verbesserungen mit dem Fokus auf die aus seiner Sicht „normalen“ Familien – ich frage mich, wer diese „normalen“ Familien sind –, auf die Leistungsträger, auf die aus der Mitte. Da wird mir, ehrlich gesagt, schlecht. In meinem Bekanntenkreis sind einige Menschen, die aus Ihrer Sicht wahrscheinlich nicht zu den „normalen“ Familien gehören. Sind die denn am Ende weniger wert? Wahrscheinlich würden Sie Nein dazu sagen; aber wie erklären Sie diesen Menschen, dass Kinder aus guten Einkommensschichten von der Kindergelderhöhung profitieren, die anderen Kinder aus den „nicht normalen“ Familien, in denen die Eltern eben kein oder nur ein geringes Einkommen haben, aber nicht?

Wer aufgrund seines hohen Einkommens den Kinderfreibetrag nutzen kann, wird von Ihnen weitaus großzügiger bedacht. Knapp 37 Euro pro Monat sind für die Bezieher entsprechend hoher Einkommen drin – fast doppelt so viel wie für die Kindergeldempfänger. Sie erhöhen das Kindergeld für die Kinder einer Lehrerin dann um 20 Euro pro Monat, aber eine arbeitslose alleinerziehende Mutter bekommt null Komma nichts. Was sagen Sie diesen Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern? Ich kann einer alleinerziehenden Hartz-IV-Empfängerin nicht erklären, weshalb zum Beispiel Herr Rohwer oder Herr Piwarz mehr Geld für ihre Kinder bekommen als diese Frau, die keinen Cent mehr für ihr Kind bekommt. Ich kann es nicht erklären, bin aber gespannt darauf, wie Sie es mir nachher erklären werden.

Den Skandal, dass dem Staat nicht alle Kinder gleich viel wert sind, gehen Sie – zumindest sieht es momentan so aus – überhaupt nicht an, sondern mit diesem Gesetz verschärfen Sie ihn. Es warnen auch andere davor. Der Paritätische zum Beispiel warnt vor tiefen sozialen Verwerfungen in der Folge des geplanten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes. Er sagt, die Kluft zwischen Arm und Reich verenge die Spielräume von Ländern und

Kommunen zur Finanzierung der sozialen Infrastruktur vor Ort. Korrekturen zugunsten von bedürftigen Familien und Alleinerziehenden sowie ein Finanzausgleich für die Länder seien zwingend erforderlich. Zitat des Hauptgeschäftsführers Ullrich Schneider: „Der vorliegende Entwurf ist armutspolitisch ignorant und steht für eine Zweiklassen-Familienpolitik. Wenn Gutverdiener ein Steuergeschenk von rund 430 Euro pro Jahr bekommen, wenn Millionen Familien, deren Regelsatz vorn und hinten nicht reicht, leer ausgehen, dann hat das mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun.“

DIE LINKE steht indessen für einen Kampf gegen Kinderarmut. Dazu müssen aus unserer Sicht mehrere Schritte gegangen werden – zum einen mit einer deutlichen Anhebung des Kinderzuschlages, des Kindergeldes und des Wohngeldes, um zu verhindern, dass erwerbstätige Eltern wegen ihrer Kinder bedürftig werden. DIE LINKE hat sich immer dafür eingesetzt, dass der Kinderregelsatz bei Hartz IV massiv angehoben wird, da Kinder einen eigenen Wachstumsbedarf haben. Die Bundesregierung hat nun zumindest für die Sechs- bis 13-Jährigen diesen Regelsatz auf 251 Euro angehoben; wir bestehen aber weiterhin darauf, dass auch für Kinder ein eigener Bedarf festgestellt wird und dass bis dahin die Regelsätze auch der unter Sechsjährigen und der über 13-Jährigen deutlich erhöht werden.

Bei gleichzeitiger bedarfsorientierter Anhebung der Kinderregelsätze sind das erhöhte Kindergeld und der Kinderzuschlag zu einer bedarfsorientierten Kindersicherung auszubauen. Natürlich gehört auch die Verbesserung der sozialen Infrastruktur dazu – ich erwähne nur einige Beispiele: kostenfreie Ganztagsbildung, kostenloses Mittagessen, kostenlose Lernmittel usw.

Noch einige wenige Worte zum sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Bei den Nachforschungen konnte ich feststellen, dass viele andere neue Synonyme dafür im Umlauf sind, zum Beispiel Volksverdummungsbeschleunigungsgesetz, Wachstumsverhinderungsgesetz, Schuldenbeschleunigungsgesetz, Schuldenaufbaugesetz, Klientelbedienungsgesetz usw.