Protocol of the Session on October 12, 2011

Das war Kollege Hartmann von der einbringenden Fraktion der CDU in der vierten Rednerrunde. – Jetzt sehe ich eine ganze Anzahl von potenziellen Kurzinterventen und -interventinnen. Ich fange mit Kollegen Lichdi an, weil er zuerst am Mikrofon stand; bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich bin sehr dankbar für den Redebeitrag des Kollegen Hartmann, möchte aber trotzdem noch einmal darauf eingehen. Es ist natürlich sehr zu begrüßen, wenn jetzt auch Herr Hartmann offiziell im Plenum des Landtages davon spricht, dass Sicht- und Hörweite möglich sein müssen. Das ist eine Veränderung der Position der CDU in Dresden und in Sachsen; die hatte auch schon Herr Ulbig im Mai angekündigt. Es wurde sowohl von Herrn Hilbert, dem amtierenden Oberbürgermeister, als auch dem neuen Polizeipräsidenten Kroll schon so angedeutet. Das ist sehr zu begrüßen.

Nur, jetzt ist natürlich auch zu sehen: Welche Strategie schlägt denn das Innenministerium und die Polizei in Dresden tatsächlich ein? Ich habe noch nicht gehört, dass die Polizei oder das Innenministerium bereit wären, sich von der Strategie Trennungsgebot, die dem fundamental widerspricht, zu lösen. Wir sind sehr hoffnungsvoll aufgrund der Aussagen, aber ich sage auch ganz klar: Es fehlt noch ein ganz schönes Stück Weges, und da müssen Sie dann auch dazukommen.

Ich habe mich aber auch gemeldet, weil ich noch einmal ausdrücklich Ihre Diktion, Herr Hartmann, zurückweisen muss, dass eine Blockade – ich spreche lieber von Platzbesetzungen –

(Lachen bei der CDU)

per se illegal und eine Straftat sei. Das ist nicht der Fall.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Wenn sich Menschen im Zuge eines Aufzugs der Neonazis auf die Straße setzen, dann machen sie von ihrem Grundrecht nach Artikel 8 Gebrauch. Es mag sein, dass in der Abwägung der beiden widerstreitenden Grundrechte die eine Grundrechtsausübung einer anderen weichen muss. Es mag auch sein, dass dann eine Räumung seitens der Polizei berechtigt sein kann. Das ist aber kein Automatismus. Das, was Sie hier tun, ist eine Kriminalisierung, indem Sie rundweg alle, die an einer Platzbesetzung teilnehmen oder diese befürworten, in die Gewalttäterecke stellen.

(Andreas Storr, NPD: Auch Nötigung ist Gewalt, Herr Lichdi! Das müssten Sie als Jurist eigentlich wissen!)

Wir sind auf einem guten Weg. Ich hoffe, dass wir auch diese Streitfrage noch ausräumen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Herr Hartmann, Sie haben jetzt Gelegenheit zu reagieren.

Herr Abg. Lichdi, ich möchte Ihnen nur kurz entgegnen: Wir müssen eine Diskussion beenden, die das Trennende formuliert. Wir als CDU haben zum Ausdruck gebracht, dass wir die Bereitschaft zeigen für ein Miteinander, für gemeinsame Formen des Protestes. Diese müssen friedlich sein, und es muss eine Grundrechtsabwägung stattfinden. Ich habe nicht gesagt, dass sie gewalttätig oder straffällig waren, sondern ich habe gesagt, dass sie aus unserer Sicht rechtswidrig waren. Das ist aus meiner Sicht ein Unterschied.

Wir müssen allerdings auch Regeln formulieren. Wenn zwei Partner aufeinander zugehen, dann hat das etwas damit zu tun, dass beide sich bewegen. Wir bitten Sie darum, die Chance wahrzunehmen. Lassen Sie uns miteinander reden – das bindet ausdrücklich auch die Staatsregierung bzw. die Versammlungsbehörde und die Polizei ein –, um gemeinsam eine vernünftige Form zu finden, damit wir ein deutliches, aber friedliches Zeichen setzen und aus Dresden ein sichtbares Signal senden können. Beharren Sie doch nicht schon wieder wie mit einem Pawlowschen Reflex darauf, dass Blockaden bitte schön dabei sein müssten. Lassen Sie uns in den Diskussionsprozess eintreten, und lassen Sie uns beide aufeinander zubewegen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die nächste Kurzintervention kommt von Frau Kollegin Friedel. Bitte.

Ich kann mich jetzt auf beide Redebeiträge von Herrn Hartmann beziehen.

Sie können sich nur auf den letzten beziehen.

Herr Hartmann, es ist ein bisschen ungewöhnlich, dass wir die Verhandlungen im öffentlichen Plenum des Landtags aufnehmen.

(Andreas Storr, NPD: Das machen Sie wohl lieber hinter verschlossenen Türen?)

Wir sollten schauen, dass wir das nach dieser Aktuellen Debatte fortführen. Ich nehme Sie sehr beim Wort: Lassen Sie uns das Trennende nicht betonen! Es hat wenig Sinn, wenn wir eine juristische Auseinandersetzung darüber ausfechten, was denn nun die richtige und was die nicht richtige Protestform sei. Wir sind uns einig, dass es Grenzen gibt, die nicht überschritten werden dürfen –

diese Einigkeit habe ich immer hier im Plenum festgestellt –, und diese Grenzen setzt das Strafrecht.

(Andreas Storr, NPD: Dann müssten Sie ja an der Strafverfolgung interessiert sein!)

Ob eine friedliche Blockade zu dieser Grenze gehört oder nicht – das ist genau das, was uns trennt. Lassen Sie uns über das sprechen, was uns verbindet.

Ich habe aus der Aktuellen Debatte den Eindruck gewonnen, dass das mehrheitlich auch so gesehen wird. Die Aufforderung, sich von irgendetwas zu distanzieren, ist wenig hilfreich. Auch wir verlangen weder, dass Sie sich von Ihrem Koalitionspartner distanzieren, noch sonstige Dinge. Lassen Sie uns miteinander reden!

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Wollen Sie reagieren, Kollege Hartmann? – Kein Reaktionsbedarf.

Nächste Abgeordnete mit einer Kurzintervention ist Frau Abg. Bonk. Bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich habe jetzt die Möglichkeit, implizit auch auf den noch erfolgten Austausch, aber eigentlich nur auf den Redebeitrag zu reagieren.

Kollege Hartmann, ich möchte zum Ausdruck bringen, dass das Gesprächsangebot in dieser Debatte angekommen ist. Die Ausrichtung der Dresdner CDU ist auch in der Bewegung seitens der Dresdner Oberbürgermeisterin deutlich geworden.

Wir sollten aber Folgendes nicht verwischen oder verschweigen: Auch wenn man gemeinsam an einen Tisch zurückkehrt, werden wir auf dieser Ebene dennoch weiterhin unterschiedliche Meinungen vertreten. Wenn wir über das Protestmittel des zivilen Ungehorsams in seiner Tradition in der Bundesrepublik und in seiner Anwendung auch in Dresden sprechen

(Unruhe bei der CDU – Jürgen Gansel, NPD: Ihre Bündnispartner! Schämen Sie sich auf CDU-Seite!)

oder wenn es um Ihre Anwendung einer Diktion von Extremismus geht, die politische Positionen in gut und schlecht einteilt, werden wir weiterhin sehr unterschiedlicher Meinung sein. Dennoch ist es ein legitimes und muss ein gemeinsames wichtiges Ziel sein, Rechtsstaatlichkeit und Dialog zu stärken, die Verfolgung gemeinsamer Interessen im Gemeinwesen voranzutreiben und – vor allem – sich gegen die Vereinnahmung von Gedenken durch Rechts zu wehren. Dazu haben wir – von den Entgleisungen abgesehen – Gutes gehört. Es ist wichtig, an diesem Ziel festzuhalten und bei den Tatsachen zu bleiben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Wollen Sie erwidern, Herr Hartmann? – Das ist nicht der Fall.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war die vierte Rednerrunde. Die anderen Fraktionen haben keinen Redebedarf mehr signalisiert. Will die CDU-Fraktion eine fünfte Rednerrunde eröffnen? – Das ist nicht der Fall.

Damit hat die Staatsregierung das Wort. Herr Staatsminister Ulbig ergreift es.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zuerst möchte auch ich klar und deutlich sagen: Es ist gut, dass sich die Dresdnerinnen und Dresdner nicht erst seit heute, sondern seit einigen Wochen über Parteien und ideologische Grenzen hinweg intensiv mit der Frage auseinandersetzen, wie im Februar des Jahres 2012 in Dresden ein friedliches, würdiges Gedenken stattfinden kann und wie ein kraftvolles Zeichen gesetzt werden kann, um Nationalsozialisten in dieser Stadt entgegenzutreten.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Jürgen Gansel, NPD: Nationalsozialisten gibt es seit 1945 nicht mehr!)

Deshalb bin ich froh, dass Herr Richter als Moderator gefunden wurde. Ich traue ihm eine ganze Menge zu und gehe davon aus, dass er scheinbar unüberbrückbar gegensätzliche Positionen so weit zusammenbringt, dass am Ende der Konsens steht.

Ich möchte aber auch deutlich aussprechen, was ebenfalls klar sein muss: Es kann nicht hingenommen werden, dass dieser Tag missbraucht wird – von den Nationalsozialisten zum vermeintlichen Gedenken oder von denen, die Gewalt in diese Stadt bringen wollen. Gewaltexzesse gehören eben nicht zur friedlichen Auseinandersetzung. Ich denke, das muss ganz klar Konsens sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Aber man hat das Gefühl, dass das für einige nicht genug ist. Wie sonst könnte jemand auf die Idee kommen, Blockadetrainings oder Ähnliches zu veranstalten? Deshalb möchte ich deutlich sagen, dass die TU richtig reagierte, indem sie das Seminar sofort absetzte. Das hat an sächsischen Hochschulen nichts zu suchen. Ich füge ebenso klar hinzu: Das hat auch an keiner anderen Stelle etwas zu suchen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Engagement gegen Extremismus ist wichtig. Aber dazu gehört nicht Gewalt. Dazu gehören auch keine Blockaden.

Ich hatte Sie zum Symposium am 20. Mai eingeladen. Wir haben dort intensiv zu diesem Thema diskutiert. Die Broschüre ist fertig. Sie werden sie in den nächsten Tagen in Ihren Abgeordnetenfächern finden. Damit können wir durchaus einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion leisten.

Ich möchte drei Punkte herausgreifen, um zu verdeutlichen, warum Blockaden nicht geeignet sind.

Ich habe Verständnis für die Emotionen. Es entsteht ein tolles Wir-Gefühl, wenn es um die gemeinsame Sache geht. Es ist ein gefühlter Erfolg, wenn man feststellt, dass die Nazis unverrichteter Dinge abziehen müssen. Aber man muss sich auch die Frage stellen, welche langfristige Wirkung von diesen Blockaden ausgeht. Natürlich sollen Nazis merken, dass sie hier nicht gewollt sind.