Protocol of the Session on January 25, 2012

Wenn Sie die Uhr für meine Redezeit anhalten, sehr gern.

Frau Jähnigen, ich habe eine Frage an Sie. Im Staatsministerium der Justiz und für Europa hat es mindestens eine Runde gegeben, in der über die Kosten informiert wurde. Wir haben ausführliche Informationsblätter bekommen, große Excel-Tabellen, wir haben CDs und wir haben ein Papier bekommen, das mit „Kosten und Einsparungen des Standortkonzepts des Freistaates Sachsen“ überschrieben ist.

Ihre Frage!

Wie kommen Sie zu der Behauptung, es hätten keine Zahlen vorgelegen und das Ganze sei im Blindflug erfolgt?

Herr Kollege, ich habe nicht behauptet, es hätten keine Zahlen vorgelegen. Es ist wahr, es liegen aufgrund der Großen Anfrage unserer Fraktion zum Standortkonzept sehr genaue Zahlen zur Istsituation vor. Ich erwarte immer noch, dass der Minister sich mal dafür bedankt. Aber das wird er heute sicherlich nicht schaffen.

Das Problem ist, dass auf eine konkrete Abschätzung der Folgekosten verzichtet worden ist. Ich weiß nicht, was ministeriumsintern diskutiert worden ist, aber die Zahlen, die uns vorliegen, enthalten diese Wirtschaftlichkeitsabschätzung nicht. Genau das habe ich kritisiert. Beide Minister haben mir auf meine Anfragen geantwortet, dass das nicht angestrebt sei. Der Chef des Staatsbetriebes, des Staatlichen Immobilienmanagements, hat das auch in der Anhörung noch einmal bestätigt: Wir sind damit beauftragt worden, die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung erst im Nachgang zur politischen Standortentscheidung festzustellen. – Das habe ich Ihnen vorgetragen. Das kritisiere ich. Ich hoffe, Sie haben es jetzt verstehen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Frage ist beantwortet.

Die Demotivation innerhalb der sächsischen Verwaltung steigt Woche für Woche, denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ebenso wie viele Bürger an den Standorten verunsichert. Sie sind frustriert, dass nicht über ein Personalentwicklungskonzept gesprochen wird, und sie sind sehr ärgerlich, dass Sie als Regierung von Gerüchten getrieben werden. Anstatt konkrete Vorschläge zu machen, wie Sie sich die Personalentwicklung vorstellen, müssen Sie Gerüchte von einer Wochenarbeitszeitverlängerung der Beamten und von Urlaubskürzungen dementieren. Bis heute hat die Regierung keine eigenen Vorstellungen zur Personalentwicklung zu bieten.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Auf diese Weise erzeugen Sie weder eine solide Haushaltswirtschaft noch eine solide Personalplanung. Sie lösen die demografischen Probleme eben nicht. Sie müssen sich schon mit den Aufgaben der Behörden auseinandersetzen. Für diese Milchmädchenrechnungen, die uns bei den Beratungen des Gesetzes vorgelegt worden sind, würde sich jedes Milchmädchen schämen. Milchmädchen können nämlich rechnen.

Aber auch die behauptete Stärkung der Regionen vor Ort tritt aus der Sicht unserer Fraktion nicht ein. Was nützen denn Standorte zentraler Behörden denjenigen, die den Verlust ihrer ortsnahen Verwaltungen kritisieren, zum Beispiel aufgrund der Kreisbildung in Döbeln? Was nützt die Festschreibung der Standorte für die Außenstelle der

Landesdirektion im Gesetz denen, die jetzt schon ihre behördlichen Ansprechpartner in den Außenstellen verlieren? Das sind – bezeichnend – wieder einmal die Umwelt- und die Naturschutzbehörden, die, wie wir wissen, schon in Chemnitz zusammengezogen werden. Wahrscheinlich werden andere Behörden folgen.

Ich will an dieser Stelle noch sagen, dass unsere Fraktion es nicht richtig findet, zweistufige Modelle zu verfolgen. Wir wollen die Landkreise zu lebendigen demokratischen Kommunen machen und nicht zu reinen Verwaltungsbehörden. Wir denken auch, dass wir Demokratisierung und nicht Zentralisierung brauchen.

Da sind wir schon bei der Demokratie. Um Bürgernähe und Transparenz in der demokratischen Verwaltung geht es bei Ihrer sogenannten Staatsmodernisierung überhaupt nicht. Umso wichtiger wird es sein, dass wir in Sachsen eine breite Debatte auch der Freiheits- und Informationsrechte der Bevölkerung durchführen. Ein Grund dafür ist gerade Ihre gutherrschaftliche Haushaltswirtschaft, die nicht wirklich nachhaltig ist und der Umsetzung der Schuldenbremse nicht hilft, sondern eine solide Finanzpolitik behindert. Sie legen die Kosten eben nicht offen, auch für die Bürger nicht. Man merkt an der Art und Weise, wie dieses Gesetz in den letzten Tagen diskutiert worden ist: Sie haben ganz schön abgewirtschaftet.

Offenbar hat es bis heute in der Koalition einen Kampf um die einzelnen Standorte gegeben. Nicht einmal innerhalb der Koalition scheint der Interessenausgleich wirklich als gelungen empfunden zu werden, auch wenn nach außen anderes versichert wird. Wie werden die Verlierer dieses Gesetzes in ihren Wahlkreisen die Ergebnisse erklären? Sie, Herr Meyer und Herr Lehmann, in Löbau, wo gleich drei Behörden wegfallen, die Abgeordneten aus Leipzig oder Sie, Herr Heidan, dessen Heimatstadt nun durch die vorgeschlagene Gerichtsreform nach der Kreisreform erneut abgewertet wird? Herr Kollege Hirche aus Hoyerswerda, wie sieht es da aus, wo sowohl Finanzamt als auch Staatsanwaltschaft verloren gehen, wo Hoyerswerda doch nach dem Entwurf des Landesentwicklungsplanes ein Oberzentrum sein soll? Wie sieht es aus mit Annaberg, Hainichen, Oschatz, Stollberg oder Wurzen?

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Schlecht sieht es aus!)

Sehr großen persönlichen Respekt möchte ich für die GRÜNE-Fraktion dem Abg. Schiemann für seinen Änderungsantrag in letzter Minute aussprechen. Unsere Unterstützung haben Sie. Wir werden sehen, wie es mit den anderen Abgeordneten aus dem sorbischen Siedlungsgebiet ist, mit Herrn Kollegen Tillich und Herrn Kollegen Mikwauschk. Nehmen Sie eigentlich in der CDUgeführten Koalition Ihren Vertrag noch ernst, in dem es heißt: „Die sorbische Sprache ist unverzichtbar zur Stärkung und Sicherung des sorbischen Lebens. Wir werden deshalb eine Konzeption zur Ermutigung und zur Belebung des Gebrauchs der sorbischen Sprache im öffentlichen Leben innerhalb des sorbischen Siedlungsgebietes erarbeiten und deren Umsetzung fördern.“

Ist das das Standortegesetz? – Gute Nacht!

Wie der federführende Minister die Relevanz für seine Justizarbeit einschätzt, haben Sie hören müssen: Er marginalisiert sie.

Insgesamt ist dieser Gesetzentwurf aus unserer Sicht unbrauchbar für eine echte Staatsmodernisierung. Er ist auch durch Änderungsanträge, diesen ausgenommen, nicht zu qualifizieren. Wir haben Ihnen konzeptionelle Vorschläge gemacht.

Wir werden heute dagegen stimmen und wir fordern Sie auf, eine Finanzpolitik zu machen, die wirklich sparen hilft und nicht nur ein teurer Bluff ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Nun die NPD-Fraktion, Herr Abg. Storr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einmal mehr liegt uns heute ein Gesetzentwurf vor, der unter Verwendung wohlklingender Worte zu verschleiern versucht, was längst unübersehbar ist: Der Freistaat Sachsen ist im Würgegriff von Schrumpfung und Niedergang, eine Entwicklung, der die Politik auch der letzten 20 Jahre durch eine familien- und volksfeindliche Politik Vorschub geleistet hat.

So ist es blanker Euphemismus, wenn Sie Ihren Entwurf „Gesetz zur Neuordnung von Standorten“ nennen; denn Sie ordnen nicht, meine Damen und Herren, Sie organisieren einen Schrumpfungsprozess mit absurden Konsequenzen. Verwaltungseinheiten sollen nun räumlich getauscht und verschoben werden. Ein Ordnungsprinzip lässt sich in den Planungen zu den künftigen Behördenstandorten nicht erkennen und selbst die Staatsregierung kann keine klaren Prinzipien nennen.

Was bekümmert Sie bei diesem Tun schon der Aufschrei Tausender Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die durch Ihre Neuordnung, sprich die Schließung, Umsetzung oder Reduzierung von Standorten, jeden Monat Hunderte Kilometer zusätzlich im Auto oder in der Bahn sitzen müssen, um einfach nur weiterhin arbeiten zu dürfen?

Was bekümmern Sie die Bürger des Freistaates, die durch Ihre sogenannte Neuordnung noch weitere Behördenwege haben und noch mehr vor Augen geführt bekommen, wie bürgerfern die sächsische Landesverwaltung agiert, ja, zu agieren gezwungen ist?

Was bekümmert Sie, ob diese angebliche Neuordnung nicht in der Lage sein wird, die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung bei immer weiter steigender Staatsverschuldung aufrechtzuerhalten?

Wahrscheinlich haben Sie in Ihren Schubladen schon die nächsten vermeintlichen Neuordnungskonzepte, die Sie uns in wenigen Jahren präsentieren werden, wenn auch die jetzt geplante Hilfs- und Notverwaltung von Ihnen nicht mehr finanziert werden kann. Statt aber nun diese mit mathematischer Notwendigkeit eintreffende Abwärts

spirale einzuräumen und die milliardenschwere Kapitalverschwendung endlich zu stoppen, gaukeln Sie den Bürgern des Freistaates etwas von Staatsmodernisierung und geändertem Kommunikationsverhalten vor.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Sie das Wort Reform zu vermeiden bemüht sind, weil spätestens seit Helmut Kohl jedermann weiß, dass Reform natürlich nur Verschlechterung bedeutet. Aber, ob Sie nun von Modernisierung oder von weit vorausschauender Planung sprechen – die Ergebnisse, die Sie mit diesem Gesetz schaffen wollen, werden, wenn sie denn umgesetzt wurden, längst überholt sein.

Zu Recht wurde in der Anhörung darauf hingewiesen, dass gerade Ihr eigenes Argument, der demografische Wandel, doch dazu zwingt, die Behördenentfernungen nicht immer noch größer werden zu lassen. Eine solche Kahlschlagpolitik erschwert nicht nur die eigentliche Arbeit der Verwaltung, sondern wird auch dem wachsenden Anteil älterer Menschen im Freistaat Sachsen in keiner Weise mehr gerecht. Was erzählen Sie den Müttern und Vätern, die Sie durch Ihr Neuordnungsgesetz zu noch längeren Arbeitswegen zwingen, zu noch weniger Zeit für ihre Kinder, zu noch höheren Arbeitskosten und damit zu einer weiteren realen Gehaltskürzung? Wie ist Ihr Neuordnungsgesetz mit der Rechtsstaatsgarantie zu vereinbaren, wo Sie durch Ihre Kürzungen und Streichungen den Zugang des Bürgers und der Wirtschaft zu Recht und Rechtsprechung nachhaltig erschweren?

Verstehen Sie unter Neuordnung, dass in entlegenen ländlichen Gebieten Sachsens künftig Faustrecht und Straßenjustiz regieren, Phänomene, denen Sie dann auch noch mit dem Abbau der Polizei begegnen wollen?

Wie passt es in Ihr Neuordnungskonzept, dass alle Ihre Maßnahmen, wie die Sachverständigen belegt haben, nicht nur für die betroffenen Mitarbeiter und Bürger, sondern sogar für die Verwaltung und damit den Freistaat selbst zu weiter steigenden Kosten führen werden, wenn Effizienz eben gerade nicht durch den Rückzug aus der Fläche zu erreichen ist? Wo liegt der Sinn eines solchen Amoklaufs am öffentlichen Dienst, wenn schlechtere Strukturen am Ende noch mehr Geld verschlingen?

Der Freistaat Sachsen ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten hin und her reformiert worden. Doch weder die zurückliegenden Kreisgebietsreformen noch die Reformen der Gemeindegebiete haben letztendlich zu einer finanziellen Entlastung geführt. Darüber hinaus übersehen all Ihre Konzepte der steten Ausdünnung in Qualität und Quantität, dass die Verwaltungsarbeit von irgendwem gemacht werden muss. Die Zeit, da der öffentliche Dienst wegen seiner Effizienz und Bürgernähe von vielen anerkannt wurde, soll wohl nun ihr Ende finden?

Weitere Kahlschläge vorzunehmen bedeutet nicht nur, dass sich der jetzt schon massive Unmut der Bediensteten weiter steigern wird. Das wird letztlich die Arbeitsüberlastung und damit den Krankenstand im öffentlichen Dienst zu neuen Spitzen führen, die abermals mit Millionen Euro zu Buche schlagen.

Wenn aber erst einmal der Schlendrian im staatlichen Finanzwesen Einzug gehalten hat, ist der Niedergang der Verwaltung nur noch eine Frage der Zeit. Wenn Sie inzwischen Referenzobjekte wie den Landesrechnungshof von der Großstadt Leipzig in das ländliche Mittelsachsen geradezu strafversetzen wollen, dann ist das symbolhaft für Ihr Verständnis von Neuordnung.

Wenn wir hingegen als Nationaldemokraten den Begriff Neuordnung verwenden, dann verstehen wir darunter eben nicht einen Kahlschlag, einen Raubbau oder eine weitere Zerstörung des Arbeits- und Lebensgefüges, sondern im Gegenteil eine Rückbesinnung auf das organisch Gewachsene, auf das für unser Volk Sinnvolle und Notwendige und vor allem einen Angriff auf die eigentlichen Ursachen der Finanznot.

Sie, meine Damen und Herren, betreiben hingegen eine Politik der Kopfschmerztabletten, die eigentliche Übel niemals heilen, sondern nur über den Niedergang hinwegtäuschen, so lange, bis auch Ihre sogenannten Neuordnungskonzepte die Wahrheit nicht mehr verbergen können, dass nämlich der Freistaat Sachsen und die Bundesrepublik Deutschland durch Ihre Politik und das Unwesen der noch immer herrschenden, ewig gleichen Kartellparteien systematisch entvitalisiert und dem Volks-, Kultur- und Wirtschaftstod überantwortet werden.

Die NPD aber wird sich einer Entwicklung, die planvoll im Ungeist der 68er- Volksfeinde die Abwicklung unseres Landes und unseres Volkes betreibt, entgegenstellen und für eine geistige und politische Wende in unserem Land und für unser Volk arbeiten.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist nur ein Baustein des verwaltungstechnischen Vollzugs des Niedergangs unserer Heimat. Die NPD-Fraktion lehnt deshalb diesen Gesetzentwurf ab.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Wir beginnen mit der zweiten. – Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Mackenroth. Herr Mackenroth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich allein mit einer Frage auseinanderzusetzen: Sind die Rechte unserer sorbischen Bevölkerungsgruppe durch die im Standortegesetz vorgesehene Zusammenlegung der Landgerichte Görlitz und Bautzen verletzt?

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Die Antwort heißt: Ja!)

Nach meiner Rechtsauffassung, Herr Dr. Hahn, ist die Frage zu verneinen.

Was ist Anlass für diese Frage?

Aus der Anhörung zum Standortegesetz ist bekannt, dass ein Sachverständiger in der heute behandelten Regelung

zu den Landgerichten Görlitz und Bautzen einen Verstoß gegen höherrangiges Bundesrecht und gegen die Sächsische Verfassung sowie einfaches Landesrecht des Freistaates sieht. Diese Auffassung wird nach den Angaben eines Mitgliedes des Bundestages durch ein Gutachten der Bundestagsverwaltung bestätigt. Ihr widerspricht ein Gutachten des Juristischen Dienstes unseres Landtages vom 1. Dezember 2011, das mir bekannt ist. Demgegenüber ist es mir trotz vielfältiger Bemühungen nicht gelungen, das zitierte Gutachten der Bundestagsverwaltung zu bekommen. Das ist höchst merkwürdig. Dieses Gutachten ist schlicht nicht verfügbar. Solange ich es nicht gesehen habe, kann ich mich damit auch nicht auseinandersetzen.