Protocol of the Session on September 15, 2011

(Alexander Delle, NPD: Wie denn?)

Und zwar möge sie nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern umgehend handeln.

Verehrte Frau Clauß, nach dem heutigen Tag, für den ich mir relative Ruhe verordnet hatte, werde ich langsam etwas angestrengter durch das, was Sie hier vorführen. Es ist doch abenteuerlich, dass Sie sagen: Solange wir in unserer Studierstube nichts zustande gebracht haben, werde ich Ihnen gar nichts sagen. Das hat mit Demokratie, mit Einbeziehung des Parlaments und mit einem engen Verhältnis von Exekutive und Legislative überhaupt nichts zu tun.

Zur Lösung dieser Problematik trägt der vorliegende Antrag nicht bei. Wir werden ihm dennoch aus den genannten Gründen zustimmen.

Herzlichen Dank.

Ich erwarte einfach, dass sich diese Linie, diese Praxis endlich ändern. Wie wollen wir erreichen, dass wir Bürgerinnen und Bürger auffordern, am politischen Leben und an der politischen Gestaltung teilzunehmen, wenn wir hier praktizieren und vorführen, dass wir uns eigentlich erst einmal zurückziehen und ein Jahr brauchen, und eventuell wird der Gesetzgeber irgendwann einbezogen?

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, die erste Runde ist beendet. Gibt es weiteren Redebedarf seitens der Fraktionen? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung. – Selbstverständlich; Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort. interjection: (Staatsministerin Christine Clauß: Das stimmt nicht, Kollege Pellmann!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich werde es kurz machen, denn ich habe bereits gegenüber dem Ausschuss am 4. August dieses Jahres schriftlich Stellung genommen.

Genau das ist Ihr Stil. Ich sage nur und appelliere an die Staatsregierung – jetzt werde ich wieder freundlich –: Gewöhnen Sie sich das ab!

Im Übrigen bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Zurzeit wird ein Gesetz erarbeitet. Solange dies nicht innerhalb meines Hauses fertiggestellt und mit den anderen Ressorts abgestimmt ist, kann und werde ich mich dazu inhaltlich nicht äußern. Ich gehe davon aus, dass der Gesetzentwurf gegen Ende des Jahres vorliegt und danach in die Anhörung gehen wird.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/6304 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Was die Zeitschiene anbelangt, sei noch einmal sehr deutlich festgehalten: Das Bundesgesetz, das die Satzungsänderung vorsieht, wurde kurz vor der Sommerpause verabschiedet. Hier von grobem Zeitverzug zu sprechen halte ich für unredlich.

Tagesordnungspunkt 7

Demokratie stärken – Ursachen antidemokratischer und menschenfeindlicher Einstellungen bekämpfen

Drucksache 5/6251, Antrag der Fraktion der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die SPD spricht Herr Homann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir leben gemeinsam in einer Demokratie und wir alle gemeinsam begreifen dies als Gewinn. Auch die Menschen in Deutschland stehen zur Demokratie. 88 % der Bürgerinnen und Bürger in den ostdeutschen Bundesländern stimmen der Idee der Demokratie zu. Allerdings nicht einmal ein Drittel der Bürger stimmt der Demokratie, so wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert, zu. Nur ein Drittel stimmt der Verfassungsrealität zu. Diesen Schluss ziehen seit Jahren verschiedene Studien in Deutschland, zuletzt die Studie „Die Mitte in der Krise“ der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie kann es sein, dass es solch eine exorbitante Kluft zwischen der grundsätzlichen Zustimmung zur Demokratie auf der einen Seite und einer großen Unzufriedenheit mit der Verfassungsrealität auf der anderen Seite gibt? Dem müssen wir nachgehen.

Die SPD-Fraktion bringt deshalb heute einen Antrag in den Sächsischen Landtag ein, der die Grundlagen für einen Prozess schaffen kann, an dessen Ende ein umfassendes sächsisches Handlungskonzept für Demokratie stehen kann. Wir wollen die Demokratieskepsis in der Gesellschaft ernst nehmen. Lassen Sie uns dabei die grundsätzliche Zustimmung zur Demokratie als Chance begreifen, aber lassen Sie uns auch gleichzeitig die Unzufriedenheit mit der Realität zum Anlass nehmen, neue Wege zu finden.

Im Mittelpunkt steht dabei der Bürger. Die Demokratieskepsis auf ein Vermittlungsproblem zwischen Republik und Bürger zu reduzieren wäre falsch. Ich halte es eher für ein Selbstwahrnehmungsproblem. Drei Viertel der Sachsen wünschen sich mehr direkte Demokratie. Sie sind bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen, als alle vier, fünf oder sieben Jahre zu wählen. Wir sollten diesem Anspruch positiv gegenübertreten, denn er offenbart den Willen, sich in einer pluralistischen und weltoffenen Gesellschaft zu engagieren. Was wollen wir mehr, meine sehr geehrten Damen und Herren?

Es ist unsere Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat wieder stärker mitzunehmen, in der Praxis Wege zur Teilhabe und Mitbestimmung zu eröffnen und für sie demokratische Werte in ihrem Alltag wahrnehmbar zu machen. Der vorliegende Antrag macht sich das zum Auftrag.

Wer die Demokratie in Sachsen stärken möchte, der braucht ein Konzept und Partner, mit denen er es umsetzen kann. Wer Teilhabemöglichkeiten im Freistaat stärken möchte, der muss Teilhabe bei der Erarbeitung dieser Konzepte ermöglichen. Deshalb legen wir heute kein fertiges Konzept vor, sondern fordern die Staatsregierung auf: Initiieren Sie eine breite gesellschaftliche Debatte zur Stärkung der Demokratie in Sachsen, stellen Sie sich an die Spitze dieses Erarbeitungsprozesses, der alle relevanten gesellschaftlichen Partner einbezieht! Wir denken da an die Wissenschaft, die Kirchen, die kommunalen Spitzenverbände, Gewerkschaften, Wirtschafts- und Wohlfahrtsverbände und die zivilgesellschaftlichen Vereine.

Wer aber wollte den zweiten Schritt vor dem ersten gehen? Es wird nicht ausreichen, sich zusammenzusetzen und unterschiedliche Sichtweisen auszutauschen. Der Erarbeitung von Lösungsansätzen muss eine gründliche Problemanalyse vorausgehen. Wir müssen dabei einen sorgfältigen Blick, auch einen kritischen Blick auf unsere eigenen demokratischen Institutionen und Entscheidungsprozesse werfen. Die Frage ist doch: Warum sind so viele Menschen politikverdrossen, warum gibt es eine solche Demokratieverdrossenheit? Wir müssen uns deshalb auch fragen, welche Instrumente wir schaffen können, um mehr direkte Demokratie zu ermöglichen, welche Hürden zur Teilhabe wir dabei aus dem Weg räumen müssen, welche Quoren für Bürgerbegehren und Volksentscheide angemessen sind und wie wir Mitsprachemöglichkeiten so ausgestalten können, dass sie für die Bürgerinnen und Bürger attraktiv und handhabbar sind.

Auf diese Fragen müssen wir Antworten geben, und zwar auf der kommunalen und auf der Landesebene. Lassen Sie uns darüber aber nicht die Frage vergessen, welche Einstellungsmuster in unserer Gesellschaft einer Stärkung der demokratischen Kultur entgegenstehen. Eine 2010 durchgeführte Studie unter Leitung von Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer im Auftrag der Stadt Dresden kann uns dafür erste Anregungen geben. Fast 55 % der Sachsen halten Ausländer in erster Linie für eine Belastung für das soziale Netz.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist eine Einstellung!)

13,6 % glauben, Juden hätten in Deutschland zu viel Einfluss, und über ein Drittel der Sachsen unterstellt Langzeitarbeitslosen, dass sie sowieso kein Interesse an einem Job hätten. Können wir uns damit abfinden? Nein, meine Damen und Herren, wer Hürden auf dem Weg zur Stärkung demokratischer Kultur in Sachsen ausräumen will, der muss auch der ungeschminkten Wahrheit ins

Gesicht sehen, und zwar auch dort, wo es uns nicht gefallen mag, was wir sehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine genaue Identifizierung von Einstellungsmustern ist zweifelsohne notwendig. Nur so können wir Lösungsansätze erarbeiten. Wir schlagen deshalb vor, nach dem Vorbild von SachsenAnhalt und Thüringen einen Sachsen-Monitor einzuführen. Wir brauchen eine regelmäßige wissenschaftliche Erhebung zur Entwicklung politischer Einstellungen. Nur dann kann ein künftiges Handlungskonzept für Demokratie in Sachsen auf eine solide Grundlage gestellt werden. Darum müssen wir besonders Rücksicht auf die antidemokratischen und menschenfeindlichen Einstellungen nehmen.

Eine vielfältige regionale Bemühung, die es in Sachsen gibt, sollten wir auch durch regionalisierte Daten unterstützen. Dass wissenschaftliche Forschung gerade in diesem sensiblen Bereich der Unabhängigkeit bedarf, versteht sich von selbst. Dem müssen wir durch das Einbeziehen zivilgesellschaftlicher Experten und durch die Vergabe an eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung Rechnung tragen.

Die Staatsregierung hat durch den Innenminister Herrn Ulbig in dem Symposium im Nachgang zum 19. Februar einen wichtigen Diskussionsprozess angeschoben. Leider ist die Diskussion auch dort in weiten Teilen nur juristisch geblieben. Wollen wir denn in Zukunft weiter an den Symptomen herumdoktern? Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte über die Ursachen von antidemokratischen Einstellungsmustern. Auch deshalb brauchen wir einen Sachsen-Monitor.

(Beifall der Abg. Stefan Brangs, SPD, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Danke, Johannes, danke, Stefan.

Nur so können wir uns zusammen auf den Weg nach Lösungen begeben. Nur so können wir uns gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat auf den Weg machen, einen Weg, an dessen Ende die Demokratie nicht nur eine schöne Idee bleibt, sondern tagtäglich erlebbar wird, wo Mitsprache und Teilhabe selbstverständlich sind, wo die Sachsen die Politik im Freistaat als ihre ureigenste Angelegenheit betrachten. Lassen Sie uns heute einen Grundstein dafür legen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nun spricht die CDUFraktion. Herr Abg. Bandmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer am vorletzten Wochenende in Kamenz war und die vielfältigen Initiativen und Verbände aus dem ganzen Freistaat Sachsen erlebt hat, der konnte die tatsächliche Freude der Menschen in Sachsen erleben, die Wirklichkeit, die nicht Herr Homann

hier abbildet, sondern wie sie tatsächlich im Land vorhanden ist.

(Beifall bei der CDU)

Vereine und Verbände, freiwillige Feuerwehr und viele andere sind ein Spiegelbild wirklicher sächsischer Demokratie. Demokratie heißt Mehrheitsentscheidung. Die Leute sind freiwillig zum Tag der Sachsen gefahren, mit Freude. Sie sind nicht hingeprügelt worden, sie sind auch nicht angebrüllt worden, wie wir das eben erlebt haben,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

und es gibt vielfältige Initiativen in unserem Freistaat.

Wir hatten letztes Wochenende den Tag des offenen Denkmals – ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Aktivitäten der Leute, die sich um ihre Städte kümmern, wo Tausende zu Fuß unterwegs waren, um die Aktivitäten in den Städten zu erleben, wie neue Häuser entstehen oder alte Häuser wieder zum Leben erweckt werden, wo der Stolz der Bürgerschaft das Stadtbild widerspiegelt – Tag der offenen Sanierungstür.

Wir haben heute von Frank Kupfer gehört, der uns alle zum Landeserntedankfest eingeladen hat, um auch ein Stück Gott Dank zu sagen, dass er es regnen lässt, dass wir die Freude, die Ernte einzufahren, im Lande haben. Dort gehen die Leute freiwillig hin. Das ist das Spiegelbild dessen, was die Realität in Sachsen ist. Die Leute sind froh, in Freiheit zu leben, dass ihnen keine Partei mehr vorschreibt, wo sie hinzugehen haben. Das ist ein freier Wettbewerb von Angebot und Nachfrage.

Ich denke auch, dass der 3. Oktober hier im Sächsischen Landtag ein solches Spiegelbild ist. Die Leute stehen vor der Tür unseres Parlaments Schlange, um hereingelassen zu werden. Sie kommen mit Kind und Kegel. Das ist die Freude, das ist die Wirklichkeit. Natürlich gibt es bei dieser Mehrheitsentscheidung im politischen Wettbewerb unterschiedliche Ansichten. Ich teile Ihre Ansicht so, wie Sie sie vorgetragen haben, nicht. Das spiegelt auch die Antwort der Staatsregierung wider. Von daher halten wir die vielfältigen Initiativen, die auch Markus Ulbig und die anderen Staatsminister in Sachsen realisieren, um das Problem Extremismus in den Griff zu bekommen, für durchaus beachtenswert. Ihre Initiative ist aus unserer Sicht überflüssig und daher werden wir auch diesem Antrag die Zustimmung nicht geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Anja Jonas, FDP)