Protocol of the Session on November 12, 2009

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Es würde unserem neuen Sächsischen Landtag gut zu Gesicht stehen, wenn wir Demokratie und Partizipation wesentlich ernster nähmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Das hat Solidarność erstritten, das war Inhalt der Charta 77. Dafür haben die Menschen in Plauen, in Leipzig – in der gesamten DDR demonstriert.

Gestatten Sie mir noch einen Blick auf Europa. In der Zeit, als wir in Ostdeutschland, in Mittel- und Osteuropa die Freiheit errungen haben, gab es eine Region, das ehemalige Jugoslawien, in dem blutige Kriege stattgefunden haben. Westeuropa hatte kein gemeinsames Konzept, dem zu begegnen. Ich finde, es hat sich damit an diesen Menschen schuldig gemacht.

Ich appelliere an Sie als Meinungsbildner in Ihren Parteien: Stimmen Sie für einen baldmöglichsten Beitritt dieser Länder in die Europäische Union, weil nur dieser Staatenverbund eine demokratische, friedliche und rechtsstaatliche Entwicklung auf Dauer ermöglicht.

An Sie, Herr Innenminister Ulbig, möchte ich die Bitte richten: Lassen Sie humanitäre Grundsätze gelten, wenn es um die Zwangsrückführung der Migranten aus diesen Ländern geht.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist wirklich das wichtigste Thema am 20. Jahrestag! – Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Gewähren Sie ihnen schon heute das Recht auf freie Wohnungswahl, ein EU-Recht, das auch die Menschen aus der DDR in den Achtzigerjahren als Folge des KSZEProzesses bereits für sich in Anspruch genommen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit!

Ein Fazit meiner Fraktion aus der friedlichen Revolution: Nichts muss so bleiben, wie es ist! – Fassen Sie das bitte nicht als Drohung auf, sondern als Angebot für eine neue politische Kultur. Diese ist dringend nötig.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion, der SPD, vereinzelt bei der FDP und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kallenbach. – Als Nächster spricht für die NPDFraktion Herr Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als am 9. November 1989 die Grenzen nach Westberlin unter dem Andrang der Volksmassen geöffnet wurden, brachen sie entzwei, die Ketten der Teilung, in die das Vaterland über 40 Jahre gelegt war. Bald darauf wurde der Todesstreifen von der Ostsee bis nach Bayern durchlässig, und die Deutschen lagen sich überglücklich in den Armen. Für die NPD, die sich im Gegensatz zu den Altparteien niemals mit der Teilung der Nation abgefunden hatte, war dies das Vereinigungsfest einer zerrissenen Familie.

(Volker Bandmann, CDU: So ein dummes Zeug! – Zuruf der Abg. Karl Nolle, SPD, und Christian Piwarz, CDU)

In diesen frohen Tagen vor 20 Jahren lag eine nationale Tendenzwende in der Luft, lag die Chance einer geistigen und politischen Neugeburt der Deutschen auf der Straße. Diese Neugeburt hätte die Deutschen damals seelisch gesunden lassen und mit ihrer Nationalgeschichte versöhnen können, und sie hätte die Deutschen erstmals nach Kriegsende dazu befähigt, wieder selbstbewusst ihre nationalen Interessen zu vertreten.

Wenigstens das aber wollten die Negativeliten in der BRD und in der DDR verhindern, wenn sie schon nicht die Einheit selbst verhindern konnten. Die Herrschenden in Ost und West hatten sich nämlich dem Wiedervereinigungsgebot genauso entfremdet wie ihrem Volk und seiner Geschichte.

Für diese antideutsche Geisteshaltung, die vor 20 Jahren waltete, steht beispielhaft der damalige Chefredakteur des „Spiegel“, Erich Böhme, der zu Protokoll gab: „Ich möchte nicht wiedervereinigt werden!“ – Vor 20 Jahren wollten auch viele andere gesellschaftlich relevante Kreise nicht wiedervereinigt werden. Da waren natürlich die SED-/PDS-Genossen, die um ihre rote Bonzenherrschaft und den „antifaschistischen Schutzwall“ trauerten. Da waren Sozialdemokraten wie Willy Brandt, Gerhard Schröder und insbesondere Oskar Lafontaine, der noch Ende 1989 an der unnatürlichen Zweiteilung Deutschlands festhalten und die Mitteldeutschen von den damals noch bestehenden Leistungen des westdeutschen Sozialstaats fernhalten wollte.

Da waren die GRÜNEN, deren Spitzenpersonal vor 20 Jahren noch an einer Berliner Großdemonstration unter dem Motto „Nie wieder Deutschland!“ teilnahm und damit gegen die Einheit demonstrierte. Und da war Hildegard Hammbrücher, die große linksliberale Dame der FDP, die sich im Wendeherbst vor 20 Jahren für den

Fortbestand der Teilung aussprach, weil sie meinte, das würde dem europäischen Frieden dienen.

Man kann natürlich auch auf eine Reihe hochkarätiger CDU-Politiker verweisen, die damals bis zuletzt versucht haben, den Zug zur Wende abzubremsen. Ich denke dabei an den früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler oder den CDU-Multifunktionär Friedbert Pflüger.

Letzterer äußerte sich noch im Herbst 1989 voller Ekel über die Perspektive eines wiedervereinigten Deutschlands. Er erklärte damals gegenüber der Presse in Abkehr von der Wiedervereinigungsidee: „Mein Vaterland ist die Bonner Demokratie!“ – Na, herzlichen Glückwunsch!

Die Herrschenden in Bonn hatten damals das Ziel der Einheit längst verraten, als ihnen die Einheit durch den Freiheitswillen der Mitteldeutschen wie eine reife Frucht in den Schoß fiel. Die Demonstranten in Mitteldeutschland wollten aber nicht einfach nur wiedervereinigt werden, sondern sie wünschten sich eine Wiedervereinigung auf Augenhöhe, in die Mitteldeutsche und Westdeutsche gleichberechtigt ihre Lebenserfahrungen, ihre Traditionen und ihre Gerechtigkeitsvorstellungen in das neue, größere Deutschland einbringen können.

Doch die herrschende Klasse tat alles, um den Strom nationaler Begeisterung wieder auszutrocknen und das verbliebene Rinnsal in die Bahnen des überlebten bundesrepublikanischen Status quo zu lenken. Statt eines wirklich gesamtdeutschen Staates gab es nur den technokratischen Anschluss der DDR an die BRD zu einem als Großwestdeutschland zu bezeichnenden Staat. Damit missachtete die politische Klasse der Bundesrepublik das von ihr selbst in Sonntagsreden immer wieder beschworene Grundgesetz. In dessen Artikel 146 steht nämlich bis zum heutigen Tage, dass das Grundgesetz dann seine Gültigkeit verliert. Wenn die Einheit hergestellt ist und sich das deutsche Volk in freier Entscheidung eine Verfassung gegeben hat. Aber wir wissen ja, dass Sie das Grundgesetz biegen und deuten, wie Sie es wollen.

Kommen Sie jetzt bitte zum Schluss, Herr Gansel. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich habe noch eine halbe Minute, Herr Präsident.

Gut, die können Sie auch ausfüllen.

Die etablierten Parteien hatten also überhaupt kein Interesse an einer demokratischen Erneuerung des größeren Deutschlands. Sie wollten keine Verfassungsdebatte und ließen sie deswegen auch nicht zu. Der Grund war schon damals die Angst der Herrschenden vor dem eigenen Volk.

Ich kann versichern, dass wir Nationaldemokraten gern die Freiheitsimpulse des 9. November 1989 zur Herstellung einer wirklichen Volksherrschaft aufnehmen. Dafür brauchen wir auch 20 Jahre nach der Wende eine neue, friedliche Volkserhebung.

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ja, mein letzter Satz. – Nach der DDR hat auch die BRD wahrlich ihren 9. November 1989 verdient.

(Beifall bei der NPD)

Herr Gansel, ich weise Sie noch einmal auf unsere Geschäftsordnung hin. Sie hatten einen ausgearbeiteten Wortbeitrag.

(Jürgen Gansel, NPD: Den hatte ich nicht! Ich habe frei gesprochen!)

Aber Sie hatten einen ausgearbeiteten Wortbeitrag. – Diesen Hinweis geben wir immer, auch an Sie: Wir erwarten, dass Sie in Zukunft mit einem Stichwortzettel sprechen.

(Jürgen Gansel, NPD: Können wir einrichten!)

Vielen Dank.

Meine Damen und Herren! Wir treten in eine zweite Runde ein. Bitte, Herr Kollege Heidan. Sie sprechen für die Fraktion der CDU.

(Holger Apfel, NPD: Der Redebeitrag ist aber auch ausgefertigt!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Prof. Besier, gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu dem von Ihnen hier vorgetragenen Referat. Beim Zuhören habe ich gedacht, Sie seien in der falschen Partei. Mir ist bekannt, dass DIE LINKE die Nachfolgepartei der SED ist.

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Wie die CDU die Nachfolgepartei der CDU ist! – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Und der Bauernpartei!)

Bisher habe ich von Ihrer Partei in der Form keine Entschuldigung für die Mauertoten gehört, keine Entschuldigung für das, was die SED in 40 Jahren, bis 1989, angerichtet hatte.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Stefan Brangs, SPD: Da gibt es Gemeinsamkeiten mit der CDU!)

Ich habe von Ihnen auch noch nicht gehört, dass Sie sich klar zur sozialen Marktwirtschaft positioniert hätten.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Was? Was ist das denn überhaupt? Definiere, komm! – Gegenruf des Abg. Robert Clemen, CDU: Ludwig Erhard lesen!)

Wer war denn letztendlich verantwortlich für das Scheitern dieser Planwirtschaft, gegen die die Menschen in ihrer Not auf die Straße gegangen sind?

(Karl Nolle, SPD: Herr Kollege, das war doch „Handel und Versorgung“, wenn ich mich nicht irre! Reservekader aus Kamenz!)

Wir sind doch nicht nur deshalb auf die Straße gegangen, weil wir keine Reisefreiheit und keine Pressefreiheit hatten; wir haben uns auch im wirtschaftlichen Bereich die Freiheit erkämpft. Das System Planwirtschaft ist doch in den Jahren bis 1989 jämmerlich zusammengebrochen.