Protocol of the Session on September 14, 2011

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wenn das Ihr Verständnis von Entbürokratisierung ist, dann sage ich: Das ist Ihr Verständnis für das Verschieben von Problemen auf die kommunale Ebene.

Ähnlich sieht das bei der Fahrradständerproblematik aus. Wer in Leipzig tatsächlich einmal unterwegs ist, Herr Fritzsche – ich denke zum Beispiel an die KarlLiebknecht-Straße –, der sieht, was da praktiziert wird. Das ist kaum handhabbar. Die Fahrräder stehen auf den Gehwegen und behindern Fußgänger, Kinderwagenbesitzer mit Kleinkindern usw. Wenn wir uns dann die Zahlen vom ADAC ansehen, der eine Fahrradspitzenquote von 75 % berechnet hat, dann bedeutet das für Leipzig, dass ab dem Jahr 2020 dort 420 000 Fahrräder im Einsatz sind. Wenn man dann so eine Regelung einbringt, ohne vorher mit der kommunalen Familie die Voraussetzungen dafür geschaffen zu haben, damit umzugehen, halte ich das für äußerst problematisch.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Auch deshalb können wir dieser Regelung nicht zustimmen.

Beim Änderungsantrag – er wurde bereits erwähnt –, den die SPD-Fraktion in Bezug auf Rauchwarnmelder stellt, würde ich gern meine Argumentation ein wenig verändern, weil wir gerade in der vorhergehenden Diskussion zum Polizeigesetz gehört haben, wie wichtig Ihnen der Schutz von Eigentum ist. Wenn das stimmt, was in der vorhergehenden Diskussion gesagt wurde, liebe Koalitionsparteien, dann können Sie unserem Antrag nur zustimmen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Wenn eine Wohnung abbrennt, dann geht es um Eigentum. Deswegen möchte ich noch einmal dafür werben, dass Sie unserem Antrag, Schlafräume, Kinderzimmer sowie Flure mit Rauchwarnmeldern auszustatten, zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abg. Jähnigen, bitte; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hätte ein Happy End werden können, verspätet, aber immerhin. Unsere grüne Fraktion hatte bereits 2010 einen Gesetzentwurf zur Genehmigungsfreiheit von Solaranlagen eingebracht. Alle Sachverständigen haben ihn begrüßt und unterstützt. Sie haben ihn allerdings im März 2011 hier im Plenum abgelehnt. Zwei Monate später haben Sie den fast unveränderten Gesetzentwurf von uns wieder eingebracht. Ich hätte heute eine Dankeschön von Ihnen und einen Verweis auf die Urheberrechte erwartet. Wir GRÜNEN sind da nicht so kleinlich. Wir hätten unserem Gesetzentwurf auch unter Ihrer Adresse gern zugestimmt. Allerdings hängen unserem guten Entwurf nun viele vergiftete Ergänzungen an. Einiges haben die Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt: Öffnung der Werbung in Wohngebieten, das Schaffen von Nachbarschaftskonflikten durch die Genehmigungsfreiheit für Gaststättenterrassen bis 100 m², das heißt 100 Gäste. Die Präsidentin des Dresdner Verwaltungsgerichtes hat Sie ausdrücklich vor dem erhöhten Aufwand durch die entstehenden Nachbarschaftskonflikte gewarnt. Aber das hat Sie offensichtlich nicht interessiert.

Besonders drastisch ist die De-facto-Abschaffung der Stellplatzpflicht für Fahrräder. Theoretisch hat die Regierung 2006 in ihrer Radverkehrskonzeption beschlossen, dass der umwelt- und gesundheitsfreundliche Radverkehr gesteigert und umfassend gefördert werden soll. Wörtlich heißt es: „Radfahren soll beliebter und sicherer werden.“ Schon jetzt ist der Radverkehr in vielen Städten eine Wachstumsbranche und hat Verkehrsanteile von 15 bis 20 %. Spitze sind zum Beispiel Städte wie Radebeul und Coswig mit 20 %. Das betrifft also nicht nur die beiden größten Städte.

Das kann und muss ausgebaut werden, sonst – das wissen Sie – wird Sachsen seine Klimaschutzziele nicht erreichen.

Ein Rad muss aber eben auch abgestellt werden können. Da sind Komfort, Sicherheit und genügend Raum entscheidend. Wir wissen, dass die Räderanzahl in den Städten steigt. Es steigt auch der Wert von Rädern. Es gibt Pedelecs, also Räder mit Batterieunterstützung. Es gibt

hochwertige Räder. Es gibt den Trend zum Zweitrad. Der Streit um Stellplätze im öffentlichen Raum und in Häusern, leider auch in Neubauten, nimmt zu.

Kollege Biesok schlug im Innenausschuss aus lauter Verzweiflung auf meine Frage, wie man das denn lösen wolle, vor, man sollte doch verstärkt Laternen nutzen, er hätte immer noch eine gefunden. Ich glaube ihm das. Aber wenn man sich das alltägliche Leben ansieht und zu Einkaufszeiten mit seinem Fahrrad freie Laternen sucht, dann scheitert man. Ihre Diskussionen sind leider nicht vom Verständnis bauordnungsrechtlicher Genehmigungsverfahren und vom Fahrradfahren im normalen Alltag der Bevölkerung geprägt. Das ist schade, denn Sie schaffen damit zusätzliche, unnötige Konflikte zwischen behinderten Menschen, die Kinderwagen oder Rollatoren im ohnehin schon beschränkten öffentlichen Raum nutzen.

Ich gebe zu, dass auch die Fahrradabstellplatzpflicht in der bisherigen Bauordnung ein grünes Projekt ist. Im 1. Sächsischen Landtag hat sie der Abg. Klaus Gaber, an den sich einige noch erinnern werden, durchgesetzt. Es war damals wegweisend und neu für viele Bundesländer, Rad und Auto in der Stellplatzpflicht gleichzusetzen. Damals lag der Fahrradanteil noch erheblich niedriger als jetzt.

Dass Sie das jetzt angesichts der gestiegenen Fahrradanteile abschaffen wollen, zeigt, wie weltfremd Ihr Ansatz ist. In Berlin, wo die Stellplatzpflicht für Fahrräder später eingeführt wurde, hat sich gezeigt, dass dadurch die Fahrräder deutlich sicherer sind, weil sie besser angeschlossen werden können. Trotz steigender Fahrradzahlen ist die Anzahl der Fahrraddiebstähle in Berlin gesunken. Das ist nicht nur Umweltschutz, sondern ist auch Kriminalprävention. Hören Sie hin, meine Herren von der CDU!

Auch im Detail sind die von Ihnen jetzt vorgeschlagenen Regelungen schlichtweg unbrauchbar. Warum sollen Neubauten von Wohngebäuden bis zu sechs Wohnungen generell freigestellt sein und Neubauten ab sechs Wohnungen generell Fahrradabstellplätze benötigen? Der Bedarf hängt ja davon ab, wie sie bewohnt sind, in welcher Lage sie liegen etc.

Auch die Beschränkung auf Sonderbauten mit erheblichem Verkehr ist völlig falsch. Warum soll ein Einkaufsgebäude unter 800 Quadratmeter Fläche keinen Stellplatz benötigen, während bei jedem Sonderbau aufwendig geprüft werden muss, ob dieser nötig ist? Sie schaffen eine neue Bürokratie mit schlechten Ergebnissen.

Dabei hat der Sachverständige des ADFC in der Anhörung Alternativen aufgezeigt. Natürlich könnte man kleine Wohnhäuser mit bis zu zwei Wohnungen tatsächlich freistellen. Für sehr bedenkenswert halte ich auch den Vorschlag, Kommunen generell die Möglichkeit zu geben, die Stellplatzpflicht für alle Fahrzeuge in eigenen Satzungen zu regeln. Man könnte den örtlichen Platzsituationen besser gerecht werden. Man könnte auch Möglichkeiten für autofreies Wohnen schaffen, die wir zurzeit nicht

haben. Aber auch darüber wollten Sie ja nicht einmal nachdenken.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion wird heute von Änderungsanträgen absehen. Wir möchten dieser zweifelhaften Gesetzesberatung nicht den Anschein einer echten Fachdebatte geben, die im Parlament nicht stattgefunden hat. Wir haben den Eindruck, dass die CDU unseren guten Gesetzentwurf nur einbringen durfte, nachdem sie der FDP erhebliche Konzessionen an ihre Klientel machen musste, die Sie überhaupt nicht mehr diskutieren wollen. Da hat jemand mal das Wort Entbürokratisierung aufgeschrieben, und im pawlowschen Reflex wurde alles abgenickt, ohne sich über die Folgen klar zu werden.

Nun fördern Sie anstelle des Radfahrens Enge auf Gehwegen und in Hausfluren, und wie meine Vorrednerin zu Recht sagte, wird dann wieder nach dem Staat und den öffentlichen Investitionen für Stellplätze geschrien werden müssen, gerade aus den kommunal knappen Kassen.

Wir beantragen deshalb die punktweise Abstimmung über diese Stellen im Gesetzentwurf – Nrn. 1, 2 und 3 Ziffer f) im Artikel 1 – und werden diese ablehnen. Unserem unveränderten Gesetzentwurf würden wir immer noch sehr gern zustimmen, aber nicht um den Preis solcher Verschlechterungen an anderen Stellen. Deshalb werden auch wir uns enthalten.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Jähnigen. – Nun die NPD-Fraktion. – Kein Redebedarf, es bleibt dabei? – Meine Damen und Herren, damit ist die erste Runde der Stellungnahmen beendet. Gibt es weitere Rückmeldungen seitens der Fraktionen? – Bitte, Herr Fritzsche; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank! Ich wollte nur noch einmal kurz darauf hinweisen, vor allem an die Adresse von Frau Jähnigen und Frau Köpping, dass wir die skizzierten Probleme des Radverkehrs bzw. der fehlenden Stellplätze nicht im Neubau, sondern in Bestandsgebäuden haben. Die gründerzeitliche Wohnbebauung ist davon in starkem Maße betroffen. Auch das ist uns bekannt. Mit der Sächsischen Bauordnung haben Sie überhaupt nicht das Instrument in der Hand, daran etwas ändern zu können. Insofern eröffnen Sie hier eine Debatte, die so an dieser Stelle überhaupt nicht richtig verwurzelt ist.

Außerdem muss man sich vor Augen führen: Wenn man dort entlanggeht, dann wird eines deutlich: Viele der Probleme, die durch abgestellte Fahrräder auf Fußwegen usw. entstehen, haben auch etwas mit den Nutzern dieser Fahrräder zu tun. Es kommt häufig vor, dass 5 Meter weiter durchaus eine gute Möglichkeit bestehen würde, sein Fahrrad sicher und trocken abzustellen, nur wird diese eben nicht genutzt, weil sich in vielen Bereichen

herausgebildet hat, dass genau bis zur Tür gefahren werden muss. Auch das gehört zur Ehrlichkeit, und darauf wollte ich gern noch einmal hinweisen.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Fritzsche. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Hauschild, bitte; Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann ebenfalls nicht alles so stehen lassen, was hier gesagt wurde; denn wenn gesagt wird, dass wir ausschließen, dass die Betroffenen, die Gastwirte, mit den Behörden und Anwohnern darüber sprechen, was dort zu tun ist und wie man es vereinbaren kann, dann muss ich einmal fragen: Wer hat das gesagt, und wo soll das stehen? Das machen wir natürlich nicht. Die Zusammenarbeit zu verbieten liegt uns völlig fern.

Zu den Fahrradparkplätzen: Sie tun ja gerade so, als ob jedes Fahrrad seinen eigenen Parkplatz braucht, vielleicht noch beleuchtet und beheizt. Das kann nicht sein. Für Autos fordern wir so etwas auch nicht, und das gibt es so auch nicht.

Zu den Änderungsanträgen möchte ich auch gleich noch etwas sagen. Ja, wir sind dagegen, dass die Rauchmelder per Gesetz zwangsweise eingeführt werden; denn die Erfahrung zeigt: Wenn man selbst freiwillig solche – sicherlich richtigen – Warnmelder einbaut, dann wartet und pflegt man sie auch und schaut, dass die Batterie nach zwei Jahren noch so voll ist, dass sie funktioniert. Wenn das einmal als Gesetz zwanghaft eingeführt wird, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass es überprüft wird. Wer soll das tun? Soll die Feuerwehr regelmäßig in jede Wohnung, in jedes Zimmer gehen und das alles überprüfen? Wer soll das bezahlen? Hierbei haben wir vollstes Vertrauen zu den Menschen, dass sie das eigenverantwortlich tun, und dafür muss das Gesetz nicht sein.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Andreas Schmalfuß, FDP, sowie bei der CDU)

Vielen Dank. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Jawohl, Herr Staatsminister Ulbig, bitte; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Staatsregierung setzt auf nachhaltige Energiepolitik. Dazu wollen wir den Anteil der Anlagen zur Nutzung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen erhöhen. Der vorliegende Gesetzentwurf setzt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU im Freistaat um und soll Anreize schaffen, damit mehr Anlagen zur Nutzung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen

gebaut werden. Diese Anreizwirkung wird von den Gesetzesänderungen zur Verfahrensfreistellung ausgehen.

Das Kernanliegen des Gesetzes ist die Erweiterung der bisherigen Regelung zur Verfahrensfreistellung von Solaranlagen. Es sollen künftig sowohl aufgeständerte Anlagen als auch solche, die die erzeugte Energie überwiegend oder ausschließlich ins öffentliche Netz einspeisen, verfahrensfrei errichtet werden können. Das ist nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich. Der Entwurf beschränkt sich aber nicht auf die erweiterte Verfahrensfreistellung von Solaranlagen. Zu den Anlagen der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen gehören bekanntermaßen auch Windenergieanlagen. Deshalb ist auch eine Verfahrensfreistellung für die sogenannten Kleinwindenergieanlagen vorgesehen.

Darüber hinaus nimmt der Entwurf Maßnahmen zur Wärmedämmung in den Katalog der Verfahrensfreiheit auf. Die Erweiterungen bezüglich der Verfahrensfreiheit sind aus unterschiedlicher Richtung diskutiert und angesprochen worden, aber, Herr Stange, ich denke, so viel Intelligenz können wir der sächsischen Bevölkerung durchaus noch zumessen, dass diese sehr übersichtliche Form des hier vorgelegten Kataloges bezüglich dieser Veränderungen und Vereinfachungen von den Menschen erkannt wird, auch ohne dass dazu erst eine Broschüre erarbeitet wird. Sie sind durchaus in der Lage, mit dem Instrument der Verfahrensfreiheit und -freistellung umzugehen.

Ein kurzer Blick noch in die Zukunft, da auch dies thematisiert wurde. Herr Hauschild, Sie haben zu Recht das Thema Bauordnung angesprochen. Wir werden es in dieser Legislaturperiode nicht zum letzten Mal miteinander diskutieren. Aber dabei geht es, anders als Sie, Herr Stange, es sagten, nicht darum, irgendwelche Fehler auszumerzen oder Ähnliches, sondern es gibt sehr klare Vorstellungen darüber, was in den zukünftigen Entwurf der Bauordnung hinein soll. Dazu gehört unter anderen die Veränderung im Heimrecht und dass die Regelungen zum barrierefreien Bauen neu angepasst werden sollen. Ebenso werden im Bereich der Verfahrensfreistellung weitere Vorschläge unterbreitet und im Kern natürlich die Ergebnisse sowie die Evaluierung der Musterbauordnung entsprechend umgesetzt und eingearbeitet. Als Letztes bereiten wir eine Kommunalisierung der Stellplatzregelung vor.

Insofern ist es richtig, dass dies nur ein Teil ist, der heute beschlossen wird, aber ein durchaus wichtiger Teil. Die große Änderung kommt noch in dieser Legislaturperiode.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zur Änderung der Sächsischen Bauordnung, Drucksachennummer 5/5593, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP. Abgestimmt wird auf der Grundlage der Beschluss

empfehlung des Innenausschusses, Drucksachennummer 5/6840. Auf Ihren Plätzen liegen Änderungsanträge. Ich schlage Ihnen vor, dass wir zunächst über diese abstimmen und danach zum Gesetzentwurf kommen. – Ich kann keinen Widerspruch feststellen, also verfahren wir so.