Wir haben ein Schreiben von einer Lehrerin aus Chemnitz bekommen: „Lehrer werden wie Ware in Regalen von billigen Supermärkten herumgeschubst.“ Es liegt nicht nur allein am Lehrermangel, sondern auch an der Unfähigkeit der Regionalstellen, Abordnungen und Versetzungen vernünftig zu regeln. Bis zur Hälfte und darüber hinaus sind Lehrerinnen und Lehrer an Schulen abgeordnet. Das kann ich für viele Schulen in Leipzig auch bestätigen, nämlich, dass mehr als die Hälfte einer Lehrerschaft in andere Schulen abgeordnet ist. Das ist nicht zumutbar.
Ich habe in meinem Büro einen Lehrer aus einer Mittelschule in Leipzig gehabt, der jetzt drei Jahre im Schuldienst ist. Er hat zu mir gesagt: Frau Falken, wenn es Ihnen in der Politik in diesem Jahr nicht gelingt, etwas zu ändern, dann gehe ich in die alten Bundesländer. Ich bin in den drei Jahren in drei Schulen abgeordnet. Ich unterrichte an drei Schulen. Ich werde in keiner Schule heimisch. Mir geht es nicht ums Geld, aber ich möchte als Pädagoge arbeiten und nicht als Stundenhalter. Das ist mir in Sachsen nicht gegeben und deshalb werde ich mir ein anderes Bundesland aussuchen. – Das geht nicht. Das ist unmöglich.
Ich glaube, dort sind die Lehrer schon so weit, dass sie sagen, wir halten es nicht mehr aus, wir müssen hier jetzt etwas tun. Denn in Chemnitz fehlen nach meinem Kenntnisstand – es gibt noch kein statistisches Material, ich weiß gar nicht, Herr Colditz, wo Sie das herhaben, auch der Hauptpersonalrat hat noch nichts bekommen – an den Förderschulen zurzeit circa 100 Stellen, um den Grundbereich abzudecken. Da die Statistik ordentlich sein muss, die wir dann irgendwann im Oktober bekommen werden, passiert in Chemnitz Folgendes: Die Gymnasiallehrer – da gibt es noch ein paar zu viel, die eigentlich die Ganztagsangebote abdecken sollen – werden an die Förderschulen abgeordnet. Die Gymnasiallehrer in Chemnitz haben sich aber geweigert. Sie haben gesagt: Nein, das machen wir nicht, wir sind Gymnasiallehrer! Wir haben eine gute Ausbildung. Als Förderschullehrer brauche ich eine besondere Ausbildung, wenn ich das machen soll. Gut, die gehen also nicht, weil gegen den Willen der Kollegen nicht abgeordnet wird. Jedenfalls ist das die Maßgabe des Kultusministeriums.
Was machen wir? Wir machen Schneeballabordnungen. Wir schicken die Gymnasiallehrer an die Mittelschulen – also wir nicht, Entschuldigung, Sie –, die Mittelschullehrer an die Förderschulen und die Grundschulen. Das ist das Chaos, das zurzeit in Chemnitz existiert und das ist – bin ich der Auffassung – so nicht hinzunehmen.
Wir als Landtagsabgeordnete bekommen dann eine bereinigte Statistik, in der wieder einmal prozentual das meiste stimmt, obwohl es überhaupt nicht stimmt.
Das war für die einbringende Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Falken. Als Nächstes spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Schreiber.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Aktuelle Debatte soll in meinen Augen nicht nur dazu da sein, auf Missstände aufmerksam zu machen, immer an allem herumzumäkeln, herumzuschimpfen, sondern sie sollte vielleicht auch manchmal dazu da sein, hier eigene Lösungsvorschläge vorzutragen. Leider habe ich außer bei der Kollegin Giegengack relativ wenig davon gehört. Von Frau Falken habe ich in Richtung Lösungsvorschlag eigentlich nicht ein Wort gehört.
Es gibt ein Sprichwort, das heißt: „Tue Gutes und sprich darüber.“ Dass die Opposition natürlich die Dinge, die vielleicht auch gut laufen, hier nicht anbringt, ist selbstverständlich. Das ist eben so. Leider. Aber ich denke, jeder – und da sind wir uns parteiübergreifend einig – hat hier davon gesprochen, dass wir hoch motivierte Lehrer brauchen. Nun frage ich Sie alle einmal ganz deutlich: Wie will ich nur eine einzige Lehrkraft motivieren, die im Zweifel hier oben unter den Besuchern sitzt, wenn sie hier Horrorszenarien vorgespielt bekommt, wenn sie hier nur Dinge hört, bei denen man denken könnte, um Gottes willen, es ist ja nicht nur eine Geisterfahrt aus dem Kultusministerium,
sondern es ist schon fast eine bewusste Selbstmordfahrt? Ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie werden so nicht eine Lehrkraft motivieren, zurück in die Schule zu gehen und motiviert Unterricht zu halten, und Sie werden erst recht – ich weiß nicht, ob wir gerade eine Schülergruppe hier haben – keinen Abiturienten oder überhaupt Schülerinnen und Schüler dazu motivieren, in Sachsen ein Lehramtsstudium aufzunehmen.
Deshalb sollten wir an dieser Stelle logischer- und selbstverständlicherweise die Probleme benennen, die unwidersprochen da sind. Aber wir sollten im Zweifel vielleicht auch mit dem – wie heißt es so schön – Fahrzeug in der Garage bleiben oder die Dinge im Zaum halten.
Fakt ist eines und – wie gesagt – da sind wir uns relativ einig: Es gibt Probleme. Ich frage mich allerdings, warum wir, als wir in der letzten Schulausschusssitzung über das Thema Beginn des Schuljahres sprachen, nicht so konkret über die konkreten Beispiele, die vor allen Dingen Frau Falken genannt hat, im Ausschuss gesprochen haben. Ich weiß, Sie waren – glaube ich – in der letzten Sitzung nicht da, aber vielleicht sollten wir das in der nächsten Schulausschusssitzung etwas intensiver nachholen, anstatt hier solche populistischen Fensterreden zu halten.
Fakt ist eines: Es gibt für all die Dinge, die heute hier genannt worden sind, nicht nur eine Ursache. Aber es gibt eine Ursache, die in meinen Augen sehr entscheidend ist. Das erwähnen Sie in keinem Moment. Es gab vor einigen Jahren eine gemeinsame Abmachung zwischen der Staatsregierung und den Gewerkschaften. Das nannte sich damals Bezirkstarifvertrag. Es gab irgendwann einmal die Abmachung, dass eben nicht entsprechend den Schülerzahlen das Lehrpersonal abgebaut wird, sondern dass wir letzten Endes ungefähr 25 % mehr Lehrer im Schuldienst belassen haben, als es laut den damaligen Schülerzahlen notwendig gewesen wäre. Dann gehört es schon zur Ehrlichkeit dazu, dass Sie das hier auch benennen; denn das ist die Hauptursache für die Situation, die wir heute neben vielen anderen Dingen, die hier schon genannt wurden, haben. Das heißt eben, dass wir uns nicht wundern müssen, wenn wir letzten Endes die Lehrer – was in meinen Augen sozialpolitisch und gesellschaftspolitisch auch der richtige Weg gewesen ist – –
Ja, Frau Dr. Stange, es ist trotzdem ein Fakt. Wenn Sie heute bemängeln, dass zu wenig junge Lehrer da sind, dass die älteren Lehrer logischerweise eher einmal krank werden oder länger krank sind, dann hat das alles eine Ursache, warum wir so viel älteres Lehrpersonal in unseren Schulen haben. Ich möchte auch einmal eine Lanze für die Älteren brechen. In meinen Augen kann es nicht der Weg sein, hier auf Dauer bzw. sozusagen darauf zu pochen, dass ältere Lehrkräfte bis zum letzten Stichtag X, bis zur Rente unterrichten. Wir alle wissen – –
Sie müssen mich nicht immer kokommentieren, Frau Dr. Stange. Wir wissen alle, was es heißt, Lehrer zu sein, und das geht nicht erst in der Schule los, sondern wir wissen alle, was es heißt, Pädagoge zu sein, wenn wir in Kindertageseinrichtungen schauen.
Zu mir sind – Frau Falken – genauso Eltern und Lehrer gekommen. Es gibt Probleme. Ich nenne nur das Thema Russischzwang, ich nenne nur das Thema Klassenleiter in den ersten Klassen. Allerdings will ich an dieser Stelle die SBA zumindest ein Stück weit in Schutz nehmen. Sie
sagten, es geht um zahlreiche Schulen, in denen es in Dresden keine Klassenlehrer gab. Es ging genau um drei. In zwei Schulen hatte die SBA eine andere Planung. Dort sollte ein Klassenlehrer der 3. Klasse zunächst erst einmal die 1. Klasse als Klassenleiter übernehmen, damit genau dieser Übergang von der Kita in die Schule gelingen kann. Aus welchen Gründen auch immer – das ist die Auskunft der SBA – hat in zwei Fällen der Schulleiter anders gehandelt. Als die SBA das mitbekam, hat sie entsprechend das Gespräch zum Schulleiter gesucht.
Jawohl. – Letzter Satz. Wir haben Probleme in Sachsen und ich denke, auch der Kultusminister hat in den letzten Monaten sehr deutlich gemacht – nicht nur hier im Haus, sondern vor allen Dingen auch medial –, dass das Kultusministerium die Probleme sieht und dass wir gemeinsam – darum bitte ich hier an dieser Stelle noch einmal – daran gehen, die Probleme entsprechend zu lösen. Populistische Debatten helfen uns relativ wenig weiter.
Für die CDU-Fraktion war das der Herr Kollege Schreiber. Ich sehe jetzt am Mikrofon 1 Herrn Kollegen Pellmann. Wollen Sie vom Instrument der Kurzintervention heute erstmalig Gebrauch machen?
Ich war jetzt wirklich sehr gespannt. Sie haben – ob zu Recht oder zu Unrecht – geklagt, dass die bisherigen Redner vornehmlich eine Situationsschilderung vorgenommen hätten. Sie versprachen regelrecht, dass Sie nun – im Unterschied zu den Rednern, die Sie kritisiert hatten – mit ganz konkreten Vorschlägen aufwarten würden. Sie haben das, was bis dahin gesagt wurde, vornehmlich als Polemik angesehen. Polemik kann hilfreich sein. Aber, Herr Schreiber, wenn von Polemik die Rede ist, dann haben Sie hier ein klassisches Beispiel dafür abgeliefert, nämlich lediglich auch nur eine Situationsbeschreibung vorgenommen, waren aber zumindest so kühn zu behaupten, Sie würden jetzt mit neuen Lösungsvarianten und Vorschlägen kommen.
Herr Schreiber, ich muss Ihnen sagen, Sie haben mich enttäuscht. Sie haben ein Versprechen abgegeben, das Sie leider nicht eingelöst haben.
Das war die Kurzintervention von Herrn Kollegen Pellmann. Darauf reagiert jetzt Herr Kollege Schreiber.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Pellmann, ich finde es schön, dass wir unser kleines Techtelmechtel, das wir sozusagen schon immer im Sozialausschuss miteinander pflegen, jetzt auch ins Plenum bringen.
Scheinbar haben Sie mir wiederum nicht richtig zugehört. Ich habe lediglich gesagt oder bemängelt, dass vonseiten der bisherigen Redner und damit insbesondere aus der Opposition, bis auf Frau Giegengack, relativ wenig konkrete Vorschläge oder Lösungsansätze vorgetragen worden sind. Ich habe aber – das können Sie vielleicht im Nachgang im Protokoll lesen – mit keiner Silbe gesagt, dass ich jetzt im Plenum Lösungsvorschläge unterbreite. Fakt ist eins – und das habe ich auch gesagt –: Dafür ist zuallererst der Schulausschuss zuständig, wo wir diese konkreten Probleme diskutieren und dann im Zweifel gemeinsam mit dem Kultus schauen, wie man diese konkreten Probleme entweder kurzfristig oder eben auch langfristig lösen kann.
Aber Fakt ist eines, wenn Sie es gern hören möchten: Wir haben in den letzten Monaten sehr viel über Schulpolitik diskutiert. Sie kennen das Elfpunkteprogramm, das wir als CDU-Fraktion auf unserer Klausurtagung verabschiedet haben. Darin stehen ganz konkrete Lösungsansätze. Wir sind momentan dabei – dazu lade ich Sie wiederum ein –, diese elf Punkte ganz konkret umzusetzen. Seien Sie versichert, dass wir als CDU-Fraktion da auch sehr hinterher sind.
Ich sehe eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention. Obwohl ich darauf hinweise, dass die SPD-Fraktion noch zwei Minuten Redezeit hat; bitte, Frau Kollegin Stange.
Herr Präsident! Ich würde trotzdem von dem Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen. – Herr Schreiber, ich möchte Sie nur bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass die SPD-Fraktion bereits im Monat April ein entsprechendes Programm zur Bewältigung der Lehrersituation vorgelegt hat, dem dann Ihr Elfpunkteprogramm gefolgt ist, welches ich auch gern einmal zur Kenntnis nehmen möchte.
Ich habe in meinem Redebeitrag ausdrücklich auf dieses Programm hingewiesen und sehe, dass es in einigen Punkten abgearbeitet wird, wenn ich zum Beispiel das Seiteneinsteigerprogramm sehe, an dem, wie ich aus dem Ministerium höre, gearbeitet wird. Ich hoffe, dass es bald
kommen wird. Ich habe gesehen, dass die Referendarstellen aufgestockt worden sind – bei Weitem aber nicht so weit, wie wir es schon einmal im Jahr 2008 hatten. Offenbar scheint es nicht ganz spurlos an Ihnen vorbeigegangen zu sein, dass die SPD-Fraktion konstruktive Vorschläge zur Bewältigung des Lehrkräftemangels in den kommenden Jahren auf den Tisch gelegt hat.
Herr Präsident! Ich dachte vor einiger Zeit eigentlich, dass mir dieser Kommentar erspart bleibt. Liebe Frau Dr. Stange, Sie können sich vorstellen, dass das Papier mit den elf Punkten – nicht die zehn Punkte der SPD-Fraktion – in der CDU-Fraktion nicht erst im Juli entstanden ist, sondern dass die CDU-Fraktion explizit bereits seit Januar an einem Papier gearbeitet hat. Sehr interessant an dieser Geschichte ist, dass die SPDFraktion just mit einem Zehnpunkteprogramm, wie Sie es schon sagten – ich weiß aber nicht, ob es im April war, es hätte auch im Mai sein können –, in die Öffentlichkeit kommt. Wenn man den Entwurf des CDU-Papiers aus dem Monat März 2011 einmal neben Ihr Programm legt, dann kann man fast bei VroniPlag anrufen, um nachzufragen, ob das einmal auf Plagiate kontrolliert werden kann.
Das Lustige und Entscheidende daran ist, Frau Dr. Stange, dass unser Programm vor Ihrem Programm auch zehn Punkte hatte.