Protocol of the Session on September 14, 2011

Tatsächlich finde ich, dass der Inhalt der Beanstandung des Datenschutzbeauftragten Gegenstand der Reaktionen des Maßnahmenplans der Staatsregierung sein muss. Anders, als der Staatsminister ausgeführt hat, wussten wir Ende Juli bereits, dass es einen Bericht des Datenschutzbeauftragten geben müsste. Ganz besonders in Bezug auf die Bundesratsinitiative finde ich, dass es einer Nichtachtung gleichkommt, das nicht abzuwarten und zu berücksichtigen. Ich bin trotzdem froh, dass Sie im Sinne des Antrages meinen, Sie wollen es weiter prüfen. Dem widersteht aus meiner Sicht die Diktion des Staatsministers, infrage zu stellen, ob dem Bericht ein Mindestmaß an Nachvollziehbarkeit zugrunde liegt. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass sich eine Achtung der Institution mit dem Verhalten der Amtsträger widerspricht. Ich halte das für sehr bedenklich. Ich möchte noch einmal die Redeweise von der faktischen Rasterfahndung deutlich machen. Wie ich deutlich gemacht habe, handelt es sich hier um die massive Verknüpfung von Daten verschiedener Kriterien.

Frau Bonk, bitte zum Schluss kommen.

Ich bleibe bei dieser Einschätzung und Feststellung. – Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Dr. Martens, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten? – Das ist nicht der Fall. Ich sehe noch eine Wortmeldung von Frau Friedel. Ist es eine Kurzintervention oder noch ein Debattenbeitrag? Dann würde ich noch eine vierte Runde eröffnen. Frau Friedel, bitte.

Herr Präsident, vielen Dank! Danke auch erst einmal an die Staatsregierung, dass sie überhaupt gesprochen hat. Ich denke, das war keine Selbstverständlichkeit. Leider.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister Martens, leider ging ein guter Teil Ihrer Rede am Thema vorbei. Ich will mich deshalb auf den Teil beziehen, der am Thema war. Das war gleich am Anfang, falls sich die Kolleginnen und Kollegen nach dieser Zeit noch daran erinnern. Sie sagten, es geht uns nicht darum, friedliche Demonstranten zu kriminalisieren. Für diesen Satz bin ich Ihnen sehr dankbar, weil ich in dieser Deutlichkeit bisher weder von der Staatsregierung noch von den zuständigen Behörden gehört habe. Es geht Ihnen nicht darum, friedliche Demonstranten zu kriminalisieren. Vielen Dank.

Das Problem ist, dass manchmal das Gegenteil von gut nur gut gemeint ist. Bei vielen Menschen ist der Eindruck entstanden, dass es Ihnen genau darum ging.

(Zuruf des Abg. Alexander Storr, NPD)

Dieses Problem müssen wir doch gemeinsam aus der Welt schaffen können.

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Herr Staatsminister Martens, Sie haben danach gesagt, – –

Herr Bandmann, lesen Sie unsere Pressemitteilung. Dann werden Sie durchaus feststellen, dass wir uns mit der gebotenen Sachlichkeit in diesem Punkt engagieren.

(Lachen des Abg. Peter Schowtka, CDU)

Herr Staatsminister Martens, Sie haben weiterhin gesagt, ja, wir können darüber reden, ob die Ermittlungsinstrumente erforderlich, angemessen und geeignet waren. Genau das versuchen wir die ganze Zeit! Genau diesen Dialog mit Ihnen, genau diesen Dialog mit den Behörden versuchen wir die ganze Zeit, miteinander zu debattieren, ob die Ermittlungsinstrumente angemessen, erforderlich und geeignet waren. Mit nichts anderem setzt sich der Bericht des Datenschutzbeauftragten auseinander.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Genau!)

Ich sehe nicht, dass wir in dieser Debatte momentan von der Staatsregierung besonders unterstützt werden. Ich sehe auch nicht, dass wir in dieser Debatte besonders viel Mitwirkung von den staatlichen Behörden bekommen, weil Ihre Linie nach wie vor ist – und das hat Herr Staatsminister Ulbig heute erst in der Pressekonferenz gesagt –: Die Behörden haben rechtmäßig gehandelt. Punkt. Es ist keinem Menschen zu erklären, warum der Freistaat Sachsen eine Bundesratsinitiative startet, warum der Staatsminister eine Handreichung für die Polizisten herausgibt, was ja alles gute Dinge sind, und dann aber sagt: Was wir gemacht haben, war alles richtig. Dann muss ich doch keine Bundesratsinitiative machen. Dann muss ich doch den Polizeibeamten keine Handreichung geben. Das ist der Widerspruch.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Dieser Widerspruch kommt nur daher, verzeihen Sie, dass Sie sich nicht trauen, aus welchen Gründen auch immer, weil man schon 20 Jahre die Macht hat oder weil man zu eitel ist, den Menschen zu sagen: Entschuldigung, wir haben Fehler gemacht! Aber das ist nichts Schlimmes. Überall, wo Menschen handeln, passieren Fehler. Wichtig ist, dass man daraus lernt zu sagen: Das haben wir gemacht und wir entschuldigen uns bei den 40 000 Unbeteiligten und Unbetroffenen, deren Daten wir eingesammelt haben. Das wäre löblich.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Gibt es noch Wortmeldungen in der vierten Runde. – Das kann ich nicht erkennen. Gibt es Wortmeldungen in einer fünften Runde? – Das kann ich

auch nicht erkennen. Damit kommen wir nun zum Schlusswort. Herr Bartl für die Fraktion DIE LINKE.

(Christian Piwarz, CDU: Ich dachte, Herr Lichdi wollte das halten! Er darf wohl nicht?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich mache mir zunächst vollumfänglich die Bemerkungen von Frau Kollegin Friedel zu eigen, damit ich Redezeit spare. Genau das ist das Problem! Herr Staatsminister, ich denke, Sie pfeifen im Wald. Sie wissen ganz genau, dass früher oder später der Tag kommt, wo Gerichte in diesem Land, vielleicht auch auf der Ebene des Bundesgerichtshofes, über Beschwerden zum 13., 18. und 19. Februar – es gab ja mehrere Tage, wo Funkzellenabfragen gemacht wurden – entscheiden werden. Dann reden wir wieder darüber. Auf diese Entscheidung vertrauen wir voll, dass es in Instanzen geht. Das kann auch das Bundesverfassungsgericht sein. Darauf vertraue ich.

Was Sie überhaupt nicht begreifen, ist Folgendes:

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Ich nehme an, Sie haben einmal die Unterrichtung gelesen, Kollege Piwarz. Dann müssten Sie wissen, was der Datenschutzbeauftragte meint.

(Christian Piwarz, CDU: Ich habe nicht so viele Klebezettel drauf!)

Jeder hat seine Methode, etwas zu erfassen. Auf Blatt 46 steht Folgendes: „Den vom Bundesverfassungsgericht beschriebenen Einschüchterungseffekt beobachte ich bereits jetzt. Sowohl in der Presse als auch in meiner Praxis ist die Empörung über eine Überwachung von Gegendemonstranten groß. Die verfassungsmäßige Ordnung lebt davon, dass Personen sich ohne Angst vor staatlicher Überwachung dazu entschließen, ihre Grundrechte auszuüben, insbesondere an Versammlungen teilzunehmen. Dieses Vertrauen ist durch die unverhältnismäßigen, von der Staatsanwaltschaft Dresden mitgetragenen Verfolgungsmaßnahmen des LKA Sachsen und der Soko 19/2 im Zusammenhang mit den Ereignissen im Februar 2011 offenbar in weiten Kreisen der Versammlungsteilnehmer, Anlieger, Gegendemonstranten beschädigt worden. Ich werde auch dies zum Anlass nehmen, zukünftig besonderes Augenmerk darauf zu richten, ob und inwieweit bei Versammlungen, Kirchentagen, Gewerkschaftskongressen oder ähnlichen Veranstaltungen nicht individualisierte Funkzellenabfragen eingesetzt werden und ob dies verhältnismäßig ist.“

Das ist das Problem. Wir haben mehrere Verfassungsgüter in diesem Hause zu beachten. Die Gewaltenteilung ist ein ganz immenses. Die Wahrung der konstitutionellen Grundrechte dieser Republik ist ein nicht geringer zu schätzendes. Es geht um die Frage, dass es schlicht und ergreifend einfach populär sein mag, dass es aber auch eine Irreführung der Öffentlichkeit ist, sich hierher zu stellen und zu sagen, die Antragsteller hätten in irgendeiner Form die Absicht, die Verfolgung von Straftätern im

Zusammenhang mit Versammlungen immer zu verhindern.

Es geht heute um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, über eine Million Datensätze im Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen zu erheben. Es geht darum, ob Bürger in diesem Lande sicher sein können, dass ihre Telefone eben nicht angezapft werden, dass ihre Daten eben nicht erfasst werden, dass das Fernmeldegeheimnis gilt. Es geht darum, dass die Unverletzlichkeit der Wohnung gilt. Das ist Sache des Parlaments, denn die Verfassung ist in diesem Hause gemacht worden. Dass die Verfassung eingehalten wird, ist Sache der Abgeordneten. Da lasse ich mir, Herr Staatsminister, wenn ich wirklich diese Absicht habe, in keiner Weise von keinem Generalstaatsanwalt, von keinem Richterverein, keinem neuen Richterverein in irgendeiner Form vorhalten und vorschreiben, welche Wertungen in dieser Richtung und welche Ängste und Sorgen ich in dieser Richtung realisiere. Das ist das Problem des Hauses. So sollten Sie mit dem Antrag umgehen.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Lichdi.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann ja bei dieser prekären Situation nachvollziehen, in die sich die Staatsregierung und die Polizei manövriert haben – einen Höhepunkt hatten wir ja heute Morgen bei der Pressekonferenz, wer das Glück hatte, sie mitzuerleben –, dann kann ich verstehen, dass die Staatsregierung ihr bestes rhetorisches Pferd ins Rennen schickt, unseren viel geschätzten Herrn Dr. Martens. Aber das, was er jetzt als Feuerwerk abgebrannt hat – ich denke, das weiß er selbst –, war nicht so richtig haltbar. Herr Dr. Martens, wenn Sie jetzt tatsächlich eine Textexegese unseres Antrages machen und dann sagen, weil wir unsere Auffassung kundtun, dass manche Meinung und manche Ermittlungsmaßnahme der Polizei nicht in Ordnung waren, dass sie rechtswidrig waren, dass Sie daraus konstruieren wollen, dass wir beabsichtigen, jetzt beispielsweise wie in Dresden irgendwie eine Entscheidung zu treffen, dann verkennen Sie, glaube ich, auch die Funktion und rechtliche Wirkung eines Landtagsbeschlusses.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ein Landtagsbeschluss hat – ich denke, darin können wir uns einig werden – eine interne Bedeutung nach außen für die Staatsregierung und eine unmittelbare Rechtswirkung nur dann, wenn der Landtag als Gesetzgeber handelt. Herr Staatsminister, ich glaube, das wissen Sie, und Sie sollten deswegen hier nicht diese Nebelbomben werfen.

(Unruhe bei allen Fraktionen)

Ich möchte auch noch einmal auf die Debatte zur richterlichen Genehmigung hinweisen, die hier Kollege Biesok geführt hat, weil er wieder die Frage mit der Warnfunktion angesprochen hat, die angeblich Herr Schurig falsch

gesehen hätte. Darauf kommt es gar nicht an, ob der richterliche Vorbehalt eine Warnfunktion hat oder nicht. Ich bin mit Ihnen völlig einig, der richterliche Vorbehalt hat eine konstitutive Bedeutung für den Eingriff, ganz klar. Aber darum geht es auch nicht. Die entscheidende Frage, die Herr Schurig aufgeworfen hat, ist die: Hat denn die Polizei und die Staatsanwaltschaft unbeschadet dieser konstitutiven Bedeutung der richterlichen Genehmigung ein eigenes Prüfungsrecht und eine Prüfungspflicht gegenüber den Maßnahmen? Das kann nicht bestritten werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ihre Position läuft darauf hinaus – ich denke, Sie sind zu klug, um das nicht zu wissen –, dass jede exekutive Handlung, die später, in welcher Form auch immer, durch einen richterlichen Beschluss gedeckt oder nicht gedeckt und bearbeitet worden ist, der datenschutzrechtlichen Prüfung entzogen sei. Genau das ist es nicht. Genau an dieser Stelle irrt Herr Hagenloch, irrt der Sächsische Richterverein, der ja auch die Staatsanwaltschaft vertritt. Genau das ist die Stelle, um die es eigentlich geht.

Deswegen spreche ich sehr bewusst davon, Herr Staatsminister, dass diese Kampagne, die vielleicht nicht Sie, aber Kollege Beermann, der jetzt gerade fehlt, entfacht hat, darauf zielt, den Datenschutzbericht zu diskreditieren und insgesamt darauf zielt, diese Debatte auch totzutreten.

Zum Schluss möchte ich noch einmal sagen: Letztlich ist es völlig egal, ob es angemessen oder nicht angemessen war, ob ein Richter den Vordruck abgezeichnet hat, ob er sich etwas dabei gedacht oder nicht gedacht hat, das ist Spekulation, das werden wir nie wissen; entscheidend ist, dass draußen beim Bürger der Eindruck entsteht, hier werden aufgrund irgendwelcher Machenschaften, irgendwelcher Entscheidungen, die ich nicht nachvollziehen kann, meine Daten erfasst und in einer Art und Weise, die ich nicht nachvollziehen kann, einfach verarbeitet und in andere Verfahren eingebracht. Das ist die Frage: Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der wir nicht mehr Macht und Einfluss auf unsere Daten haben? Das war genau der Gegenstand des Volksprotestes. Zu dieser Frage – Kollegin Friedel hat es angesprochen – haben Sie sich

überhaupt nicht verhalten. Dieser Vertrauensverlust, der sich jetzt schon abzeichnet, wird weiter fortschreiten, wenn Sie so weiter fortfahren. Da können Sie sich hinstellen und ihre Autoritäten herbeiziehen, Sie können versuchen, uns lächerlich zu machen, wie Sie es jetzt versucht haben, es wird Ihnen nicht gelingen.

(Jürgen Gansel, NPD: Das machen Sie von ganz allein!)

Sie versuchen es seit vier Monaten. Die Affäre ist angewachsen. Der Skandal ist angewachsen. Sie reiten sich immer weiter hinein. Deswegen bitte ich doch wirklich, auch die besonnenen Stimmen, die in der Koalition gekommen sind; Sie wollen es ernst nehmen, dann bitte ich: Tun Sie das. Und vielleicht schaffen es die Koalitionsfraktionen auch, die von ihr getragene Staatsregierung wieder auf diesen Kurs zu bringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)