Der verbringt wahrscheinlich sein Leben nur im Dienstwagen und auf dem Abgeordnetenstuhl im Landtag.
Wir halten das Standortegesetz aus diesen Gründen für keine gute Entscheidung, denn Ihre grundsätzliche Antwort auf die Herausforderungen hinsichtlich der demografischen Entwicklung und des finanziellen Rahmens, die wir in Sachsen unbestritten haben, ist Zentralisierung. Das halten wir für eine völlig falsche und vormoderne Antwort. Es ist im Gegenteil vernünftiger, kleine flexible und dezentral angeordnete Verwaltungseinheiten zu schaffen. Das haben wir in den Anhörungen mitbekommen, ganz gleich, ob aus dem Bereich der Justiz, der Finanzverwaltung oder der Polizei. Das ist der vernünftigere Weg. Deswegen werden wir den Gesetzentwurf in dieser Form ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns Politikern wird oft zweierlei vorgeworfen: Wir denken nicht über Wahlperioden hinaus und sind nicht bereit, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Mit dem vorliegenden Standortegesetz beweisen wir das Gegenteil.
Wir haben uns in der Regierungskoalition ein klares Ziel gesetzt: Wir wollen im Jahr 2020 fit sein, um auf eigenen finanziellen Füßen zu stehen. Meine Vorredner haben es ausgeführt. Die Solidarpakt-II-Mittel laufen aus, die Fördermittel aus der EU gehen zurück und wir haben einen ganz gewaltigen demografischen Wandel. Beides bedingt, dass wir einen Personalabbau um 17 000 Stellen vornehmen müssen. Das bekommt man nicht ohne weiteres hin, sondern man muss sich auch Gedanken über die Standorte machen.
Frau Friedel, wir werden unser Versprechen zur Verwaltung halten. Unsere Bürger erwarten auch in Zukunft eine leistungsfähige Verwaltung vor Ort, die den Bedürfnissen der Menschen entspricht. Aber diese Bedürfnisse wandeln sich. Wir haben eine Verwaltung, wie sie in den Neunzigerjahren für eine Bevölkerung von 4,5 Millionen Einwohnern konzipiert wurde. Heute sind noch 60 % der Einwohner im erwerbsfähigen Alter, demnächst werden es nur noch 53,5 % sein.
Zukünftig werden 1,2 Millionen Menschen älter sein als 65, und die Bevölkerungszahl insgesamt wird auf ungefähr 4 Millionen zurückgehen. Da kann man nicht die Augen zumachen und sagen, wir erhalten den Standard, wir erhalten die Standorte und wir ändern nichts, sondern da muss man sich dieser Aufgabe annehmen und ein Gesamtkonzept machen.
Frau Friedel, Sie haben gesagt, wir würden zentralisieren. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir zentralisieren würden, hätten wir es uns leicht gemacht. Dann hätten wir die öffentliche Verwaltung in Dresden, Leipzig und vielleicht noch Chemnitz konzentriert. Wir haben aber genau das Gegenteil getan: Wir haben mit dem Standortegesetz ein klares Bekenntnis zu allen Teilen des Freistaates abgegeben.
Herr Gebhardt, Sie haben freundlicherweise meinen Namen als den des Koalitionsabgeordneten nicht genannt, der Ihnen unterschiedlich geantwortet hat. In den Diskussionen ist mir klar geworden, dass diese Standortfragen im Gesetz für die Landesdirektionen ein wichtiger Punkt sind. Ich habe Ihnen bei meiner ersten Antwort, weil ich Ihr Anliegen teile, geantwortet, dass eine zweistufige Verwaltung der bessere Ansatz ist. Niedersachsen hat diesen Ansatz gewählt. Ich bin ein Verfechter dieses Ansatzes, aber wenn wir uns bislang nicht auf diesen
zweistufigen Ansatz verständigen können, muss man auch so konsequent sein und die drei Standorte hineinschreiben. Deshalb habe ich meine Meinung dazu geändert. Das möchte ich hier deutlich sagen.
Ich möchte ein paar Beispiele dafür nennen, dass wir nicht zentralisiert haben. Ich nenne die Amtsgerichte. Es bleiben Außenstellen für die Bürger in den Amtsgerichten Löbau, Oschatz, Hainichen und Stollberg bestehen. Jedes Amtsgericht wäre zukünftig allein viel zu klein, um die Aufgaben für die Bürger zu erledigen. Deshalb bleiben Außenstellen, damit der Bürger dort hingehen kann. Das Amtsgericht Weißwasser wird zukünftig so klein sein, dass man es an sich nicht mehr vertreten kann, es aufrechtzuerhalten. Wir erhalten es trotzdem. Und da sprechen Sie, Frau Friedel, von einer Schwächung des ländlichen Raums? Ich kann das nicht nachvollziehen.
Wir haben auch unpopuläre Entscheidungen getroffen. Frau Friedel, das von Ihnen geschilderte Problem mit der alleinerziehenden Mutter haben wir sehr wohl im Auge gehabt. Wir wissen, dass das gerade für die Mitarbeiter zu Problemen führt. Aber ich bitte Sie, auch einmal zu bedenken, was Mitarbeitern in Umstrukturierungsprozessen in der Privatwirtschaft zugemutet wird, was es heißt, wenn man bei einem normalen Unternehmen wie einer Bank oder einer Versicherung arbeitet, was da von den Mitarbeitern verlangt wird.
Zeitweise hatte ich in der Diskussion das Gefühl, das ganze Standortegesetz würde sich nur um einen einzigen Gerichtsstandort drehen. Dazu möchte ich nur zwei Punkte sagen: Wir schließen dort kein Gericht. Wir stellen zwei Gerichtsstandorte unter eine gemeinsame Leitung. Das sorbische Volk hat in seiner Sprache weiter Zugang zur ordentlichen Gerichtsbarkeit am gleichen Standort und mit den gleichen Menschen, die auch heute dort tätig sind.
Lassen Sie mich auch ein paar Worte zum Rechnungshof sagen. Auch dazu hatten wir eine öffentliche Diskussion, bei der ich mich gefragt habe, was die Aufgaben des Rechnungshofes sind. Döbeln wird der neue Sitz des Rechnungshofes. Damit stärken wir ein Mittelzentrum im Herzen Sachsens an einem Standort, wo hochqualifizierte Mitarbeiter vorhanden sind. Herr Gebhardt, der Rechnungshof ist nicht der Auslöser für das Behördenroulette, wie Sie das geschildert haben, sondern es sind die Finanzämter.
Wir haben bei den Finanzämtern eine Entscheidung getroffen, die konsequent die Verwaltungsstrukturreform, die in der letzten Legislaturperiode unter SPD-Beteiligung vorgenommen wurde, zu Ende führt. Wir haben gesagt,
jeder Landkreis soll zukünftig ein Finanzamt haben. Auch das ist ein Bekenntnis zur Dezentralität. Man hätte das auch anders machen können.
Diese Finanzämter zeigen uns eines, wenn wir uns das heute anschauen: Rückläufige Einwohnerzahlen und der ansteigende Altersdurchschnitt der Bevölkerung führen zu einem deutlichen Rückgang der Steuerfälle. Darauf muss man reagieren. Schon heute hat das kleinste Finanzamt in Sachsen nur 64 Vollzeitstellen. Solche Strukturen sind langfristig nicht mehr tragfähig, und da ist es eine Aufgabe von verantwortungsvoller Politik, sich auch über die Strukturen in den Finanzämtern Gedanken zu machen.
Es ist immer schön zu sagen, moderne Kommunikationsstrukturen erfordern eine andere Verwaltung. Gerade bei den Finanzämtern haben wir dafür ein konkretes Beispiel. 400 000 Bürger in Sachsen machen heute ihre Steuererklärung online. Denen ist es völlig egal, wo ihr Finanzamt seinen Sitz hat. Das Finanzamt sitzt am Schreibtisch, nämlich dort, wo der Internetanschluss ist.
Aus diesen beiden Gründen ist es eine gute Entscheidung, im Erzgebirgskreis aus vier Finanzämtern nur eines zu machen. Wir sorgen dafür, dass die Immobilien weiter genutzt werden, und integrieren diese Entscheidungen in unser Standortkonzept. Und wir tun noch eines: In Schwarzenberg wird ein Spezialsteueramt geschaffen. Wir haben als FDP leider noch keine Verbündeten dafür gefunden, eine Steuervereinfachung zu machen. Dann bräuchten wir dieses Finanzamt nicht. Aber wenn wir schon ein so kompliziertes Steuersystem haben, dann konzentrieren wir die Spezialfälle an einem Standort, und auch da nehmen wir wieder einen dezentralen Standort.
Kommen wir zur SAB. Als Dresdner Abgeordneter könnte ich mich jetzt hier hinstellen und sagen: Das ist das Letzte, was wir da machen. Da geht eine Bank nach Leipzig, und da soll ein Finanzplatz gestärkt werden. Geschenkt! Den Finanzstandort Leipzig gibt es nicht mehr.
Aber ich sage auch deutlich, dass wir den Mitarbeitern der SAB etwas zumuten. Frau Friedel, was Sie für die Finanzamtsmitarbeiter angesprochen haben, gilt für die SAB-Mitarbeiter ganz genauso. Betriebswirtschaftlich allein rechnet sich das nicht. Aber trotzdem ist die Entscheidung wichtig. Sie ist wichtig und richtig, um eine Ausgewogenheit und einen Ausgleich zwischen den Regionen und zwischen den unterschiedlichen Städten in Sachsen hinzubekommen. Deshalb stehen wir auch zu dieser Entscheidung.
Es liegt für das Gesamtkonzept ein bauliches Umsetzungskonzept vor. So viel zur weitschauenden Planung. Es ist nicht einfach nur eine Entscheidung, bei der wir sagen: Na ja, schauen wir einmal, wie wir damit umgehen. Es ist eine Entscheidung, wie die Maßnahmen abgewickelt werden, welcher Standort zuerst umziehen
Meine Vorredner sind schon auf die Kosten eingegangen, die wir ersparen. Ich möchte eine Zahl nennen. Allein in der Restrukturierungsphase, die bis 2020 geht, sparen wir 842 Millionen Euro. Auch wenn die Personalkosten das Wichtigste, der größte Posten bei den Einsparungen sind, so bringt jede eingesparte Personalstelle auch eine Einsparung an Sachkosten mit sich. Man braucht weniger Räume, man braucht weniger PCs, man braucht weniger Datenleitungen usw. Deshalb ist das auch ein aktiver Beitrag dazu, unsere Staatsfinanzen zu finanzieren.
Herr Gebhardt und Frau Friedel, wenn Sie sagen, wir würden Staatsabbau betreiben, und dies als etwas Negatives ansehen, sage ich Ihnen ganz deutlich: Die FDP sieht einen Abbau von Staatsaufgaben als etwas Positives an. Wir brauchen weniger Staat, wir brauchen mehr privat!
Meine Damen und Herren, wir legen heute mit der Regierungskoalition ein Gesamtkonzept vor, das bis 2020 und darüber hinaus gilt. Wir haben ein ausgewogenes Konzept erstellt, das die Interessen vieler Regionen berücksichtigt. Ich denke, es ist mit den vorliegenden Zahlen ein zustimmungsfähiges Konzept.
Meine Damen und Herren, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abg. Jähnigen. Frau Jähnigen, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Beratungen zum Standortegesetz sind ein politischer Offenbarungseid für die CDU-geführte Koalition. Sie halten uns hier mit großen Gesten Vorträge über die Aufnahme der Schuldenbremse in die Verfassung und über gute Haushaltsführung, und jetzt beschließen Sie ein tatsächlich einmaliges Umzugsgesetz ganz bewusst ohne Kostenprognose. Ganz bewusst!
Unsere gute Finanzverfassung, die wir in Sachsen schon haben, verbietet in Artikel 97 genau das, nämlich Mehrausgaben ohne Kenntnis, ohne Vorschläge für die Deckung. Bewusst haben Sie in den Gesetzesberatungen auf Prognosen verzichtet. Das ist durch unsere Große Anfrage und durch unsere Nachfragen an den Tag gekommen. Sie wollen also heute diese erheblichen Mehrausgaben im Blindflug beschließen. Das ist ein Verstoß gegen die Verfassung. Sie treten unsere Finanzverfassung mit Füßen!
Sie zeigen damit, dass die Diskussion um die Schuldenbremse, die Sie führen, nur eine symbolische ist. Die Schuldenbremse realisieren Sie so nicht. Das wird noch einmal ganz deutlich in der Antwort der Regierung auf meine Kleine Anfrage, Drucksache 5/8000, vor zwei Tagen ausgereicht. Dort heißt es – ich erlaube mir, das im Regierungssprechdeutsch zu zitieren –: „Rein vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass mit der Entscheidung zum Standortegesetz keine automatische Entscheidung zu den baulichen Kosten erfolgt. Die konkreten einzelfallbezogenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen werden im Rahmen der Aufstellung des jeweiligen Haushaltsplanes nach den Vorgaben der Sächsischen Haushaltsordnung dargestellt und im Rahmen der jeweiligen parlamentarischen Behandlung der dann zu verabschiedenden Landeshaushalte zu diskutieren und zu beraten sein. Die gesetzgeberische Handlungsfreiheit ist in jedem Zeitpunkt gewahrt.“
Minister Martens raunt: So ist es! – Was bedeutet das dann? Soll der Sächsische Landtag dann die Standorteentscheidung von heute mit Einzelfallgesetzen wieder zurückdrehen, wenn er die Kosten kennt? Nennen Sie das seriöse Haushaltsplanung? Oder wollen Sie dann lauter einzelne Gesetze beschließen? Warum jetzt der politische Beschluss vorher, ohne die Kosten zu kennen?
Sie begründen das mit den angeblichen Einsparungen. Aber diese kommen so nur zustande, weil Sie die Stellenstreichungen, die im letzten Haushalt schon beschlossen worden sind, mit den Mehrkosten der Umzüge, die ohnehin unterschätzt werden, verrechnen. Das heißt, wir sparen Personal ein, um dieses Umzugskonzept zu finanzieren? Sie verrechnen Personalkosten mit Sachkosten? – Seriös ist das nicht und ich glaube auch, es demotiviert das Personal. Sie sparen dort ganz ohne Konzept und klotzen bei den Sachkosten, als ob wir nicht jeden Euro im Land dreimal umdrehen müssten. Nein, die Schuldenbremse realisiert man so nicht, sondern durch Ausgabendisziplin. Stimmt, Herr Finanzminister, nur, warum haben Sie das hier nicht eingefordert, warum helfen Sie, das schönzureden?