Protocol of the Session on October 12, 2011

Die Staatsregierung hat einen sinnvollen Vorschlag gemacht, indem sie sich anschaute, welche Immobilien der Freistaat hat und an welchem Standort er künftig öffentliche Verwaltung darstellen wird. Dabei ist es gelungen, einen Mix aus Bürgernähe, Effizienz und Strukturpolitik hinzubekommen. Frau Friedel, es ist nicht so, dass das einfach nur einmal so hingeschrieben wurde. Es gab viele Überlegungen für ein Konzept, bei dem man sich auch eine Umzugsplanung überlegt hat, wann man in welchen Standort geht, welche Behörden welchen Platzbedarf brauchen, und man hat insbesondere darauf geachtet, dass es einen angemessenen Ausgleich zwischen Stadt und Land gibt. Deshalb ist Ihr Vorwurf, die Staatsregierung betreibe eine Zentralisierung von Verwaltungsstandorten, völlig fehl.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte hier einige Beispiele nennen. Der Landesrechnungshof soll nach den Vorschlägen der Staatsregierung von Leipzig nach Döbeln ziehen. Die Umweltstiftung zieht von Dresden nach Callenburg. Die Straßenbauverwaltung wird von Chemnitz nach Zschopau verlagert. Dadurch wird das Erzgebirge gestärkt. Mit der Konzentration des Finanzamtes in Annaberg-Buchholz und des Amtsgerichtes in Marienberg wird ebenfalls in der Fläche etwas getan. Als Ausgleich soll ein Sonderfinanzamt in Schwarzenberg eingerichtet werden. Sieht so eine Zentralisierung aus? – Nein, meine Damen und Herren. Das ist insbesondere eine Stärkung des ländlichen Bereiches, der strukturschwachen Region. Das hat man bei diesem Standortekonzept mit berücksichtigt. Das lässt sich der Freistaat auch etwas kosten.

Wenn in der Überschrift dieser Aktuellen Debatte behauptet wird, Staatsmodernisierung gehe auch anders, dann sage ich ganz klar: Ja. Wir Liberalen hätten uns zum Beispiel auch vorstellen können, dass man einmal intensiv darüber diskutiert, ob man heutzutage noch einen dreistufigen Verwaltungsaufbau braucht. Wir Liberalen sind der Meinung, ein zweistufiger Verwaltungsaufbau ist effizienter. Das hätte aber auch bedeutet, dass es eine Landesdirektion, so wie wir sie heute kennen, nicht mehr gibt. Dann hätten die Standorte in Chemnitz und Leipzig ebenfalls keine Berechtigung mehr gehabt. Wir haben das bewusst nicht gemacht, weil wir einen Ausgleich zwischen bestehenden Verwaltungsstrukturen in den großen Städten und in den Regionen haben wollten. Diesen Kompromiss hat die Staatsregierung meines Erachtens mit dem Entwurf, der uns vorliegt, gut gelöst. Diesen werden wir in den Ausschüssen detailliert beraten – dort, wo es hingehört.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Enrico Stange, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Stange, Sie möchten sicherlich von dem Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen. Dazu haben Sie Gelegenheit.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrter Herr Kollege Biesok! Ihre Ausführungen zeigen mir, dass Herr Modschiedler in einem Punkt vielleicht recht haben könnte: dass man erst alle Protokolle gelesen haben sollte oder anwesend gewesen wäre – das wäre günstiger gewesen –, bevor man über diese Anhörung spricht; denn irgendwie konnten die anwesenden Sachverständigen Ihrem Gedankengang nicht folgen, dass dieser Gesetzentwurf so ausgewogen, so toll aufgestellt, mit aller Kritik über Aufgaben etc. verfasst worden wäre. Das konnten sie nicht nachvollziehen – ganz im Gegenteil. Ich würde Ihnen wirklich ans Herz legen, Herr Biesok, alle bisher vorhandenen – sie sind alle vorhanden – Protokolle auch nachzulesen. Interessante Dinge eröffnen sich da.

Und noch etwas, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir haben als Mitglieder des Landtages nicht die Aufgabe, Gesetzentwürfe der Staatsregierung zu verteidigen. Wir haben als Mitglieder dieses Landtages eine ganz andere Aufgabe, nämlich die Staatsregierung zu kontrollieren. Das sollten Sie sich von der Koalition bitte noch einmal ganz fett ins Stammbuch schreiben lassen. Das haben Sie längst vergessen. Erinnern Sie sich an Ihre Aufgabe, das wäre vonnöten.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Biesok, Sie möchten auf die Kurzintervention antworten? Dazu haben Sie jetzt die Gelegenheit.

Herr Kollege Stange, Sie brauchen mir sicherlich nicht die Funktion des Parlamentes zu erklären. Wir werden diese Kontrollfunktion wahrnehmen. Das haben wir auch in der Vergangenheit getan.

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu der Sachverständigenanhörung sagen. Für mich ist Folgendes völlig normal: Wenn man über 20 Jahre gewachsene Strukturen verändert, finden die von den Strukturveränderungen Betroffenen diese Strukturveränderungen nicht gut. Wer zieht schon gern um? Das macht keiner. Wer geht schon gern in ein anderes Bürogebäude? Wer möchte sich schon an neue Kolleginnen und Kollegen und neue Prozessabläufe gewöhnen? Das möchte keiner gern.

Es ist aber gerade die Aufgabe einer Führungskraft – sei es in der Wirtschaft oder Regierung –, Ziele zu definieren, die man mit einem Unternehmen oder mit einem Land erreichen möchte. Diese Ziele muss man verfolgen, um ein Land bzw. ein Unternehmen zukunftsfähig zu gestalten.

Genau auf diesen Weg hat sich die Staatsregierung begeben. Deshalb halte ich es auch trotz der Kritik, die in den Anhörungen geäußert wurde, nach wie vor für das richtigen Mittel, um das Land für das Jahr 2020 auf den richtigen Weg zu bringen.

(Beifall bei der FDP)

Wir fahren in der Aktuellen Debatte fort. Als nächste Rednerin spricht Frau Jähnigen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist das Ziel des Gesetzentwurfes? Ziel ist es, die Kosten in den Griff zu bekommen, die Verwaltung bürgernah und effizient zu gestalten. Gerade die Kostenschätzungen wurden von nahezu allen Sachverständigen in der Anhörung kritisiert: schwammig, hausbacken, intransparent und unseriös. Mit anderen Worten: Es war ein einziger Verriss.

Im Mai dieses Jahres haben Sie ein Standortekonzept vorgelegt: Es gab drei Globalzahlen, unüberschaubar natürlich, bei denen Sie es sich auch noch erlaubt haben,

Personalkosteneinsparungen mit prognostizierten Sachkosteneinsparungen zu verrechnen. Jeder Unternehmer wäre mit einer solchen Rechnung von der Bank nach Hause geschickt worden und hätte keinen Kredit erhalten. Es ist blamabel.

Dass heute einige Zahlen aus den Fachressorts vorliegen, ist nur der Großen Anfrage unserer Fraktion und unserer harten Oppositionsarbeit zu verdanken. Diejenigen, die wirklich sparen wollen und Kosten einschätzen sollen, sollten sich einmal bedanken.

Interessant war natürlich, dass Sie es in den Anhörungen für nötig erachtet haben, leitende Mitarbeiter der jeweiligen Ressorts in die Anhörungen zu schicken. Das ist ungewöhnlich genug. Dadurch wurde deutlich, dass die Verwaltung zu den Sachkosten durch die Standortentscheidung noch gar nichts sagen kann.

Die letzte Chance, dieses vor der Entscheidung über das Gesetz nachzubessern, ist die Anhörung über unsere Große Anfrage, die – lieber Herr Modschiedler – am 9. November im Finanzausschuss stattfinden wird.

Was ist uns gesagt worden? Ja, das Parlament soll alle Kosten erfahren – später, mit dem Haushalt, wenn es entschieden ist. Das kennen wir. Erst entscheidet man jubelnd, dann steht man hilflos und überrascht vor den Kosten: City-Tunnel, Mietverträge im Paunsdorf-Center, Kostenexplosionen beim Bau übergroßer Straßen. So spart man nicht. So modernisiert man keinen Staat.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Erstens fordern wir GRÜNEN: tragfähige Kostenprognosen vor den Entscheidungen. Man muss die Kosten kennen, wenn man sie noch beeinflussen kann, und nicht erst hinterher. Es gibt genügend Beispiele. Ich nenne in diesem Zusammenhang einmal den Rechnungshof. Hier werden die Mietkosten in Leipzig als eingespart hingeschrieben. Das ist natürlich eine gewaltig große Zahl. Die Kosten für Döbeln weiß man noch nicht. Deshalb ist es ein positiver Effekt. Sie machen sich doch selbst etwas vor!

Herr Staatsmodernisierungsminister Martens, wenn ich Ihr Interview vom Wochenende richtig lese, haben Sie kapituliert. Sie wollen keine Kostenprognosen mehr. Sie wollen es nicht wissen. Sie haben auf den ersten Schritten zur Staatsmodernisierung schon kapituliert.

Bisher wissen wir nur: Die Umzüge werden mindestens 300 Millionen Euro kosten. Wir wissen auch, dass bei einigen Kostenpunkten, zu denen noch keine Prognosen vorliegen, eine Null steht und dass es auf jeden Fall teurer werden wird.

Zweitens fordern wir, dass für die Immobilienverwaltung des Freistaates endlich eine Kosten-Leistungs-Rechnung eingeführt wird. Miete oder Eigenbau – jeder kleine Bürgermeister einer Stadt oder Gemeinde kann dies abschätzen. Der Freistaat kann es nicht.

Im Jahr elf nach Beginn des dritten Jahrtausends kennt die Immobilienverwaltung dieses Freistaates weder Abschreibungen noch eine Kosten-Leistungs-Rechnung. Das ist keine Staatsmodernisierung, sondern ein Staatsmuseum, Herr Finanzminister. So kann es nicht weitergehen.

Drittens fordern wir ein Personalentwicklungskonzept. Die Regierung muss nicht nur ein umfassendes Konzept machen lassen, sondern sie muss es auch mit den Beschäftigten umsetzen. Wenn wir im vorgeschlagenen Maße Stellen abbauen, werden wir – außer bei der Polizei – überhaupt keine Neueinstellungskorridore mehr haben. Wir werden jetzt Leute ausbilden, die wir nicht einstellen können. Später, wenn viele Beschäftigte aufgrund der homogenen Altersstruktur nach dem Jahr 2020 in den Ruhestand gehen werden, werden wir nicht so viele ausbilden können, wie wir neu einstellen müssten.

Dringend muss das Parlament über Gegenmaßnahmen gegen dieses Dilemma reden, anstatt zu fabulieren, was die Sitzverlegung der SAB dem Standort Leipzig bringt oder was den sehr teuren Umzug der Landesnaturschutzanstalt nach Grillenburg rechtfertigen sollte. Das sind alles nur Placebos. Haben Sie aus dem Lehrerdilemma immer noch nichts gelernt, meine Damen und Herren von der CDU?

Wem nutzt dieses Standortegesetz eigentlich? Es ist weder geeignet noch entscheidungsreif. Es nutzt dem Land nicht. Es nutzt auch dem Haushalt nicht. Ich prognostiziere heute, dass es auch dem Image von CDU und FDP nichts nutzen wird. Viele in Sachsen sind mitten in der Finanzkrise nachdenklicher geworden und denken über Kosten nach. Tun Sie das auch! Lernen Sie aus den Fehlern von vor 20 Jahren!

Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ich komme zum Schluss.

Lernen Sie aus kostentreibenden Entscheidungen, die Sie zu verantworten haben! Reden Sie nicht über die Staatsmodernisierung, machen Sie eine!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Für die NPD-Fraktion spricht Herr Dr. Müller zum Abschluss der ersten Runde der 2. Aktuellen Debatte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich könnten wir mit einem gewissen Sarkasmus der CDU gratulieren: Egal, ob das koalitionäre Anhangsgebilde nun SPD oder FDP heißt, eine Änderung der Dampfwalzenstrategie zum Plattmachen der staatlichen Infrastruktur im ländlichen Raum ergibt sich daraus nicht. Ich erinnere nur an die Schulschließungen, Polizeistandortschließungen, Gerichtsstandortschließungen, aber auch an den Verlust der Landratsämter in vielen ehemaligen Kreisstädten, wo sich

ursprünglich noch Außenstellen befanden und nun nichts mehr ist.

Das ist das wahre Gesicht der CDU-Leuchtturmpolitik. Herr Biesok, wenn Sie dies mit der Demografie in Verbindung bringen – natürlich ist das so –, sollten Sie die demografische Entwicklung nicht einfach zur Kenntnis nehmen. Tun Sie etwas dagegen! Machen Sie eine vernünftige Bevölkerungspolitik!

(Beifall bei der NPD – Gitta Schüßler, NPD: Genau!)

Meine Damen und Herren! Das ist kein Beitrag zur Staatsmodernisierung, was hier formal unter der Federführung von FDP-Staatsminister Dr. Martens passiert. Nein, es ist die Fortführung der CDU-Strukturpolitik seit der Wende.

Die meisten Experten waren sich bei den Anhörungen zum Standortegesetz einig, dass der vorliegende Gesetzentwurf untauglich und auch noch handwerklich schlecht ist. Die NPD ist sich in dieser Hinsicht mit den meisten Sachverständigen einig, dass es allein schon unglaublich ist, dass – obwohl große Teile des sächsischen Staatsapparates umgekrempelt werden sollen – nicht einmal eine Wirtschaftlichkeitsrechnung vorgelegt wird. Das ist das Mindeste, was man erwarten könnte.

Bei der Kommunalreform 2008 hat man bis heute nicht nachweisen können, dass sie einen wirtschaftlichen Nutzen gebracht hat. Ich nenne einmal als Beispiel meinen Landkreis: Es war erst einmal so, dass wir innerhalb des ersten Jahres mehr als 50 Neueinstellungen vornehmen mussten, um die von staatlicher Seite übertragenen Aufgaben wenigstens mit qualifiziertem Personal wahrnehmen zu können. Es ist am Ende teurer geworden.

Ein Beispiel der Machtarroganz, die sich hinter diesem Strukturgesetz verbirgt, ist der Umgang mit dem Sächsischen Rechnungshof. Wir haben uns als NPD bisher immer für die Stärkung des Rechnungshofes eingesetzt – ob bei den Haushaltsberatungen oder an anderer Stelle. Das, was wir jetzt hier erleben müssen, ist eine Strafversetzung von Leipzig nach Döbeln. Meine Damen und Herren, das hat nichts mit der Stärkung des ländlichen Raumes zu tun – noch dazu, wenn man es in den Kontext bringt, dass man zunächst das Finanzamt aus Döbeln wegholt, um dann den Rechnungshof von Leipzig nach Döbeln zwangszuversetzen. Meine Damen und Herren, so wird der ländliche Raum nicht gestärkt.

Beispielhaft ist auch der Umgang mit den ehemaligen Kreisstädten von vor 1994. Dort werden jetzt zumeist die letzten staatlichen Einrichtungen dichtgemacht. Beispiele sind Wurzen oder Niesky. Dort kommen das Amtsgericht und die Polizei weg. An staatlicher Infrastruktur ist dann nichts mehr übrig. Sie machen den ländlichen Raum kaputt. Das ist das, was wir nicht hinnehmen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Mir liegen noch Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Herr Bartl für die Fraktion DIE LINKE.