Sie haben 2010 auch ein kleines Haushaltsmassaker im Bereich von Kinder- und Jugendarbeit angerichtet. Da ging es um 25 Millionen Euro. Wir erinnern uns alle daran. Diese Hotelsteuer, die heute kurz erwähnt wurde, kostet die Sachsen jedes Jahr über 100 Millionen Euro, die wir nicht einnehmen können. Diese Summe ist das Vierfache dessen, was Sie im Bereich Jugend und Soziales gekürzt haben, und es wäre wichtig gewesen, diese Maßnahmen, die auch im ländlichen Raum eine hohe Bedeutung haben, aufrechtzuerhalten. Die FDP hat in diesem Land nichts beschleunigt außer den vielen Problemen, die wir haben.
Für die Fraktion GRÜNE war das die Abg. Hermenau. – Für die NPD-Fraktion spricht jetzt der Abg. Storr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der sächsische CDU-Fraktionsvorsitzende Steffen Flath hat vor einigen Tagen – das konnte man der „Freien Presse“ vom 28. September entnehmen – eigentlich doch sehr deutlich, viel deutlicher, als es heute der Redner der CDU-Fraktion getan hat, auf einem CDUStammtisch beschrieben, wie er sich den demografischen Wandel, wie es immer so beschönigend heißt, vorstellt. Er sagte auf diesem CDU-Stammtisch: „Wir gestalten gerade gemeinsam das Schrumpfen der Gesellschaft.“ Und weiter sagte er – so die „Freie Presse“, die ihn zitiert –: „So dürfte aufgrund sinkender Einwohnerzahlen etwa auch der Rückbau von Straßen und das Aussetzen des Winterdienstes auf wenig befahrenen Strecken kein Tabu mehr sein.“
Liebe Freunde, das ist – zumindest das muss man ihm attestieren – eine sehr ehrliche Aussage, die ganz eindeutig darauf abzielt, den ländlichen Raum abzuwickeln, die Infrastruktur zurückzubauen und die Leuchtturmpolitik fortzusetzen, die einzig und allein den kreisfreien Städten noch eine Zukunft gibt. Hier wird letztlich einfach eine Entwicklung verfolgt, bei der man im Grunde gar kein Konzept hat, sondern das Konzept nur darin besteht, Anpassungsprozesse zu organisieren.
Dass das nicht die Lösung sein kann, zeigt auch die Diskussion, wie sie bisher verlaufen ist. Im Grunde genommen herrscht nach wie vor – obwohl es in der letzten Legislaturperiode eine Enquete-Kommission gab – eine völlige Konzeptionslosigkeit. Einige Redner der Oppositionsfraktionen links haben zumindest einige Fragen aufgeworfen, zum Beispiel die Altersarmut oder der Fachkräftemangel. Aber sie haben bisher auch keine Konzeptlinie nennen können.
Im Übrigen ist es tatsächlich so, dass die Enquete-Kommission so vorbildhaft nun auch nicht war. Dem auf Antrag der CDU gefassten Einsetzungsbeschluss ist inhaltlich im Grunde genommen gar nicht Genüge getan worden; denn konkrete Handlungsvorschläge zum Beispiel zur Förderung kinderreicher Familien oder zur Steigerung der Geburtenrate sind dort eigentlich, weil es Tabuthemen sind, gar nicht benannt worden. Stattdessen wurden mehr oder weniger Allerweltsweisheiten oder bloße Meinungsbekundungen geäußert. Also auch die Enquete-Kommission hat denkbar schlecht gearbeitet.
Wenn man sich die Zahlen vor Augen führt, sieht man Folgendes: Von 1990 bis voraussichtlich 2020 wird der Bevölkerungsverlust 30 % betragen. Von 1992/93 bis 2009 ist die Anzahl der Schüler an den allgemeinbildenden öffentlichen Schulen um 45 % zurückgegangen. 40 % der Schulen wurden geschlossen.
Allein diese Zahlen zeigen doch, dass man dieser Entwicklung weiß Gott nichts Positives abgewinnen kann, sondern dass hier schon ein Aderlass stattgefunden hat und weiter stattfindet, der fundamentale negative Auswirkungen auf Wirtschaft, Kultur und Infrastruktur haben wird. Der Leerstand in den kleineren Städten ist Ausdruck der Krise, in der wir uns schon heute befinden, auch wenn wir noch so viele Steuergelder verteilen können, um die Folgen noch abzumildern. Aber wenn ich in Görlitz einen Leerstand von 26 % sehe, so sind das doch keine Verhältnisse, denen man etwas Positives abgewinnen kann.
Zum Schluss will ich noch etwas grundsätzlicher werden: Wo liegen eigentlich die Ursachen auch für die Tabuisierung, die uns daran hindert, zu den Ursachen des Problems zu kommen? Ich glaube – und das zeigt auch die Herangehensweise, wie man sich diesem Problem nähert –, dass wir es heute in der Politik nur noch mit einer Schrumpfform des Politischen zu tun haben. Politik versteht sich eigentlich nur noch als reines Verwaltungshandeln und das Vermitteln von Interessen. Das, was man vielleicht als Vision bezeichnen kann, als Zukunftswille, als Willensprozess ist im Grunde genommen der Politik völlig abhanden gekommen.
Ich sage einfach so: Wenn gesagt wird, was wollen Sie von der NPD denn, Politik kann doch nicht dafür sorgen, dass mehr Kinder geboren werden, denn Kinder erzeugen immer noch Mann und Frau miteinander, dann ist das zwar richtig, aber es ist eine sehr einfache Wahrheit, die eben nicht die ganze Wahrheit ist; denn es geht im Grunde genommen darum: Welches Leitbild haben wir in dieser Gesellschaft und hat vielleicht auch diese ganze Entwick
lung, der Geburtenknick, der übrigens im Westen schon Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre eintrat, eine andere geistige Parallele, nämlich die Individualisierung der Gesellschaft, und dass man als Folge der Individualisierung nur noch rein gegenwartsbezogenes Denken hat und eigentlich völlig blind ist für die Zukunft, im Übrigen auch für die Vergangenheit? Ein Geschichtsbewusstsein gibt es in diesem Lande nicht mehr.
Ich glaube, wir müssen tatsächlich die demografische Katastrophe auf die wir zusteuern, auch als ein geistiges Versagen begreifen. Darüber müssten wir diskutieren.
Das war für die NPDFraktion der Abg. Storr. – Wir eröffnen jetzt die zweite Rednerrunde. Das Wort ergreift für die einbringende CDU-Fraktion Herr Kollege Krauß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Aktuelle Debatte unter die Überschrift „Gestaltung des demografischen Wandels in Deutschland – Sachsen ist Vorbild“ gestellt. Mir ist dieser Begriff „Gestaltung“ schon recht wichtig. Ich kann verstehen, dass man auf der linken Seite nicht verstehen kann, dass man auch etwas gestalten kann.
Gerade in den Ländern, in denen Sie Regierungsverantwortung übernommen und die Länder verschuldet haben, ist nichts mehr zu gestalten. Wir sind zum Glück in einer anderen Situation.
Wir wollen unseren Kindern keinen Schuldenberg hinterlassen, sondern Gestaltungsspielräume, damit Möglichkeiten bestehen, auch in Zukunft in der Politik etwas zu gestalten.
Ich freue mich, dass sich so viele des ausgeglichenen Haushalts rühmen, wir als CDU ohnehin. Man kann auch einmal schauen, wer in dieser Zeit Finanzminister war. Jeder, der sich ein ganz klein wenig in sächsischer Politik auskennt, weiß, dass das größte Verdienst für diese Politik im Freistaat Sachsen Georg Milbradt hat.
Aber wir freuen uns auch, wenn andere sagen, dass sie diesen Weg gehen wollen. Wir freuen uns, dass unser Koalitionspartner das macht. Wir freuen uns, dass die SPD das auch für sich in Anspruch nimmt. Wir freuen uns auch, dass die GRÜNEN in diese Richtung denken.
Aber, liebe Freundinnen und Freunde, wer A sagt, muss auch B sagen. Nur zu sagen, dass man gegen eine Neuverschuldung ist, reicht nicht aus. Sie müssen dann auch sagen, wie wir zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen.
Wenn ich dann zu den Sozialdemokraten schaue, frage ich mich schon: Ist das alles ehrlich, was da läuft? Sie haben während der letzten Haushaltsberatungen Änderungsanträge vorgestellt, die Mehrausgaben deutlich im Milliardenbereich umfassten,
ohne Gegenvorschläge vorzulegen, wo man diese Mittel einsparen kann. Das ist dann unehrlich. Ihr müsst, wenn ihr für Neuverschuldung seid, gleichzeitig sagen, dass ihr einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Ausgaben, ohne Versprechungen, die nicht gedeckt sind, wollt.
Gern auch andere Ausgaben. – Einen ausgeglichenen Haushalt hinzulegen, Frau Kollegin Hermenau, ist kein „Haushaltsmassaker“. Ich weiß, dass wir uns hier immer ein wenig steigern und dass es auch den Wunsch gibt, neue Begriffe zu erfinden, wie „Handy-Fukushima“
Ich glaube, wir sollten klare Begriffe haben, und wenn wir einen ausgeglichenen Haushalt haben, dann freuen wir uns darüber.
Ich hatte bei der Rede des Kollegen Storr das Gefühl, dass es besser ist, wenn er zuhört, weil er dann mehr lernen kann, als wenn er Fragen stellt.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU – Andreas Storr, NPD: Ich höre ja zu, deshalb habe ich jetzt eine Frage!)
Kommen wir zu der LINKEN. Bei dem Thema Verschuldungsverbot, zumindest zu dem plakativen, legen Sie einen Eiertanz vor, um sich nicht festlegen zu müssen, sondern irgendwie drumherum zu tänzeln. Das ist schon bemerkenswert. Sagen Sie doch ganz klar: Sie wollen das – wie Sie auch die DDR durch keine solide Politik gegen die Wand gefahren haben –, Sie wollen Verschuldung, Sie wollen auf Kosten zukünftiger Generationen leben. Dann
Wir haben gesagt: Wir wollen eine klare Haushaltspolitik. – Diese hat sich ausgezahlt. Hätten wir die gleichen Schulden gemacht wie die anderen Bundesländer, die alle im Jahr 1990 bei null angefangen haben, müssten wir zusätzlich zu den Zinsen, die wir jetzt zahlen, eine knappe Milliarde Euro an Zins und Zinseszins auf die Bank tragen –
Geld, das wir jetzt zur Verfügung haben, um in Schulen zu investieren, um in Kindergärten zu investieren, um Programme für Senioren aufzulegen –