Protocol of the Session on June 13, 2012

Drucksache 5/7777, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/9206, Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses

Wir beginnen mit der allgemeinen Aussprache, zunächst die Fraktion DIE LINKE, dann CDU, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Für die Fraktion DIE LINKE beginnt Frau Abg. Junge. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Freistaat Sachsen rechnet im laufenden Doppelhaushalt

mit Steuermehreinnahmen von 1,6 Milliarden Euro. Das ist ein gutes Ergebnis und ein Zeichen dafür, dass sich die sächsische Wirtschaft von der Finanz- und Wirtschaftskrise erholt hat.

Gleichzeitig lieferte die Steuerschätzung den Beweis dafür, dass die vom Finanzminister angezettelte und von den regierungstragenden Fraktionen durchgewunkene Kürzungsorgie im Doppelhaushalt 2011/2012 völlig

überzogen und falsch war. Natürlich werden Sie, sehr geehrte Abgeordnete der CDU- und FDP-Koalition, erwidern, dass die Finanzsituation 2010 schwierig war und Sie deshalb für diese drastischen Haushaltseinschnitte gestimmt haben, insbesondere eben im Sozial-, Bildungs- und Kommunalbereich. Aber wir müssen feststellen: Der vom Finanzminister herbeigeredete Einbruch der Einnahmen in Milliardenhöhe fand aber real nicht statt.

(Thomas Schmidt, CDU: Das ist doch unglaublich!)

Die Finanzsituation des Freistaates Sachsen hat sich aktuell wesentlich gestärkt und verändert. Wie sieht es jetzt mit notwendigen Korrekturen im Doppelhaushalt 2011/2012 aus? – Besonders problematisch schätzen wir immer noch die Situation in den kommunalen Investitionshaushalten ein. Der Anteil der Investitionsmittel sächsischer Kommunen sank um 47 % im Vergleich von 2010 zu 2012. Eingerechnet sind dabei auch die kleinen Nachbesserungen der Koalition im sogenannten Kommunalpaket im Januar dieses Jahres.

Selbstverständlich haben wir die Einigung der Staatsregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden zum FAG 2013/2014 zur Kenntnis genommen. Auch in diesem Kompromiss wird die mangelnde Investitionskraft der kommunalen Ebene bestätigt und ab nächstem Jahr teilweise abgeschwächt.

Aber allein für das aktuelle Jahr 2012 fehlen bislang die Hilfsangebote. Deshalb schlägt meine Fraktion Ihnen vor, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die jetzige Investitionspauschale für die kreisfreien Städte und Landkreise um 51 Millionen Euro zu erhöhen. Wir halten diese Erhöhung als Sofortmaßnahme für dringend geboten, um den Druck auf die Kommunalhaushalte etwas abzumildern. Eine Vielzahl der Kommunen hat aufgrund rückläufiger Schlüsselzuweisungen und größerer Soziallasten in diesem Jahr kein Geld für Investitionen zur Verfügung. Sie können auch nicht auf die Fördermittel zurückgreifen, weil ihnen die notwendigen Eigenanteile fehlen.

Die notwendigen Investitionen im Kita- und Schulhausbau, im Straßenbau und bei Sportstätten können besonders durch die finanzschwachen Kommunen nicht getätigt werden, wenn die Investitionskraft der Kommunen in diesem Jahr nicht noch einmal gestärkt wird.

Symptomatisch möchte ich an dieser Stelle auf die Stadt Chemnitz verweisen. In der letzten Woche hat die Landesdirektion den Haushalt für 2012 unter Vorbehalt bestätigt. Attestiert wird Chemnitz eine aktuell desolate Haushaltslage und bis 2015

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Haushaltsführung!)

drohende Verluste von insgesamt 156 Millionen Euro. Realistische Vorschläge, wie die Stadt aus eigener Kraft die Misere überwinden kann, sind vom Präsidenten der Landesdirektion leider nicht zu hören.

(Zuruf von der CDU: Doch!)

Die von der Staatsregierung am 8. Mai verkündete Förderrichtlinie Schulhausbau verschärft die Situation bezüglich der Investitionsfinanzierung leider noch weiter. Der stolz verkündete einheitliche Fördersatz von 40 % bedeutet nichts anderes als eine Halbierung der Förderung und somit einen erheblichen finanziellen Mehraufwand für die Kommunen als Schulträger. Damit werden trotz bestehendem und steigendem Bedarf künftig weniger Baumaßnahmen an Schulen stattfinden, da einfach die Kofinanzierung fehlt.

Die Empfehlung der Kultusministerin, die fehlenden Eigenmittel als zweckgebundene Spende einzuwerben, halte ich für perfide. Dieser Vorschlag bedeutet nichts anderes, als dass die Eltern einspringen und nicht nur wie bisher die Klassenzimmer malern, sondern auch noch die Baumaßnahmen mit finanzieren sollen. Da versteht Frau Kurth bürgerschaftliches Engagement völlig falsch.

(Beifall des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Der Staat kann sich aus seiner Verantwortung nicht einfach herausstehlen. Er hat die verfassungsmäßige Pflicht, die kommunale Ebene finanziell angemessen auszustatten. Nach dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz

unseres Finanzausgleichsgesetzes stehen der kommunalen Ebene 35,7 % der Steuereinnahmen zu. Gleiches gilt natürlich für die nicht geplanten Mehreinnahmen.

Diese Steuermehreinnahmen betragen für dieses Jahr 2012 laut Mai-Steuerschätzung 969 Millionen Euro

gegenüber den Ansätzen im Haushaltsplan 2011/2012. Das heißt, der kommunalen Ebene stehen rund 346 Millionen Euro Ausgleichszahlungen für 2012 zu. Dieses Geld wird aber erst 2014 ausgezahlt und liegt jetzt in der FAG-Rücklage. Das Land spart sich auf Kosten der Kommunen gesund. Mittlerweile befinden sich insgesamt über 1 Milliarde Euro in der Haushaltsausgleichsrücklage.

Das ist freies Geld, das letztlich allen zur Verfügung steht, also nicht nur dem Finanzminister, sondern allen Sachsen.

Ein Drittel davon steht der kommunalen Ebene zu. Deswegen sagen wir: Die jetzige FAG-Ausstattung ist unzureichend und bedarf flexibler Änderungen. Folgt der Landtag unserem Vorschlag, so werden den Kommunen kurzfristig 51 Millionen Euro in den Investitionshaushalten zur Verfügung stehen. Die Städte und die Landkreise können mit gestärkter Investitionskraft einerseits noch in diesem Jahr Impulse für die Belebung der Wirtschaft setzen und andererseits den Investitionsstau in den Schulen, Kitas, Straßen und Sportstätten schrittweise abbauen und müssen nicht auf die nächsten Jahre warten.

Eine Erhöhung der Investitionspauschale ist nicht zuletzt auch deshalb sinnvoll, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben, die Eigenanteile bei den Fördermittelprogrammen darstellen zu können. Das gilt besonders für die finanzschwachen Kommunen, auf die ich zu Beginn meines Beitrages schon hingewiesen habe und die sonst nicht in der Lage sind, die Landesförderprogramme zu nutzen.

Zusätzliche 51 Millionen Euro für Investitionen in den Kommunen sind ein notwendiger Schritt, um den Investitionsstau schrittweise abzubauen. Das Geld ist vorhanden. Wir können dieses Geld, das den Kommunen zusteht, ohne Weiteres der kommunalen Ebene in diesem Jahr zur Verfügung stellen.

Investitionen in die Zukunft und Stärkung der kommunalen Finanzkraft sind zwei Anliegen, die Sie mit unserem Gesetzentwurf heute realisieren können. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Verdopplung der Investitionspauschale für die kreisfreien Städte und Landkreise im Jahr 2012.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Junge. – Herr Michel, es drängt Sie schon lange an das Mikrofon. Sie haben jetzt für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es stimmt, es hat mich von den ersten Sätzen an gedrängt, ans Mikrofon zu stürzen, zu stürmen.

(Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Zu stürmen, nicht zu stürzen!)

Denn der vorliegende Gesetzentwurf ist eigentlich ein Lehrbeispiel für einen Oppositionsgesetzentwurf, der das FAG, glaube ich, in seiner gesetzestechnischen Wirkung nicht voll erfasst. Sie fordern einfach mehr Geld für irgendetwas, Sie wollen Geld verteilen ohne Zweckbestimmung, und Sie kommen auch noch Lichtjahre zu spät für schon geregelte Bereiche.

Dass die Mitglieder der Koalition dabei so hingestellt werden, als würde es ihnen in masochistischer Art und Weise Spaß machen, irgendwo Geld vorzuenthalten oder Kommunen keine Investitionen zu gönnen, das gehört zu Ihrem Oppositionshabitus. Aber ich möchte an dieser Stelle sagen, dass wir sehr eng an der Seite der kommunalen Familie stehen. Der Gesetzentwurf beweist, dass Ihnen diese Nähe fehlt.

(Beifall bei der CDU)

Die Landräte, Bürgermeister und Gemeinderäte werden sehr genau erkennen, was hier politische Polemik ist und was realpolitisches Handeln darstellt. Nach der Steuerschätzung vom November 2011 haben die Mitglieder der Koalitionsfraktionen sehr schnell gehandelt und das Kommunalpaket 2012 verabschiedet. DIE LINKE behandelt im Juni 2012 einen Antrag vom Dezember 2011. Eilig scheinen Sie es also mit Ihrer Hilfe für die Kommunen nicht zu haben.

Betrachten wir uns einmal die Entwicklung der kommunalen Investmittel. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, sich an den Mai 2010 zu erinnern. Zu diesem Zeitpunkt drohten dem Freistaat tatsächlich

Einnahmeneinbrüche in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Dass es dann nicht so weit gekommen ist, ist eine sehr gute Fügung. Aber trotzdem waren die Einnahmeneinbrüche erheblich. Fakt ist aber, dass in der Situation des Aushandelns des damaligen FAG der Freistaat und die Kommunen wie ein kluger Kaufmann gehandelt haben. Sie haben sich in den Gesprächen zur Haushaltsaufstellung 2011/2012 dafür entschieden, die laufenden, also die konsumtiven Aufgaben, zu sichern und das Schöne, Wünschenswerte, das Investive zu verschieben.

Die Finanzinsider unter uns wissen und werden sich auch daran erinnern, dass es sogar der ausdrückliche Wunsch der Kommunen war, bevorzugt das konsumtive Feld abzudecken. Erst dann, als die aktuelle Entwicklung einen positiven Trend bestätigte, konnten wir wieder ans Investieren denken.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Schon mit der Steuerschätzung Mai 2010 wurde ein erstes Investitionsprogramm in Höhe von 38 Millionen Euro aufgelegt. So richtig los ging es dann mit der Steuerschätzung vom November 2011. Innerhalb weniger Wochen haben die Koalitionsfraktionen die gesetzlichen Änderungen zum Kommunalpaket 2012 auf den Weg gebracht. Unter dem Motto „Andere hebeln Schulden, wir hebeln Investitionen!“ legten wir ein Investitionsprogramm in Höhe von insgesamt 106 Millionen Euro auf.

21 Millionen Euro davon waren als kommunale Investitionshebelmasse für die Fachförderprogramme angelegt. Zusammen mit der den sächsischen Kommunen zustehenden Zuführung an die FAG-Rücklage als Ausgleich für die Spitzabrechnung haben wir den Kommunen von den Steuermehreinnahmen im Freistaat einen Anteil von im Schnitt 37,5 % pro Jahr gegeben. Das ist eine hohe Leistung. Zeigen Sie mir andere Bundesländer mit ähnlichen Daten und behaupten Sie bitte nicht, im Freistaat Sachsen fänden kommunale Belange keine gebührende Beachtung!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jetzt möchte ich an dem Gesetzentwurf nicht nur herumkritisieren. Immerhin verlassen Sie mit dem Gesetzentwurf einmal das konsumtive Feld und Sie wenden sich den Investitionen zu. Das ist von der Grundausrichtung her löblich, aber es reicht nicht, denn es ist unsystematisch und ohne Zweckbestimmung. Diese haben Sie im Verfahren so leicht mündlich nachgeschoben. Zumindest haben sich Ihre Kollegen im HFA redlich bemüht, den Antrag schönzureden. Aber unterm Strich ist er doch unsystematisch und ohne Zweckbestimmung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die letzten Zweifler am engen Miteinander zwischen Freistaat und kommunaler Familie, für den, der noch eines letzten Beweises für das gute Verhältnis bedarf, sehen wir uns nun die Eckwerte des jüngsten FAG-Kompromisses an. Da ist es nämlich so, dass wir schon die Jahre 2013 und 2014 gestalten, während Sie mit Ihrem Antrag noch auf dem Stand Dezember 2011 herumhängen.

Fakt ist: Der Gleichmäßigkeitsgrundsatz I, also das Verhältnis zwischen Staat und Kommunen, wird um rund 30 Millionen Euro zugunsten der Kommunen verändert. Den Kommunen wird inklusive Schulhausbaumittel in den Jahren 2013 und 2014 eine Summe von über 800 Millionen Euro Investmittel zur Verfügung gestellt. Allein bei den investiven Schlüsselzuweisungen bedeutet dies eine Verdreifachung der Mittel im Jahr 2013, und im Jahr 2014 ist es eine Vervierfachung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, allein daran zeigt sich wieder einmal die enge Schicksalsgemeinschaft zwischen Freistaat und Kommunen, und daran wird auch eine realistische Politik deutlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lässt die zu erwartende Einnahmensituation es zu, geben wir gern die höchstmögliche Investitionssumme weiter. Ihr Schaufenstergesetzentwurf ist in meinen Augen billige und schlecht gemachte Polemik. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.