Unrichtig ist im Weiteren zum Beispiel die Annahme, dass es sich bei der genannten Auswertung von Daten um eine, wie Sie es nennen, „faktische Rasterfahndung“ handeln würde. Was soll das denn sein?
Nein, danke. Ich möchte jetzt zu Ende ausführen. – Eine Rasterfahndung ist im Gesetz definiert: Entweder ist eine Fahndung eine Rasterfahndung oder sie
ist es nicht. Dann hören Sie bitte auf, hier Semantik zu betreiben mit Ausdrücken einer „faktischen“ Rasterfahndung.
Damit komme ich zu den Ziffern 3 und 4 Ihres Antrages. Diese lohnen dann doch einer näheren Betrachtung, meine Damen und Herren. Nach diesen Ziffern soll der Sächsische Landtag feststellen, welche der dort genannten Ermittlungsmaßnahmen unverhältnismäßig und im Weiteren rechtswidrig sein sollen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Der Landtag stellt fest – so ist der Antragswortlaut –: Die Funkzellenabfragen am soundsovielten waren unverhältnismäßig und rechtswidrig. Die Ermittlung von soundso vielen Rufnummern war unverhältnismäßig und rechtswidrig.
Das heißt jetzt – Herr Lichdi, ernsthaft –: Konkrete Ermittlungshandlungen der Justiz im laufenden Ermittlungsverfahren sollen danach vom Landtag – natürlich mit Mehrheitsentscheidung – für rechtmäßig bzw. rechtswidrig erklärt werden.
Eine solche rechtsstaatliche Ignoranz ist wirklich bemerkenswert. Das stellt in einer solchen Anmaßung einen seltenen Frontalangriff auf die Unabhängigkeit der Justiz dar.
Das Prinzip der Unabhängigkeit der Justiz ist ein fundamentaler Grundsatz sowohl des Grundgesetzes wie auch der Sächsischen Verfassung. Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein Wesenselement eines demokratischen Rechtsstaates und diese Unabhängigkeit der Rechtspflege duldet keinen Eingriff, keine Vorgaben und auch keine Anweisungen anderer Gewalten.
„Anweisungen“ – ich zitiere – „sind aber nicht nur Befehle, Verordnungen, sondern auch Kritik, die geeignet ist, Druck auf die Rechtspflege auszuüben. Insbesondere unzulässig ist es also, wenn der Landtag Urteile förmlich kritisiert.“ (Arndt, in AÖR 32346, zitiert nach Artikel 97, Bonner Kommentar zum Grundgesetz). Genau das möchten Sie hier veranstalten. Das ist nicht mehr nur die völlige Missachtung einer unabhängigen Justiz, sondern vielmehr die offene Forderung nach einer politisch gesteuerten Rechtspflege und die Unterstellung der Justiz einschließlich der Staatsanwaltschaft an politische Vorgaben durch Parlamentsentscheidungen.
Das, Herr Lichdi, gab es hier schon früher. Artikel 90 der Verfassung der DDR bestimmte: Die Richter sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig. Aber nach Lesart SED hieß dies dann – so die Beschlüsse der Babelsberger
Konferenz –: „Für die Tätigkeit der Rechtspflegeorgane der DDR bilden die Beschlüsse der SED die unabdingbare Grundlage.“
Iim Kommentar dazu hieß es – Kommentar Verfassung der DDR, Band 1, Seite 279, Staatsverlag der DDR, 1988 –: „Das unheilvolle bürgerliche Prinzip der Gewaltenteilung, wonach die vollziehende Gewalt und noch mehr der Justizapparat durch die Ausstattung mit Sonderrechten von der Legislative mehr oder wenig unabhängig sind, gibt es in der Deutschen Demokratischen Republik nicht.“
Genau diese politische Justiz – die fehlende Unabhängigkeit der Rechtspflege – ist der Grund, warum wir heute davon sprechen, dass die DDR eben kein Rechtsstaat gewesen ist, Herr Lichdi, und es wäre schön – und für Sie wahrscheinlich sehr nützlich –, wenn Sie auch zuhören würden.
Ja, machen Sie nur Ihre Scherze. Herr Lichdi, machen Sie nur Ihre Scherze. Sprechen Sie mal mit Leuten, die aus politischen Gründen in der DDR inhaftiert gewesen sind.
Sprechen Sie mit denen, die wegen einer falschen Zeitung, wegen Ausreiseanträgen, einem politischen Witz oder weil sie einer falschen Religionsgemeinschaft angehört hatten, im Gefängnis saßen. Ich weiß nicht, ob Sie dann noch genauso flapsig reagieren und so lockere Scherze machen würden.
Die Unabhängigkeit der Justiz wird von dieser Staatsregierung geachtet und verteidigt. Das gilt auch für Ermittlungsverfahren und die Unabhängigkeit der Justizorgane im Ermittlungsverfahren. Da wir heute beim Zitieren sind, noch ein Zitat: „Insofern meinen wir, dass die Einflussnahmemöglichkeit der Staatsregierung auf den Staatsanwalt dort aufhört, wo der Staatsanwalt als Rechtspflegeorgan im Verfahren tätig wird.“ Das Zitat stammt von Klaus Bartl in diesem Haus am 16.09.2000.
Herr Lichdi, es scheint so, als habe mancher hier von der Gewaltenteilung inzwischen mehr verstanden als Sie.
Wobei eines noch dazu gesagt werden muss: Herr Bartl: Ich gehe davon aus, dass Sie Ihren Parteifreunden und den anderen klarmachen, dass das nicht nur dann gilt, wenn gegen Rechts ermittelt wird, sondern dass das auch dann gilt, wenn gegen linke Gewalttäter ermittelt wird.
Und zur Frage, was der Landtag feststellen kann und inwieweit er der Justiz Vorschriften machen kann, sollte man eines bedenken: „Das Prinzip der ewigen Erfahrung geht davon aus, dass jeder, der Macht hat, ihrem Missbrauch geneigt ist. Er geht so weit, bis er auf Schranken stößt.“ Das war ein Zitat von Montesquieu. Meine Damen und Herren von den GRÜNEN und von den LINKEN, heute stoßen Sie hier auf diese Schranken.
(Lebhafter Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Johannes Lichdi, GRÜNE, und Julia Bonk, DIE LINKE, stehen am Mikrofon.)
Herr Lichdi, interpretiere ich richtig, dass Sie vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen wollen, oder möchten Sie eine vierte Runde eröffnen? – Herr Lichdi, wenn Sie mir kurz eine Antwort geben würden.
Herr Präsident! Ich bin davon ausgegangen, dass wir jetzt zum Schlusswort kommen. Ich hatte den Kollegen Bartl gefragt, ob ich das Schlusswort zuerst bekomme. Er hat zugestimmt. Wenn Kollegin Bonk eine Kurzintervention machen möchte, hat sie selbstverständlich den Vortritt.
Dann bedanke ich mich bei Ihnen, Herr Lichdi. Dann würden wir erst einmal das Instrument der Kurzintervention zulassen. Frau Bonk, bitte.
Herr Präsident, vielen Dank! – Mein Hinweis richtete sich auch darauf, dass ich vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen möchte.
Ich möchte auf den Redebeitrag von Herrn Staatsminister Martens eingehen. Ich fand ihn in persönlicher Weise despektierlich, bin aber trotzdem froh, dass er hier erstmalig öffentlich zu seiner Verantwortung an der ganzen Handygate-Datenaffäre
Stellung genommen hat. Pressekonferenzen, Gutachten, Pressemitteilungen sind nicht das Instrument, auf das ich mich hier beziehe. Insofern hatte ich das vorher in mei