Das würde draußen falsch aufgefasst werden. Die Leute erwarten Lösungen und keine gegenseitigen Schuldzuweisungen. Das ist ein Thema. Wenn es eine Schuldzuweisung gibt, müssten wir diese ein Stück weit in die Richtung der Staatsregierung formulieren – mehr aber auch nicht.
Zweitens sprechen wir einmal über die Vergangenheit: Es war über die Fraktionen bis hin zu den Oppositionsfraktionen hinweg unstrittig – auch bei der FDP, als sie in der Opposition war –, dass wir Lehrern, die zu viel vorhanden waren, nicht kündigen. Wir haben alle Lehrer über 20 Jahre im System gehalten. Wir haben Teilzeitverträge abgeschlossen. Wir wussten um die Altersstruktur unserer Lehrer. Uns war es allerdings auch wichtig – das hatte die gleiche Priorität –, unsere älteren Lehrer und diejenigen Lehrer, die aufgrund der Fächer nicht gebraucht wurden, im System zu belassen.
Das war ein Konsens mit den Gewerkschaften, der Opposition, den Regierungsfraktionen und der Regierung. Daraus nun einen Vorwurf zu formulieren und zu sagen, dass wir schon sehr viel eher hätten handeln können, finde ich – Entschuldigung, lieber Norbert – schäbig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kommt auch in diesem Haus relativ selten vor, dass sich ein Debattentitel an den Meinungsstreit innerhalb einer Regierungspartei anlehnt.
Der CDU-Schulpolitiker Thomas Colditz wirft seinem Kultusminister den Fehdehandschuh hin, und man hat den Eindruck, dass die Kritik von Thomas Colditz am Lehrermangel einer ehrlichen Empörung entspringt und es nicht um eine bloße schulpolitische Spiegelfechterei zur Bedienung der eigenen Anhängerschaft geht.
Thomas Colditz gab dieser Tage zu Protokoll: „Es ist eine Farce, dass der Kultusminister auf dem CDU
Bundesparteitag den Eindruck erweckt, dass Deutschland am sächsischen Bildungswesen genesen soll.“ Der Lehrermangel sei längst Realität und der Kultusminister augenscheinlich nicht fähig, sich mit dem Finanzminister zu einigen. Thomas Colditz fasst dies zusammen: „Es ist zwanzig nach zwölf.“ Jawohl, es ist zwanzig nach zwölf, und das, obwohl der Lehrermangel ein Dauerthema in den Landtagsausschüssen, bei den Sachverständigenanhörungen und im Plenum dieses Landtages ist.
Für die NPD zeigt sich auch daran wieder die Folgenlosigkeit parlamentarischen Geschwätzes. Dabei sind die Fakten alarmierend und bekannt. Laut einer im März veröffentlichten Studie werden bis zum Jahr 2020 10 700 Lehrer in Sachsen in den Ruhestand gehen. Dagegen sagen die Experten einen Anstieg der Schülerzahlen zum Jahr 2020 in der Größenordnung von 5,5 % voraus. Gleichzeitig werden an den sächsischen Universitäten weit weniger Lehrer, als in den nächsten Jahren benötigt, ausgebildet. Nach Angaben des Beamtenbundes müssten 1 600 Lehrer eingestellt werden, um den jetzigen Personalbestand an den Schulen zu halten.
Doch woher sollten die Lehrer kommen, wenn die Staatsregierung sie einstellen wollte? In Sachsen gibt es eindeutig zu wenige Lehramtsstudenten. Ein zusätzlicher Grund dafür ist die miese Vergütung des Lehrpersonals. Gerhard Pöschmann, Vizelandeschef des Beamtenbundes, sagte unlängst: „Bei den Löhnen steht Sachsen bundesweit am schlechtesten da.“ So verdienen Junglehrer in Bayern netto genauso viel wie ein sächsischer Lehrer nach zwanzig Dienstjahren. Das hält natürlich viele von der Aufnahme eines Lehramtsstudiums in Sachsen ab. Diejenigen, die noch ein derartiges Studium in Sachsen aufnehmen, zieht es nach dem Studienabschluss in die westlichen Bundesländer.
Mit Blick auf den Doppelhaushalt 2013/2014 will der Beamtenbund deshalb mit einem Sieben-Punkte-Plan Druck machen. Er fordert beispielsweise die Lehrerverbe
amtung auf Wunsch und ein Ende der Benachteiligung angestellter Lehrer. Außerdem soll es nach den Vorstellungen des Beamtenbundes eine Regelung zur Altersteilzeit geben, um mehr Neueinstellungen zu ermöglichen.
Es sei in diesem Zusammenhang an das erinnert, was die Sachverständigen unlängst bei einer Anhörung zu attraktiveren Arbeitsbedingungen für Lehrer und zu einer besseren Lehrerausbildung an den Universitäten sagten. Die NPD schließt sich den meisten der dort geäußerten Forderungen an. Dabei darf es aber nicht um Einzelmaßnahmen und bloßes Stückwerk gehen. Vielmehr bedarf es eines ganzen Maßnahmenpaketes.
Zwingend ist aus unserer Sicht die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte sowie Einstellungsgarantien für Lehramtsstudenten. Es müssen staatliche – und das heißt nicht zuletzt finanzielle – Anreize dafür geschaffen werden, dass im Freistaat mehr junge Menschen auf Lehramt studieren und nach Abschluss ihres Studiums ihrer Berufstätigkeit hier im Freistaat Sachsen nachgehen. Das geht nur, wenn man ihnen eine gesicherte – auch wirtschaftlich gesicherte – Lebensperspektive im Schuldienst ermöglicht. Dazu gehört selbstverständlich eine bessere Bezahlung von Referendaren.
Richtig ist ebenfalls die Forderung, dass an der Technischen Universität Chemnitz wieder Lehrer ausgebildet werden sollen. Aber bitte nicht unter den desolaten Studienbedingungen, die die Lehramtsstudenten an der TU Dresden vorfinden. Überfüllte Lehrveranstaltungen und eine schlechte Betreuung sorgen für sinkende Studienanfängerzahlen und erhöhte Zahlen von Studienabbrechern.
Vor dem Hintergrund, dass bis zum Jahr 2030 drei Viertel aller sächsischen Lehrer in Rente gehen, muss endlich gehandelt werden; denn sonst drohen nicht nur höhere Klassenstärken, Unterrichtsausfall und Schulschließungen, sondern ein regelrechter Bildungsnotstand. Schuldenabbau ist richtig und wichtig – wer diesen aber auf Kosten der Bildung betreibt, häuft für die junge Generation ganz andere Hypotheken an, als es nur die finanziellen sind. Einerseits wird im Freistaat an Schulen und Universitäten gespart, andererseits die Anwerbung der mythenumwobenen ausländischen Fachkräfte propagiert. Das ist politisch durchsichtig, und es ist auch zynisch.
Ich komme zum Ende, Herr Präsident! – Der Lehrernotstand ist kein demografisches Naturgesetz, sondern die Folge politischer Fehlentscheidungen und Unterlassungssünden. Deshalb fordert die NPD-Fraktion ein finanziell gut untersetztes Sofortprogramm zur Lehrergewinnung.
ersten Rednerrunde angekommen und treten in eine zweite Rednerrunde ein. Das Wort hat erneut die einbringende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Es gibt viele Wege, dem Lehrermangel zu begegnen. Der Hauptweg muss sein, dass wir ihn zuerst durch die Ausbildung im eigenen Lande abwenden. Es besagt nicht nur die Vereinbarung der KMK, dass jedes Land für seine Lehrer zuständig ist. Sachsen ist aufgrund der miserablen Bezahlung auch nicht attraktiv genug für die Lehrerinnen und Lehrer, um junge Leute aus anderen Bundesländern anzuwerben.
Wenn wir auf die Lehrerbildung in den letzten fünf Jahren zurückblicken, dann sehe ich drei Punkte. 2006 gab es eine wichtige Entscheidung, nämlich die Lehrerbildung auf die gestuften Studiengänge umzustellen. Das hat enorme Aufwendungen für die Hochschulen bedeutet. 2010 gab es hier im Landtag eine Debatte, die Hochschulvereinbarungen in einem Punkt nicht ernst zu nehmen und die Ausbildung der Grund- und Mittelschullehrer in Dresden zu belassen. Das wurde abgelehnt. Im Herbst 2010, ein halbes Jahr später, gab es einen Kabinettsbeschluss, der nicht nur die volle Ausbildung in Dresden belassen hat, sondern auch den Staatsexamensstudiengang und eine Verkürzung der Studienzeit bei Mittelschulen um ein, bei Grundschulen sogar um zwei Semester eingeführt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lehrerbildung braucht Verlässlichkeit. Sie muss verlässlich sein, und zwar für die Studierenden und die Hochschulen, für die Schulen und natürlich für die Öffentlichkeit, für die Eltern und ihre Kinder. Was wir in den letzten zwei Jahren erlebt haben, ist keine Verlässlichkeit, sondern eher ein Stück aus dem Tollhaus.
Der durch den Kabinettsbeschluss eingeschlagene Weg zur Lehrerbildung ist eine Rolle rückwärts mit Bruchlandung. Die seit fünf Jahren gewonnenen strukturellen und qualitativen Vorsprünge in der Lehrerbildung werden aufgegeben. Die Gründe sind völlig durchsichtig. Dort, wo in kurzer Zeit der größte Bedarf besteht – bei Mittelschul- und insbesondere bei Grundschullehrern –, wird die Ausbildung zusammengestrichen. Sie wird dann auch noch mit Abschlüssen und der Referendariatsdurchführung so gestaltet, dass sie deutschlandweit möglichst nicht kompatibel ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist nicht nur eine Schnell- und Billigausbildung, den Absolventen werden auf diese Art und Weise auch noch Fußfesseln hier in Sachsen angelegt.
Bei diesem Hin und Her in der Lehrerbildung fällt mir Wilhelm Busch ein, der so schön schrieb: „Denn wer böse Streiche macht, gibt nicht auf den Lehrer acht.“
Die Übeltäter lassen sich hier auch benennen. Sie heißen Roland Wöller und Sabine von Schorlemer. Frau von Schorlemer, ich muss Sie hier mit nennen, denn einer dieser bösen Streiche findet zurzeit in der Hochschulentwicklungsplanung statt.
Bis 2030 gehen drei Viertel der sächsischen Lehrer in den Ruhestand. Das sage ich noch einmal zur Erinnerung für alle. Wir haben einen anhaltend hohen Einstellungsbedarf von bis zu 1 500 Lehrkräften jährlich. Das heißt: Wenn wir es schaffen wollen, die Absolventenzahl gegenüber dem derzeitigen Zustand deutlich zu steigern, brauchen wir jährlich 1 800 bis 2 000 Studienanfänger. Das SMWK plant im Hochschulentwicklungsplan ganze 950 Studienanfänger. Das ist nichts anderes als staatlich geplanter Lehrermangel.
Erstens. Natürlich sind diese Planzahlen zu korrigieren. Das wird auch eine Auseinandersetzung mit dem Finanzminister bedeuten.
Zweitens. Die Hochschulen müssen die notwendigen Ressourcen erhalten, um diese Lehrer auszubilden. Ich habe intensive Gespräche, insbesondere in der Universität Leipzig, geführt. Ich freue mich: Die Universität Leipzig sieht – und das muss unser aller Wunsch sein – die Lehrerbildung als eine zentrale Aufgabe der Universität an. Aber die Situation ist so, dass die Erziehungswissenschaften eine Überlast von 160 %, die Förderpädagogik von 130 % haben.
Natürlich ist es auch Aufgabe der Universitäten in Leipzig und in Dresden selbst, dort auszugleichen und Überlasten abzubauen. Aber wir haben – und das hat die Debatte noch einmal deutlich gemacht – eine Sondersituation, was den Lehrerbedarf betrifft. Wir haben einen enormen Nachholbedarf in kurzer Zeit. Das heißt, es müssen auch zusätzliche Kapazitäten dafür geschaffen werden. Das betrifft die Lehrerinnen- und Lehrerstellen, das betrifft aber auch die Kapazitäten an den Hochschulen.
Nach Überschlagsrechnungen unserer Fraktion sind in Sachsen ungefähr 20 neue Professuren und zusätzliche zugeordnete neue Stellen notwendig. Das betrifft insbesondere auch die Ausbildung in der Fachdidaktik.
Das soll insbesondere die Grundschullehrer betreffen. Wir können uns dort gut einen Kombinationsstudiengang für
Grundschulen und Erzieher vorstellen. Es gibt in Chemnitz noch zwei erziehungswissenschaftliche Professuren.
Viertens. In dieser Situation ist es auch wichtig, Masterstudiengänge in bildungswissenschaftlicher Hinsicht für Quereinsteiger aufzulegen.