Frau Bonk, wenn es Befragungen in Bussen gegeben hat, so sind das Zeugenvernehmungen, und wenn man Straftaten aufklären will – und hier stehen erhebliche Straftaten, nicht nur Beleidigungen im Versammlungsgesetz, sondern Bildung einer kriminellen Vereinigung und schwerer Landfriedensbruch zur Diskussion –, dann wird man doch mal Zeugen vernehmen können, damit man herausbekommt, wer das gewesen ist. Da ist überhaupt nichts dabei.
Ebenso finde ich es unerträglich, wie hier der Begriff Rasterfahndung verwendet wird. Es ist ein Unterschied, ob man interne Daten, die schon bei der Polizei sind, gegeneinander abgleicht – das ist keine Rasterfahndung – oder ob man externe Daten von ganz Unbeteiligten heranholt, die man gegeneinander abgleicht und so Verdächtige gewinnt. Das ist eine Rasterfahndung, das muss begrifflich klar bleiben.
Ich möchte mich gegen den Vorwurf verwahren, Frau Bonk, dass hier Ermittlungsverfahren auf Vorrat eingeleitet worden sind. Ermittlungsverfahren werden auch in Sachsen immer nur dann eingeleitet, wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht.
Hat die NPD-Fraktion noch Redebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Damit schließe ich die zweite Runde. Gibt es noch Redebedarf für eine dritte Runde? – Das kann ich nicht erkennen. Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Dazu hat jetzt die Staatsregierung Gelegenheit. Herr Dr. Martens, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wortbeiträge im Rahmen der Debatte haben gezeigt, dass es nach wie vor sehr schwierig ist, mit der Frage der Funkzellenabfrage im Zusammenhang mit dem 19. Februar in Dresden rational, also einigermaßen vernunftgeleitet, umzugehen. Das mag zum einen an den technischen Einzelheiten liegen, das ist nicht ganz einfach, aber es liegt vor allem auch an der politischen Bewertung und an der Instrumentalisierung, die diese Debatte immer wieder erfährt und die es immer wieder schwierig macht, tatsächlich auf einen rationalen Kern, auf eine vernünftige und einem Parlament auch zustehende Diskussion kommen zu können.
Herr Bartl, Sie sprechen im Schlusssatz davon, dass das Demonstrieren in Sachsen möglich sein muss, ohne zum Kriminellen erklärt zu werden.
Ja. – Herr Lichdi, Sie sprechen von einer Kriminalisierungsstrategie friedlicher Demonstranten. Das alles ist natürlich nach Ihrer Auffassung erklärtes Ziel der Staatsregierung bzw. ein geheimes Ziel der Staatsregierung, dass wir friedliche Demonstranten durch eine Funkzellenabfrage kriminalisieren wollten, die dann auch noch geheim bleibt. Herr Lichdi versteigt sich dazu, uns zu fragen, warum wir das tun würden, dass wir eine Stellungnahme des Präsidenten des Oberlandesgerichtes und des Generalstaatsanwaltes orchestrieren und dass wir davon ablassen sollten. – Glauben Sie im Ernst, dass diese Staatsregierung, insbesondere meine Person, dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes als höchstem Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorschreiben, angehen oder auch nur anregen, irgendwelche Stellungnahmen abzugeben, dass wir instrumentalisieren, mit welcher Art von Stellungnahmen der Generalstaatsanwalt auf Berichte des Datenschutzbeauftragten zu antworteten hat? Glauben Sie das im Ernst? Dann sagen Sie es laut und deutlich.
Dann sagen Sie es: „Herr Staatsminister, ich glaube, dass du Herrn Hagenloch aufgetragen hast, eine solche Stel
lungnahme abzugeben.“ Und dann müssen Sie mir erklären, auf welchem Mist die Stellungnahme des Herrn Avenarius in der NRV gewachsen ist, ob wir die auch in Auftrag gegeben haben sollen.
Zum Schluss erscheint Frau Friedel mit unschuldiger Miene und meint, wir würden die Bürger hier verunsichern. Wissen Sie, wer hier die Bürger verunsichert? Das sind Sie mit Ihrem ständigen Insinuieren und der nicht enden wollenden Unterstellung, in diesem Land würden friedliche Demonstranten kriminalisiert werden. Darum geht es hier nicht.
Wir können uns hier rechtspolitisch darüber unterhalten, ob Ermittlungsmaßnahmen in diesem Zusammenhang erforderlich waren, ob sie geeignet waren, ob sie verhältnismäßig waren. Wir werden auch dazu kommen, was wir noch alles in diesem Zusammenhang diskutieren können. Aber wir müssen es redlich machen und nicht versuchen, hier verschwörungstheoretische Gebäude aufzubauen, die wir nachher politisch instrumentalisieren können. Auf dieser Diskussionsebene werden wir uns nicht auseinandersetzen.
Meine Damen und Herren! Zum Antrag der LINKEN und den Konsequenzen aus dem Bericht des Datenschutzbeauftragten lassen Sie mich eines sagen: In der Tat wird die Staatsregierung den Bericht auswerten und auch ernst nehmen. Das gebietet die Stellung des Datenschutzbeauftragten selbstverständlich. Aber eines ist auch vorweg zu sagen: Die Staatsregierung hat bereits seit Juni verschiedene Maßnahmen getroffen, um in Zukunft möglichen Auseinandersetzungen um Funkzellenabfragen vorzubeugen. Schon am 23.06. habe ich dazu ein Gespräch mit dem Generalstaatsanwalt und dem Datenschutzbeauftragten geführt, und wir sind dabei übereingekommen, dass in Zukunft der Datenschutzbeauftragte bei Funkzellenabfragen, die eine erhebliche Anzahl von Daten Unbeteiligter anfallen lassen, von der Generalstaatsanwaltschaft bzw. der Staatsanwaltschaft unterrichtet wird.
Des Weiteren hat sich die Staatsregierung Anfang des Monats auf eine Bundesratsinitiative verständigt, um die Anordnungsvoraussetzungen von Funkzellenabfragen zu präzisieren, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besondere Beachtung zu verschaffen und die Rechte Unbeteiligter besser zu schützen. Und Frau Bonk stellt sich hier hin und beanstandet, dies sei eine Missachtung des Datenschutzbeauftragten. Entschuldigen Sie, wir haben diese Initiative bereits Anfang Juli angekündigt, da war von einem Bericht des Datenschutzbeauftragten nicht einmal die Rede. Hätten wir gewartet, bis der Bericht vorliegt, würden Sie wahrscheinlich nach hier vorn tippeln und sagen: Seht, ihr müsst erst einen Bericht vom Datenschutzbeauftragten bekommen, bevor ihr handelt.
Wir wollen im Einzelnen den Begriff der „erheblichen Straftat“ in § 100g StPO durch eine Strafdrohung von mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe ersetzen. Wir
wollen die Verhältnismäßigkeit der Anordnung solcher Anfragen gesondert prüfen lassen. Die Zahl der Funkzellenabfragen soll in einer Statistik gesondert erfasst werden. Der Datenschutzbeauftragte soll nach Funkzellenabfragen grundsätzlich informiert werden, um seine Kontrollrechte effektiv wahrnehmen zu können. Er soll weiterhin informiert werden, wenn von der Massenbenachrichtigung unbeteiligter Dritter abgesehen werden soll.
Weiterhin wollen wir einen Richtervorbehalt in § 477 Abs. 2 der Strafprozessordnung auch bei der Weitergabe von Daten aus Funkzellenabfragen einführen. Die Speicherung der Daten soll zudem alle drei Monate auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden, und das muss dokumentiert werden.
Schließlich werden bei den Staatsanwaltschaften Konzepte zur Löschung nicht notwendiger Daten erarbeitet, und die Polizei erhält klare Regelungen zum Umgang mit dem Ermittlungsinstrument der Funkzellenabfrage. Wir wollen damit auch künftig zweifelsfrei umgehen und enge, klare Voraussetzungen schaffen.
Meine Damen und Herren! All dies ist bereits vor dem Bericht des Datenschutzbeauftragten veranlasst worden, um es noch einmal klarzustellen.
Soweit der Antrag der LINKEN fordert, die Anregungen des Datenschutzbeauftragten insgesamt vollständig umzusetzen, werden wir den Bericht in jedem einzelnen Punkt sorgfältig prüfen.
Lassen Sie mich aber eines sagen: Dieser Bericht ist aus Sicht der Staatsregierung nicht in jeder Hinsicht uneingeschränkt zustimmungsfähig. Die Forderung des Datenschutzbeauftragten nach Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist zwar zutreffend; allerdings hat es solche Prüfungen auch in diesem Verfahren gegeben. Die Mutmaßung, aus dem Fehlen schriftlicher Belege einer solchen Prüfung auf ihr Fehlen zu schließen, ist unzutreffend, meine Damen und Herren.
Außerdem glaube ich nicht, dass die Tätigkeit des Richters im Verfahren zur Anordnung der Funkzellenabfrage nur eine Warnfunktion hat. Nein, der Richter hat eine eigene Prüfungsfunktion. Er muss die Anordnung treffen, er hat sie zu verantworten und deswegen richtet sich die Kritik des Datenschutzbeauftragten auch nicht nur an die Staatsanwaltschaft, sondern auch gegen die Maßnahmen, aufgrund derer die Datenerhebung erfolgte, und das ist ein richterlicher Beschluss. Tun Sie also nicht so, als würde sich der Datenschutzbeauftragte in keiner Weise kritisch mit den Gerichten auseinandersetzen.
Die Annahme des Datenschutzbeauftragten, § 160a Strafprozessordnung schreibe die Unzulässigkeit einer Funkzellenabfrage dann vor, wenn sich in der Funkzelle möglicherweise besonders geschützte Personen aufhalten, ist allerdings nicht mehr zutreffend. Bei der Ermittlung gegen unbekannte Täter ist die Abfrage selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn sogar zu erwarten steht, dass besonders geschützte Personen erfasst werden können.
Die andere Auffassung hätte beispielsweise das krude Ergebnis zur Folge, dass dann, wenn aus einer rechten Demonstration heraus ein Asylbewerberheim angegriffen wird, eine Abfrage nicht gemacht werden dürfte, nur weil sich möglicherweise ein NPD-Landtagsabgeordneter irgendwo in der Demonstration befindet. Das werden Sie doch wohl nicht ernsthaft wollen?
Herr Bartl, wenn Sie der Auffassung sind, der Datenschutzbeauftragte braucht für seinen Bericht keinerlei Belege oder Beweise zu benennen, dann ist das schon eine sehr seltsame Auffassung; denn ich gehe davon aus, dass jemand, der einen Bericht macht, selbstverständlich auch ein Mindestmaß an Nachprüfbarkeit in seinen Bericht hineinlegt.
(Klaus Bartl, DIE LINKE: Der Generalstaats- anwalt will Beweise – wo leben wir denn?! – Weitere Zurufe von den LINKEN)
Aber darum geht es hier nicht, Herr Bartl. Wenig hilfreich sind aus unserer Sicht rechtlich unklare Formulierungen wie die des fehlenden Respekts der Staatsanwaltschaft vor der Religionsfreiheit im Hinblick auf Mahnwachen während der Erhebungszeiträume. Meine Damen und Herren, hier verkennt der Berichterstatter, dass es darum gar nicht geht. Die Formulierung eines mangelnden Respekts lässt alles Mögliche deuten, aber sie ist rechtlich nicht fassbar, sie ist nicht klar.
Das steht auch im Zusammenhang mit der schwindenden Klarheit von Begriffen in der öffentlichen Diskussion. So wird zum Beispiel aus den Entscheidungen von Landgerichten und Amtsgerichten eine Serie von obergerichtlichen Entscheidungen, wie Herr Bartl gerade ausgeführt hat. Das ist natürlich unzutreffend. Amtsgerichte treffen doch keine obergerichtlichen Entscheidungen.
Um es noch einmal deutlich im Hinblick auf die von den Ermittlungen Betroffenen zu sagen: Das sind nicht friedliche Demonstranten, die mit der Ermittlung erfasst werden sollen, sondern Gewalttäter im Rahmen dieser Aufmärsche am 19. Februar.
Um es in Beziehung zu der angesprochenen Religionsfreiheit zu setzen: Man muss ziemlich um die Ecke denken, um dahin zu kommen.
Um es klarzumachen: Der schwarze Block ist keine Pilgerschar und Krawalle am 19.02. sind keine Wallfahrt gewesen.
Nun zum Antrag der GRÜNEN. Soweit beantragt wird, Herr Lichdi, dort bestimmte Feststellungen zu treffen, wären diese zunächst einmal sachlich unrichtig. Unrichtig ist zum Beispiel, dass die Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft nicht zur Ermittlung von Tätern von Angriffen auf Polizisten geführt hätten. Natürlich gibt es Verdächtige – die Ermittlungen haben insofern jede Menge zutage gefördert.
Unrichtig ist es anzunehmen, dass Funkzellenabfragen im Umfeld von Demonstrationen grundsätzlich in das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit eingreifen. Sie können eingreifen. Ob sie es tatsächlich tun, ist eine Frage des Einzelfalls. Ihre pauschale Feststellung ist so unzutreffend.
Vielen Dank, Herr Präsident, vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich habe gerade mit großem Interesse gehört, dass es die Polizei mittlerweile vermocht hat, offensichtlich Täter der Landfriedensbrüche – also der schweren Straftaten, um die es hier geht – festzustellen. Das interessiert uns sehr. Können Sie dazu nähere Ausführungen machen? Denn auf unsere ausdrücklichen und eindringlichen Nachfragen in den vielen Ausschusssitzungen, zu denen Sie auch anwesend waren, haben wir auf diese Frage immer keine Antwort erhalten. Wenn Sie jetzt der Öffentlichkeit einen neuen Sachstand mitteilen könnten, dann wäre das sehr hilfreich.