gierung 2008 verweisen. Wie wäre es hier einmal mit einem aktuellen Armutsbericht für Sachsen?, frage ich.
Immerhin, meine Damen und Herren, ist der Staatsregierung mittlerweile ein Licht aufgegangen, wenn sie – gefragt nach den Armutsursachen und deren Bekämpfung – vor allem auf die Angebote zur Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern hinweist. Hier möchte ich Sie doch ausdrücklich daran erinnern, dass die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag schon mehrfach die Implementierung von Familien- und Erziehungskompetenzen in die Lehrpläne gefordert hat, ja sogar die Schaffung eines eigenen Unterrichtsfaches. Doch das wurde von Ihnen allen – wie immer – abgelehnt. Es würde ja auch voraussetzen, dass man die für die Entwicklung des Menschen so traditionellen Institutionen wie die Familie endlich als bedeutsam anerkennt und entsprechend fördert. Nämlich um die Familie, meine Damen und Herren, müssten sich alle unsere Bemühungen drehen. Dann würde auch die Kinderarmut in Deutschland – so denke ich – endlich der Vergangenheit angehören.
Meine Damen und Herren! Damit ist die erste Runde der allgemeinen Aussprache beendet. – Mir liegen keine Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich frage trotzdem: Möchte noch ein Abgeordneter das Wort ergreifen? – Das ist nicht der Fall. Die Staatsregierung? – Herr Staatsminister Kupfer, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über 160 Fragen und unzählige Allgemeinplätze in der Großen Anfrage – aber wenn es um Kinderarmut geht, sollte man schon etwas genauer hinschauen und korrekt interpretieren. In der gegenwärtigen Finanzmarktsituation und bei den konjunkturellen Gegebenheiten in Deutschland, in Europa und in der Welt zeigt sich, wie wichtig Stabilität und Kontinuität im Rahmen der sozialstaatlichen Absicherung sind. Sie sichern individuelle Freiheit, Solidarität und die Gestaltung eines möglichst gerechten Miteinanders. Sie sind Garanten für gesellschaftliche Stabilität und deren gesicherte Entwicklung.
Allerdings zeigt sich in unserem Alltag, dass die einmalige Fassung von Rahmenbedingungen nichts Ewiges ist. Sie sind ständigen Veränderungen ausgesetzt. Die Diskussion um die Fortschreibung und die jeweilige Schwerpunktsetzung ist regelmäßig wiederkehrend, seien es Themen der Arbeitsmarktgestaltung, der Krankenversicherung, der Renten- und Pflegeversicherung, der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Grundsicherung oder der Kinder- und Jugendhilfe, um nur einige zu nennen. Charakteristisch ist dabei für alle Leistungen: Es liegt immer in der individuellen Verantwortung, die eigene Lebensgestaltung selbst in die Hand zu nehmen.
Die Erkenntnis ist: Nicht das Warten auf staatliche Transferleistungen oder Hilfs- bzw. Beratungsangebote ist sachgerecht, sondern das eigene Bemühen, das eigene Streben nach selbstbestimmter Meisterung des Alltags.
Ich komme noch darauf, Herr Dulig. – Das Wesen des Sozialstaates ist, dass er dort eingreift und unterstützt, wo die individuellen Möglichkeiten und Gegebenheiten nicht, nicht mehr oder noch nicht ausreichen. Das Auf-deneigenen-Beinen-Stehen zu ermöglichen ist das Ziel. Gleichwohl ist zwischenzeitlich festzustellen, dass wir in Deutschland in einem sehr komplizierten Gebilde und Geflecht verankert sind. Wir haben in der Zwischenzeit viele europarechtliche, bundesrechtliche und landesrechtliche, aber auch kommunale Regelungen zur sozialen Absicherung. Die ergänzenden Instrumente sind hier noch gar nicht berücksichtigt. Ich denke zum Beispiel an die Mutter-Kind-Stiftung des Freistaates Sachsen.
Vielen, meine Damen und Herren, fällt es schwer, dieses Geflecht zu durchschauen und die berechtigten Ansprüche auch tatsächlich einzulösen. Es gibt aber auch viele Menschen, die aus anderen Gründen ihre Ansprüche eben nicht geltend machen. Hinzu kommt, dass auch die Generationengerechtigkeit nicht nur aufgrund der demografischen Entwicklung verstärkt diskutiert und hinterfragt werden muss.
Ziel der Sächsischen Staatsregierung war und ist es, ergänzend unter sozialstaatlichen Gesichtspunkten Armutsrisiken möglichst vorzubeugen und ihnen entgegenzuwirken. Nach der deutschen Sozialgesetzgebung gibt es vielfältige Hilfen und Unterstützungen. Der Freistaat ergänzt dabei die Bundesregelungen mit den vielfältigen Förderungen durch die einzelnen Ressorts. Die Möglichkeiten der Sozialgesetzgebung muss ich an dieser Stelle nicht noch einmal aufzählen. Sie sollten Ihnen bekannt sein, den Sozialpolitikern auf jeden Fall.
Nach einer Berechnung des Bundes belaufen sich die Ausgaben für Sozialleistungen im Jahr 2012 auf 790 Milliarden Euro – wohlgemerkt ohne Einrechnung des Bildungs- und Teilhabepaketes. Die Sozialleistungsquote ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gestiegen. Das sind Prävention und ganz konkrete Hilfestellungen.
Zum Vorwurf einiger Redner, dass in der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD nicht genug Fakten aufgezählt worden seien, möchte ich nur sagen, dass es in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht immer möglich ist, alle verfügbaren Datenquellen zu recherchieren, auszuwerten oder zu vergleichen.
Zum anderen möchte ich sagen, meine Damen und Herren, dass es sich um eine Große Anfrage und nicht um einen Sozialbericht handelt. Wenn Sie einen Sozialbericht haben wollen, müssen Sie ihn auch fordern.
Abschließend möchte ich noch ein Wort zu Ihrem Entschließungsantrag sagen. Sie fordern darin unter anderem die Einrichtung eines Kompetenzzentrums.
Da muss man sich die Frage stellen, wo der Nutzen eines solchen Kompetenzzentrums liegt. Es gibt bundes- und landesweit viele Institute, die alle aus Steuermitteln bezahlt werden. Schauen Sie einmal auf die Daten, Zahlen und Fakten, die durch die Staatsregierung allein für die Kleinen und Großen Anfragen zu ganz speziellen oder allgemeinen Themen regelmäßig geliefert werden. Auch ein Kompetenzzentrum hätte zum genannten Bereich Soziales nicht immer die aktuellen und die von Ihnen geforderten Zahlen.
Im Übrigen gilt, meine Damen und Herren: Jede Statistik ist am Tage ihrer Veröffentlichung so aktuell wie die Zeitung von gestern. Sie löst nicht die Grundthemen, und die kennen wir, meine Damen und Herren. Deshalb ist der Schluss, man wisse nicht, wie es den jungen Menschen in Sachsen gehe, recht populistisch. Wir wissen sehr wohl, dass viele junge Sachsen optimistisch, in die Zukunft gewandt und bestrebt sind, ihr Leben selbst zu gestalten. Insofern kann die Staatsregierung dem von der SPD suggerierten Szenario auf keinen Fall folgen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, die Antwort noch einmal genau zu studieren.
Meine Damen und Herren, mir liegt zur vorliegenden Großen Anfrage der Fraktion der SPD noch ein Entschließungsantrag vor. – Ich frage die SPD-Fraktion, ob der Entschließungsantrag noch eingebracht werden soll. – Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit, Herr Dulig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kupfer, Sie haben das sehr schön vorgetragen; die zuständige Ministerin hätte das auch nicht besser vorlesen können. Aber das, was Sie damit meinen, erklärt auch noch einmal Ihren Begriff vom Sozialstaat. Sie sehen die Aufgabe des Sozialstaates als Nachtwächterstaat, als Defizitausgleich, als nachsorgenden und damit teuersten Sozialstaat, den Sie haben können. Was wir wollen, ist ein vorsorgender Sozialstaat, der Prävention betreibt.
Natürlich ist es schwierig, Armut zu objektivieren. Es gibt Menschen, die wenig Geld verdienen, sich aber nicht als arm bezeichnen würden, weil sie trotzdem ein erfülltes Leben haben. Und es gibt Menschen, die viel Geld haben, deren Kinder aber nichts mit sich anzufangen wissen. Da spricht man schon von Wohlstandsverarmung.
Genau weil das so schwierig ist, müssen wir uns auf objektive Kriterien berufen. Deshalb, lieber Alexander Krauß, haben wir uns nicht auf Hartz IV reduziert – im
Übrigen finde ich es interessant, dass Sie inzwischen dieselbe Argumentation haben, wie ich sie vor Jahren von der damaligen PDS gehört habe –, sondern wir haben den OECD-Begriff genommen und uns auf diesen berufen. Das war die Grundlage. Deshalb wollen wir mit dem Entschließungsantrag erstens feststellen, dass wir mit diesem objektiven Kriterium eine höhere Armutsgefährdung haben als im Bundesdurchschnitt.
Nun geht es vor allem um die Frage: Was wollen wir denn? Wir wollen vor allem, dass wir eine kontinuierliche Datenerfassung und -auswertung bekommen. Dazu muss man nichts neu erfinden. Wir haben gute Institute, aber sie müssen in die Lage versetzt werden, die Daten auszuwerten und dies im Auftrag des Freistaates wissenschaftlich zu tun. Das ist die Forderung nach einem Kompetenzzentrum. Wir haben schon Einrichtungen. Wir müssen sie in die erforderliche Lage versetzen, ihnen den Auftrag geben und mit einer Arbeitsstelle für Sozialstatistik versehen. Das ist die erste Forderung, die wir aus diesem Entschließungsantrag ableiten.
Das Zweite sind die konkreten Maßnahmen, die wir vor allem dazu nutzen wollen, alle Kinder zu stärken. Der beste Schutz gegen Armut ist, dass wir alle Kinder stärken und die Instrumente dafür suchen – ob das die Lernmittelfreiheit ist, die Ausstattung der Schulen, ob es die Kinder- und Jugendhilfe in der Prävention ist oder der Betreuungsschlüssel in den Kindertagesstätten ist. Es geht um Fragen des Gesundheitsschutzes. Auch das Thema Arbeitsmarkt gehört dazu. Kinderarmut ist nämlich auch Elternarmut. Also müssen wir vor allem sehen, dass die Eltern mit ihrer Hände Arbeit sich und ihre Familien ernähren können.
Gibt es noch Wortmeldungen der Fraktionen zum Entschließungsantrag? – Frau Klepsch für die Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was Herr Krauß und Frau Schütz hier teilweise an Argumenten gebracht und als Pseudolösung angeboten haben, animiert mich geradezu, für den Entschließungsantrag der SPDFraktion zu werben. Genau dort finden wir die Antworten, die eigentlich gegeben werden müssten, um das zu erreichen, was Sie und Herr Kupfer postuliert haben: nämlich einen Sozialstaat, der das selbstbestimmte Leben ermögli
chen will, und mehr Förderung für Eltern, die nicht wissen, wie sie ihren Kindern die bestmögliche Bildung geben können, usw.
Die Antworten finden sich vor allem in Punkt 3 des Entschließungsantrages. Deswegen wird er von uns unterstützt.
Herr Kupfer, wenn Sie sagen, dass sich auch das Sozialministerium der Tatsache bewusst ist, dass es vielen Eltern schwerfällt, das Geflecht an Sozialleistungen zu durchschauen, bleibt trotzdem die Frage an die Staatsregierung: Was tut die Staatsregierung dafür, dass genau diese Eltern wissen, wie sie alle Leistungen abrufen können und wie sie ihren Kindern alle Leistungen zugutekommen lassen können? Dazu sage ich: Schulsozialarbeit ist ein Faktor in einem ausgebauten Netz an Kinder- und Jugendinfrastruktur. Eine offene Kinder- und Jugendarbeit ist das Nächste. All das baut die Staatsregierung gerade zurück. Der Entschließungsantrag versucht dem etwas entgegenzusetzen. Deswegen auch Zustimmung von uns.
Herr Krauß, Sie haben auf die Lerncamps hingewiesen. Das ist ja lächerlich. Wir wissen, dass sie ESF-finanziert sind und eben nicht gezielt alle versetzungsgefährdeten Schülerinnen und Schüler erreichen, sondern dass diese Mittel durch das Kultusministerium bis 2013 mit der Gießkanne ausgeteilt werden, weil das ESF-Programm dann ausläuft.
Was wir eigentlich brauchen, ist ein gezielter Förderunterricht für alle versetzungsgefährdeten Schüler in den Schulen. Aber dazu haben wir heute früh gehört, dass aufgrund des wachsenden Lehrermangels selbst der Förderunterricht ausfällt. Das kann ich von der Schule meines Kindes nur bestätigen. Dort fällt auch in der Grundschule der Förderunterricht für alle Schülerinnen und Schüler regelmäßig aus, weil nicht einmal die Vertretungsstunden für Krankheitsfälle abgedeckt werden können.
Es gibt also viel zu tun für die soziale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. Deshalb müssen Bildungs- und Sozialpolitik besser verzahnt werden. Der Entschließungsantrag der SPD geht in die richtige Richtung.
Ich spreche für die Koalition. Wir werden diesen Entschließungsantrag ablehnen, weil wir nicht glauben, dass Institutionen gegen Armut helfen, weil wir auch nicht glauben, dass Gebührenfreiheit Qualität sichert, und weil der gesamte Antrag die damit verbundenen Kosten nicht benennt.
Frau Klepsch, ich darf darauf verweisen, dass wir uns bereits im Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, dass die gesamte Förderkulisse auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen ist, damit nicht nur alles an Sozialleistungen abgegriffen werden kann, so wie Sie es jetzt gesagt haben. Wir müssen wirklich fragen: Wo wirken Sozialleistungen,
wo muss nachgesteuert werden, wo muss gegebenenfalls mehr gegeben werden? Aber wir müssen auch feststellen, welche Sozialleistungen sich als unwirksam erwiesen haben. Daher werden wir diesen Antrag ablehnen.