Protocol of the Session on May 9, 2012

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Wenn man genauer hinschaut, offenbaren sich gewisse Defizite: Seit Jahren erhält die DZB den gleichen Zuschuss aus dem Landeshaushalt, allerdings ohne Inflationsausgleich. Damit war ein Stellenabbau, Frau Fiedler,

von über 80 auf nunmehr 75 Stellen – leider! – verbunden. Das ist das Ende der Fahnenstange, zumal aus Geldmangel nicht einmal 75 Stellen besetzt werden können.

Auch im Bereich der dringend benötigten Investitionsmittel sieht es derzeit düster aus. Während es 2009 dafür noch 250 000 Euro gab, standen 2010 und im Doppelhaushalt 2011/2012 dafür null Euro zur Verfügung. Die Infrastruktur im IT-Bereich der DZB bedarf aber dringend der Modernisierung. Diese notwendigen Mittel kann die Einrichtung allerdings aus eigener Kraft nicht erwirtschaften.

Wie dramatisch die Situation ist, zeigt ein Blick in die Planbilanz, die ja bekanntlich im Doppelhaushalt veröffentlicht war. Der Wert der Sachanlagen sinkt von 2009 bis 2012 geplant von 726 000 Euro auf 419 000 Euro. Das ist fast eine Halbierung. Die DZB braucht angesichts dieser Entwicklung dringend mehr Geld.

Die von der Koalition in Punkt 2b in diesem Zusammenhang geforderte Prüfung, wie gegebenenfalls die anderen Bundesländer oder der Bund an der Finanzierung des Hauses beteiligt werden können, ist sicher nicht falsch. Aber zunächst ist diesbezüglich vor allem die Landespolitik gefordert.

Trotz dieser geschilderten Defizite wird DIE LINKE dem vorliegenden Antrag zustimmen, denn das sensible Thema DZB taugt nicht für parteipolitische Polemik.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Die SPD-Fraktion, bitte. Frau Abg. Kliese, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem schönen Ort, in dem ich geboren wurde – es handelt sich um Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern –, erinnern eine Gedenktafel und der Name des dortigen Gymnasiums an einen berühmten Sohn dieser Stadt. Es handelt sich um Oskar Picht. Wer war Oskar Picht?

Oskar Picht war der Erfinder der ersten Punktschriftmaschine für blinde Menschen. Im Jahr 1899 entwickelte er bereits diese Punktschriftbogenmaschine, und auch der erste sogenannte Punktschriftstreifenschreiber geht auf seinen Erfindungsreichtum zurück – also Streifen wegen des gerollten Papierstreifens, damit man sich das vorstellen kann.

Über 100 Jahre später hat sich die Nutzung von Medien und Kommunikationstechnik am Leben blinder und sehbehinderter Menschen geändert. Das ist bei ihnen nicht anders als bei Sehenden. Statt auf Oskar Pichts Schreibmaschine schreiben sie nun auf einer Braillezeile am PC. Der Lektüre dicker Braillebücher ziehen sie oft schon ein Hörbuch vor. Vor allem für spät Erblindete, die die Punktschrift nicht mehr erlernen können, ist der technische Fortschritt hier ein Segen.

Die deutsche Zentralbücherei für Blinde in Leipzig ist noch älter als die Schreibmaschine von Oskar Picht. 1894 gegründet, ermöglicht sie seit mehr als 100 Jahren die Teilhabe für blinde Menschen am Genuss von Belletristik und Fachliteratur. Unter ihrem Dach bewahrt sie nicht nur Braillebücher, sondern Reliefs, die es ermöglichen, die Welt auf taktilem Wege zu erschließen. Um sich von einer Landkarte in einem Atlas oder einer besonderen Blume eine Vorstellung zu machen, reicht in der DZB der Tastsinn aus. Zu den über 70 000 Medien zählen zudem auch die Braillenoten, die Herr Külow bereits ansprach, und dank des Projektes „DaCapo“ werden hier Schwarzschriftnoten in Braillenoten übersetzt und können somit den vielen blinden Musikern Zugang zur Musik ermöglichen.

Den Antrag von CDU und FDP begrüßen wir. Mit einer Weiterentwicklung und der dazugehörigen Datenerhebung sind wir durchaus einverstanden. Wir sind aber auch der Meinung, dass die DZB dies auch ohne diese Hinweise von CDU und FDP geschafft hätte.

(Beifall bei der SPD)

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abg. Herrn Dietmar Pellmann aus dem Jahr 2002 formulierte die Staatsregierung den Anspruch, die DZB solle ihre Abläufe auf IT-Verfahren umstellen, insbesondere bei der Herstellung digitaler Hörbücher. Dieser Forderung ist die DZB gerecht geworden dank DAISY. DAISY steht für Digital Accessible Information System. Das DAISY-Hörbuch ermöglicht es, Texte und Bilder zu verknüpfen und bis zu 800 Buchseiten auf eine CD zu bannen. Die DZB führt inzwischen 19 000 Hörbuchtitel im DAISY-Format.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von Louis Braille über Oskar Picht bis DAISY war es ein weiter Weg. Die Leipziger Zentralbücherei für Blinde hat ihn erfolgreich bestritten. Dafür gilt Herrn Dr. Kahlisch und seinen Kollegen unser herzlicher Dank, aber auch eine angemessene finanzielle Unterstützung des Freistaates.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Die Fraktion DIE GRÜNEN, bitte; Herr Dr. Gerstenberg.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir GRÜNE begrüßen es, wenn die DZB bei der notwendigen Weiterentwicklung und strategischen Planung unterstützt werden soll. Das dafür geforderte Konzept, das auf aktuellen Daten und einer Prüfung von Optimierungsmöglichkeiten beruhen soll, halten wir für vernünftig.

Im Antrag werden in der Tat relevante Punkte aufgeführt, wo eine Berichterstattung notwendig ist. So wäre es in der Tat wichtig zu erfahren, auf welchen Wegen sich neue Nutzergruppen erschließen lassen. Es geht hier ja auch um Menschen, die erst im Alter an Sehvermögen verlieren, häufig in Pflegeheimen leben. Diese zu erreichen ist nicht einfach. Es steht auch die Frage, wie die Kooperati

on mit den öffentlichen und den wissenschaftlichen Bibliotheken ausgebaut werden kann.

Wie können also die Kompetenzen der DZB noch besser in das Bibliotheksnetz integriert werden? Wie kann andererseits die DZB von den Kundenkontakten der anderen Bibliotheken profitieren? Auch das Netzwerk mit anderen Partnern, mit den Schulen, dem Schulbuchverlag und den öffentlichen Einrichtungen sollte auf weitere Potenziale hin untersucht werden.

Die Verbesserung der Barrierefreiheit bei den Informationsangeboten in Sachsen ist eine wichtige Aufgabe. Erlauben Sie mir deshalb an dieser Stelle eine Randbemerkung, denn sie passt direkt zum Thema. Blinde und Sehbehinderte haben große Probleme, wenn sie Drucksachen des Sächsischen Landtages abrufen wollen. Das sind eingescannte pdf-Dateien, die für sie nicht lesbar sind. Fangen wir doch bei uns selbst an, sorgen wir gemeinsam dafür, dass in unserem Hause eine Verbesserung in puncto Barrierefreiheit nicht weiter auf die lange Bank geschoben wird!

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Die zentrale Herausforderung für die DZB – um wieder darauf zurückzukommen – besteht darin, mit neuer Technik blinden und sehbehinderten Menschen einen Zugang zur digitalen Wissenswelt zu ermöglichen. Neben den bewährten Angeboten, den Büchern in Brailleschrift und den Hörangeboten im DAISY-Format – wir hörten bereits davon – müssen neue Standards entwickelt werden. Zum Beispiel sollen Texte auf gängigen Tablet-PCs und Smartphones über eine Braillezeile lesbar sein. Dazu gehören entsprechendes Streaming und Downloadangebote und außerdem neue Modelle im Umgang mit urheberrechtlichen Rahmenbedingungen, denn momentan würden mit diesen Angeboten auch deutlich höhere Kosten entstehen.

Die DZB hat in diesem Bereich eine enorme Entwicklungsarbeit zu leisten. Spätestens hier wird aber auch über Geld diskutiert werden müssen, also darüber, ob diese Aufgaben mit dem bestehenden Etat bewältigt werden können.

In diesem Zusammenhang spielt auch die Frage eine Rolle, wie groß der Anteil der Leistungen ist, den die DZB über Sachsen hinaus erbringt. Wenn ein erheblicher Teil der Nutzer aus anderen Bundesländern kommt, dann müssen wir überlegen, wie die anderen Länder oder der Bund stärker an der Finanzierung beteiligt werden können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verstehen den Antrag als eine Unterstützung der DZB und eine Bestätigung ihrer bedeutenden Leistung für blinde und sehbehinderte Menschen. Wir können Ihnen grundsätzlich zustimmen. In einem Punkt bin ich allerdings skeptisch. Dass mögliche Verbesserungen bei der Organisations- und Rechtsform ausgelotet werden, ist richtig. Aber wir sollten nicht schon wieder Rechtsformumwandlungen ins

Spiel bringen, ohne dass tatsächliche Vorteile benannt werden können.

Auch im Falle der DZB sind wir der Auffassung, dass zunächst alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollten, um in der bestehenden Rechtsform unternehmerisch flexibel zu arbeiten. Diese Möglichkeiten wurden bereits auch bei der Umwandlung der DZB in einen Staatsbetrieb betont. Ich zitiere als Kronzeugen den damaligen Staatsminister Dr. Matthias Rößler: „Dies schafft der Bücherei die notwendige Unabhängigkeit und Flexibilität für eine auf Eigenverantwortung orientierte Führung, gewährleistet andererseits jedoch auch die Umsetzung der staatlichen Fürsorgepflicht.“

Wir GRÜNE werden den Prozess konstruktiv begleiten. Wir halten es daher für erforderlich, dass das Konzept der DZB nicht nur vom Ministerium bewertet wird, sondern dass ihm ein Handlungskonzept der Staatsregierung folgt und auch der Landtag in Kenntnis gesetzt wird. Zu vernünftigen Ergebnissen werden wir darüber hinaus nur kommen, wenn der Prozess der Konzeptentwicklung von Anfang an fachlich begleitet wird und die Fachverbände einbezogen werden.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die DZB ist die einzige Einrichtung dieser Art in den ostdeutschen Ländern und überragt mit ihren umfassenden und leistungsstarken Angeboten andere Einrichtungen in Deutschland. Sie ist ein Vorzeigeprojekt, und sie ist es wert, dass wir uns für ihre Weiterentwicklung einsetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Frau Schüßler, NPD-Fraktion, bitte.

Danke, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich für die NPD-Fraktion begrüßen, dass wir uns heute im Plenum mit dem Staatsbetrieb Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig beschäftigen. Diese besondere Bibliothek hat es verdient, in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt zu werden.

Was uns allerdings etwas missfällt, ist der nörgelnde Unterton dieses Antrags. Ohne klare Fakten in der Begründung wird zwischen den Zeilen der DZB ein Entwicklungsrückstand unterstellt. Natürlich ist eine Verbesserung des Angebots in einer Bibliothek immer wünschenswert, aber das ist eben nicht zuletzt eine Geldfrage. Die Zuschüsse zum laufenden Betrieb aus dem Landeshaushalt haben sich in den letzten Jahren zwar zunächst erhöht, im Doppelhaushalt 2011/2012 stagnierten sie aber mit jeweils 3,3 Millionen Euro.

So wird es eine stärkere Bereitstellung von Fachliteratur, die im Antrag gefordert wird, realistischerweise nur dann geben, wenn entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden. Mit Buchpatenschaften und anderen Spenden allein wird das nicht zu bewältigen sein. Damit liegt der Ball wieder bei den antragstellenden Koalitionsfraktionen.

Ich bin gespannt, wie Ihre Vorschläge für den neuen Doppelhaushalt in Sachen DZB aussehen werden.

Da wir gerade von Geld reden, möchte ich positiv hervorheben, dass die Staatsregierung in dem Antrag aufgefordert werden soll zu prüfen, wie andere Bundesländer und der Bund an der Finanzierung beteiligt werden können. Das ist ein richtiger Gedanke, denn schließlich profitieren nicht nur Blinde im Freistaat Sachsen von der Zentralbücherei für Blinde. Ich befürchte allerdings, dass der Wille zur Beteiligung bei den genannten Stellen eher gering ausfallen wird.

Ebenfalls positiv bewerten wir das Anliegen, die DZB in die barrierefreie Gestaltung von Informationsangeboten einzubeziehen. Die DZB selbst hat im Auftrag der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen bereits die Broschüre „Sachsen barrierefrei“ als Hörfassung produziert, die unter anderem 340 barrierefreie Kultur- und Freizeiteinrichtungen in Sachsen vorstellt und zahlreiche barrierefreie Unterkünfte empfiehlt.

Meine Damen und Herren, da wir das Anliegen einer weiteren Stärkung der Deutschen Zentralbücherei für Blinde durchaus mittragen, wird die NPD-Fraktion trotz der Bedenken, die ich gerade angeführt habe, dem Antrag der Koalition zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Wer möchte von der CDU-Fraktion noch sprechen? – Gibt es noch jemanden, der gern zu dem Thema sprechen möchte? – Von den Fraktionen nicht. Wie sieht es bei der Staatsregierung aus? – Frau Ministerin, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig, die DZB, für die ich als Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst zuständig bin, erfüllt eine kultur- und bildungspolitisch wichtige Aufgabe. Sie leistet einen entscheidenden Beitrag zur kulturellen Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen am öffentlichen Leben. Ich begrüße daher das Interesse des Landtages an der Arbeit und auch an den Entwicklungsperspektiven dieser bedeutenden Einrichtung.

Die DZB ist die älteste öffentliche Blindenbücherei Deutschlands. Ihre Geschichte reicht bis 1894 zurück, als in Leipzig der Verein zur Beschaffung von Hochdruckschriften und Arbeitsgelegenheit für Blinde zu Leipzig gegründet wurde. Der Bedarf nach einer solchen Einrichtung besteht fort; auch mehr als hundert Jahre nach ihrer Gründung steigt er fortwährend an.

Die Nutzerentwicklung der DZB ist beeindruckend. Deren Zahl stieg zwischen dem Jahr 2000 und 2011 von 4 000 auf inzwischen 10 000 Nutzer. Dies wiederum verdeutlicht die wachsende Nachfrage nach Literatur für

blinde und sehbehinderte Menschen aus Sachsen, aber auch aus anderen Bundesländern.

Der DZB kommt dabei zunehmend überregionale Bedeutung zu. Neue Nutzergruppen der DZB ergeben sich vor allem aus dem demografischen Wandel – die Menschen werden immer älter – und den Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologien. Ein schwindendes Sehvermögen im hohen Alter bedeutet steigenden Bedarf an barrierefrei gestalteten Kommunikations- und Informationsangeboten, um weiterhin aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.