zu den Landgerichten Görlitz und Bautzen einen Verstoß gegen höherrangiges Bundesrecht und gegen die Sächsische Verfassung sowie einfaches Landesrecht des Freistaates sieht. Diese Auffassung wird nach den Angaben eines Mitgliedes des Bundestages durch ein Gutachten der Bundestagsverwaltung bestätigt. Ihr widerspricht ein Gutachten des Juristischen Dienstes unseres Landtages vom 1. Dezember 2011, das mir bekannt ist. Demgegenüber ist es mir trotz vielfältiger Bemühungen nicht gelungen, das zitierte Gutachten der Bundestagsverwaltung zu bekommen. Das ist höchst merkwürdig. Dieses Gutachten ist schlicht nicht verfügbar. Solange ich es nicht gesehen habe, kann ich mich damit auch nicht auseinandersetzen.
Durch das Standortegesetz wird das bisherige Landgericht Bautzen Außenstelle des Landgerichts Görlitz. In Görlitz wird künftig die Gerichtsverwaltung für beide Standorte konzentriert. Es gibt künftig für beide Standorte nur noch ein Präsidium, das über die richterliche Geschäftsverteilung entscheidet. Im in Görlitz angesiedelten Präsidium des künftigen einheitlichen Landgerichts sind die Richter aus Bautzen ebenso vertreten wie die aus Görlitz. Sie werden darauf achten, dass ihre Rechte gewahrt bleiben.
Die Standorte Görlitz und Bautzen bleiben erhalten. Für die Bürgerinnen und Bürger ändert sich nichts, nachdem auch die Einrichtung und der Erhalt bestimmter Außenkammern im Gesetz festgeschrieben ist.
Ausgangslage für meine Überlegungen ist das Gesetz. Ich erkenne drei denkbare Vorschriften, die verletzt sein könnten.
Erstens, Verstoß gegen Artikel 6 unserer Sächsischen Verfassung. Ich lese ihn mal vor, erstens, weil er schön ist, und zweitens, weil wir dann auch wissen, worüber wir reden:
Absatz 1: „Die im Land lebenden Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit sind gleichberechtigter Teil des Staatsvolkes. Das Land gewährleistet und schützt das Recht auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege und Entwicklung ihrer angestammten Sprache, Kultur und Überlieferung, insbesondere durch Schulen, vorschulische und kulturelle Einrichtungen.“
Absatz 2: „In der Landes- und Kommunalplanung sind die Lebensbedürfnisse des sorbischen Volkes zu berücksichtigen.“
(Klaus Bartl, DIE LINKE: Der nächste Satz: Siedlungsgebiet! – Stefan Brangs, SPD: Noch ein Satz mehr, da wird es klarer!)
Stellen Sie doch eine Zwischenfrage, ist doch viel einfacher! Bei Ihnen bin ich nicht so richtig multitaskingfähig. Ich muss mich immer auf das konzentrieren, was mir am nächsten liegt.
Danke, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Mackenroth. – Ich habe eine Frage. Der geneigte Jurist zitiert meistens vollständig. Der nächste Satz in dieser Bestimmung lautet dann: „Der deutschsorbische Charakter des Siedlungsgebietes der sorbischen Volksgruppe ist zu erhalten.“ Meines Wissens geht der Streit bei der Frage, ob das Sorbische vor allem in Bautzen verhandelt wird, um die Frage, wo das Siedlungsgebiet liegt.
Meine Frage ist, warum Sie nicht den Satz, in dem die Verfassung auf das Siedlungsgebiet abzielt, hier wiedergeben.
Die Verfassung stellt natürlich auf das Siedlungsgebiet ab. Das war mir bekannt. Ich zitiere nachher noch zwei andere Vorschriften, Herr Bartl. Die zitiere ich auch nicht vollständig, sondern in den entscheidenden Sätzen.
Die erste Frage war also der Verstoß gegen Artikel 6 der Sächsischen Verfassung. Diese Bedenken nehmen wir ernst. Die Schließung des Landgerichts Bautzen bzw. das Zusammenlegen mit Görlitz beeinträchtigt und verringert – das kann man überhaupt nicht in Abrede stellen – die Möglichkeit und das Recht der sorbischen Bevölkerung, in ihrem Siedlungsgebiet im öffentlichen Leben Sorbisch zu sprechen.
Und zwar gilt dies natürlich unabhängig davon, dass dieses Recht in der Praxis der letzten Jahre praktisch nicht in Anspruch genommen worden ist. Die jetzt vorgesehene Regelung entspricht daher nur dann unserer Verfassung, wenn die Belange der sorbischen Bevölkerung mit den Zielen des Gesetzes sorgfältig und ordnungsgemäß abgewogen werden. Dies sagt so auch das Gutachten
unseres Juristischen Dienstes. An dieser Abwägung fehlte es ursprünglich der Gesetzesbegründung. Diese Abwägung hat der Ausschuss mittlerweile umfangreich nachgeholt. Ergebnis dieser Abwägung ist der Änderungsantrag der Regierungskoalition und ich kann auch insoweit auf die Ausführungen der Kollegen Kirmes und Biesok verweisen.
Also ich jedenfalls erkenne keinen Verstoß gegen unsere Sächsische Verfassung, auch entgegen den unterschwelligen Angaben im Änderungsantrag des Abg. Schiemann, der bereits zitiert worden ist.
Zweite Frage: Verstoß gegen § 184 GVG. Auch den, Herr Bartl, lese ich jetzt vollständig vor, damit Sie keine Zwischenfrage stellen müssen. Da heißt der erste Satz wunderbar apodiktisch: „Die Gerichtssprache ist
deutsch.“ Das ist der Grundsatz. Dann kommt die auf dem Einigungsvertrag basierende Ausnahme: „Das Recht der Sorben, in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung vor Gericht sorbisch zu sprechen, ist gewährleistet.“
Dieses Recht, meine Damen und Herren, wird durch die Zusammenlegung der Gerichtsverwaltungen nicht beeinträchtigt. Auch künftig kann in allen Gerichten in den sorbischen Heimatkreisen Sorbisch gesprochen werden. Die zitierte Vorschrift gibt nämlich – und hier liegt offenbar das Missverständnis – keinen Anspruch darauf, dass in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung bestimmte Gerichte vorgehalten werden müssen. Es muss dort von Gesetzes wegen schon nach dem Wortlaut unserer Vorschrift kein Arbeitsgericht, kein Finanzgericht, kein Oberlandesgericht und auch kein Oberverwaltungsgericht eingerichtet werden.
Für diese Frage sind allein Gesichtspunkte der Gerichtsorganisation maßgebend. Ebenso wenig enthält § 184 GVG ein Verbot für den Gesetzgeber, Gerichtsstandorte in den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung zu schließen.
Dritte mögliche Rechtswidrigkeit könnte in § 9 des Sorbengesetzes verankert sein. Das zitiere ich wieder auszugsweise, Herr Bartl, um auch Ihre Zeit nicht übermäßig in Anspruch zu nehmen. Sie wissen, dass das eine sehr lange Vorschrift ist. Also: „Im sorbischen Siedlungsgebiet“, so heißt das Gesetz, „haben die Bürger das Recht, sich vor Gerichten des Freistaates Sachsen der sorbischen Sprache zu bedienen.“
Hier gilt das, was ich eben zu § 184 GVG gesagt habe: Das Recht, Sorbisch zu sprechen, besteht zusätzlich zu den Heimatkreisen auch im sorbischen Siedlungsgebiet. Auch dieses Recht bleibt uneingeschränkt erhalten. Im Übrigen hat die zitierte Vorschrift, § 9 unseres Sorbengesetzes, keinen Regelungsgehalt im Hinblick auf die im sorbischen Gebiet zugelassenen Sprachen, weil unserem Freistaat hierfür die Gesetzgebungskompetenz fehlt, wenn
und soweit der Bundesgesetzgeber diese Frage im Gerichtsverfassungsgesetz abschließend geregelt hat. Also auch hier keine Rechtswidrigkeit.
Meine Damen und Herren! Aus meiner Sicht ist über diese streng juristische Betrachtung hinaus die Zusammenlegung der Verwaltungen der beiden Landgerichte und damit die Aufgabe eines Standortes, die ja nicht passiert, aber eines organisatorischen Standortes, nicht nur aus den allgemein für das Standortegesetz bereits angeführten Gründen, sondern auch justizorganisatorisch sinnvoll. Denn: Beide Landgerichte sind so klein, beschäftigen so wenig Richter, dass zwar nicht derzeit, aber perspektivisch nicht an jedem einzelnen Landgericht in allen Fachbereichen die Qualität der richterlichen Arbeit angeboten werden kann, auf die unsere Bürgerinnen und Bürger einschließlich der Sorben einen Anspruch haben. Dem kann durch eine künftig mögliche einheitliche Geschäftsverteilung für beide Standorte nachhaltig begegnet und entgegengewirkt werden.
Es ist auch besser – so hat es unser OLG-Präsident Hagenloch in der Anhörung gesagt – gerichtsorganisatorisch etwa in den Fällen der Krankheit handhabbar. Es geht hier nicht darum, Geld zu sparen. Qualität, meine Damen und Herren, geht auch in der Justiz vor Regionalpolitik.
Dies dient – wie das gesamte Standortegesetz – den wohlverstandenen Interessen aller in beiden Kreisen Bautzen und Görlitz lebenden Menschen. Deshalb halten wir auch den heute auf den Tisch gelegten Änderungsantrag des Kollegen Schiemann, der krankheitsbedingt entschuldigt ist, zwar für zulässig, allerdings in der Ziffer 1 für inhaltlich unzutreffend. Aus diesem Grund wird meine Fraktion diesen Änderungsantrag ablehnen.
In Ziffer 2 ist der Änderungsantrag überflüssig, weil wir eine feste Zusage unseres Justizministers haben, dass in Stollberg, in Hainichen, in Löbau und in Oschatz Außenstellen der Amtsgerichte Aue, Döbeln, Zittau und Torgau errichtet werden bzw. aufrechterhalten bleiben. Mir ist eine solche Zusage, die die Außenstellen künftig mit Leben erfüllt, wichtiger als eine Zweigstelle, die auf dem Papier im Gesetzblatt steht und die zum Tode verurteilt ist. Aus diesem Grunde bleiben wir dabei: So soll es sein.
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Marko Schiemann kann sich nun leider zu seinem eigenen Antrag als Sorbe hier nicht selbst vertreten und verteidi
Ich möchte noch einmal etwas anderes zu verfassungsrechtlichen Aspekten dieses Gesetzes sagen. Zunächst sage ich eingangs noch einmal: Kollegin Friedel und Kollege Gebhardt haben es hier getan. Es ist selten in diesem Landtag ein Fall aufgetreten, wo bei einem Gesetz das Pferd so von hinten aufgesattelt wurde, wie bei diesem Standortegesetz. Es ist nochmals ausdrücklich zu betonen: Es gibt überhaupt keinen Streit, dass auch wir in Sachsen die Verwaltung, eingeschlossen die Justiz, sukzessive an die demografischen, die finanziellen und sonstigen Gegebenheiten anpassen müssen, mit denen wir in den künftigen Jahrzehnten umzugehen haben, und die dazu notwendige Gesetzgebung einen Weg wählen muss, an dessen Beginn eine unaufgeregte, zielorientierte – wie wir meinen, auch eine vor allem ressortkompetente und gemeinwohlkomplexe – Funktionalkritik stehen muss.
Genau diese Ebene lässt die Gesetzesvorlage und die Gesetzesanlage entsprechend vermissen. Sie versprechen im Standortegesetz im Vorblatt, es stünde unter der Zielstellung, das veränderte Kommunikationsverhalten der Bürger, die Erwartungen der Wirtschaft, die demografischen Herausforderungen und die finanziellen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen. Das sind die vier Erklärungen, weshalb Sie dieses Gesetz machen.
In den Debatten, in den Ausschüssen – eingeschlossen die umfängliche Expertenanhörung – haben wir vergeblich gegraben, was Sie denn unter „verändertem Kommunikationsverhalten der Bürger“ verstehen. Wo es im Konkreten angesetzt ist, das zu definieren, müssten Sie ja erläutern, gesetzesbezogen, was gemeint ist. Sie haben von den wenigen Vertretern der Wirtschaft, die tatsächlich in die Beratung des Gesetzentwurfes einbezogen worden sind, keine positive Bescheinigung bekommen. Ich erinnere nun an die Vertreterin der IHK Plauen/Vogtland, die hier als Expertin gehört worden ist.
Überall dort, wo es um die Frage finanzieller Rahmenbedingungen und die schlichte Frage ging, was die sogenannte Reform der Behördenlandschaft, sprich der Verwaltung der Justiz sowie weiterer angrenzender Bereiche, kosten wird, was sie an Einsparungen bringen und gegebenenfalls lang- und mittelfristig an Mehraufwendungen bereiten wird, war die Staatsregierung allenfalls partiell auskunftsfähig bzw. waren die Auskünfte höchst ärmlich.