Protocol of the Session on November 12, 2009

Wir sind doch nicht nur deshalb auf die Straße gegangen, weil wir keine Reisefreiheit und keine Pressefreiheit hatten; wir haben uns auch im wirtschaftlichen Bereich die Freiheit erkämpft. Das System Planwirtschaft ist doch in den Jahren bis 1989 jämmerlich zusammengebrochen.

(Zuruf von der NPD: Dein System wird noch zusammenbrechen!)

Wir haben die Folgen auch der wirtschaftlichen Unfreiheit erfahren, insbesondere die absolute Materialknappheit in allen Bereichen. Die Fleischerfachgeschäfte mutierten letztlich zu Fliesengroßhandlungen.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: So ein Quatsch!)

Die Motivation im Arbeitsbereich war doch bis 1989 auch eine ganz andere.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich meine, das alles sind Zeichen von Unfreiheit in allen Lebensbereichen, hauptsächlich im wirtschaftlichen Bereich.

Was haben wir denn nach 1989 erlebt, nachdem wir alle in die Freiheit gegangen sind? Sicherlich mussten wir in den Anfangsjahren auch einiges probieren und wir waren zaghaft. Wir haben uns 1989/90 die Freiheit genommen, auch die wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen. Wir konnten die Dinge wieder selbst in die Hand nehmen. Ich habe das am eigenen Leib praktiziert, indem ich gesagt habe: Wir versuchen, das Ruder herumzureißen, und gründen eine Unternehmung. – Diese wirtschaftliche Freiheit hat uns zum Erfolg geführt, dorthin, wo wir heute, nach 20 Jahren, hier in Sachsen stehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Denken Sie einmal daran, wie einfach es nach 1989 war, die Wohnraumsituation zu verbessern. Ihre SED hatte jahrelang darum gekämpft.

(Karl Nolle, SPD: Das war auch „Handel und Versorgung“! – Gegenruf des Staatsministers Frank Kupfer: Keine Ahnung!)

Wir haben im Ergebnis der Freiheit erreicht, dass das Wohnungsproblem innerhalb kürzester Zeit geklärt werden konnte. Wir haben erreicht, dass jeder sein Auto kaufen kann, ohne zehn Jahre auf diesen fahrbaren Untersatz warten zu müssen; von „Auto“ konnte man sicherlich nicht reden, wenn man „Trabant“ oder „Wartburg“ meinte.

(Stefan Brangs, SPD: Das hörte sich früher noch ganz anders an!)

Wir haben erreicht, dass etliche tausend Arbeitsplätze gesichert wurden, weil sich im Ergebnis der Freiheit in

der Wirtschaft die Unternehmen marktfähig aufgestellt haben.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen: Wir haben in Sachsen ein ausgeprägtes Unternehmertum. Die Unternehmer haben gleich in den Anfangsjahren die Ärmel hochgekrempelt und damit dafür gesorgt, dass Arbeitsplätze gesichert, umgewandelt und sogar neue geschaffen werden konnten.

Die Redezeit, Kollege Heidan.

Ich denke, das ist einen großen Dank wert. Gott sei Dank haben wir diese Freiheit 1989 errungen. Sie hat es uns ermöglicht, dass wir heute eine Wohlstandsgesellschaft sind,

(Jürgen Gansel, NPD: In welcher Welt leben Sie denn?)

die sich in ganz Europa sehen lassen kann.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Karl Nolle, SPD: Bei manchen Rednern müsste man die Redezeit verlängern, weil es so spaßig ist!)

Wird von dem Mitantragsteller FDP das Wort gewünscht? – Nein.

Dann folgt gemäß der Rednerreihenfolge die Fraktion DIE LINKE. Bitte, Herr Kollege Gebhardt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Heidan, wenn Sie Reden halten, sollten Sie sich vielleicht vorher erkundigen, worüber Sie reden. Am 8./9. Dezember und am 16./17. Dezember 1989 fand ein Sonderparteitag der SED statt, auf dem sich meine damalige Partei von dem stalinistischen System distanziert hat. Sie können zwar ständig die Behauptung wiederholen, dass wir uns unserer Vergangenheit nicht gestellt hätten; das haben wir aber, wie gesagt, bereits am 8./9. und am 16./17. Dezember 1989 getan.

(Beifall bei der Linksfraktion – Volker Bandmann, CDU: Aber das Vermögen haben Sie nicht zurückgegeben!)

Herr Bandmann, bis jetzt waren Sie relativ friedlich. Das habe ich sehr geschätzt. Sie brauchen nicht wieder in Ihren alten Stil zu verfallen.

Ich habe heute früh in der „Sächsischen Zeitung“ die Aussage einer Bürgerin gelesen: „Mir graut schon vor dem nächsten Mauerjubiläum!“ Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich diesem Teil anschließen, vor allem, wenn ich mir überlege, wie wir Politikerinnen und Politiker – –

Herr Kollege Gebhardt, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Von meinem Kollegen aus dem Erzgebirge? Ja.

Herr Kollege Gebhardt, Sie haben angeführt, dass im Dezember ein SED-Parteitag stattgefunden hat, auf dem es eine Entschuldigung gegeben hätte. Herr Gebhardt, hat die SED oder ihre Nachfolger auch auf das Vermögen verzichtet?

Genau, wie die CDU nicht auf ihr Vermögen verzichtet hat, haben wir nur auf Teile des Vermögens verzichtet, aber auf das Vermögen im Ausland haben wir mehrfach keinen Anspruch erhoben. Herr Flath, das wissen Sie auch. Bei der Aufteilung hat auch der Freistaat Sachsen etwas von diesem Vermögen abbekommen.

Lassen Sie eine weitere Zwischenfrage zu?

Herr Kollege Gebhardt, ist Ihnen bekannt, dass die CDU Deutschlands auf das Vermögen der DDR-CDU verzichtet hat? Ist Ihnen das bekannt?

(Zurufe von der SPD)

Ich bin für meine Partei verantwortlich. Wir haben auf das gesamte Auslandsvermögen verzichtet.

Ich komme zu meinen Ausführungen zurück. Was mir in den letzten Tagen aufgefallen ist und was ich eigenartig finde, ist die realitätsferne Wahrnehmung von dem, was im Herbst ’89 stattgefunden hat. Es haben sich Politikerinnen und Politiker feiern lassen, die mit diesem Herbst ’89 und dem Mauerfall gar nichts zu tun hatten. Es waren nämlich die Bürgerinnen und Bürger, die die Geschicke in die Hand genommen und die Mauer zum Einstürzen gebracht haben. Viele Bürgerinnen und Bürger wissen überhaupt nicht, dass das die Bürgerinnen und Bürger der DDR waren. Mancher in Köln glaubt, dass das Herr Kohl, Herr Schabowski oder Herr Krenz waren. Tatsächlich aber waren es die Bürgerinnen und Bürger der DDR, die das Korsett abgelegt haben und sich in die Freiheit begaben, wie das vorhin beschrieben worden ist. Aber der Aufbruch des Herbstes 89 und die Basisdemokratie mit den „Runden Tischen“ waren leider im Frühjahr des Jahres 1990 bereits wieder vorbei.

Die Menschen, die damals auf die Straße gegangen sind, votierten tatsächlich für einen sozialen Wohlstand. Der Aufbau in Sachsen steht gleichzeitig für die Euphorie, aber auch für die Enttäuschung, für Aufschwung und Abstieg, für Gelingen und für Scheitern. Ein freies Land ist in meinen Augen ein Land, in dem nicht einige, sondern möglichst alle frei sind.

Auch meine Partei hat sich dieser Verantwortung gestellt. Für meine Partei war der Herbst ’89 ein Aufbruch aus verkrusteten Strukturen. Meine Mitglieder und viele, die auch hier sitzen, haben damals Verantwortung gezeigt, manchen zum Teufel gejagt und Verantwortung für dieses Land übernommen. Ich halte es auch für richtig, dass

diese Menschen heute die richtigen Lehren daraus gezogen haben. Es gibt ein Recht für jeden Menschen für einen Neuanfang, wie Gerhard Besier vorhin sagte.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn in verschiedenen Veranstaltungen heutzutage, vor allen Dingen in Talkshows uns das Gefühl vermittelt wird, man habe am Checkpoint/Charly gestanden, dann finde ich das unehrlich und nicht angemessen den Bürgerinnen und Bürgern der DDR gegenüber, die tatsächlich dazu beigetragen haben, dass die Mauer 1989 eingestürzt ist. Ich hoffe, dass wir, wenn wir in zehn Jahren über ein Mauerjubiläum reden, tatsächlich die Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellen oder zumindest die Vereinigung, die dazu beigetragen hat, nämlich das Neue Forum.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Vielen Dank. – Herr Jurk spricht noch einmal für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte wird langsam ein bisschen spannender. Es geht um die Vergangenheitsbewältigung.

Es gab in der deutschen Geschichte selten eine Zeit, in der so intensiv die Vergangenheit aufgearbeitet wurde, allerdings in unterschiedlichem Grade. Ich fand es richtig, dass die Strukturen der SED und des MfS untersucht wurden. Sicherlich behauptet niemand, dass sich die Blockparteien keine Gedanken über ihre eigene Vergangenheit gemacht haben. Vielleicht kann ich die Frage, die hier im Raum stand, Herr Flath, beantworten, was mit dem Vermögen der Blockparteien geschehen ist. Das ist unter anderem nachzulesen in dem Bericht der damaligen unabhängigen Kommission über das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR. Es ist tatsächlich so, dass das Barvermögen der CDU Ost plus DBD in der gesamtdeutschen CDU untergekommen ist. Was sie nicht bekommen haben, sind die Immobilien. Die übergab die Kommission an die Treuhand.

Bei der FDP war es ein bisschen schwieriger. Die Verschmelzung von NDPD und LDPD zum Bund freier Demokraten wurde nicht anerkannt. Am Ende stand sie ohne Geld da. Ich will das nicht weiter kommentieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich über die Vergangenheit nachdenken, nämlich was als erhaltenswert aus der ehemaligen DDR hätte bewahrt werden können. Was waren das für Lösungen? Damit ich nicht in die falsche Ecke gestellt werde, will ich auch noch über die Gesamtschulen reden. Herr Zastrow, Sie werden vielleicht zum Totengräber der Gemeinschaftsschulen. Längeres gemeinsames Lernen wird von der FDP gerade kaputt gemacht.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Viele Handwerksmeister haben mich auf den ehemaligen polytechnischen Unterricht angesprochen. Nun wissen wir, dass die jungen Leute auch in der Produktion gebraucht wurden, um Waren herzustellen. Aber die Möglichkeit, sich praktische Fertigkeiten anzueignen, war damit verbunden, durchaus ein Wettbewerbsvorteil.