Protocol of the Session on June 13, 2012

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE sprach Frau Kollegin Giegengack. – Wir sind damit am Ende der ersten Runde angekommen und können jetzt in eine zweite Runde eintreten. Zunächst hat wieder die Antragstellerin das Wort und ich gebe das Wort an Frau Kollegin Werner weiter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann verstehen, Herr Colditz, Herr Bläsner, wenn Sie sagen, wir sollen nach vorn schauen und sehen, wie wir mit diesem sinnlosen Beschluss umgehen.

Es geht aber auch darum: Wir müssen schauen, was in dieser Staatsregierung eigentlich passiert ist, dass ein Beschluss gefasst wurde, auch – wenn ich es richtig erfasst habe – entgegen der Geschäftsordnung: dass zwei Ministerien hätten unterzeichnen müssen und nur ein Ministerium entgegen dem Fachministerium diesen Beschluss eingebracht hat und dann eine ganze Staatsregierung diesem Beschluss zugestimmt hat. Ich finde, das ist eine Katastrophe!

(Beifall bei den LINKEN)

Ich denke, der Ministerpräsident muss sich auch schämen – bei all den Tugenden, die in der Staatsregierung eigentlich eine Rolle spielen müssten, dass man zum Beispiel die Ministerien anhört, dass man einen schonenden Umgang mit Ressourcen umsetzt, dass man Anhörungen stattfinden lässt. All diese Tugenden scheinen keine Rolle mehr zu spielen. Ich halte es für alle Ministerinnen und Minister für wichtig, sich das nächste Mal einzubringen und solchen sinnlosen Beschlüssen nicht zuzustimmen. Man hat den Eindruck, hier sitzt ein Finanzminister, spielt ein wenig mit Äpfeln, um ein paar mehr Lehrerstellen zu bekommen – also nach der alten Methode. Ich muss sagen, als meine Kinder klein waren, haben sie mit Äpfeln gespielt, jetzt spielen sie „Civilisation“ oder Ähnliches. Sie wissen, wenn man in einem Bereich Dinge wegnimmt, hat es Auswirkungen auf andere Bereiche. Das sollten die Minister in Zukunft auch beherzigen.

Was mich besonders enttäuscht hat, ist, dass zum Beispiel die Bildungsministerin diesem Beschluss zugestimmt hat. Es ging um die Berufsschule für Sozialwesen. Der Fachkräftemangel ist jetzt schon absehbar. Sie haben diesem zugestimmt. Das hätte einfach nicht passieren dürfen.

Genauso Frau Ministerin Clauß: Sie haben die Berufsfachschule für Pflegehilfe gerade erst eingesetzt.

(Zuruf der Staatsministerin Christine Clauß)

Wir wissen, dass ein Pflegenotstand stattfinden wird, dass wir jetzt schon einen Fachkräftemangel haben, und trotzdem haben Sie dieser Vorlage zugestimmt. Jetzt können Sie nicht sagen, es ist doch alles vom Tisch. Das hat für sehr viel Aufregung gesorgt, das hat in den Schulen, in den Kommunen verunsichert, und deswegen muss heute auch darüber gesprochen werden.

Zu den Kommunen. Ich denke, dass den Ministern im Kabinett nicht klar gewesen ist, welche Auswirkungen dieser Beschluss zum Beispiel auf den ländlichen Raum hat, denn die Berufsfachschulen sind ein wichtiger Bestandteil für die Entwicklung und die Perspektiven des ländlichen Raumes. Es geht nicht einfach nur um Lehrstellen, sondern es geht darum, dass diese Berufsschulen eine große Bedeutung für den ländlichen Raum haben, weil zum einen damit auch Strukturentwicklung vorangetrieben werden kann, weil man sich mit den Berufsschulen zusammengesetzt und geschaut hat, wie man Praxispartner in der Zusatzqualifikation von Menschen in den Betrieben unterstützen kann, weil es diese kleinen und mittelständischen Unternehmen selbst gar nicht leisten können.

Es steht auch konträr zu dem Erlass des Bildungsministeriums, die Berufsschulzentren zu Kompetenzzentren zu entwickeln, die im ländlichen Raum besondere Bedeutung einnehmen sollen. Das wird mit einer Abschaffung von ganzen Berufsschulzweigen einfach zunichte gemacht.

Man muss außerdem sagen, wir haben uns in den Kreistagen seit 2008 sehr intensiv mit den Schulnetzplänen zu den Berufsschulen beschäftigt. Wir haben geschaut, wie man bestimmte Dinge verändern kann, wo Investitionen geleistet werden müssen. Wir haben Schulnetzpläne verabschiedet, die auch durch das Ministerium bestätigt wurden. Nun aber werden all diese Schulnetzpläne – und damit Investitionen, die geleistet wurden – wieder infrage gestellt. Es ist durchaus möglich, dass es dann tatsächlich zu Rückforderungen von Fördermitteln kommt.

Ich möchte ein Beispiel nennen – es bezieht sich zwar auf den sozialen Bereich, ist aber auch beispielgebend für technische Bereiche –: In Böhlen gibt es einen Erweiterungsbau, der 40 % seiner Kapazität verlieren würde, wenn es tatsächlich die Streichungen im sozialen bzw. pflegerischen Bereich gäbe. Daran hängen übrigens nicht nur die Ausbildungen und die Finanzen, sondern auch Verträge mit örtlichen Arbeitgebern, die Praktikanten und 17-jährige Absolventen übernommen haben und die selbst auch Träger bestimmter Ausbildungen sind.

Wenn in diese Schullandschaft eingegriffen wird, dann muss das unter Beachtung der entsprechenden demokratischen Gepflogenheiten geschehen. Kommunen, Kreistage, Schulkonferenzen – alle sind einzubeziehen und dürfen nicht einfach über die Zeitung über irgendwelche Beschlüsse informiert werden.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Frau Ministerin Kurth, mich hat Ihre gestrige Pressemitteilung sehr beschäftigt. Sie sagen darin:

„Bei der Frage, wie die berufliche Aus- und Weiterbildung in Sachsen weiterentwickelt werden soll, sind wir wohlüberlegt mit Augenmaß … vorgegangen.“

Ich denke, das ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die sich in diesem Bereich engagieren. Dazu sollten Sie unbedingt noch ein paar Aussagen treffen, Frau Ministerin.

Ihre Redezeit läuft ab, Frau Kollegin Werner.

Dann kann ich nur an alle Ministerinnen und Minister den Appell richten: Emanzipieren Sie sich von diesem Finanzminister! Schauen Sie bitte auf Ihre Fachbereiche! Fassen Sie in Zukunft Beschlüsse, die tatsächlich tragfähig sind, damit wir nicht wieder so ein Chaos haben, wie wir es in dieser Aktuellen Debatte besprechen müssen!

Danke.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Die einbringende Fraktion hatte das Wort. Für die Fraktion DIE LINKE sprach Frau Kollegin Werner. – Für die CDU-Fraktion spricht erneut Herr Kollege Colditz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir sind uns einig: Es geht wieder einmal um ein hochsensibles Thema, es geht um die Zukunft junger Menschen in unserem Land.

Es ist richtig, dass in dieser Debatte beides angesagt ist: eine kritische Aufarbeitung dessen, was gelaufen ist – auch dessen, was falsch gelaufen ist; das habe ich angedeutet; Sie haben es etwas breiter vorgetragen –, aber auch ein Blick nach vorn. Letzteres ist vor allem notwendig.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich)

Meine Damen und Herren! Botschaften in dieses Land gehen nicht nur von Kabinettsbeschlüssen aus, sondern auch von diesem Landtag – zumindest noch ab und zu.

(Heiterkeit)

Wenn wir nur das Szenario aufbauen, hier sei alles ganz furchtbar und alles sei falsch gelaufen, dann ist das ganz einfach zu wenig. Es ist einiges falsch gelaufen. Aber es wurde auch korrigiert!

Ich wiederhole: Das, was die Ministerin an dieser Stelle getan hat – sie hat mit den Trägern, auch den freien, gesprochen, sie hat Kontakt mit der Wirtschaft hergestellt –, ist anerkennenswert, trotz einer falschen Entwicklung, die stattgefunden hat.

Ich sage es noch einmal: Es geht nicht um die Deckung eines Mehrbedarfs an Lehrern. Es geht auch nicht darum, freie Träger in ihrer Tätigkeit einzuschränken.

Klammer auf: Ich muss aber den freien Trägern sagen dürfen – auch angesichts der eingetretenen Wende in der betrieblichen Ausbildung –: 25 % freie Träger auf dem beruflichen Ausbildungsmarkt sind falsch, sind nicht gut, sind zu viel. Insoweit wird es Korrekturen geben müssen. Wir müssen auch die Kraft haben, dort mögliche Einschnitte hinzunehmen. Klammer zu; denn das will ich jetzt nicht vertiefen, weil es ein anderes Thema ist. Diese Dinge müssen jedoch ehrlich aufgearbeitet werden.

Dies alles geschieht vor dem Hintergrund – das ist der alleinige Maßstab –, dass wir den Jugendlichen eine ordentliche Ausbildung anbieten wollen.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Dr. Stange.

Vielen Dank. – Kollege Colditz, geben Sie mir recht, dass die Kehrtwende im Kultusministerium erst eintrat, nachdem es zahlreiche Proteste innerhalb und außerhalb des Landtags gegeben hatte?

Frau Kollegin Stange, ich habe es doch gesagt: Es gab dazu eine kontroverse Diskussion. Ich will aber das Zustandekommen dieses Kabinettsbeschlusses – an dem übrigens nicht nur das Kultusministerium beteiligt war – jetzt nicht interpretieren. Es ist ein Fehler gemacht worden. Ich habe es beim letzten Mal schon gesagt: Auch Politiker machen Fehler. Sie sind keine Heiligen – auch die Staatsregierung nicht.

Für mich ist es viel wichtiger, Fehler anzuerkennen und zu korrigieren, sie aber nicht auszusitzen. Das ist für mich der Maßstab, worüber ich auch wieder Anerkennung entwickeln kann.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich)

Ich komme noch einmal zum Sozialbereich; die Ministerin wird darauf detailliert eingehen. Von uns geht ganz deutlich die Botschaft in das Land hinein – vielleicht hört es ja doch der eine oder andere draußen mit –: Im Sozialbereich ist der Prozess, der angedacht worden war, rückgängig gemacht worden. Es ist so, dass beispielsweise die Pflegehilfeausbildung – das sage ich auch mit Blick auf das, was Frau Werner zum Bedarf an Pflegekräften gesagt hat – natürlich weiter vollzeitschulisch stattfinden muss; das wird so sein. Das betrifft genauso andere Sozialberufe; ich denke nur an den Sozialassistenten. Wenn wir heute Nachmittag über die Kindergärten reden, werden wir wieder deutlich ins Stammbuch geschrieben bekommen, dass wir gerade, was die Erzieherausbildung anbelangt, auch die Sozialassistenten weiterhin brauchen. Sie

werden auch in Zukunft vollzeitschulisch ausgebildet. Das sollte man an dieser Stelle einmal feststellen.

Ähnlich sehe ich es im Hinblick auf die Fachschulen. Sicherlich steht da noch eine Prüfung an. Aber wir können nicht auf der einen Seite unsere Berufsschulzentren als Kompetenzzentren deklarieren und entsprechend ausweiten – das ist eine ganz tolle Geschichte: Kompetenzzentren in den Regionen in Verbindung mit der Wirtschaft –, aber dort die Fachschulen wegschneiden. Das wäre völliger Blödsinn, das geht nicht!

(Beifall der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Ich habe es vorhin schon gesagt: Für das mittlere Management ist der Bedarf der Wirtschaft da. Die sagen: Leute, das brauchen wir! Haltet uns bitte an dieser Stelle dieses Ausbildungsangebot!

Obwohl es in dieser Debatte nicht im Kern darum geht, will ich an dieser Stelle dennoch das BGJ ansprechen. Insoweit hat die Wirtschaft eine Chance vertan. Ich weiß zwar nicht, wie der Wirtschaftsminister das sieht, aber ich sehe es als vertane Chance. Bisher erkennen nur 10 bis 15 % der Unternehmen das BGJ wirklich als Bestandteil der Ausbildung an. Mit welchem Recht denn? Warum denn? Warum wird es nicht von der Wirtschaft stärker anerkannt, etwa als erstes Jahr der Ausbildung im dualen System? Hier hätte es viele Entkrampfungen geben können. Das liegt aber nicht in der Verantwortung der Politik, sondern das liegt bitte schön in der Verantwortung der Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Deshalb brauchen wir auch den Dialog mit der Wirtschaft über diese Fragen.

Meine letzte Anmerkung bezieht sich auf das BVJ; die Ministerin wird auch das sicherlich konkretisieren. BVJ und auch gestrecktes BVJ haben weiter Sinn – im Blick auf Förderschüler, im Blick auf Hauptschulabgänger, im Blick auf benachteiligte Schüler, die keinen Abschluss haben. Insoweit sind mittlerweile einige Dinge korrigiert worden.