Protocol of the Session on September 15, 2011

Herr Dr. Külow, Sie beschreiben genau das Phänomen desjenigen, der im Erzgebirge Urlaub macht. Wir freuen uns über diejenigen. Aber nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass es etwas anderes ist, in einer Montanregion zu leben, als dort Urlaub zu machen.

(Dr. Volker Külow, DIE LINKE: Das ist doch Quatsch! – Unruhe)

Sie sehen doch immer nur die eine Seite der Medaille. Sie brennen nicht dafür. Sie leben nicht mit den Folgen. Wir erleben das tatsächlich jeden Tag. Deswegen sind wir es, die entscheiden, ob wir den Weltkulturerbetitel für richtig befinden oder nicht, und wir befinden es für richtig. Wir Erzgebirger stehen dahinter. Aber Sie geht es im Moment nichts an! Akzeptieren Sie das doch einfach!

(Beifall bei der FDP und der CDU – Starke Unruhe – Mario Pecher, SPD: Nicht alle im Erzgebirge sind so!)

Das war die Reaktion auf die Kurzintervention.

(Zurufe aus verschiedenen Fraktionen – Starke Unruhe)

Wir gehen jetzt weiter in der Rednerreihung. Als Nächstes hat die NPD-Fraktion das Wort und es spricht der Abg. Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur aufgrund der kurzen Redezeit ist es für mich jetzt eine schwierige Debatte. Zum einen ist bekannt, dass auch die NPD-Stadt- und Gemeinderäte und die NPD-Fraktion im Kreistag Erzgebirge den Antrag zum Welterbeprojekt Montanregion Erzgebirge unterstützen, dass es diesen doch sehr engagierten Förderverein gibt und die Vorteile, die dieser benennt, wie die Steigerung der Tourismuszahlen, der Image-Gewinn mit Vorteilen für Kultur und Wirtschaft, die Sicherung der lokalen und regionalen Identität, die Vertiefung der sächsisch-böhmischen Zusammenarbeit – das ist alles unterstützenswert.

Andererseits ist genauso bekannt, dass ich mit meiner Kreistagsfraktion ein ähnliches Projekt für die sächsischböhmische Schweiz vehement ablehne. Ich denke, das hat auch Gründe. Deswegen möchte ich auch hier ein bisschen Wasser in den Wein gießen.

Ich möchte jetzt dieses Käseglockenzitat von Herrn Staatsminister Ulbig bringen: „Die Bewerbung darf auf keinen Fall den Effekt der sprichwörtlichen Käseglocke haben.“ So wurden Sie zumindest zitiert. Ich denke, diese Gefahr ist groß, vielleicht nicht kurzfristig, aber dieser Titel ist ja etwas Langfristiges, das sollte er zumindest sein. Unsere ländlichen Regionen werden langfristig vom Tourismus leben müssen. Dafür ist es notwendig, dass es auch eine Weiterentwicklung in der Region geben muss und dass dort eventuell auch perspektivisch einmal wieder Großprojekte anstehen könnten, ganz zu schweigen von dem derzeit aktuellen Berggeschrei, das es wieder gibt, wo man der Meinung ist, dass die noch verbliebenen Bodenschätze im Erzgebirge jetzt aus dem Boden heraus sollen.

Wir wissen seit der Debatte um das Dresdner Elbtal, dass die UNESCO nicht nur ein zusätzlicher, sondern auch ein sehr schwieriger Verhandlungspartner ist und in dem Falle auch sein würde, wenn es im Erzgebirge so ist. Dahin gehend möchte ich natürlich darauf verweisen, dass wir unbedingt die Verhandlungsnotwendigkeit mit der UNESCO auch nach der Vergabe des Titels berücksichtigen müssen; denn ein nochmaliges Aberkennungsverfahren in Sachsen wäre für das Image des Freistaates eine Katastrophe. Das sollten wir unbedingt vermeiden. Ich denke, dass dahin gehend auch Bedenken auf der tschechischen Seite vorhanden sind. Die große Unterstützung aus Prag ist zumindest bis jetzt für dieses Projekt noch nicht vorhanden. Wir sollten uns der großen Verantwortung bewusst sein, damit wir nicht in den nächsten Imageschaden hineinrutschen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Das war der Abg. Müller für die NPD-Fraktion. Wir kommen jetzt zu einer neuen Runde der Redner. Die einbringende Fraktion ergreift das Wort erneut, diesmal mit Frau Kollegin Giegengack.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin seit zweieinhalb Jahren in diesem Landtag. Das habe ich wirklich noch nie erlebt, dass ich mich hier verteidigen muss, dass wir hier zu einem Thema reden, das eine Region angeht, nur weil ich nicht ursprünglich aus Schneeberg oder Schwarzenberg oder Aue komme. Das gibt es doch überhaupt nicht! Wie kommen Sie denn dazu?

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Sie glauben, Sie hätten uns hier zu sagen, wir sollen uns aus diesem Projekt heraushalten. Wir sind Sachsen und auch wir kommen aus dem Erzgebirge, und wir haben ein großes Interesse daran, dass es in dieser Region weitergeht!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Ich wollte meine Rede damit beginnen zu sagen: Die Erzgebirger sind bekannt für ihre Bescheidenheit. Sie haben heute ein Bild von denen entworfen, für das sich viele aus dem Erzgebirge schämen!

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Trotzdem bin ich überzeugt davon: Die Erzgebirger, die ich kenne, die überzeugen mich durch ihre Art und Weise, durch ihre Bescheidenheit, eben nicht durch Arroganz wie Sie, Herr Günther!

(Tino Günther, FDP: Wie?)

Es ist bemerkenswert, dass diese Menschen sozusagen für die Zeugnisse ihrer Geschichte, ihrer Anstrengungen und dieser Leistungen, die sie in den letzten 800 Jahren im Erzgebirge vollbracht haben, Anerkennung anstreben und sich um diesen Welterbetitel bemühen. Das empfinde ich als etwas ganz Besonderes, und wir nehmen uns das Recht heraus, das zu unterstützen. Wir denken auch, dass die Gegner in den Argumenten, die sie gebracht haben, widerlegt worden sind. Wir hatten nicht vor – weder Herr Gerstenberg noch ich –, hier irgendwelche Dinge wie „Buttermilchgetzen“ oder „Käseglocken“ aufzuwärmen. Wir wollten keinen Keil hineintreiben. Unser Anliegen war es, vom Landtag ein Zeichen ausgehen zu lassen, dass wir alle zusammen, wir Sachsen, dieses Projekt unterstützen.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Dem Bergbau im Erzgebirge verdankt die Welt sehr wichtige Erfindungen und weitreichende Kenntnisse. Auch die Landeshauptstadt – es wurde angesprochen – verdankt dem Erzgebirge mit ihren Reichtum. Es waren die Bodenschätze aus dem Erzgebirge, die den sächsischen Glanz ermöglicht haben.

Für mich persönlich heißt UNESCO-Welterbe aber nicht nur, besondere Werte zu bewahren, zu erhalten und zu

schützen. Für mich persönlich bedeutet dieser Titel auch eine Auszeichnung und eine Anerkennung der Leistungen, die die Menschen in dieser Region über Generationen und unter widrigsten Bedingungen hervorgebracht haben. Mir ist sehr bewusst, was dort über Jahre geleistet worden ist, wie Menschen mit ihrem Leben dafür bezahlt haben. Die Lebenserwartung war außerordentlich gering. Kinder und Frauen mussten mitarbeiten.

Für mich ist auch das Klöppeln nicht irgendeine traute Tradition, weil es einfach so toll aussieht, wenn die Frauen vor ihren Klöppelkissen sitzen. Dahinter steckt eine ganz harte Realität. Das Klöppeln ist im Erzgebirge aufgekommen, als es die erste Flaute im Erzabbau gab. Dann haben sich die Frauen etwas einfallen lassen müssen, damit sie ihre Familien in diesem absolut verarmten Landstrich durchbringen konnten. Stellen Sie sich die Frauen mit ihren schwieligen Händen vor, die sonst ganz andere Arbeit gewöhnt waren und nun anfangen, im Akkord zu klöppeln. Das ist mir durchaus bewusst.

Ich bin kein Anhänger dieses Weihnachtsfreudelandes Erzgebirge. Ich glaube, das gibt den Wert des Erzgebirges überhaupt nicht wieder. Das wollen wir auch nicht. Wir sehen diesen Titel als Anerkennung der Leistungen, die über viele Generationen in diesem Landstrich vollbracht worden sind. Wir wünschen uns, dass alle Sachsen gemeinsam, die Leute vor Ort wie auch die Staatsregierung, dieses Projekt unterstützen und zum Ziel bringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Für die CDUFraktion spricht jetzt Frau Abg. Nicolaus.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe jetzt überlegt, wie ich das mit dem Einstieg mache. Sage ich, ich wohne seit 50 Jahren im Erzgebirge, mein Vater war untertage und ich kann auch selbst klöppeln? Deswegen darf ich wahrscheinlich auch hier stehen. Ich könnte auch etwas vorklöppeln.

(Heiterkeit)

Ich habe zwar nicht die Hände, Frau Giegengack, wie Sie sie beschrieben haben, weil ich keine körperlich schwere Arbeit verrichten muss, da ich Mitglied des Landtages bin. Ich bin aber auch Bürgermeisterin einer der 38 Kommunen, die sich an dem Projekt beteiligen. Wir arbeiten an zwei Projekten mit.

Ich möchte zur Versachlichung beitragen und erklären, was wir als Kommunen wollen. Wir wollen keine Käseglocke über das Erzgebirge stülpen. Nein, wir wollen punktuell Projekte in den Antrag einfließen lassen. Dieser wird dann gebündelt und geht zur Sächsischen Staatsregierung.

Wir haben natürlich viele Verbündete vor Ort. Wir haben schon viel gehört über die demokratische Art und Weise.

Nicht der Bürgermeister oder der Oberbürgermeister entscheidet oder die Landräte entscheiden. Nein, vor Ort wird entschieden. Mit den Gemeinderäten, mit den Stadträten und mit der interessierten breiten Öffentlichkeit werden die Projekte durchgesprochen. Ich möchte mich dafür bedanken, dass das so passiert, dass diese Energie und das ehrenamtliche Engagement vorhanden sind.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt möchte ich noch etwas in Richtung GRÜNEFraktion sagen. Die beiden Projekte, an denen wir uns beteiligen, sind die Bergbaulandschaft Hohenforst und die Montanlandschaft Schneeberg. Bei meiner Gemeinde ist es so, dass der älteste künstlich angelegte Silberbergbausee Deutschlands zu dem Projekt in Schneeberg gehört, weil wir uns den Filzteich mit Schneeberg teilen. Er ist bereits unter Schutz gestellt. Auch die Bergbaulandschaft Hohenforst wurde bereits unter Schutz gestellt. Das sind Projekte, die wir einfließen lassen, die aufgearbeitet werden und die natürlich ein großes Pfund für den Antrag darstellen.

Wir sprechen aber nicht nur über diese Montanregionen über- oder untertage. Wir reden auch und im Besonderen über Flora und Fauna. Wir reden aber auch über Kunst, über Musik und das Brauchtum, zu denen auch die Bergbauaufzüge gehören. Wir sprechen auch über Bildung und Wissenschaft. Die Universität Freiberg ist schon genannt worden. Wir sind sehr dankbar – Herr Prof. Albrecht ist ja heute anwesend –, dass wir diese Zusammenarbeit haben, um dieses Projekt gehaltvoll entwickeln zu können.

Wir werden uns am 17.11. einer Manöverkritik stellen. Wir haben eben nicht nur Menschen vor Ort, die dem Projekt wohlgesonnen sind. Wir haben auch Menschen, die es kritisieren. Diese Kritik wollen wir aufarbeiten, um am Ende dieses Projekt so auszugestalten, dass man sich gemeinsam dafür entscheidet. Wir sind der Meinung, dass wir gute Chancen haben.

Unser Ziel ist die Steigerung der Tourismuszahlen, eine Imageaufwertung für Kultur und Wissenschaft. Wir wollen natürlich vor Ort die Identität steigern. Wir wollen vor allem auch die deutsch-tschechische Zusammenarbeit nach vorn bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Erzgebirge steht eben nicht nur für den Tourismus. Aus diesem Bergbau heraus, aus diesem schweren Tun vor Ort, sind Metallbau, Maschinenbau, Elektrotechnik, Autozulieferer entstanden. Das gehört auch zum Erzgebirge, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das haben die Menschen vor Ort geschaffen, und dafür dürfen wir uns auch bedanken.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schließen möchte ich aus den Gedanken des Bergbaus heraus mit einem Satz, der mir sehr gut gefallen hat: „Wir haben untertage gegen Weltspitze eingetauscht“. Dafür möchte ich mich im Besonderen bedanken, dass alle hier

vor Ort in ihren Projekten mitgemacht haben und das weiterhin tragen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir von Ihnen, Herr Staatsminister, das hören werden, worauf wir alle warten.

(Heiterkeit bei der CDU)

Aber wir wissen bereits und sind uns gewiss, dass wir die Unterstützung der Staatsregierung haben, und das beschwingt uns auch in unserem Tun.