Marion Junge
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon sehr verwundert, dass zumindest ein Teil der Redner nicht die Notwendigkeit sieht, im Plenum über dieses wichtige Thema „Einführung der Doppik – Umgang und Umsetzung auf der kommunalen Ebene“ zu debattieren.
Wer auf der kommunalen Ebene tagtäglich unterwegs ist und mit den Kämmerern spricht, der weiß, wie viel Problematik in dieser Einführungsphase steckt. Ich möchte das anhand konkreter Beispiele benennen.
Ich beginne mit dem aktuellen Bericht des Sächsischen Rechnungshofes 2013. Dort ist eine Vielzahl von Problemen aufgezeigt, bei denen sich die kommunale Ebene mehr oder weniger alleingelassen fühlt. Das Land hat im Jahr 2007 dieses Gesetz erlassen. Es hat sicherlich Weiterbildungsangebote für Kämmerer bzw. die Finanzverantwortlichen gegeben, aber viel mehr Hilfe und Unterstützung haben sie nicht erfahren. Seit sechs Jahren wird die Doppik eingeführt. Wir erwarten, dass wir diesen Zwischenbericht – das ist unser Anliegen – entsprechend kritisch betrachten: Wo stehen wir? Welche Unterstützung muss vielleicht das Land den Kommunen geben?
Ich zitiere aus dem aktuellen Rechnungshofbericht, um Ihnen die Problematik noch einmal etwas zu verdeutlichen: „Der Umstellungsprozess wurde generell unterschätzt. Es kam zu Zeitverzögerungen bei der Aufstellung der Eröffnungsbilanz. In Einzelfällen wurden dafür mehr als drei Jahre seit dem Umstellungstermin benötigt.
Insbesondere der Aufwand für die Inventur und die Bewertung für das Infrastrukturvermögen und für die Vermögensgegenstände, die schon vor 1990 im Bestand der Kommunen waren, wurden verkannt. Neben der Aneignung von neuem Fachwissen in den Bereichen Finanzwesen und örtliche Rechnungsprüfung musste auch in den übrigen Fachbereichen die doppische Denkweise kommuniziert und betrachtet werden. Mangelnde Dokumentation und interne Kontrollsysteme bei der Aufstellung der Eröffnungsbilanzen führten zur Überschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen.“ Das ist nur ein Teil der Problemlagen, die in diesem Bericht enthalten sind.
Jetzt frage ich Sie: Wie geht die Staatsregierung, wie geht die Koalition mit diesen genannten Schwierigkeiten um? Eine Antwort finden wir konkret in der Stellungnahme der Staatsregierung zu unserem Antrag. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Dort heißt es: „Wir haben eine Lenkungsgruppe eingerichtet, um die dringend zu lösenden Probleme zu identifizieren und auf der Grundlage einer intensiven Beobachtung und Analyse der Entwicklung der Kommunalhaushalte Vorschläge für eine strategische Ausrichtung der Doppikregelung, wie sie in der Zeit ab 2017 gelten soll, zu erarbeiten.“
Wow! Diese Aussage klingt erst einmal gut, hilft aber den 432 Kommunen derzeit überhaupt nicht. Die aktuellen Probleme beim sachgerechten und transparenten Aufbau eines doppischen Haushaltes müssen die Kommunen irgendwie allein bewältigen.
Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten mit Bürgermeistern, Finanzverantwortlichen, Kreis- und
Gemeinderäten gesprochen und immer wieder hinterfragt, ob und wie die Einführung des doppischen Haushaltes erfolgte. Die meisten Finanzverantwortlichen waren sehr unzufrieden mit dem Umstellungsprozess. Den Wust an Arbeit mussten sie mehr oder weniger allein bewältigen und auch finanzieren.
Die gesetzlichen Regelungen erfuhren im Umstellungszeitraum von nur sechs Jahren zahlreiche Änderungen. So wurden die Verwaltungsvorschrift Kommunale Haushaltssystematik als auch die Kommunalhaushaltsverordnung mehrmals geändert. Dies führt wiederum zur Änderung bei Kontenbuchungen und Bilanzierungen, sodass ein erheblicher Arbeits- und Personalaufwand zusätzlich entsteht. Die nicht vorhandenen verbindlichen Bewertungsrichtlinien und Dienstanweisungen erschweren die Arbeit der Kämmereien. Zahlreiche Überleitungs- und Bewertungsvorschriften blieben im Entwurfsstadium stecken und waren in sich widersprüchlich.
Positiv angemerkt wurde – das möchte ich auch benennen – die Zusammenarbeit des SSG mit dem SMI. In Arbeitsgruppen wurden ungenau geregelte Sachverhalte diskutiert und tragbare Lösungen gefunden. Aber es gibt dennoch großen Handlungsbedarf, und ich möchte drei Komplexe kurz benennen.
Erstes Problem: die sogenannten Fehlbeträge. Trotz Übergangsregelungen werden die meisten Kommunen
nicht bis zum Jahr 2016 allein ihre Fehlbeträge aus nicht zahlungswirksamen Leistungen ausgleichen können. Die tatsächliche Finanzlage der Kommunen wird jetzt durch die Doppik sichtbar. Das hat Herr Patt deutlich in seiner Einführungsrede zur Doppik dargestellt. Die Fehlbeträge in Millionenhöhe resultieren nicht aus dem Missmanagement der Kommunen, sondern zeigen deutlich die chronische Unterfinanzierung der kommunalen Ebene. Hier muss endlich der Freistaat gegensteuern und darf die Kommunen mit ihren Haushaltsproblemen nicht alleinlassen.
Zweites Problem: die Personalausstattung. Der Personalschlüssel der Kameralistik passt nicht zur Doppik. Durch die Einführung der Doppik besteht ein wesentlich höherer Personalbedarf, da zum Beispiel die Grundstücksverwaltung sehr aufwendig ist, wie mehrere Kämmerer sehr deutlich sagten. Sie brauchen, um diesen Prozess weiter aktiv zu begleiten, wesentlich mehr Personal. Das ist ein großes Problem, denn gerade im Kommunalbereich wird hier auf Personalabbau gesetzt.
Drittes Problem: der Prüfrückstand der SAKD. Die Sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung muss die Haushaltsprogramme der Softwareanbieter prüfen und zertifizieren. Die Prüfung zieht sich stark in die Länge und von der SAKD werden die Anforderungen immer wieder verändert. Die Softwarefirmen müssen alle gesetzlichen Änderungen anpassen, sodass auch hier wieder ein hoher Zeit- und Personalaufwand entsteht.
Es gibt also auf der kommunalen Ebene durch die Einführung der Doppik eine Vielzahl von Problemen. Ich habe nur drei Hauptschwerpunkte genannt. Die Staatsregierung sollte die öffentliche Debatte als Chance nutzen, um die Mängel und Probleme zeitnah zu beheben. Die chronische Unterfinanzierung der Kommunen wird durch die Doppik sichtbar und muss endlich durch das Land beseitigt werden.
Ich bitte Sie, unserem Antrag hinsichtlich eines aus unserer Sicht notwendigen Zwischenberichtes gerade zum Prozess der Einführung der Doppik zuzustimmen. Setzen Sie sich bitte aktiv mit den kommunalen Problemen bei der Einführung der Doppik auseinander!
Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetz zur Einführung der kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts im Freistaat Sachsen möchte die Fraktion DIE LINKE den Kommunen in Sachsen eine neue öffentlich-rechtliche Rechtsform an die Hand geben. Mit der Einführung der kommunalen Anstalt erhalten die sächsischen Kommunen ein modernes Instrument zur Unterstützung ihrer Aufgabenerledigung. Derzeit haben die Kommunen nur die reale Möglichkeit, kommunale Unternehmen als Eigenbetriebe oder GmbHs zu führen. Die Eigenbetriebsform als einzige öffentlichrechtliche Organisationsform reicht nicht aus, um die vielfältigen Aufgaben der Daseinsvorsorge bedürfnisgerecht zu erfüllen. Ein Eigenbetrieb ist letztendlich nur eine nicht verselbstständigte Form der Zusammenfassung von Vermögensmitteln bei der Kommune und daher keine echte Alternative für kommunale Unternehmen.
Die GmbH als Rechtsform des privaten Rechts lässt sich auf die Bedürfnisse der Gesellschafter zuschneiden. Aber aufgrund ihrer privatrechtlichen Stellung zeigt die Praxis, dass die kommunalen GmbHs der Einflussnahme ihres öffentlich-rechtlichen Trägers häufig entgleiten. Zudem können GmbHs nicht öffentlich-rechtlich handeln, sind steuerpflichtig und gewinnorientiert. Wir haben momentan kein öffentliches Unternehmen für Kommunen in Sachsen: „Wir haben nur den Eigenbetrieb oder die GmbH für eine Kommune. Das sind die Möglichkeiten. Das genügt aus meiner Sicht nicht“, so die Einschätzung des Sachverständigen Herr Hermensen von PricewaterhouseCoopers Legal AG. Die Mehrheit der Sachverständigen stimmten unserem Anliegen und dem vorliegenden
Gesetzentwurf am 14. November 2013 in der Anhörung des Innenausschusses zu.
Welche Vorteile hat nun eine kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts? Prof. Dr. Ehlers, Hochschullehrer für öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität Münster, brachte dies auf einen Punkt. Ich zitiere aus dem Protokoll der Anhörung: „Die Anstalt des öffentlichen Rechts soll die mit der Verwendung der Eigenbetriebs- und GmbHFormen verbundenen Nachteile vermeiden, indem sie auf der einen Seite eine bessere Stellung als privatrechtliche Organisationsform ermöglicht und die kommunale Inhaberschaft besser zum Ausdruck bringt und auf der anderen Seite dem Unternehmen mehr Spielraum als durch den Eigenbetrieb eröffnet. Es geht also um einen Mittelweg zwischen der öffentlich-rechtlichen Bindung und der selbstständigen Wirtschaftsführung.“ Ja, wir möchten, dass auch die Kommunen diese dritte Rechtsform zur Erledigung ihrer Aufgaben nutzen können.
Auf Landesebene ist dies schon lange möglich. In Dresden führt der Freistaat Sachsen mit der Uniklinik eine erfolgreiche Anstalt des öffentlichen Rechts. Den Kommunen bleibt dieser Weg mit ihren kommunalen Kliniken bislang verwehrt. Warum gibt es diese Ungleichbehandlung zwischen Landes- und Kommunalebene? Wir möchten diese strukturellen Benachteiligungen beseitigen.
Wir sehen mehr Vorteile als Nachteile für kommunale Anstalten. Die kommunale Anstalt ist als selbstständiges kommunales Unternehmen verpflichtet, wirtschaftlich und effizient zu arbeiten. Die Überschusserzielung ist jedoch nicht primäres Unternehmensziel. Es entfallen eine Reihe nicht unerheblicher Kosten wie die Grunderwerbssteuer, Notariatskosten, Stammkapital, Kosten für Handelsregistereinträge oder zusätzliche Verwaltungskosten. Der große wirtschaftliche Vorzug dieser Rechtsform liegt in der Steuerfreiheit beim Betreiben des Unternehmens. Ebenso gestaltet sich die Finanzierung von Investitionsmaßnahmen durch zinsgünstige Kredite kostensparend. Wenn man einmal alles zusammen betrachtet, ergibt sich
Folgendes: Die kommunale Anstalt kann Aufgaben der Daseinsvorsorge preiswerter gestalten.
Nach Einschätzung der Sachverständigen gibt es auch keine negativen Erfahrungen in den anderen Bundesländern. Das Gegenteil ist der Fall. In Bayern und Nordrhein-Westfalen wird auf diese Rechtsform gern zurückgegriffen. Die Zahlen aus der Praxis zeigen ebenfalls, dass nicht mit einem Riesenerfolg der Anstalten zu rechnen ist und diese auch nicht die GmbHs und Eigenbetriebe verdrängen.
Wir sehen in der Praxis die Hauptanwendungsbereiche in der Abfallentsorgung, Straßenreinigung, Energieversorgung, Gesundheit, Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge sollen und müssen die Kommunen wieder stärker in eigene Hände nehmen. Die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts ist dafür eine geeignete Rechtsform, um den Kommunen öffentlich-rechtliche Kooperationen deutlich zu erleichtern und die kommunale Selbstverwaltung zu stärken.
Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung für das Gesetz zur Einführung der kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts im Freistaat Sachsen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es schade, dass die CDU/FDP-Koalition den Gesetzentwurf so, wie wir ihn eingebracht haben, ablehnt. Ich sage es sehr deutlich: Wir haben den Gesetzentwurf extra sehr langfristig in die Debatte eingebracht und ganz bewusst nicht mit den Änderungsvorschlägen in der Debatte über die Kommu
nalrechtsänderung verbunden. Daher kann ich die Begründung von Herrn Hartmann nicht nachvollziehen, die Spitzenverbände hätten dafür keinen Bedarf bei der Kommunalrechtsänderung gesehen – weil dieser Gesetzentwurf dazu überhaupt nicht vorlag.
Sie haben im Kommunalrecht, im Gesetz zur kommunalen Zusammenarbeit, die kommunale Arbeitsgemeinschaft eingeführt. Wir haben dem zugestimmt und deutlich gemacht, dass das ein Weg ist, aber eben nicht der einzige. Wir haben im Nachgang dafür plädiert, diese neue Rechtsform in der Sächsischen Gemeindeordnung und im Gesetz zur kommunalen Zusammenarbeit zusätzlich einzuführen. Das halte ich auch für legitim.
Die Argumente oder Gegenargumente, die Sie gebracht haben, fußen hauptsächlich darauf, dass kein Bedarf gesehen wird. Ich sage noch einmal, Bedarf hin oder her: Wenn es dieses Instrument gibt, dann muss die Kommune entscheiden, ob sie dieses Instrument nutzen will oder nicht. Ich will auch nicht sagen, es müssten jetzt 50 oder 100 kommunale Anstalten entstehen. Der Bedarf ergibt sich aus der aktuellen Entwicklung.
In der Anhörung wurde deutlich gemacht, dass man das machen kann. Das haben zumindest fünf der sechs Sachverständigen gesagt. Vier Sachverständige haben gesagt, das wäre ein guter Weg, um den Kommunen noch mehr Handlungsspielräume zu geben.
Es ist eine Entscheidung der kommunalen Ebene. Sie verweisen bei fast jeder Entscheidung auf die kommunale Selbstverwaltung. Genau darum geht es, den Handlungsspielraum für die Kommunen zu erweitern. Mehr sieht dieser Gesetzentwurf nicht vor, mit den entsprechenden Ausgestaltungen im Wirtschaftsrecht.
Ich sage zum Abschluss: Auch Herr Groneberg vom Sächsischen Landkreistag hat diese Option offengelassen. Er hat deutlich formuliert – ich zitiere –: „Ob der Bedarf später aufgrund zukünftiger politischer Entwicklungen erheblich steigen könnte, lässt sich von uns momentan nicht absehen.“
Das heißt, er hat gesagt, liebe Abgeordnete, liebe Politiker, ihr seid am Zug. Ihr müsst diese Entscheidung treffen. Genau das fordere ich hier und heute ein und frage Sie: Wollen wir den Kommunen diese dritte Möglichkeit geben oder nicht?
Ich würde damit gern noch den Änderungsantrag begründen.
Dann kann darüber auch im Komplex abgestimmt werden.
Unser Änderungsantrag hat eigentlich nur einen redaktionellen Kern. Er ergibt sich aus der Gesetzesnovelle zum Kommunalrecht. Wir haben die entsprechenden Paragra
fen an die novellierte Sächsische Gemeindeordnung und an das Sächsische Gesetz zur kommunalen Zusammenarbeit angepasst. Es gibt keine inhaltlichen Änderungen. Darauf haben wir verzichtet. Es gab in der Anhörung wichtige Hinweise, über die man im weiteren Verfahren noch einmal nachdenken sollte bzw. wozu in der neuen Legislaturperiode entsprechende Vorschläge eingearbeitet werden können.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nächste Woche ist Weihnachten – Zeit der Ruhe und Besinnung, Zeit für die Familie. Besonders die Kinder warten voller Ungeduld auf den Weihnachtsmann und die vielen Geschenke. Ja, die Weihnachtszeit ist auch Geschenkezeit.
Alle Jahre wieder gibt es im November die Steuerschätzung, und wieder musste der Finanzminister, Prof. Dr. Unland, feststellen, dass 2013 rund 340 Millionen Euro mehr an Steuern eingenommen wurden. Auch für das Jahr 2014 fällt das neue Schätzergebnis um mehr als 250 Millionen Euro besser als bisher aus.
Damit erzielt der Freistaat Sachsen im laufenden Haushaltsjahr 2013/2014 fast 600 Millionen Euro mehr an Steuereinnahmen. Davon sollen jetzt die Landkreise und kreisfreien Städte 20 Millionen Euro als Investitionspauschale für die infrastrukturelle Grundversorgung erhalten. Oh, wie großzügig! Die zehn Landkreise und kreisfreien Städte werden jetzt mit 3,3 % an den Steuermehreinnahmen beteiligt.
Der Rest erfolgt dann später in der Verrechnung zum FAG 2015/2016. Die Städte und Gemeinden erhalten aber keine zusätzlichen Steuergeschenke.
Mit 512 Millionen Euro Überschuss schloss der Freistaat Sachsen das Haushaltsjahr 2012 ab. 343 Millionen Euro werden extra in den Garantiefonds gesteckt, Geld, das für die Abfinanzierung der Landesbank Sachsen zurückgelegt wird und für wichtige Investitionen in Bildung, Gesundheit und bei den Kommunen fehlt.
Meine Fraktion DIE LINKE hat schon im Jahr 2012 eine zusätzliche Investitionspauschale für die Kommunen in Höhe von 51 Millionen Euro gefordert – Geld, das dringend für kommunale Investitionen benötigt wird und dessen Finanzierung vollständig gesichert war.
Sie, meine Damen und Herren der CDU/FDP-Koalition, haben damals das Gesetz zur Verdoppelung der Investitionspauschale für die kreisfreien Städte und Landkreise im Jahr 2012 abgelehnt. Zwei Jahre später sollen jetzt 20 Millionen Euro den Investitionsbedarf für die infrastrukturelle Grundversorgung der Landkreise und kreisfreien Städte decken. Sind Sie wirklich der Auffassung, dass diese Investitionspauschale angemessen ist?
Eine Vielzahl von Kommunen hat aufgrund rückläufiger Schlüsselzuweisungen und größerer Soziallasten kaum Geld für Investitionen zur Verfügung. Sie können auch nicht die zusätzlichen Fördermittel abrufen, weil ihnen die notwendigen Eigenanteile fehlen.
Ich sage zum wiederholten Male, das Land Sachsen spart sich auf Kosten der Kommunen gesund.
Mittlerweile befinden sich mehr als 2 Milliarden Euro – ich wiederhole: mehr als 2 Milliarden Euro – in den verschiedenen Rücklagen des sächsischen Finanzministers. Diese Rücklagenansammlungen gehen hauptsächlich zulasten der kommunalen Ebene, denn dieser steht mindestens ein Drittel dieser Steuereinahmen zu.
Der Sächsische Landtag steht vor der dringenden Aufgabe, die FAG-Systematik grundlegend zu überdenken und den aktuellen Erfordernissen anzupassen. Aufgrund des Investitionsstaus und mangelnder Investitionskraft der sächsischen Kommunen halten wir es für immer noch notwendig, die kommunale Investitionspauschale wesentlich zu erhöhen.
Die Kommunen brauchen eine solide und aufgabengerechte Finanzausstattung. Das Land Sachsen hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an Aufgaben auf die kommunale Ebene übertragen, ohne für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen.
Aktuelles Beispiel: Spitzengespräch Ende November 2013 zur Finanzierung der Kosten für Asylbewerber mit den kommunalen Spitzenverbänden. Die Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern
steigen permanent. Die Stadt Leipzig hat im Jahr 2013 eine Landesförderung in Höhe von rund 5,1 Millionen Euro erhalten. Die Gesamtausgaben betragen aber 10,7 Millionen Euro. Also, die Hauptlast für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern trägt die Stadt Leipzig. Für 2014 wird mit einem weiteren Anstieg insbesondere der Unterbringungskosten von 4,5 auf 8,5 Millionen Euro gerechnet.
Ähnlich sieht es in den anderen kreisfreien Städten und Landkreisen aus. Der ausgehandelte Kompromiss zwischen den Präsidenten der kommunalen Spitzenverbände und dem sächsischen Finanzminister zur Finanzierung der Kosten für Asylbewerber ist aus unserer Sicht dringend notwendig, aber viel zu gering. Die Investitionspauschale in Höhe von insgesamt 20 Millionen Euro lindert ein wenig die angespannte Finanzsituation der Landkreise und kreisfreien Städte und ist eigentlich für das Thema Asylunterkunft zu verwenden, zumindest Ergebnis des Spitzengesprächs.
Der gewaltige Investitionsstau der Kommunen bleibt jedoch weiter bestehen. Das trifft insbesondere auf die kreisangehörigen Gemeinden zu, die weder 2013 noch im Folgejahr zusätzliche Haushaltsmittel erhalten.
Obwohl die Investitionspauschale nur einen ganz geringen Teil der Probleme abdeckt, wird die Fraktion DIE LINKE dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen, weil wir es für notwendig halten, dass den Kommunen überhaupt Investitionsmittel zur Verfügung gestellt werden.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Anliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs, die zeitgemäße Fortentwicklung des Kommunalrechts, unterstützt die Fraktion DIE LINKE. Im 20. Jahr nach deren Einführung ist eine Modernisierung der sächsischen Kommunalgesetze notwendig. Eine Vielzahl an kleinteiligen Änderungsvorschlägen liegt auf dem Tisch. Neben den 165 Änderungsvorschlägen im Gesetzentwurf hat die CDU/FDPKoalition im Ausschuss 45 weitere – meist redaktionelle – Änderungen vorgesehen. Ein großer Wurf ist aus unserer Sicht mit dieser umfangreichen Gesetzesnovelle nicht gelungen.
Andere Bundesländer sind uns bei der Reform ihrer Gemeindeordnung um Meilen voraus. Das hat nicht zuletzt die Anhörung im Innenausschuss am 4. Juli 2013 verdeutlicht. Die geladenen Sachverständigen hatten dabei eine Vielzahl an Mängeln und Kritikpunkten zum Gesetzentwurf vorgetragen. Allerdings sah sich die CDU/FDP-Koalition davon nicht veranlasst, berechtigte Einwände aufzugreifen.
Ich möchte auf einige wesentliche Kritikpunkte eingehen, deren Umsetzung zukünftig Schwierigkeiten auf der kommunalen Ebene bereiten wird. Der Sächsische Landkreistag kritisierte massiv den Wegfall der Hinderungsgründe nach § 28 Sächsische Landkreisordnung und nach § 32 Sächsische Gemeindeordnung. Ich zitiere aus der Stellungnahme des Sächsischen Landkreistages: „Damit können auch Angehörige der kommunalen Wahlbeamten, Bürgermeister, Landräte, Beigeordnete sowie Geschäftspartner, die mit ihnen an derselben Gesellschaft beteiligt sind, Kreis- und Gemeinderäte werden. Aus unserer Sicht …“ – so der Landkreistag – „… sollte der betroffene Personenkreis generell nicht befugt sein, ein Kreistags- oder Gemeinderatsmandat anzunehmen. Zu enge persönliche Beziehungen zwischen dem Gemeinderat, Kreistag als obersten Organen der Verwaltung und den kommunalen Wahlbeamten können nach wie vor dem Ansehen der Kommunalverwaltung abträglich sein und gerade bei knappen Entscheidungen den Verdacht der unangemessenen Einflussnahme begründen. Interessenkollisionen in diesen Fällen ausschließlich über die Befangenheitsvorschriften zu lösen, dürfte der Problematik nicht gerecht werden und zu einer Vielzahl an Abgrenzungsproblemen im jeweiligen Einzelfall bei den einzelnen Beschlüssen führen. Damit birgt diese Regelung eine latente Gefahr der Rechtswidrigkeit von Beschlüssen in sich und führt zu Rechtsunsicherheit.“
Trotz dieser wichtigen Hinweise in der Sachverständigenanhörung hat die CDU/FDP-Koalition hier keine Änderung vorgenommen. Die Fraktion DIE LINKE sieht hier rechtliche Probleme und persönliche Abhängigkeiten, sodass wir für die Beibehaltung der ursprünglichen Regelung des § 32 Sächsische Gemeindeordnung und § 28 Sächsische Landkreisordnung plädieren.
Zweiter Kritikpunkt: Der Sächsische Städte- und Gemeindetag lehnt die Einführung eines Anhörungsrechts
für die Wirtschafts- und berufsständischen Kammern im § 94 a Sächsische Gemeindeordnung ab. Stattdessen schlägt der SSG eine Neuregelung für die gemeindewirtschaftliche Betätigung außerhalb der eigenen Gemeindegrenzen vor. Die Fraktion DIE LINKE setzt sich grundsätzlich für ein faires Miteinander privater und kommunaler Akteure im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung ein. Das vorgesehene Anhörungsrecht zugunsten der betroffenen Wirtschafts- und berufsständischen Kammern bei allen Entscheidungen der Kommunen bezüglich ihrer wirtschaftlichen Betätigung lehnen wir ab, da dies ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung darstellt. Wir schlagen die Beibehaltung der jetzt geltenden Rechtslage in § 97 Sächsische Gemeindeordnung vor.
Dritter Kritikpunkt: Verfassungsrechtliche Bedenken wurden bezüglich der vorgeschlagenen Ergänzung des § 42 der Sächsischen Gemeindeordnung zur Zusammensetzung der beschließenden Ausschüsse geäußert. Anstelle der Wahl der Ausschussmitglieder kann der Gemeinderat jetzt beschließen, dass sich alle oder einzelne Ausschüsse nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zusammensetzen. Das vorgesehene Entsendungsrecht zugunsten der Fraktionen birgt in der kommunalen Praxis vielfältige Probleme. Die kommunalpolitische Landschaft im Freistaat Sachsen ist durchaus vielfältiger, als dies der Gesetzentwurf unterstellt. Wie auch die Sachverständigen betonten, sind ohne Weiteres Konstellationen vorstellbar, in denen aufgrund der Fraktionslosigkeit einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Gemeinderatsmitgliedern mithilfe des Entsendungsrechts der Fraktionen diese völlig aus den beschließenden Ausschüssen herausgehalten werden können. Darin sehen wir einen erheblichen Verstoß gegen das Demokratieprinzip und die Weitergabe der Repräsentation und des Minderheitenschutzes und plädieren hier auch für die Beibehaltung der jetzigen Fassung des § 42 Abs. 2 Sächsische Gemeindeordnung.
Meine Fraktion DIE LINKE will das Kommunalrecht im Sinne der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und Mitsprache modernisieren. Da gehen wir in die gleiche Richtung wie in dem Redebeitrag von CDU und FDP. Eine Gemeindeordnung des 21. Jahrhunderts muss mehr Transparenz, mehr Öffentlichkeit und mehr Bürgerbeteiligung ermöglichen. Der vorliegende Gesetzentwurf verschlimmbessert jedoch die kommunalen Handlungsbefugnisse von Gemeinderäten und Kreistagen, von Bürgermeistern und Landräten und auch von Einwohnerinnen und Einwohnern. Auch dazu möchte ich drei konkrete Beispiele benennen.
Erstes Beispiel: Warum soll der Bürgermeister zukünftig nicht mehr zwingend die Einwohnerversammlung oder den Ältestenrat leiten? Diese vorgesehene Neuregelung halten wir für falsch. Die Bürgermeister sollten als oberste Vertreter der Gemeinde zwingend die Einwohnerversammlung leiten und die Fragen und Anliegen der Einwohnerinnen und Einwohner unmittelbar beantworten. Nichts spricht dagegen, dass die fachlich zuständigen Mitarbeiter aus der Verwaltung ebenfalls hinzugezogen
werden. Der Bürgermeister sollte auch zwingend Vorsitzender des Ältestenrates bleiben.
Zweiter Bereich, den wir hinterfragen: Für die Zuweisung von Fraktionsmitteln wird eine willkürliche Einwohnergrenze von 30 000 Einwohnern definiert. Die ehrenamtliche Fraktionsarbeit ist aber in allen Kommunalparlamenten notwendig und braucht überall eine den Aufgaben angemessene und verlässliche Fraktionsausstattung.
Ein dritter Bereich: Die erleichterte Aufhebung der Ortschaftsverfassung schränkt die Bürgermitsprache in den Ortsteilen erheblich ein. Das ist der falsche Weg. Meine Fraktion DIE LINKE will mehr Bürgermitsprache, mehr Bürgerbeteiligung. Deshalb setzen wir uns für eine Stärkung der Ortschaftsverfassung ein. Unser Gesetz zur Stärkung der Ortschaftsverfassung wurde leider durch die CDU/FDP-Koalition im Juli 2013 abgelehnt.
Die Fraktion DIE LINKE bringt heute 15 Änderungsvorschläge ein. Unser Ziel ist, eine Kommunalordnung zu beschließen, in der die Informations- und Beteiligungsrechte der Einwohnerinnen und Einwohner gestärkt und die wirtschaftliche Betätigung kommunaler und privater Unternehmen gleichberechtigt ermöglicht werden.
Wir wollen, dass die Gemeinde den Einwohnerinnen und Einwohnern einen kostenfreien Zugang zu den bei der Gemeinde vorhandenen öffentlichen Informationen auch auf elektronischem Weg oder über das Internet gewährt. Wir wollen, dass mindestens einmal im Jahr eine Einwohnerversammlung stattfindet und dass ein Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner dies durch einen Einwohnerantrag beantragen können. Wir wollen die Durchführungsfrist eines Einwohnerantrages auf einen Monat verkürzen.
Wir wollen die Zugangsbedingungen für Bürgerentscheid und Bürgerbegehren erleichtern. Dem Gemeinderat soll es mit qualifizierter Mehrheit möglich sein, Bürgerentscheide selbst zu initiieren. Der Ausschlusskatalog für Bürgerentscheide wird auf ein Minimum reduziert und das Mindestzustimmungsquorum durch die Mehrheit der gültigen Stimmen ersetzt. Das Quorum für Bürgerbegehren soll auf einheitliche 5 % gesenkt und der Kostendeckungsvorschlag gestrichen werden. Damit wollen wir erreichen, dass Bürgerbegehren erfolgreich umsetzbar sind und die Bürgerbeteiligung auf der kommunalen Ebene gestärkt wird.
Bislang sieht die Sächsische Gemeindeordnung keine klare Regelung zur Veröffentlichung von Beschlüssen vor. Wir wollen diesen Mangel mit der Ergänzung im § 37 Abs. 1 Satz 3 beseitigen und eine öffentliche Bekanntmachung nach Ortsüblichkeit vorschreiben.
Wir wollen die Einwohnermitwirkung im Gemeinderat und in den Ausschüssen stärken. Deshalb schlagen wir vor, dass künftig grundsätzlich alle Beratungen der kommunalen Gremien, insbesondere der Ausschüsse, öffentlich sind. Nur so können die Einwohnerinnen und Einwohner den Prozess der Entscheidungsfindung nachvollziehen und sich stärker an dem Diskussionsprozess
beteiligen. Sachkundige Bürgerinnen und Bürger sollen in allen Ausschüssen ihre Kompetenz in die Arbeit des Gemeinderates einbringen. Die Einwohnerfragestunde soll generell Bestandteil der öffentlichen Sitzungen des Gemeinderates sein. Die Ausschüsse können in ihren Sitzungen ebenfalls eine Einwohnerfragestunde durchführen. Die Einwohnerinnen und Einwohner erhalten damit die Möglichkeit, Fragen zu aktuellen Angelegenheiten zu stellen oder Vorschläge und Anregungen zu unterbreiten.
Wir wollen die Schutzfunktion vor der Veräußerung von Unternehmen und Beteiligungen erhalten. Deshalb lehnen wir die vorgesehene Streichung des § 100 der Sächsischen Gemeindeordnung entschieden ab. Dieser Paragraf muss unbedingt erhalten bleiben, um für die Bürgerschaft mittel- und langfristig die Hoheit über Entscheidungen im Zusammenhang mit kommunalen Betrieben und Einrichtungen zu behalten.
Die vorgesehene kurzfristige Änderung des Kommunalabgabengesetzes hinsichtlich einer 20-jährigen Sonderverjährungsregelung bei der Beitragserhebung halten wir für verfassungsrechtlich bedenklich. Mein Kollege Klaus Bartl wird unseren Änderungsantrag dazu einbringen.
Die Fraktion DIE LINKE lehnt aufgrund der vielen Mängel und Kritikpunkte den Gesetzentwurf in Gänze ab.
Ich wollte unsere Stellungnahme noch dazu abgeben. Wir hatten in unserem Antrag empfohlen, das Mindestzustimmungsquorum abzuschaffen. Wir sind der Ansicht, dass ein Bürgerentscheid eine wichtige Angelegenheit ist, bei der die Bürger die Entscheidung, ob sie sich beteiligen oder nicht, eigenverantwortlich treffen. Die Minderheit über die Mehrheit entscheiden zu lassen wäre ein Armutszeugnis für die Bürgerinnen und Bürger, die sich nicht beteiligen. Demzufolge sagen wir: Alle, die sich an einer solchen Abstimmung beteiligen, deren Stimme wird gezählt. Die Mehrheit entscheidet dann vor Ort.
Man sollte bei Bürgerentscheiden die Bürgerinnen und Bürger mehr mobilisieren und ihnen auch mehr zutrauen. Ein künstlich eingezogenes Quorum halten wir für nicht gerechtfertigt.
Meine Fraktion wird sich bei der Abstimmung darüber der Stimme enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Politik wird inzwischen von vielen Bürgern als etwas Unverständliches, als eine komplexe, kaum mehr durchschaubare Angelegenheit begriffen. Die Antwort darauf kann eigentlich nur sein, dass die Bürger selbst mehr in die Hand nehmen, Demokratie erleben und erfahren und dabei Selbstbewusstsein als Aktivbürger entwickeln, aber auch die Grenzen der Entscheidungs- und Handlungsfreiheiten kennenlernen. Nirgendwo kann dies besser gelingen als auf kommunaler Basis. Eine gestärkte Ortschaftsverfassung ermöglicht eine Regelung der Probleme vor Ort von kompetenten, mit demokratischem Mandat ausgestatteten Bürgern in den Ortschaftsräten.“ – So die Aussage von Herrn Dr. Dietrich Herrmann, Politikwissenschaftler an der TU Dresden und einer der Sachverständigen zur Anhörung des Innenausschusses am 2. Mai 2013.
Ja, die Fraktion DIE LINKE strebt mit der Novelle der Sächsischen Gemeindeordnung verbesserte Rahmenbe
dingungen für bürgerschaftliche Beteiligung in den Ortschaften sowie mehr Gewicht der Belange der Ortschaften bei der Entscheidung des Gemeinderates an. Bürgerbeteiligung in den Ortschaften soll durch eine verbesserte Ortschaftsverfassung überall in Sachsen möglich sein. Der Handlungsspielraum der Ortschaftsräte ist derzeit maßgeblich vom Gemeinderat abhängig.
Wir wollen für alle Ortschaftsräte die Aufgaben und Befugnisse detaillierter und umfassender regeln. Deshalb schlagen wir für alle Ortschaftsräte ein Anhörungs-, ein Vorschlags-, ein Antrags-, ein Widerspruchs- und ein Budgetrecht vor. Die Stellung und die Rechte des Ortschaftsrates in der Gemeinde werden dadurch gestärkt. Der Ortschaftsrat erhält das Recht, vor den Beratungen zum Entwurf der Haushaltssatzung der Gemeinde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Ortschaftsrat erhält das Recht, der Gemeinde Vorschläge in Angelegenheiten der Ortschaft zu unterbreiten. Das Wissen und die Heimatverbundenheit der Einwohnerinnen und Einwohner sollen stärker genutzt werden und in die Entscheidungen des Gemeinderates einfließen. Der Ortschaftsrat erhält das Recht, einem Beschluss des Gemeinderates, den er als nachteilig ansieht, zu widersprechen.
Diese Regelung dient dem Interessenausgleich zwischen Gemeinde und Ortschaften und soll verhindern, dass sich
der Gemeinderat oder der Bürgermeister über berechtigte Interessen und Belange der Ortschaft hinwegsetzen. Durch eine nochmalige Behandlung der Angelegenheit und eine erneute Beschlussfassung im Gemeinderat können die Belange der Ortschaft besser berücksichtigt werden. Der Ortschaftsrat hat außerdem einen gesetzlichen Anspruch, dass der Gemeinde finanzielle Mittel zur Erfüllung der Aufgaben in angemessenem Umfang zur Verfügung gestellt werden. Die Höhe des Budgets wird im Benehmen mit den Ortschaftsräten vom Gemeinderat beschlossen. Über die Verwendung des Budgets entscheidet der Ortschaftsrat im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich.
Auch die Stellung des bisherigen Ortsvorstehers wollen wir stärken. Wir plädieren daher für eine Direktwahl und die Bezeichnung „Ortsbürgermeister“. Die Bürgerinnen und Bürger sollen den Chef des Ortschaftsrates selbst wählen. Er oder sie ist unmittelbarer Ansprechpartner bzw. Ansprechpartnerin für die Einwohner der Ortschaft und soll deshalb von den Bürgerinnen und Bürgern direkt durch Mehrheitswahl gewählt werden.
Der Ortsbürgermeister erhält auch das Recht, beratend an allen die Belange der Ortschaft betreffenden Sitzungen des Gemeinderates teilzunehmen – ich betone nochmals: er erhält das Recht – und entsprechende Anträge an den Gemeinderat zu stellen. Er ist zu den Sitzungen wie ein Mitglied des Gemeinderates zu laden. Der Bürgermeister ist verpflichtet, den Ortsbürgermeister über alle wichtigen, die Gemeinde und ihre Verwaltung betreffenden Angelegenheiten zu informieren. Direkte Beteiligungsformen wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid sollen auch in der Ortschaft besser umgesetzt und gesetzlich vorgeschrieben werden.
Die Ortschaftsverfassung kann jetzt auch durch die Mehrheit der Stimmberechtigten in der Ortschaft oder im jeweiligen Ortsteil durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid verlangt werden. Wir sind der Auffassung, dass in den Ortschaften mit mehr als 3 000 Einwohnern eine örtliche Verwaltung notwendig ist.
Die Einrichtung einer örtlichen Verwaltung in den Ortschaften bleibt grundsätzlich der Entscheidung der Gemeinde überlassen und wird durch die Sollvorschrift im § 65 Abs. 5 Sächsische Gemeindeordnung klar geregelt. Auch die Zahl der Ortschaftsräte wird durch eine Mindest- und Höchstzahl entsprechend der Einwohnerzahl in den Ortschaften gesetzlich geregelt. Die großen zahlenmäßigen Unterschiede werden dadurch beseitigt und entsprechend der Zusammensetzung des Gemeinderates festgelegt.
An dieser Stelle möchte ich auf den sich im parlamentarischen Verfahren befindlichen Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Kommunalrechts eingehen. In diesem ist vorgesehen, die Aufhebung einer Ortschaftsverfassung zu vereinfachen. Meine Damen und Herren Abgeordneten der CDU und der FDP, das ist die falsche Zielrichtung.
Gerade die in Sachsen vollzogene Entwicklung zu großen, auch flächenmäßig stark ausgedehnten Einheitsgemeinden macht stattdessen eine Stärkung der Selbstverwaltungsform der Ortschaftsverfassung notwendig. Damit kann es gelingen, einen teilweisen Ausgleich für die sich objektiv verändernden Möglichkeiten demokratischer Mitwirkung und bürgerschaftlichen Engagements der Gemeindebürger zu entwickeln. Wir sagen: Bürgerbeteiligung in den Ortschaften ist zwingend notwendig, um die örtliche Identität und Eigenverantwortlichkeit der Ortschaft zu erhalten. Wir wollen keinen Abbau der Ortschaftsverfassung, sondern ein Mehr an Mitbestimmung und Beteiligung.
Der Gesetzentwurf zur Stärkung der Ortschaftsverfassung kann nach Einschätzung des Sachverständigen
Dr. Dietrich Herrmann – ich zitiere – „die tatsächliche demokratische Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger fördern. Er kann einen Beitrag leisten zur in der Wahrnehmung der Bürger höheren Qualität von kommunalpolitischen Entscheidungen sowie zur höheren Akzeptanz auch schwieriger Entscheidungen. Somit können Sie einen wirksamen Beitrag gegen Politikverdrossenheit leisten. Den etwaigen Aufwand für diesen Gesetzentwurf schätze ich als gering, jedenfalls als verkraftbar ein.“
Stimmen Sie also unserem Gesetz zur Stärkung der Ortschaftsverfassung im Freistaat Sachsen zu.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch kurz auf die Redner der anderen Fraktionen, vor allem von CDU und FDP, hinsichtlich der Debatte eingehen, die wir auch im Ausschuss schon hatten, so nach dem Motto: Brauchen wir alles nicht, haben wir alles schon, ist alles schon geregelt. – So ist es nicht, Herr Hartmann, und ich denke, das wissen Sie genauso wie ich auf der kommunalen Ebene.
Klar, die Ortschaftsverfassung haben wir so in der Sächsischen Gemeindeordnung. Wir haben gesagt, wir wollen sie erweitern, wir wollen sie ergänzen. Gerade im Zuge der Debatte zur Änderung des Kommunalrechts passt es sehr schön, zu sagen: Legen Sie dort bitte auch noch einmal gedanklich zu, in der Richtung etwas zu verändern. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist, wir hätten den Aufbau hinsichtlich der Ebenen nicht verstanden: Welche Verantwortlichkeiten hat der Gemeinderat, welche Verantwortlichkeiten hat der Ortschaftsrat? Doch, das haben wir schon verstanden, Herr Karabinski. Wir sind auch in unserem Gesetz in der gleichen Struktur geblieben. Die Ortschaftsräte bleiben unselbstständig. Sie sollen nur gewisse Handlungsbefugnisse bekommen, und diese haben wir neu bzw. ergänzend geregelt.
Ich fand das Beispiel von Herrn Hartmann hinsichtlich der Regelung mit der Kita schon bemerkenswert, so nach dem Motto: Wir können dann überhaupt keine KitaRegelung mehr vor Ort machen, wenn das die Ortschaftsräte entscheiden sollen. – Das sollen sie gar nicht entscheiden. Die Regelung, auf die Sie sich hier bezogen haben, steht schon in der jetzigen Fassung der Ortschaftsverfassung – ich zitiere: „Der Ortschaftsrat entscheidet über folgende Angelegenheiten der Ortschaft: die Unterhaltung, Ausstattung, Benutzung der in der Ortschaft gelegenen öffentlichen Einrichtungen.“ Es ist schon im Text enthalten; wir haben es jetzt nur unter die bestimmten Aufgabenbereiche sortiert und vor allem Vorschlagsrechte und Widerspruchsrecht mit aufgenommen.
Ich möchte noch einmal auf die Bedenken von Frau Köpping von der SPD eingehen hinsichtlich des Widerspruchsrechts. Es ist nicht so gedacht, dass man bei jeder Entscheidung in Widerspruch geht; sondern es gibt wichtige Entscheidungen, die der Gemeinderat trifft, und es gibt auch heute wichtige Entscheidungen, die Gemeinderäte treffen, ohne dem Ortschaftsrat vor Ort Anhörungsmöglichkeiten zu geben. Deswegen hätte man jetzt ein zusätzliches Instrument, zu sagen: Wir sind als Ortschaftsrat mit dieser Entscheidung absolut nicht einverstanden.
Man hat hier eine Frist: Innerhalb einer Woche muss ich das ankündigen, und innerhalb von vier Wochen muss der Ortschafts- und der Gemeinderat noch einmal ins Gespräch kommen, und der Gemeinderat hat die Möglichkeit neu zu entscheiden. Dieser Widerspruch wäre dann wirklich innerhalb von vier Wochen zu lösen. Wir halten es für die kommunale Handlungsfähigkeit für sinnvoll,
dieses Instrument vor Ort zu haben für den Fall des Falles, dass Entscheidungen im Gemeinderat gegen die Interessen des Ortschaftsrates getroffen werden.
Deswegen an die Kollegen der CDU und FDP: Natürlich muss man sich Gedanken machen, wenn man mehr Bürgerbeteiligung will – das wollen wir alle, das sagen auch wir. Dann muss man sich aber auch Gedanken machen, wie man das bis auf die unterste Ebene umsetzen kann.
Das ist unser Vorschlag. Damit beseitigen wir sicherlich nicht komplett die Politikverdrossenheit, aber wir haben Möglichkeiten, gerade die Unzufriedenheit in ganz vielen Ortschaftsräten wegzunehmen, ihnen mehr Handlungsspielräume in der Richtung zu geben: Wir brauchen euch, wir wollen, dass ihr vor Ort gewisse Befugnisse bekommt.
Das ist ein neuer Denkansatz, über den ich Sie nachzudenken bitte. Wenn Sie heute nicht zustimmen wollen, können Sie sich aber vielleicht in der Änderung des Kommunalrechts noch einmal die entsprechenden Änderungen genauer anschauen. Das Budgetrecht haben Sie mit aufgenommen – das finde ich gut –, und vielleicht gibt es noch andere Möglichkeiten, gewisse Vorschläge von unserer Seite mit aufzunehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist eine von Gebietskörperschaften getragene, kraft öffentlichen Rechts gegründete, mit eigenem Personal und Sachmitteln versehene, nicht mitgliedschaftlich strukturierte Rechtsform, die der Erfüllung öffentlicher Zwecke dient.
Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird in Sachsen die Möglichkeit geschaffen, kommunale Unternehmen in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts zu führen. Derzeit gibt es diese gesetzliche Grundlage in allen Bundesländern, außer Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen. Im gesamten Bundesgebiet sind über 500 Anstalten mit verschiedensten Aufgaben betraut, davon 300 in kommunaler Trägerschaft.
Meine Fraktion DIE LINKE will den Kommunen in Sachsen ebenfalls diese Möglichkeit einräumen, Anstalten öffentlichen Rechts zu errichten, um die Instrumente wirtschaftlicher Betätigung sowie interkommunaler
Zusammenarbeit zu erweitern.
Neben den bisherigen Organisationsformen der rechtlich unselbstständigen Regie- und Eigenbetriebe und der verschiedenen privatrechtlichen Rechtsform rückt die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts, wobei das neue Rechtsinstitut weniger zum Eigenbetrieb als vielmehr zur Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Konkurrenz steht.
Die unternehmerische Selbstständigkeit der neuen Rechtsform wird dadurch gewährleistet, dass die kommunale Anstalt als eigenständige juristische Person des öffentlichen Rechts Trägerin von Rechten und Pflichten ist, über eigenes Vermögen verfügt und auch Personalhoheit ausübt. Die Träger können den Anstalten kommunale Aufgaben übertragen.
Als eigenständige Rechtspersönlichkeit kann sich die kommunale Anstalt an anderen Unternehmen beteiligen und in unmittelbare Leistungsbeziehung zu einzelnen Bürgern eintreten. Die Organe – das sind der Vorstand und der Verwaltungsrat – handeln unabhängig von den kommunalen Gremien. Die kommunale Steuerung wird
dadurch gewährleistet, dass die Besetzung der Organe weitgehend kommunalpolitisch bestimmt ist.
Die Gemeinderäte können durch passgenaue Formulierung der Unternehmenssatzung die erforderlichen Einwirkungsmöglichkeiten sichern und für die Unternehmensorgane die notwendigen Freiheiten für die Erfüllung ihrer Aufgaben umsetzen. Die Unternehmenssatzung gibt den Handlungs- und Gestaltungsrahmen vor. Der Gemeinderat ist dafür zuständig und kann die Satzung den spezifischen Bedürfnissen der Kommune anpassen. Die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts bietet im Vergleich zu Regie- und Eigenbetrieben eine viel größere Selbstständigkeit und stellt gegenüber den privatrechtlichen Formen, der GmbH und der AG, eine hohe Flexibilität dar, die letztendlich selbstverwalterisch viel stärker umgesetzt wird.
Die in diesem Gesetz gewährleistete Gewährträgerschaft ist für uns folgerichtig, da die kommunalen Anstalten Ausgliederungen aus der kommunalen Errichtungskörperschaft darstellen, welche wiederum als Trägerin der Anstalt für deren Funktionsfähigkeit verantwortlich zeichnen.
Da der kommunalen Anstalt zudem auch Pflichtaufgaben übertragen werden können, muss die Gemeinde neben der sachlichen auch eine finanzielle Verantwortung für die Aufgabe behalten. Gerade in Zeiten, in denen Städte, Gemeinden und Landkreise zunehmend unter Druck stehen, Kosten zu senken und gleichzeitig ihre Leistungen qualitativ und quantitativ möglichst zu erhalten oder gar zu steigern, stellt interkommunale Zusammenarbeit eine wichtige kommunale Handlungsoption dar.
Die Erfahrungen der Kommunen in der Praxis, die sich für eine Zusammenarbeit mithilfe gemeinsamer kommunaler Anstalten entschieden haben, zeigen, dass insbesondere durch die Zusammenlegung – beispielsweise des Beschaffungswesen, des Personalmanagements, des
Netzes, des Vertriebs und des Kundenservices – kurzfristig Einspar- und Synergieeffekte erzielt werden konnten.
Unser Gesetzentwurf sieht deshalb die Möglichkeit vor, auch gemeinsame kommunale Anstalten zu gründen. Zwei oder mehrere Gemeinden bzw. Landkreise können, ohne den aufwendigen Umweg über einen Zweckverband, unmittelbar eine Anstalt zur gemeinsamen Aufgabenerfül
lung gründen. Grundvoraussetzung ist die Vereinbarung von deckungsgleichen Satzungen durch die beteiligten kommunalen Hauptorgane.
Die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts beinhaltet viele Chancen für die Gemeinden und Landkreise. Die Handlungsmöglichkeiten bei wirtschaftlicher Betätigung werden verbessert, Kostensenkungspotenziale durch eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit können
erschlossen werden, und die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten durch die kommunalen Hauptorgane werden gestärkt. Ebenso können die bei GmbH-Gründung oft verloren gegangenen Steuerungsmöglichkeiten durch eine Rechtsformänderung zurückgewonnen werden.
Der eingebrachte Gesetzentwurf ist insgesamt ein Beitrag zur Erweiterung der Handlungsspielräume der Träger der kommunalen Selbstverwaltung in Sachsen.
Ich freue mich auf eine konstruktive Debatte in den Ausschüssen und bitte um Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfes an den Innenausschuss sowie an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis der Auswertung der Kommunalwahlen in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden.
Aus der Sicht des Städte- und Gemeindetages und des Landkreistages wurde das Kommunalwahlrecht in Sachsen maßvoll fortentwickelt, mit dem Parlamentswahlrecht harmonisiert und an die Anforderungen der Praxis weitgehend angepasst. Die Vereinfachung der Briefwahl, die Dezentralisierung der Abgabe der Unterstützungsunterschriften bei Kreistagswahlen, die Anpassungen der Fristen für die Einreichung der Wahlvorschläge und anderes mehr – Kollege Hartmann ist darauf eingegangen – sind sinnvolle und sicherlich notwendige Änderungen.
Die Sachverständigenanhörung im Innenausschuss im Januar verdeutlichte aber auch entscheidende Mängel und Kritikpunkte des vorliegenden Gesetzentwurfs. Herr Hartmann ist in seiner Rede diesbezüglich kurz darauf eingegangen.
Meine Fraktion DIE LINKE hat die drei Hauptkritikpunkte aufgegriffen und sie schließlich im Innenausschuss als
Änderungsantrag eingebracht. Sie möchte diese heute noch einmal in der Öffentlichkeit vorstellen und sich für deren Änderung einsetzen.
Die kommunalen Spitzenverbände sprechen sich für die Freigabe der Sammlung von Unterstützungsunterschriften aus. Sie plädieren für die sogenannte Straßensammlung, wie sie auch bei Kommunalwahlen, bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen üblich ist. Die Einschränkung der Unterschriftensammlung auf die ausschließliche Sammlung in der Verwaltung, wie es jetzt in Sachsen noch geregelt ist, stellt die Kommunen immer mehr vor Schwierigkeiten bei der praktischen Realisierung. So entstehen immer wieder Konflikte durch die zeitliche Begrenzung für die Unterschriftenabgabe durch eingeschränkte Öffnungszeiten der Verwaltung.
Durch Gemeindezusammenschlüsse werden Verwaltungen in den unselbstständigen Gemeinden häufig abgebaut, sodass der Aufwand für den Bürger zur Stimmabgabe immer größer wird und der Erfolg für den Bewerber immer geringer. Die Straßensammlung von Unterstützungsunterschriften bei Kommunalwahlen ist eine echte Erleichterung für die Bewerber und die Unterstützer der Wahlvorschläge und sollte deshalb im vorliegenden Gesetz aufgenommen werden.
Die zweite Forderung aus der Anhörung nach einer klaren Positionierung zur Stichwahl bei der Wahl von Bürgermeistern und Landräten ist im vorliegenden Gesetzentwurf nicht berücksichtigt worden. Herr Hartmann ist diesbezüglich in seiner Rede nur kurz darauf eingegangen, dass die CDU dies nicht als den richtigen Weg sieht und sie dort noch in Bearbeitung ist. Meine Fraktion DIE LINKE unterstützt aber das Anliegen zur Einführung des Stichwahlentscheides zwischen den beiden bestplatzierten Bewerbern des ersten Wahlgangs. Für die Wählerinnen und Wähler ist eine Stichwahl im zweiten Wahlgang interessanter und übersichtlicher als die gegenwärtige Neuwahl.
Die vorgeschlagene Änderung stellt auch in anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz eine erfolgreich praktizierte Vereinfachung des Wahlverfahrens für Bürgermeister und Landräte dar. Deshalb kann ich es nicht verstehen, Herr Hartmann, dass die CDU/FDP-Koalition dies eventuell später regeln will. Sie haben schon seit längerer Zeit die Novelle des Kommunalverfassungsgerichtes angekündigt. Seit 2009 wird an den Änderungen kommunalwahlrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen gearbeitet, so die Aussagen vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag. Heute, vier Jahre später, werden solche wichtigen Entscheidungen wieder auf den Sankt Nimmerleinstag verabschiedet.
Auch das Problem der Scheinkandidaturen bei der Wahl zum Gemeinderat muss endlich rechtlich gelöst werden. Es gibt Fälle in Sachsen, wo Bürgermeister für den Gemeinderat kandidiert haben, die meisten Stimmen von
allen Bewerbern bekamen und dadurch mehrere Kandidaten auf der Wahlliste in den Gemeinderat einzogen. Der Bürgermeister konnte aufgrund seines Amtes das errungene Gemeinderatsmandat nicht annehmen, aber die Mehrheitsverhältnisse haben sich im jeweiligen Gemeinderat gravierend verschoben.
Zur Erschwerung dieses als Scheinkandidatur bezeichneten Wahlbetrugs schlagen wir LINKE folgende Änderung vor: Ein Bewerber, dessen Wahl eine Unvereinbarkeit von Amt und Mandat nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 Sächsische Gemeindeordnung begründen würde, hat im Wahlvorschlag eine rechtlich nicht bindende Erklärung darüber beizufügen, ob er im Falle seiner Wahl beabsichtigt, das Mandat als Gemeinderat anzunehmen oder sein Amt weiterzuführen.
Nein. – Durch die vorgesehene Abgabe und Veröffentlichung dieser Absichtserklärung soll das Auftreten von Scheinkandidaturen zurückgedrängt werden. Die Bürger erhalten rechtzeitig die Informationen über bestehende Hinderungsgründe einer Mandatsübernahme des Bewerbers und können ihr Wahlverhalten entsprechend ausrichten. Ich wollte nur sagen, dass diese Regelung seit 2010 im Landes- und Kommunalwahlgesetz Mecklenburg-Vorpommerns existiert und zielgerichtet gewirkt hat. Also kann man das auch in Sachsen umsetzten, zumindest ist es ein Lösungsvorschlag.
Natürlich gab es weitere Vorschläge in der Sachverständigenanhörung und auch im Referentenentwurf zur Verhinderung von Scheinkandidaturen. Die Experten baten um Prüfung der Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren. Deshalb haben wir von der Koalition nach der Anhörung erwartet, dass sie die wichtigen Themen im Kommunalwahlgesetz anpackt und die Hauptprobleme wenigstens ansatzweise zu lösen versucht. Das ist aber leider nicht der Fall. Stattdessen verschlimmbessert die Koalition mit ihren Änderungen den Gesetzentwurf. In den Übergangsbestimmungen aus Anlass des Zensus 2011 sollen die fortgeschriebenen Einwohnerzahlen von 1990 für die Kommunalwahlen 2014 angewandt werden. Beachtlich!
Nein. – Die aktuellen Ergebnisse des Zensus werden laut Änderungsvorschlag der CDU/FDP nicht berücksichtigt. Das halten wir nicht für angemessen und plädieren stattdessen für die Nutzung der dem tatsächlichen Zensus angepassten Einwohnerzahlen, so wie es auch im Gesetzentwurf der Staatsregierung enthalten war. Die Fraktion DIE LINKE lehnt aufgrund der geäußerten Kritikpunkte und des fehlenden Gestaltungswillens der Koalition den Gesetzentwurf mit seinen Änderungen ab.
Wir sind der Auffassung, dass die CDU/FDP-Koalition drei Jahre Zeit hatte, das Kommunalwahlrecht umfassend zu ändern und das Anliegen der Kommunen zur Veränderung des Verfahrens der Sammlung von Unterstützungsunterschriften, der Einführung des Stichwahlentscheids sowie das Problem der Scheinkandidaturen endlich zu lösen.
Danke.
Danke schön. Herr Staatsminister, warum dauert es so lange, bis die Ergebnisse der Auswertung des Zensus vorliegen? Ich verstehe das nicht. Letztes Jahr war die Befragung und wir werden von Monat zu Monat vertröstet. Jetzt heißt es: im Sommer. Darauf hätte ich gern eine Antwort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kernpunkt der vorgesehenen Gesetzesänderung ist die Verlagerung der Pensionsrückstellungen auf den Kommunalen Versorgungsverband. Herr Bandmann hat das in seinen Ausführungen hier dargestellt. Diese Klarstellung wurde durch die kommunale Ebene schon seit 2008 angeregt und durch die Sachverständigen in der Anhörung am 7. November 2012 begrüßt. Ich halte da die Formulierung „zeitnah beraten“ schon für schwierig, Herr Bandmann; Seit vier Jahren wartet die kommunale Ebene auf diese gesetzliche Grundlage.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Fragen und Problemen, die im Verfahren nicht berücksichtigt wurden. Ich möchte hier drei Probleme aufgreifen und darstellen.
Durch die Verlagerung der Verpflichtung zur Bildung von Pensionsrückstellungen von den Kommunen auf den Kommunalen Versorgungsverband ergeben sich bilanzielle Entlastungen bei den Kommunen. So ein Anliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs, das ist begrüßenswert. Obwohl der Kommunale Versorgungsverband die Pension zukünftig auszahlt, müssen trotzdem Pensionsrückstellungen durch die Kommunen gebildet werden. Die Rückstellungsbildung stellt einen nicht zahlungswirksamen Aufwand dar, der ebenfalls das Ergebnis belastet. Dieses Problem der Doppelvorsorge und Doppelbelastung wird erst dann gelöst, wenn die Sächsische KomHVO-Doppik geändert wird. Deswegen meine Frage: Wann ist mit der Vorlage der Rechtsverordnung zu rechnen? „Zeitnah“ ist mir zu ungewiss.
Problem zwei: Mit dem Gesetzentwurf wird auch die Versicherungsaufsicht über die Zusatzversorgungskasse geregelt. Dazu gab es seitens der Sachverständigen kritische Anmerkungen bezüglich der Splittung der Aufsicht. Für die Zusatzversorgungskasse wird die Aufsicht durch das sächsische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit neu geregelt, für den Kommunalen Versorgungsverband bleibt sie beim sächsischen Ministerium des Innern. Herr Bandmann ging in seinen Ausführungen
auch darauf ein und er sagte, man sieht, dass die zwei Aufsichten der richtige Weg seien. Das halten wir für schwierig und wir fragen deswegen: Warum gibt es überhaupt diese gesplittete Aufsicht über den Versorgungsverband? Und wenn es diese gibt, dann eine zweite Frage: Warum sollen die Kommunen für diese zusätzliche Regelung zusätzlich bezahlen? Das halten wir nicht für den richtigen Weg.
Problem drei. Das Vermögen des Kommunalen Versorgungsverbandes beträgt derzeit mehr als 500 Millionen Euro. Das Kassenvermögen der Zusatzversorgungskasse beträgt weit über 2 Milliarden Euro. Also, das gesamte Vermögen steuert damit auf einen Bestand von fast 3 Milliarden Euro zu.
Deshalb halten wir die Forderung des Rechnungshofes bezüglich einer notwendigen Qualifikation des Direktors für berechtigt und unterstützen auch den Änderungsantrag der GRÜNEN. Der Verwaltungsdirektor oder die Verwaltungsdirektorin müssen nicht nur zuverlässig und fachlich geeignet sein, sondern sie brauchen eine entsprechende Qualifikation. Da reichen aus unserer Sicht Vorstandserfahrung und Bürgermeistererfahrung nicht aus. Wer für ein solches großes Vermögen Verantwortung trägt, muss eine abgeschlossene Hochschulausbildung haben und braucht auch berufliche Erfahrungen in der Finanzwirtschaft. In diesem Zusammenhang betrachte ich es als Affront gegen den Landtag als Gesetzgeber, wenn die Verantwortlichen des Kommunalen Versorgungsverbandes bereits Anfang Dezember und damit vor Beendigung dieses Gesetzgebungsverfahrenes die Anzeige zur Ausschreibung eines neuen Direktors geschaltet haben.
Dadurch, dass viele Fragen während der Sachverständigenanhörung sowie während der Befassung im Innenausschuss nicht beantwortet werden konnten, können wir dem Gesetz nicht zustimmen, sondern enthalten uns der Stimme.
Eigentlich wollte ich nicht noch einmal das Wort ergreifen, aber Herr Bandmann hat
mir eine Anregung gegeben, da er Argumente für eine Erweiterung der Qualifikation des Direktors geliefert hat. Er hat ganz deutlich dargestellt, dass der Kommunale Versorgungsverband in den letzten 16 Jahren deutlich an Volumen und Aufgabenfülle zugenommen und viel mehr Verantwortung zu tragen hat. Genau das ist der Anspruch zu sagen: Dann muss ich als Verwaltungsdirektor, wenn ich früher schon 500 Millionen verwaltet habe und in Zukunft fast 3 Milliarden Euro Vermögen verwalten soll, natürlich auch einen entsprechenden Überblick haben sowie eine fachliche und kaufmännische Qualifikation in diesem Bereich. Gerade von den Finanzen muss man Ahnung haben. Dabei genügen reine Vorstands- und Bürgermeistererfahrungen eben nicht. Es geht eigentlich nur darum, diesen einen Satz zu ergänzen, der im Gesetz steht: Er soll über einen kaufmännischen oder juristischen Hochschulabschluss – das steht nämlich bei Ihnen nicht drin – sowie mehrjährige berufliche Erfahrungen in der Finanzwirtschaft verfügen. Das halte ich für dringend notwendig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich einmal gedanklich Folgendes vor: Sie bestellen im Internet ein Kochbuch, zum Beispiel „Sachsens kulinarische Streifzüge“. Sie erhalten stattdessen ein Krimi-Kochbuch. Wären Sie mit der Lieferung einverstanden?
Natürlich wären Sie das nicht. Fast jeder von uns würde das Buch mit falschem Inhalt zurückgeben und die Lieferung reklamieren.
Mit einem ähnlichen Sachverhalt müssen wir uns heute befassen. Der vorliegende Gesetzestitel, sehr geehrte Abgeordnete der Koalition, ist völlig irreführend.
Sie nennen Ihr Gesetz wie folgt: Gesetz zur Erleichterung freiwilliger Gebietsänderungen. Mit diesem Gesetz wird aber die Freiwilligkeit der Gemeindeehen nicht erleichtert. Sie packen eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen zum Kommunalrecht in den Gesetzentwurf und verschlimmbessern sechs Gesetze für die kommunale Ebene. Das ist kein Gesetz zur Erleichterung freiwilliger Gebietsänderungen, sondern eine Mogelpackung. Schon aus diesem Grund lehnt meine Fraktion DIE LINKE den Mogelgesetzentwurf ab.
Ein zweiter Ablehnungsgrund liegt in der geplanten Änderung des Sächsischen Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit. Artikel 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs regelt, dass künftig – so hat es auch Herr Fritzsche in seiner Rede gesagt – Verwaltungsverbände und -gemeinschaften nicht mehr neu gebildet werden können. In der am 5. Juli 2012 durchgeführten Anhörung kritisierte auch der Sachverständige Prof. Dr. Thorsten Schmidt von der Universität Potsdam folgerichtig auf der einen Seite den bislang nicht begründeten Eingriff in die durch Verfassungsrang gewährte Kooperationshoheit der Gemeinden. Andererseits sieht er auch eine drohende Zweiklassengesellschaft von Gemeinden in Sachsen: Gemeinden mit Verwaltungsgemeinschaften oder -verbänden in jetzt aktueller Form – sie haben Bestandsschutz – und Gemeinden ohne diese oder neu zu schaffende Formen der kommunalen Zusammenarbeit. Diese Gesetzesänderungen schränken in erheblichem Maß die kommunale Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden ein. Wir von der Fraktion DIE LINKE lehnen dies strikt ab.
Die beabsichtigte Streichung des § 52 Abs. 2 Satz 1 im Sächsischen KommZG wird durch die kommunalen Spitzenverbände ebenso kritisch gesehen. Herr
Dossmann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, sprach sich in der Anhörung vehement gegen den geplanten Wegfall der Obergrenzen der Stimmzahl einer Mitgliedsgemeinde eines Zweckverbandes aus. Er machte deutlich, dass die Änderung gute Chancen hätte, durch die Verwaltungsgerichte wieder kassiert zu werden. Wir plädieren deshalb dafür, die geplanten Änderungen des Sächsischen KommZG komplett abzulehnen und den Artikel 1 des Gesetzentwurfs zu streichen.
Ich verweise auf Ziffer 1 unseres Änderungsantrages.
Den geplanten Änderungen im Artikel 2 und 2a können wir inhaltlich zustimmen. Wir freuen uns, dass wenigstens eine Forderung unseres Antrags „Risiken im kommunalen Finanzmanagement zu begrenzen – Einsatz von hoch
spekulativen Zinsderivaten durch die Kommunen beenden!“ (Drucksache 5/5485) berücksichtigt und das Spekulationsverbot gesetzlich geregelt wird.
Die Kürzung der sogenannten Hochzeitsprämie ab dem 2. Januar 2013 auf 50 Euro je Einwohner der beteiligten Gemeinden halten wir für falsch. Eine wirkliche Erleichterung wäre eine echte staatliche Förderung in angemessener Höhe für freiwillige Gemeindezusammenschlüsse für die nächsten fünf Jahre. Zur Frage der angemessenen Höhe einer Hochzeitsprämie verweise ich auf die Ergebnisse der Sachverständigenanhörung.
Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung: Ein Großteil der Hochzeitsprämie kommt übrigens gar nicht in der Gemeindekasse an, weil nach der Fusion eine Grunderwerbsteuer fällig wird. Hierzu hat zwar der Innenminister eine Gesetzesänderung im Bundesrat angeschoben. Selbst wenn diese umgesetzt werden würde, käme sie mangels Rückwirkung für die meisten Fusionsgemeinden viel zu spät.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein weiteres Manko im Gesetzentwurf ansprechen. Es gibt zwar seit dem Oktober 2010 ein neues Leitbild zur Gemeindestruktur. Dieses bleibt aber auch künftig in exekutiver Verantwortung – selbst bei faktisch willkürlicher Anwendung im Genehmigungsverfahren von Gebietsänderungen. Ich erinnere an die Praxis des Innenministeriums, grundsätzlich jede landkreisgrenzübergreifende Fusion zu versagen. Hierbei gibt es einen akuten Handlungsbedarf und entsprechend viele Möglichkeiten für die kommunale Ebene, was im Gesetz geregelt werden könnte.
Verfassungsrechtlich problematisch sehen wir die kurzfristig eingebrachte Ergänzung des Artikels 4a des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes. Herr Fritzsche ging darauf kurz ein. Im § 4 wird der Verwaltungshelfer neu eingeführt. Es klingt gut, ist aber nicht gut gemeint. Mit der Einführung eines Verwaltungshelfers wird der Versuch unternommen, die weit verbreitete Praxis zu legalisieren, dass sich die mit der Betriebsführung öffentlicher Aufgaben beauftragten privaten Dritten auch abgabenrechtliche Kompetenzen anmaßen. Dieser Weg ist falsch und wird von meiner Fraktion entschieden abgelehnt.
Mit der Erhebung öffentlicher Abgaben gegenüber dem Zahlungspflichtigen sind erhöhte Anforderungen an die zuständige Körperschaft verbunden. Dabei ist das Recht der Abgabenerhebung hoheitlicher Art und per Gesetz ausschließlich den Gebietskörperschaften zugewiesen. Bei der Abgabenbemessung und -ermittlung können Beauftragte mitwirken. Die abschließende Entscheidungskompetenz kann jedoch nur durch die Behörde wahrgenommen werden. In diesem Tenor haben auch die Oberverwaltungsgerichte in Sachsen und Thüringen Anfang dieses Jahres Beschluss gefasst. Auch lässt die Abgabenordnung in der Legaldefinition des Verwaltungsaktes im § 118 keinen Raum für einen Verwaltungshelfer im Sinne des vorgeschlagenen Artikels 4a. Wir lehnen
diese Änderung ab. Ich verweise auf unseren Änderungsantrag in der Ziffer 2.
Ich glaube deutlich gemacht zu haben, dass dieser Gesetzentwurf in mehreren Punkten die verfassungsrechtlichen Grenzen tangiert. Das betrifft den irreführenden Gesetzestitel, der gegen das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit und Normenwahrheit verstößt, den nicht begründeten Eingriff in die kommunale Kooperationshoheit sowie die Einführung eines Beliehenen in Sachen öffentlicher Abgabenerhebung. Zu all diesen Themen konnte der zuständige Fachausschuss keine Stellung nehmen, da er mit der Beratung nicht betraut war.
Meine Fraktion, DIE LINKE, beantragt daher die Rücküberweisung des Gesetzentwurfes an den Innenausschuss und die Festsetzung der Mitbehandlung im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung, um die fehlende verfassungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens nachzuholen.
Meine Fraktion DIE LINKE beantragt, den Artikel 1 im Sächsischen
KommZG zu streichen. Ich habe heute keinerlei Antwort auf die Fragestellung bekommen, warum die Einschränkung hinsichtlich der Verwaltungsverbände und -gemeinschaften passiert. Es gibt keine Information, auch nicht seitens des jetzt amtierenden Ministers, dass man sagt, warum man diese Kooperationshoheit so maßgeblich einschränkt. Deswegen lehnen wir das ab. Das hatte ich ja in meiner Rede gesagt.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal darum werben, dass die Kooperationsformen eigentlich auf der kommunalen Ebene erweitert werden müssen. Weil wir jetzt größere Gemeindestrukturen haben, müssen wir eine andere Form der Kooperation ermöglichen. Wir schränken das jetzt um 50 % per Gesetz ein. Ich halte das für einen schwerwiegenden Eingriff und appelliere deshalb noch einmal an alle Abgeordneten, den Artikel 1 komplett zu streichen.
Die Diskussion in der Gesamtdebatte mit dem Verwaltungshelfer ist völlig unklar. Herr Kupfer, ich weiß, dass Sie für den Innenminister amtieren, sodass Sie die Frage, die wir kurzfristig im Innenausschuss gestellt haben, nicht beantworten konnten. Diese wurde auch bis zum heutigen Tag nicht beantwortet: ob der Verwaltungshelfer nicht eigentlich der Beliehene ist und diese Aufgabenverlagerung eine Art Privatisierung nach außen darstellt. Wir halten dies für einen schwerwiegenden Eingriff, weil es eine schwierige rechtliche Materie ist. Die Spitzenverbände sind aus meiner Sicht zu dem Thema nicht angehört worden, weil wir einen Tag vor der Innenausschuss
sitzung diesen Änderungsantrag mit dieser maßgeblichen Änderung bekommen haben.
Wir hatten im Innenausschuss eine heftige Debatte. Hier wurde die Formulierung des Verwaltungshelfers noch einmal inhaltlich geändert. Aber die rechtlichen Fragen und Probleme sind geblieben. Zuvor hatten wir gesagt, dass wir eine Rücküberweisung möchten, die Sie aber nicht genehmigt haben. Deshalb sind wir für Streichen, weil wir die Folgen für die kommunale Ebene nicht erkennen können, welche Auswirkungen dieser Paragraf für die kommunale Ebene hat. Deshalb bitte ich, Artikel 4a zu streichen und unserem Änderungsantrag zu folgen.
Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion, DIE LINKE im Sächsischen Landtag, möchte die Ortschaftsverfassung im Sinne der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und Mitsprache verändern.
In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Gemeindegebietskulisse in Sachsen stark verändert. 1 614 selbstständige Gemeinden gab es im Jahr 1992 in Sachsen. Deren Anzahl verringerte sich erheblich durch die gesetzliche Gemeindegebietsreform und durch die freiwilligen Zusammenschlüsse.
Mittlerweile gibt es nur noch 458 selbstständige Gemeinden.
In den vergangenen 20 Jahren verloren über 70 % der Gemeinden in Sachsen ihre Selbstständigkeit und damit ihren unmittelbaren Einfluss auf die Politik in der Gemeinde. Demokratie- und Bürgerbeteiligung wurde damit in Größenordnungen abgebaut. 1 156 Gemeinden verloren ihren Bürgermeister, einen Teil der Verwaltung sowie den Gemeinderat. Die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger hat keinen unmittelbaren Einfluss auf die Lokalpolitik.
Eine solche Entwicklung führt zwangsläufig zu Identitätsverlusten bisher selbstständiger Ortsteile sowie zu einem Verlust der Möglichkeiten für direktes demokratisches und bürgerschaftliches Engagement der Einwohnerinnen und Einwohner. Diese Entwicklung erfordert geradezu ein Gegensteuern des Gesetzgebers.
Mit der vorliegenden Novelle zur Sächsischen Gemeindeordnung in den §§ 65 bis 69 strebt meine Fraktion DIE LINKE eine Stärkung der Ortschaftsverfassung an. Das dörfliche Leben muss trotz Einheitsgemeinde erhalten und gestaltet werden. Durch die veränderte Rechtslage sollen die Belange der Ortschaften in den Beschlüssen des Gemeinderates stärker berücksichtigt und die bürgerschaftliche Beteiligung sowie ihr aktives Einwirken auf die Entscheidungsfindung gestärkt werden.
Die mit den Gemeindezusammenschlüssen verloren gegangene örtliche Identität und Eigenständigkeit soll in gewissem Umfang durch erweiterte Möglichkeiten der Einwohnerbeteiligung in den Ortschaften ausgeglichen werden.
Ich gehe auf einzelne Punkte des Gesetzentwurfes ein. Der Gesetzentwurf sieht die Stärkung der Einwohnerbeteiligung bei der Einführung der Ortschaftsverfassung vor – siehe dazu § 65 Abs. 3. Grundsätzlich bleibt die Entscheidung dem Gemeinderat überlassen. Zusätzlich können die Einwohnerinnen und Einwohner durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid die Einführung der Ortschaftsverfassung für ihre Ortschaft verlangen.
In § 65 Abs. 5 wird die bisherige Regelung, wonach in Ortschaften eine örtliche Verwaltung eingerichtet werden kann, ergänzt. Für Ortschaften mit mehr als 3 000 Einwohnern soll zukünftig eine örtliche Verwaltung eingerichtet werden. Für die Bürgerinnen und Bürger ist es wichtig, dass auch in größeren Ortschaften eine Verwal
tungsstelle eingerichtet wird, die den Weg zum Rathaus verkürzt sowie Entwicklungschancen im Ort ermöglicht.
Die Stellung des bisherigen Ortsvorstehers soll dadurch gestärkt werden, dass dieser künftig die Bezeichnung „Ortsbürgermeister“ trägt und von den Bürgerinnen und Bürgern der Ortschaft für die Dauer der Wahlperiode des Gemeinderates direkt gewählt wird – siehe dazu § 68. Hierdurch soll eine höhere gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung dieser ehrenamtlichen Tätigkeit erreicht werden.
Der Ortsbürgermeister erhält künftig nicht nur das Recht, mit beratender Stimme an den Sitzungen des Gemeinderates teilzunehmen, sondern er hat auch das Recht, Anträge zu stellen, die die Belange der Ortschaft betreffen – siehe dazu § 68 Abs. 4. Zudem ist er wie ein Mitglied des Gemeinderates zu allen Ratssitzungen zu laden.
Die Aufgaben und Befugnisse des Ortschaftsrates werden gegenüber den bisherigen Regelungen in der Sächsischen Gemeindeordnung detaillierter gefasst. Die Angelegenheiten, in denen der Ortschaftsrat selbstständig entscheidet, entsprechen dabei den bisher in § 67 Abs. 1 Sächsische Gemeindeordnung enthaltenen Angelegenheiten. Näher ausformuliert haben wir die Angelegenheiten, in denen der Ortschaftsrat ein Anhörungs-, Vorschlags- und Antragsrecht zur Durchsetzung der Belange und Interessen der Ortschaft hat. Dazu können Sie entsprechende Informationen in § 67 finden.
Wir schlagen ein weitreichendes Vorschlagsrecht des Ortschaftsrates vor. Das fördert die Eigenverantwortung und Eigeninitiative. Die Einwohnerinnen und Einwohner haben dadurch die Möglichkeit, sich mit diesen Angelegenheiten an den Ortschaftsrat und den Ortsbürgermeister zu wenden.
Die Stellung und die Rechte des Ortschaftsrates in der Gemeinde werden insbesondere dadurch gestärkt, dass ihm gegen Beschlüsse des Gemeinderates, die nachteilige Auswirkungen auf die Belange der Ortschaft haben können, ein Widerspruchsrecht mit aufschiebender Wirkung eingeräumt wird. Das haben wir in § 67 Abs. 7 geregelt.
Eine zentrale Regelung des Gesetzentwurfes zur Stärkung der Ortschaftsverfassung bildet das Budgetrecht – siehe dazu die Ergänzung als § 67a. Die Ortschaften haben gegen die Gemeinde einen Anspruch darauf, dass ihnen finanzielle Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben in angemessenem Umfang zur Verfügung gestellt werden. Aus den der Gemeinde für die Erfüllung freiwilliger Aufgaben verbleibenden Haushaltsmitteln soll den Ortschaftsräten ein bestimmter Anteil in Form eines Budgets überantwortet werden.
In den Gemeinden, in denen die Ortschaftsverfassung eingeführt ist, ist künftig in den Hauptsatzungen zwingend zu bestimmen, dass Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auch in Ortschaften durchgeführt werden können. Auch dazu gibt es eine neue Regelung.
In einer Demokratie muss die Einwohnerschaft die Möglichkeit haben, an wichtigen Entscheidungen mitwirken zu können. Deshalb soll es künftig möglich sein, dass die Einwohnerinnen und Einwohner einer Ortschaft über wichtige Angelegenheiten ihrer Ortschaft mitbestimmen können, wenn sie dies begehren.
Die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag legt mit diesem Entwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Ortschaftsverfassung im Freistaat Sachsen“ eine Gesetzesnovelle vor, die die Mitspracherechte in den Ortschaften und Ortsteilen stärkt, Entscheidungsspielräume ermöglicht und den Ortsbürgermeister mit entsprechenden Kompetenzen ausstattet, sodass ein Zusammenwachsen der neuen, eventuellen Einheitsgemeinden ermöglicht wird, und vor allem die Bürgerbeteiligung vor Ort fördert.