Protocol of the Session on November 12, 2009

Meine Damen und Herren! Die moderne Bildungsforschung bestätigt, dass Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in ganz erheblichem Maße von ihrer kulturellen Prägung abhängen. Sie hängen ab von dem Umgang mit Kulturgütern, eigener kultureller Aktivität und natürlich auch vom Besuch kultureller Einrichtungen wie Museen.

Klar ist: Die sächsischen Kulturgüter sind ein äußerst attraktiver, international herausragender Anziehungspunkt für Touristen. Das ist gut so und soll auch so bleiben. Aber unsere sächsischen Kulturgüter müssen auch ein erschwinglicher Magnet sein für junge sächsische Familien und Schülerinnen und Schüler. Das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Unsere Kinder sollen wissen, woher sie kommen, wer sie sind und wo ihre Wurzeln liegen.

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich ist es jetzt auch an der Zeit, die Schnittstelle zwischen Kultur und Bildung noch besser auszubauen. Wir gehen jetzt den ersten Schritt auf diesem Weg. Aber, meine Damen und Herren, alles zur rechten Zeit, alles in der rechten Art und Weise.

Ich bitte Sie herzlich, unserem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die FDP-Fraktion, bitte; Herr Abg. Tippelt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kultur muss gelebt werden. Sie stiftet Identität und trägt wesentlich zur Attraktivität eines Landes bei. Der Freistaat Sachsen, meine Damen und Herren, ist ein Kulturland. Als solches ist es unsere Aufgabe, Kultur an die nächste Generation weiterzugeben.

Dank des reichhaltigen kulturellen Erbes Sachsens locken wir jährlich viele Tausend Besucher an. Als kulturpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion freut es mich umso mehr, dass ich heute hier für diesen Antrag sprechen darf. Er ist Ausdruck für eine schnelle und handlungsfähige neue Regierung. Die Koalition setzt damit bereits drei Monate nach der Landtagswahl in Sachsen ein wichtiges Signal für Familien, Bildung und Kultur gleichermaßen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir setzen zügig erste Punkte des sächsischen Koalitionsvertrages zwischen CDU und FDP um.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen, dass der Museumsbesuch von Familien nicht vom Geldbeutel abhängt. Wir werden daher den Eintritt für Kinder und Jugendliche in allen staatlichen Museen des Freistaates Sachsen grundsätzlich kostenfrei gestalten. Damit werden wir das Angebot zur kulturellen Bildung weiter ausbauen.

Bereits in drei Wochen, also ab dem 1. Dezember 2009, werden Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre, ohne Eintritt zu zahlen, bedeutende sächsische Museen besuchen dürfen. Dies betrifft in einem ersten Schritt die Museen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Staatlichen Ethnografischen Sammlungen Sachsen. Damit öffnen wir für die nachrückende Generation die Tore zu zahlreichen Ausstellungen vom MathematischPhysikalischen Salon über Rüstkammer, Puppentheatersammlung bis hin zu den Völkerkundemuseen in Leipzig, Dresden und Herrnhut.

In Leipzig läuft bereits seit dem Sommer ein Test. Im GRASSI Museum für Völkerkunde heißt es: Kostenloser Eintritt für alle Besucher bis 16 Jahre. Nach erfolgreich abgeschlossener Testphase soll dieses Angebot ausgeweitet werden.

Selbstverständlich kann der kostenfreie Eintritt nur ein erster Schritt sein, um die positiven Effekte von Kunst und Kultur bei Kindern und Jugendlichen zu verstärken. Wir wissen sehr wohl, dass allein der kostenlose Museumsbesuch noch kein anhaltendes Interesse für Geschichte und Kultur weckt. Dazu gilt es genauso, das museumspädagogische Angebot weiterzuentwickeln.

Darüber hinaus haben wir Liberale uns für die Konzeption eines Nationalmuseums als ein Haus der Geschichte und Wissensvermittlung in den Koalitionsverhandlungen stark gemacht. Wir wollen ein Museum mit großer Anziehungskraft, dessen Besuch später einmal für jede Schule zum Selbstverständnis gehören soll.

Verehrte Damen und Herren! Ich bitte Sie freundlichst um Zustimmung zum Antrag, dessen Ziel es ist, Kindern und Jugendlichen Kunst und Kultur näherzubringen, ihre Neugier zu wecken und sie an sächsischer Kultur und Tradition teilhaben zu lassen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Fraktion DIE LINKE bitte, Frau Klepsch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Noch im Juni dieses Jahres ließ die Staatsregierung auf einen Antrag der Fraktion DIE LINKE zum kostenfreien Besuch staatlicher Museen in Sachsen durch Kinder und Jugendliche erklären – ich zitiere aus der Antwort der Staatsregierung –: „Die Staatsregierung erachtet zentrale Vorgaben zur Eintrittspreisgestaltung für die staatlichen Museen als nicht sachgerecht.“

Nun liegt ein Antrag der Regierungskoalition vor, das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag in die Tat umzusetzen. Wir freuen uns übrigens auch, dass wir heute kulturpolitisch zuerst über kulturelle Bildung für junge Menschen sprechen und nicht über die Einrichtung von Luftschlössern wie Nationalmuseum oder Porzellanmuseum.

(Zuruf: He, he!)

Die Fraktion DIE LINKE begrüßt die Initiative, Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 16 Jahren den kostenfreien Besuch in die staatlichen Museen zu gewährleisten, um – ich zitiere aus dem Antrag – „sie besonders am kulturellen Erbe des Landes teilhaben zu lassen“.

An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass Kindheit und Jugend nicht an einer Altersgrenze von 16 Jahren endet. Doch darüber wird später noch zu reden sein. Ein Änderungsantrag liegt vor. Sie wissen es.

So positiv die Tatsache ist, dass dieses bereits in der Museumskonzeption 2020 formulierte Ziel heute in die Tat umgesetzt wird, bleiben noch einige Fragen und Kritikpunkte offen. Warum schafft es die CDU-Fraktion erst jetzt mit dem neuen Koalitionspartner FDP, das Vorhaben umzusetzen, ein halbes Jahr nach Erscheinen der Museumskonzeption des SMWK, die, liebe Kollegen von der CDU, noch unter Ihrem damaligen Koalitionspartner SPD und der Kunstministerin Frau Dr. Stange erarbeitet wurde? Musste dieses konkrete Ziel für die Zeit nach der Landtagswahl aufgespart werden, damit wenigstens eine konkrete Aussage zur Kulturpolitik jenseits der beiden Museen im Koalitionsvertrag zu finden ist?

(Tino Günther, FDP: Bösartige Unterstellung!)

Im Hinblick auf das bildungspolitische Ziel des Antrages ergeben sich weitere Fragen: Wie zukunftsorientiert ist es, Kinder und Jugendliche ins Museum zu schicken, um – ich zitiere aus dem Antrag – „sie am kulturellen Erbe teilhaben zu lassen“?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kulturelle Bildung ist mehr als das Bewundern goldener Teller im Grünen Gewölbe und das Betrachten ausrangierter Industrieanlagen in Chemnitz.

Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP – die ja neu in der Regierung ist –, auf das Verständnis des Begriffs kulturelle Bildung in der

Museumskonzeption des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst verweisen. Ich lese es Ihnen gern vor. Dort heißt es: „Kulturelle Bildung meint die aktive Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur, unterstützt Menschen in ihrer Persönlichkeitsbildung und stärkt deren soziale, kommunikative und kreative Fähigkeiten.“

Die vom Bundestag eingesetzte Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ hat 2007 in ihrem Schlussbericht der kulturellen Bildung Priorität eingeräumt und diese als gesellschaftlichen Auftrag formuliert. Museen verfügen laut der sächsischen Museumskonzeption über die „einzigartigen Möglichkeiten, eben nicht nur Historisches abzubilden“ – so viel zum kulturellen Erbe –, „sondern durch neue Inhalte und differenzierte Vermittlungsformen unterschiedlich sozialisierte Bevölkerungsschichten kulturell in die Gesellschaft zu integrieren“.

Damit sind wir beim nächsten Kritikpunkt. Wir sollen heute beschließen, dass Kinder und Jugendliche staatliche Museen kostenfrei besuchen können. Doch die Beschlussvorlage verrät uns nicht, wie die Museen für den erhofften Zuwachs jugendlicher Besucherinnen und Besucher ausgestattet werden sollen, um die damit anspruchsvolle museumspädagogische Arbeit qualitativ wertvoll ausführen zu können. Stattdessen ist der Personalabbau auch im Bereich der staatlichen Museen des Freistaates Sachsen bereits beschlossene Sache.

Darüber hinaus ist nicht geklärt, wie die betroffenen Einrichtungen das Einnahmendefizit durch die Kostenfreiheit für Kinder und Jugendliche ausgleichen sollen. In Ihrem Koalitionsvertrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, heißt es nämlich: „Wir werden die großen Kultureinrichtungen dabei unterstützen, verstärkt eigene Erträge und einen höheren Kostendeckungsgrad zu erwirtschaften.“ Die Ausstattung der Museen ist das eine, die Erreichbarkeit das andere. Von dem zu fassenden Beschluss sind vorrangig Museen in den Großstädten betroffen. Sie wissen es: Dresden, Chemnitz, Leipzig und Görlitz. Herrnhut bildet dabei schon eine Ausnahme.

Kulturelle Bildung, wie sie von der Staatsregierung im Dritten Sächsischen Kinder- und Jugendbericht gefordert wird, kann nicht nur an kulturellen Leuchttürmen stattfinden, sondern muss tatsächlich flächendeckend, auch im ländlichen Raum, ermöglicht werden. Wenn es wirklich gewollt ist, dass junge Menschen aus Weißwasser, Reichenbach im Vogtland oder Jonsdorf in der Lausitz in die großen Museen kommen, müssen wir auch über Fahrtkostenerstattung reden. Die Fahrtkosten für den Weg tragen jedoch nach Ihrem Entwurf wiederum Kinder und Jugendliche oder ihre Familien, womit wir zum sozialpolitischen Kritikpunkt kommen.

Der wachsende Druck auf die staatlichen Museen, Eigeneinnahmen zu erwirtschaften, darf bei dem Vorhaben, Kinder und Jugendliche kostenfrei in die Museen zu lassen, nicht zuungunsten anderer, einkommensschwacher Gruppen wie Arbeitsuchender, SeniorInnen oder GeringverdienerInnen gehen.

Ich komme zum Schluss. DIE LINKE unterstützt das Vorhaben des kostenfreien Museumsbesuches, wird dazu jedoch einen Änderungsantrag – er liegt Ihnen vor – einbringen, um wenigstens Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre am kostenfreien Besuch teilhaben zu lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die SPDFraktion spricht Frau Dr. Stange, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr über den heute vorliegenden Antrag. Damit erübrigt sich ein eigener Antrag, den wir gestellt hatten. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass er ein wenig weitergeht. Ich komme gleich in meinen Ausführungen darauf zu sprechen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal zum Kern kommen, warum es so wichtig ist, dass wir Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, kostenfrei und ohne Hürden in die Museen, eigentlich in alle Kultureinrichtungen, hineinzukommen; denn die Museen sind ja nur ein Teil davon. Kultur ist ein öffentliches Gut. Kultur und kulturelle Bildung für alle darf nicht nur in Sonntagsreden oder Koalitionsverträgen stehen, sondern muss auch am Montag bzw. heute, am Donnerstag, umgesetzt werden.

Ich war sehr erstaunt, dass Herr Neumann, CDU, in dieser Woche im Zusammenhang mit der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vor einer Kürzungspolitik im Bereich der Kultur gewarnt hat. Diese Warnung möchte ich gern nach Sachsen weitertragen. Wenn ich heute früh Herrn Zastrow richtig zugehört habe, dann werden wir zwar unseren künftigen Generationen einen soliden Haushalt hinterlassen, der keine Neuverschuldung vorsieht und in dessen Sockel eine geringe Verschuldung ist, aber die Bevölkerung wird eventuell dumm und kulturlos bleiben.

Ich sage das bewusst etwas zugespitzt, da die Abwägung, wie weit wir in der Verschuldung gehen, wie weit wir in der Lastenteilung zwischen den Generationen gehen, auch immer die Seite mitnehmen muss, was die heutige Generation angeht und was die heutige Generation zur Bewältigung der Probleme in der Zukunft, aber auch der großen Probleme wie Generationswechsel, Klimawandel etc. zu lösen hat.

(Tino Günther, FDP, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Günther.

Frau Kollegin Stange, Sie sprachen davon, indem Sie Holger Zastrow zitierten, dass wir dann zwar einen soliden Haushalt haben, aber die Bevölkerung dumm und kulturlos bleibt. Finden Sie, dass die Sachsen dumm und kulturlos sind?

(Einzelbeifall bei der CDU)

Das habe ich nicht gesagt. Sie haben mich schon richtig zitiert. Wenn man plant, unter dem Stichwort „Verwaltungsausgaben senken“ einen schlanken Staat zu organisieren, dann muss man genau hinschauen, worüber man spricht. Zum Beispiel sprechen wir über das Personal in den Staatlichen Kunstsammlungen. Wir sprechen über das Personal in der Landesbibliothek. Wir reden über die Schulen und die Hochschulen. Das sind Verwaltungsausgaben, die Herr Zastrow offenbar gemeint hat. Da er es nicht weiter ausgeführt hat und wir gestern nur die Summe von 18 000 abzubauenden Stellen gehört haben, vermute ich, dass das dahintersteckt. Das meine ich für die Zukunft. Man muss gut abwägen, wie weit man mit der Kürzungspolitik geht. Letztendlich geht es darum, die Staatlichen Kunstsammlungen und die Sächsische Landesbibliothek so auszustatten, dass nicht nur die zukünftige Generation, sondern auch die heutige Generation davon profitieren kann.