Vielen Dank, Herr Heidan. – Für die FDP-Fraktion als miteinreichende Fraktion hat Herr Abg. Herbst das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zeiten grauer und bröckelnder Fassaden in Sachsens Innenstädten sind glücklicherweise vorbei. Seit der Wende hat sich in vielen Innenstädten das Bild zum Positiven gewandelt.
Doch dieser Wandel, der die Gebäudehülle umfasst, hat nicht immer auch beim Innenleben stattgefunden. Ganz im Gegenteil, wir stehen im Bereich des Handels und Gewerbes vor neuen Herausforderungen. Es ist in einigen kleineren Städten der Wegzug; es ist aber vor allem die Konkurrenzsituation im Handel, nämlich die Konkurrenz auf der grünen Wiese. Diese führt in einigen Städten leider zu der Tendenz, dass Innenstädte veröden, dass sich Handel zurückzieht und dass damit auch die Attraktivität der Innenstädte leidet.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eröffnen wir Handel und Gewerbe in zentralen Stadtlagen neue Möglichkeiten. Der Gesetzentwurf bietet eine Chance für die Innenstadtentwicklung, und zwar – mein Kollege Heidan wies schon darauf hin – über den kommunalen Standard hinaus; er ersetzt nicht den kommunalen Standard.
Die Grundidee ist relativ einfach. Die Eigentümer und Gewerbetreibenden vor Ort wissen am besten, was hilft, ihr Umfeld aufzuwerten – was am Ende auch für mehr Umsatz sorgt. Sie können daher mit eigenen Vorschlägen geeignete Maßnahmen ergreifen.
Wichtig ist uns als FDP insbesondere, dass keine Maßnahme von oben herab durch Politik oder Verwaltung verordnet wird – diese leidige Diskussion haben wir oft im Zusammenhang mit Straßenausbausatzungen erlebt –, sondern die gewerbetreibenden Eigentümer bestimmen darüber, was gemacht wird und in welchem Umfang es gemacht wird. Dafür brauchen wir in Deutschland – ich
Ich will hinzufügen: Für kleine Städte sind die Chancen durchaus größer als für Großstädte. Zwar gibt es auch für letztere Beispiele – ich verweise auf entsprechende Initiativen in der Dresdner Königstraße –, aber ich glaube, insbesondere für Klein- und Mittelstädte ist das ein probates Mittel, mit dem man aus Eigeninitiative zum Nutzen aller etwas schaffen kann.
Die Aufwertung des Umfeldes kann durch ein breites Bündel an Maßnahmen erfolgen. Zum Teil sind es investive Maßnahmen – das können Bänke, Bäume, Brunnen sein –, zum Teil sind es nicht investive Maßnahmen, etwa in Form von Werbung, regelmäßigen Veranstaltungen oder der Einsetzung eines Quartiersmanagements.
Das BID schafft den Rahmen für ein demokratisches Verfahren, mit dem der Aufwand, der durch diese Maßnahmen entsteht, am Ende auf alle Nutzer umgelegt wird. Um einen fairen Interessenausgleich zu schaffen zwischen denjenigen, die das BID-Projekt wollen, und denjenigen, die vielleicht andere Argumente haben und es daher ablehnen, haben wir ein zweistufiges Abstimmungsverfahren vorgesehen. Beide Seiten kommen zu Wort, und am Ende wird mit Mehrheit entschieden, ob das Projekt so realisiert wird.
Die Erfahrungen aus Nordamerika – dort, wo die Idee herkommt –, aus verschiedenen deutschen Ländern, in denen es mittlerweile BID-Projekte gibt, aber auch mit den Pilotprojekten in Sachsen haben gezeigt, dass dieses Konzept in der Praxis funktioniert. Für uns ist klar, dass das BID-Gesetz keine Kommune aus der Verantwortung für die Stadtentwicklung entlässt; aber es ist ein wichtiges ergänzendes Element.
Bezüglich der Gesetzgebung sind wir bewusst moderne Wege gegangen und befristen den Gesetzentwurf, weil wir uns anschauen wollen, welche Auswirkungen sich in der Praxis ergeben. Wir haben auch eine Evaluation dazwischengeschaltet, um nach zwei Jahren eine Einschätzung und gegebenenfalls eine Korrektur des Gesetzes vornehmen zu können.
Das BID-Gesetz schafft einen Rahmen für Eigeninitiative. Jetzt liegt es an den Grundstückseigentümern und Gewerbetreibenden, diesen Rahmen mit Leben auszufüllen und durch BID-Projekte positive Impulse zu geben – für die eigene Geschäftsentwicklung, aber auch für attraktive Innenstädte in Sachsen.
Meine Damen und Herren! Nun spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Stange. Sie haben das Wort, Herr Stange.
genden Gesetzentwurf zum Sächsischen BID-Gesetz – Herr Kollege Heidan hat es schon übersetzt: Business Improvement Districts – will die CDU/FDP-Koalition vor allem die Belebung innerstädtischer Einzelhandels- und Dienstleistungslagen vorantreiben.
Lassen Sie mich an dieser Stelle mit dem – in diesem Hause durchaus gern gepflegten – Vorurteil aufräumen, DIE LINKE wende sich gegen jedwede Form der Public Private Partnership. Mit dem Business-ImprovementDistricts-Gesetz setzt die CDU-FDP-Koalition genau auf private Initiative zum Vorteil der Gemeinschaft und der Kommune.
Wir unterstützen diese Form der öffentlich-privaten Partnerschaft, weil auf diese Weise die Initiative von Privaten ausgeht und die Lasten nicht zuungunsten der öffentlichen Hände, der öffentlichen Kassen und des öffentlichen Eigentums gehen. Endlich gewinnt die grundgesetzlich verankerte Verpflichtung des Eigentums zum Gemeinwohl tatsächlichen Ausfluss und ein Instrument, um Realität zu werden.
Uns allen sind die mit den Fehlsteuerungen der Neunzigerjahre entstandenen Defizite bei der Innenstadtentwicklung, vor allem der Klein- und der Mittelstädte in Sachsen, sehr wohl bewusst. Diese Fehlsteuerungen haben sowohl Land als auch Kommunen zu verantworten. Deren Folgen, die zulasten der Innenstadtentwicklung gingen, tragen wir nun, durchaus auch über Generationen.
Dazu schrieb der Deutsche Industrie- und Handelskammertag bereits in seinem Positionspapier vom 2. Mai 2007 – ich zitiere –: „Erst öffnete der großflächige Einzelhandel seine Tore auf der ‚grünen Wiese‘, das heißt außerhalb der Zentren, oder zog gemeinsam mit Discountermärkten zwischen zwei Orte. Nun siedeln sich Shopping-Center auch innerorts an. Die Magnetwirkung der ShoppingCenter erzeugt schlagartig eine Attraktivitätsminderung aller anderen Lagen. Die großflächigen Einzelhandelszentren bieten professionelles Management, ausreichend Parkplätze und verfügen über ein gemeinsames Budget für Marketing und Veranstaltungen, für Sicherheit und Sauberkeit. Außerhalb der Shopping-Center prägen häufig Ladenleerstände das Bild, sogenannte Einkaufsinseln entstehen. Der Strukturwandel wird dadurch verstärkt, dass sich traditionelle Einzelhändler zurückziehen und eine Filialisierung in den Zentren zunimmt. Mit der Aufgabe kleinerer, inhabergeführter Einzelhandelsbetriebe geht auch ein Teil der Individualität der Städte verloren, und die Uniformität der Zentren nimmt zu. Die Kundenfrequenz auf den Straßen sinkt, und Laufwege verändern sich.“
Auch nach unserer Auffassung bietet das Sächsische BIDGesetz ein Instrument, solche Einzelhandels- und Dienstleistungslagen zu stärken – im Interesse der Einzelhändler, der Dienstleister, der Gewerbetreibenden, der Eigentümer und der Kommunen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegt ein Schreiben der Eigentümerschutzgemeinschaft „Haus & Grund Sachsen“ vom 14. Mai vor. Darin drückt Vizeprä
sident Ronald Linke sein Unverständnis darüber aus, dass „Haus & Grund“ zu dem vorliegenden Gesetzentwurf im Landtag nicht einmal angehört wurde, und wendet verschiedene Bedenken gegen das Gesetz ein.
Ich muss davon ausgehen, dass die CDU/FDP-Koalition – mit einer, sagen wir, gewissen Affinität zu „Haus & Grund“ und dem Recht auf Benennung von fünf Sachverständigen – entweder dies schlicht vergessen oder aus bestimmtem Grund unterlassen hat. Das müssen Sie aber für sich klären.
Grundsätzlich ermöglicht das Gesetz zwei Modelle: einerseits die Standortgemeinschaft mit Abgabenpflicht der Eigentümer, andererseits die Standortgemeinschaft der Grundeigentümer und/oder Gewerbetreibenden.
Zudem stützt sich das Gesetz auf die Initiative der Abgabenpflichtigen und zugleich besteht für diese auch die Chance der Verhinderung über eine Sperrminorität. Lieber Kollege Heidan, an dieser Stelle sei der Hinweis gestattet, dass das Zustandekommen nicht an eine Mehrheitsentscheidung gebunden ist, sondern ausschließlich die Sperrminorität durch Ihren Änderungsantrag hineingekommen ist.
Auf jeden Fall hat die Sachverständigenanhörung einen großen Umfang der Bedenken, die auch unsere Fraktion hatte, berücksichtigt. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf nimmt diese Bedenken auf und räumt sie aus. Eines muss dennoch an dieser Stelle klar gesagt werden: Ohne ein solches Instrument werden die vorliegenden Herausforderungen, die in erster Linie Aufgabe der kommunalen Stadtentwicklung wären, aufgrund der Fehlentwicklungen der Neunzigerjahre und der weit über die heutige Zeit wirkenden Folgen nicht korrigiert. Der Nutzen liegt gerade auch bei den in der Standortgemeinschaft zusammengeführten Abgabenpflichtigen, bei den Einzelhändlern, Gewerbetreibenden und Grundeigentümern. Nach eingehender Abwägung für unsere Fraktion im Sinne einer so gegebenen Chance auf innerstädtische Belebung stimmen wir dem Gesetzentwurf zu.
Vielen Dank, Herr Stange. – Ich rufe nun die SPD-Fraktion auf: Frau Abg. Köpping, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ziel des Gesetzes, die Stärkung des Einzelhandels in Innenstädten und urbanen Stadtteilen außerhalb der klassischen Einkaufszentren, unterstützen wir voll umfänglich. Die SPD hat sich schon seit Längerem für ein sächsisches BID-Gesetz ausgesprochen sowie den Forderungen des Bundes der Selbstständigen sowie der Kammern angeschlossen. Der Gesetzentwurf in der deutlich veränderten Fassung des Änderungsantrages, wobei – und das möchte ich deutlich lobend erwähnen – die fachkundigen Hinweise aus der Anhörung mal wirklich aufgenommen worden sind – das
kommt ja nicht so häufig vor –, entspricht den Dingen, die ganz gut gelungen sind, kommt aber aus unserer Sicht viel zu spät.
Herr Heidan, Sie hatten vorhin darauf hingewiesen: Der erste Referentenentwurf – ich will es noch einmal deutlich machen – aus dem SMWA stammte bereits aus den Jahren 2005/06 analog zu den Gesetzesinitiativen in vielen anderen Bundesländern. Leider sah die CDU-Fraktion in dieser Zeit keine Notwendigkeit für ein sächsisches BIDGesetz. So konnte das sozialdemokratisch geführte SMWA nur mit sechs Pilotstädten einen ersten Versuch starten. 2010 hat meine Fraktion erneut einen Anlauf versucht, die längst überfällige Gesetzesinitiative zu starten.
Jetzt hatte die CDU scheinbar ihre Meinung geändert und Sie, Kollege Heidan und Herr Herbst, teilten die Forderungen unseres Antrages, aber konnten natürlich nicht zustimmen mit der Begründung, es werde zeitnah ein eigener Gesetzentwurf durch die Koalition vorgelegt. Dieses „zeitnah“ dauerte dann über zwei Jahre. Inzwischen waren sechs Pilotprojekte – Zittau, Pirna, Freiberg, Hoyerswerda, Radebeul und Markranstädt – ausgelaufen. Die Erfahrungen aus den sechs Pilotstädten wurden wegen der fehlenden Evaluierung auch nicht in das neue Gesetz aufgenommen. Das hat im Übrigen in der Anhörung auch Frau Kaiser von der Stadtentwicklungsgesellschaft Zittau ganz klar ausgeführt. Ich finde das schade, weil aus unserer Sicht eine ganze Reihe Punkte im Gesetzentwurf noch offen bzw. problematisch sind.
Das ist zum Ersten zu wenig Mitbestimmung im zweistufigen Prozess. Die Forderung des Städte- und Landkreistages nach einer Erhöhung dieses Quorums bzw. der Einführung eines negativen Quorums wäre aus unserer Sicht sinnvoll gewesen.
Zum Zweiten nenne ich die Einführung einer Zwangsabgabe, welche zeitlich nach der spezifischen Standortentscheidung jedes Händlers nun erhoben wird. Das kann problematisch sein und vor Ort zu erheblichen Spannungen führen. Es bedarf eines geeigneten Moderationsverfahrens vor Ort, zum Beispiel durch die Vertreter der Kommune.
An dritter Stelle steht das ungeklärte Problem des Leerstandsmanagements, für das es zukünftig keine finanziellen Aufwendungen mehr geben wird.
Viertens. Die Einbeziehung der Kommune sowie daraus resultierend die finanzielle Abgeltung des gemeindlichen Aufwands in Form einer Kostenpauschale von 1 % ist höchstwahrscheinlich deutlich zu gering, besonders, da die Aufsichtspflicht bei den Kommunen liegt. Da scheint es mir, dass der Anreiz für die Kommunen, sich zu engagieren, begrenzt sein wird.
Fazit: Als zentrale Punkte eines solchen BID-Ansatzes sehen wir Fragen der Sauberkeit, des Services, bauliche und verkehrliche Verbesserungen, Dienstleistungen,
Erlebnisse und Events. Ob ein solcher Ansatz dem fortschreitenden Leerstand, Rückgang der Attraktivität vieler
Innenstädte sowie die Minderung der Werthaltigkeit von Immobilien in zentralen Lagen wirklich wirksam begegnen kann, bleibt offen. Die weitgehend verfehlte Politik der grünen Wiese, über die heute schon gesprochen wurde, in Verbindung mit gebauten Umgehungsstraßen hat zu einer systematischen Schwächung vieler Innenstädte geführt. Deshalb hätte ein BID-Ansatz vor vielen Jahren deutlich höhere Erfolgsaussichten gehabt als heute.
Dennoch unterstützen wir das Gesetz, denn wir halten jede Form der Erhöhung der Attraktivität der Innenstädte gerade in mittelgroßen Kommunen für dringend erforderlich.
Vielen Dank, Frau Köpping. Als Nächster spricht Herr Weichert für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Belebung innerstädtischer Einzelhandels- und Dienstleistungszentren ist die Reaktion auf den Abzug von Kaufkraft aus den Innenstädten in Richtung Einkaufszentrum auf der grünen Wiese. Das ist ein Zeichen für verfehlte Ansiedlungspolitik. Oft können sich die Städte nicht dagegen wehren, weil sie außerhalb ihrer Gemarkungsgrenzen keinen Einfluss ausüben können und die Landräte ein entgegengesetztes Interesse verfolgen. Beispielsweise sei hier ein Streit um ein Factory Outlet Center in Wiedemar bei Leipzig genannt. Noch schlimmer kommt es, wenn zwischen Oberzentrum und Einkaufszentrum eine Bundeslandgrenze existiert.
Meine Damen und Herren, es geht also um die Wiederbelebung von eigentlich gewachsenen innerstädtischen Infrastrukturen. Einer der Vorteile der Einkaufszentren ist deren zentrales Centermanagement. Das kümmert sich um den Branchenmix, das Erscheinungsbild, gemeinsam genutzte und dadurch für jeden Einzelnen günstigere Dienstleister, beispielsweise im Reinigungs- und Sicherheitssektor, oder um ein einheitliches Gesamtmarketing. Innerstädtische Einzelhandels- und Dienstleistungszentren holen Kaufkraft in die Innenstädte zurück. Diese werden wieder attraktiver und Wege werden reduziert, Umwelt und Klima geschont.