Ich frage Sie, speziell den dafür zuständigen Staatsminister: Wo konnte denn bisher durch Rückbaumaßnahmen eine weitere Abwanderung verhindert oder gar ein Zuzug von jungen Deutschen jenseits der großen Universitätsstädte nach Sachsen angestoßen werden? Können Sie dem Landtag eine Analyse hinsichtlich der Einwohnerentwicklung sächsischer Kernstadtbereiche vorlegen? Wie entwickelte sich trotz Rückbaumaßnahmen die Leerstandsquote in den Innenstadtbereichen? Wo sind die belastbaren Zahlen bezüglich eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes?
Ihrer Rede war vielmehr nur zu entnehmen, wie viel Geld eingesetzt wurde, welches letztendlich nicht Geld der Staatsregierung, sondern der Steuerzahler ist. Dieser muss sich für die Verwendung seines Geldes nicht bedanken, darf jedoch Ergebnisse erwarten. Legen Sie uns zum Beispiel ein Konzept vor, wodurch Anreize entstehen, damit Kommunen ihre sozial Benachteiligten gezielt in die Innenstadtbereiche lenken bzw. kommunale Wohnungsunternehmen nicht über die Lenkung des örtlichen sozialen Prekariats hin zu Plattenbauten in Randlagen ohne Rücksicht auf eine nachhaltige Siedlungsentwicklung subventioniert werden.
Herr Staatsminister, ich habe auch vermisst, dass Sie bei diesem Thema ausführlicher auf die aktuelle Publikation Nr. 3/2012 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eingehen. Besagte Publikation neueren Datums beschäftigt sich eingehend mit dem Thema nachhaltige Stadtentwicklung und soziale Stadt. Mit welchem Ergebnis die gängigen Programme dabei beleuchtet werden, ist durchaus erwähnenswert.
Die Kommunen halten die gängigen Programme mehrheitlich für nicht gut aufeinander abgestimmt und würden sich eine Mittelbündelung wünschen. Hierzu sollte die Staatsregierung vielleicht einmal konkret mit den Kommunalverbänden in Klausur gehen und sich die notwendigen Hausaufgaben ins Pflichtenheft diktieren lassen, die
ebenenübergreifend anzugehen wären. Ich möchte das „ebenenübergreifend“ betonen, weil nicht zuletzt die Abstimmung auf Bundesebene zwischen den Ressorts sowie dem Bund, den Ländern und Kommunen als unzureichend beurteilt wird.
Deutlich hervorgehoben wurde in der Untersuchung insbesondere die Rolle der Länder bei der Bündelung von Programmen. Es dürfte auch niemandem entgangen sein, dass bei der Städtebauförderung seitens der Bundesebene der Rotstift merklich angesetzt wurde. Deshalb interessiert uns Nationaldemokraten durchaus, welche Ideen die Staatsregierung angesichts auch in Sachsen geringer werdender Haushaltsspielräume vorschlägt, um entweder eine Kompensation durch Landesprogramme zu schaffen oder Synergien durch Kompatibilität von anderen Maßnahmen freizusetzen. Im Zuge der nächsten Haushaltsberatungen wird es hierüber programm- und titelkonkret zum Schwur kommen.
Auf eines möchte die NPD-Fraktion allerdings heute bereits konkreter eingehen und die Staatsregierung auffordern, sich dazu auf Bundes- bzw. Europaebene deutlicher zu artikulieren. Es geht um das beim BMAS angesiedelte ESF-Bundesprogramm „XENOS – Integration und Vielfalt“. Insgesamt stehen den Ländern bis Ende 2013 für dieses Programm satte 350 Millionen Euro zur Verfügung. Für das Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“, für die städtebauliche Infrastruktur und eine nachhaltige zentralörtliche Versorgungsfunktion standen im Jahr 2011 gerade einmal 35 Millionen Euro zur Verfügung. Das Aktionsprogramm „Regionale Daseinsvorsorge“, das im Frühjahr 2011 aufgelegt wurde, ist bis zum Jahr 2014 gerade einmal mit läppischen 6,5 Millionen Euro ausgestattet. Dieses Missverhältnis zeigt überdeutlich, dass es hinsichtlich der Stadtentwicklungspolitik in Deutschland in erster Linie nicht um die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur für die einheimische Bevölkerung geht, sondern um die Begleitung eines gesellschaftlichen Strukturveränderungsprozesses über die angestammte Bevölkerung hinweg.
Meine Damen und Herren! Anstelle der Rede des Ministers wäre es weitaus interessanter und zielführender gewesen, die Vertreter der sächsischen Kommunalverbände anzuhören und zu befragen. Dann wüssten wir vermutlich, wie seitens der Akteure vor Ort die Programmgestaltung und die konkrete Projektumsetzung beurteilt werden. Man hätte einen Einblick auf den Verlauf von Projekten und Maßnahmen.
Vom Herrn Staatsminister hörten wir heute nichts dazu, wie die Konzeptions- und Bearbeitungsphasen eventuell verkürzt werden könnten, eine schnellere Bewilligung ermöglicht und/oder Probleme beseitigt werden können, wenn die Mittelbeantragung und -bewilligung in unterschiedliche Haushaltsjahre fallen. Gerade angesichts knapper werdender Finanzausstattungen sind derartige Optimierungen von besonderer Bedeutung.
Soweit man jüngeren Untersuchungen entnehmen konnte, würde den Kommunen eine gezielte Hilfestellung seitens des Landes bei der Ermittlung von Fördermöglichkeiten sehr entgegenkommen. Diese verfügen beispielsweise über keinen ausreichenden Überblick, welche Programme zum Zeitpunkt der Antragstellung noch über ausreichende Fördermittel verfügen oder bereits überzeichnet sind. Ich habe schon auf die noch in diesem Jahr stattfindende Haushaltsberatung hingewiesen.
Im Wesentlichen wird die Stadtentwicklung in Sachsen davon abhängen, wie die Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich ausgestattet werden. Hierbei waren wir Nationaldemokraten seit jeher Vorreiter. Darüber hinaus wird eine Flexibilisierung der finanziellen Beteiligung der Kommunen zu diskutieren sein. Je nach kommunaler Finanzkraft wird man über eine Bandbreite der Eigenmittel für Projekte nachzudenken haben. Unter Umständen ist zu durchleuchten, inwiefern Finanzmittel teilweise durch kommunale Personal- und Sachmittelressourcen ersetzt werden können.
Eines steht allerdings fest: Ein „Weiter so!“ wie bisher, das zeigt die Entwicklung deutlich, mündet in keinen Aufbau Ost, sondern in einen weiteren Abbau Ost.
Meine Damen und Herren! Wir steigen in die zweite Runde ein. Ich frage noch einmal die Fraktion DIE LINKE: Möchten Sie das Wort ergreifen? – Es besteht kein Redebedarf. Möchte die CDU-Fraktion das Wort ergreifen? – Der Abg. Fritzsche, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde schon vieles zum Thema Stadtentwicklung im Freistaat Sachsen gesagt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, auf einige Dinge, die von meinen Vorrednern angesprochen wurden, einzugehen.
Ich werde die uns in Gänze unterstellten „schlichten Gemüter“ einmal in Wallung versetzen und an einigen Punkten ein wenig nachvollziehbarer gestalten. Der Redebeitrag wurde dem Anspruch nicht gerecht.
Von allen wurde betont, dass wir über eine integrierte Stadtentwicklungsplanung nachdenken und diese auch in der Praxis leben müssen. Klar ist Folgendes: Wenn man sich besondere Bereiche der Städte, wie beispielsweise die Großwohnsiedlung am Stadtrand, herauspickt und diese nicht als integralen Bestandteil der Städte ansieht, kommt man zu völlig unterschiedlichen Interpretationen.
Prof. Dr. Kabisch geht ein Stück fehl, weil sie auf fünf Seiten zu den Zukunftschancen ostdeutscher Groß
wohnsiedlungen erst einmal nur den Forschungsbedarf beschreibt. Es ist eben auch – übersetzt in die Politik – eine wirkliche Leistung dieser Fachregierungserklärung. Sie honoriert nicht nur – völlig zu Recht – die 20-jährige erfolgreiche Stadtentwicklung im Freistaat Sachsen. Vielmehr verweist sie auch darauf, dass noch ein gewaltiges Stück – möglicherweise eine sich verkomplizierende Aufgabe – vor uns liegt. Dafür gebührt Markus Ulbig ein herzlicher Dank.
Die Aufbauleistung wurde gewürdigt. Vieles liegt aber noch vor uns. Wo stehen wir heute? Der Suburbanisierungsprozess, von dem die Städte besonders bis Ende der Neunzigerjahre betroffen waren, scheint überwunden. Wir können eine Stabilisierung der zentralen Orte im zentralörtlichen System konstatieren. Eine Stabilisierung bedeutet jedoch kein Wachstum. Im besten Fall ist es eine funktionale Stabilität.
Es ist bei allen Redebeiträgen deutlich geworden, dass die nächsten Jahre – zehn, 20 oder auch mehr – vom demografischen Wandel geprägt sein werden. Wir müssen durch die Ziele, die wir uns gemeinsam setzen, wichtige Weichenstellungen im Bereich der Klima- und Energiepolitik vornehmen.
Auf die noch weiterhin notwendigen Abrisszahlen im Bereich der Wohnungen wurde bereits hingewiesen. Allerdings wird sich dieser Abriss verkomplizieren. Wenn wir heute durch die Städte fahren, sehen wir, dass der Leerstand sich nicht unbedingt auf Stadtteile konzentriert. Vielmehr sind auch bestimmte Bereiche der Gebäude betroffen. Ich denke an Erdgeschosswohnungen, die in einigen Städten nicht mehr vermietet werden können.
Man muss ebenso festhalten, dass sich unsere Städte in Sachsen sehr differenziert entwickeln. Es gibt dabei zahlreiche regionale Unterschiede, aber auch Unterscheidungen in den verschiedenen Größenklassen der Städte. Die Städte Leipzig und Dresden entwickeln sich anders als die Städte Wurzen, Leisnig und Colditz. Die Kleinstädte und insbesondere die sächsischen Mittelstädte im eher ländlich geprägten Raum sind von Schrumpfungsprozessen in besonderem Maße betroffen.
Der Stadtumbau und -rückbau ist wesentlich schwieriger planbar und umsetzbar als das Wachstum in Formen zu gießen. Es gibt kein Lehrbuch dafür, wie wir vorgehen sollen. Insbesondere die sächsischen Kommunen und wir im Sächsischen Landtag sind dabei, so ein Lehrbuch gerade zu schreiben.
Ich komme nun zu dem, was Frau Köpping erwähnte. Es ging um folgendes Thema, welches auch am Umweltforschungszentrum entwickelt wurde: das Label „SHRINK SMART“ oder „schlau schrumpfen“. In anderen Debatten wird häufig auch über die Qualität des Schrumpfens gesprochen. Natürlich ist das richtig. Wir müssen auf der einen Seite in der Debatte verstärkt betonen, dass es auch Möglichkeiten und Chancen des Schrumpfens gibt. Auf der anderen Seite überwiegen auch deutlich die damit
Es ist für mich persönlich schon ein qualitativer Unterschied, wenn ein Gründerzeithaus in einer Stadt nicht mehr zu halten ist und dort eine Grünfläche entsteht. Das kann man in bestimmten Bereichen machen. Dort ist es sicherlich auch sinnvoll. Für Gründerzeitquartiere in der Stadt ist es insgesamt keine Lösung.
Mich würde einfach interessieren, Herr Fritzsche – wenn Sie sagen, das oder das geht alles nicht –: Was geht denn?
Ich glaube, ich habe nicht gesagt, was alles nicht geht, sondern ich möchte deutlich dafür plädieren, dass wir auf der kommunalen Ebene wirklich Mut haben, Dinge auszuprobieren. Ganz verschiedene Lösungen können das sein. Ich glaube, wir sind im Moment noch in dem Stadium, wo wir Fragen stellen,
wie wir damit umgehen können. Wenn wir nach SachsenAnhalt schauen, so hat die dortige Internationale Bauhausausstellung deutlich gemacht, dass man keine hundertprozentigen Antworten präsentieren kann. Sie hat nach meinem Dafürhalten vielmehr ein Plädoyer dafür gehalten, Dinge auszuprobieren. Ich denke, dabei sind die sächsischen Kommunen mit ganz unterschiedlichen Projekten auf einem guten Weg.
Wie sieht denn eine typische Problemlage aktuell im Freistaat Sachsen aus? Wir haben die historisch gewachsene und in ihrem Kern mittelalterlich geprägte Kleinstadt, die über eine zumindest im Umfeld des Marktplatzes weitgehend sanierte Innenstadt verfügt. Ich könnte hier zum Beispiel Wurzen nennen, wo wir am Marktplatz das Gefühl einer bestimmten Urbanität empfinden können. Die angrenzenden Gründerzeitquartiere sind hingegen nur teilweise saniert und von hohen Leerständen gekennzeichnet.
Wir müssen uns die Frage stellen, was mit Häusern passieren kann, die städtebaulich wertvoll sind, für die sich aber in den letzten 20 Jahren eben kein Weg gefunden hat. Es scheint dort für Teile keine Nutzung in Sicht zu sein. Bei einem im Moment erzielbaren Mietpreis von 4,30 Euro oder 4,50 Euro pro Quadratmeter und vor dem Hintergrund einer perspektivisch schwieriger werdenden Einkommenssituation bei der kommenden Rentnergeneration muss man festhalten, dass es Schwierigkeiten bei der marktgerechten Sanierung gibt. Von einer energetischen Sanierung zu sprechen wird in diesem Bereich noch schwieriger. Wir müssen dort nach pragmatischen Lösun
gen suchen. Die Frage eines möglichen Umbaus oder einer differenzierten Nutzung stellt sich. Dass der Freistaat Sachsen eben auch über einen relativ alten Wohnungs- und Hausbestand verfügt, verschärft diese Problemlage noch.
Ich denke, es ist allen klar, dass dieses Schrumpfen nicht nur Geld kostet, sondern auch mit vielen Anstrengungen verbunden sein wird. Ein Schwerpunkt – ich erwähnte es eingangs schon – muss daher besonders auf einer integrierten Stadtentwicklungsplanung liegen. Der Diskussionsprozess vor Ort gestaltet sich mitunter schwierig. Aber ich denke, wenn wir in viele Kommunen blicken, dann lohnt es sich. Wir brauchen Verbindlichkeit und Verlässlichkeit auch in der Stadtentwicklungsplanung. Diese Verbindlichkeit und Akzeptanz erreicht man natürlich nur mit einer möglichst breiten und funktionierenden Bürgerbeteiligung.
Viele Städte in Sachsen verfügen heute bereits über ein INSEK, ein integriertes Stadtentwicklungskonzept. Ich würde mir wünschen, dass diese Konzepte eben auch im Bereich der gesamten Stadtpolitik als eine umfassende Arbeitsgrundlage verstanden werden und nicht nach ihrer Erstellung in der Schublade verschwinden.
Bei Frau Kallenbach klang an, dass die Perspektiven des Freistaates vor allem in den Städten zu suchen sind, weil diese als Inkubatoren gelten. Ich möchte aber an dieser Stelle betonen, dass, wenn man vom „guten Leben“ in der Stadt spricht, dieses natürlich nur mit einem funktionierenden Umland und nicht zuletzt mit dem ländlichen Raum gemeinsam funktioniert. Wo findet denn sonst Erholung statt, wo kommt die Biokiste her, die der moderne Großstädter vor der Tür zu finden wünscht?
Mich hat gefreut, dass in der Regierungserklärung auch auf die positiven Erfahrungen mit dem Quartiermanagement hingewiesen wurde. Ich denke, viele Städte, die die Möglichkeit hatten, dies auszuprobieren oder dort Erfahrungen zu sammeln, haben erkannt, dass gerade das Quartiermanagement bei den kommenden Aufgaben eine wichtige Rolle spielen kann.
Einen Punkt möchte ich an dieser Stelle noch ergänzen. Das ist der Bereich der Ausbildung. Wir brauchen natürlich auch Experten, die sich in diesem Bereich auskennen. Ein klassischer Architekt, der mit einer Hochbauaufgabe konfrontiert ist, hat sicherlich ein anderes Herangehen an diese Aufgabe als ein mit Schrumpfungsprozessen im städtischen Umfeld vertrauter Stadtmanager. Wir sind hier in Sachsen beispielgebend. Ich möchte die Stiftungsprofessur Stadtumbau und Stadtforschung an der TU Dresden herausheben, angesiedelt in Görlitz am Kompetenzzentrum für revitalisierenden Städtebau
oder auch die Universität Leipzig, die einen Masterstudiengang Urban Management im postgradualen Bereich anbietet.
Natürlich benötigen die Stadtentwicklung und insbesondere die Stadtentwicklungsplanung einen verlässlichen