In dieser Frage haben wir aber sehr gravierende Differenzen. Das Versammlungsrecht ist unter anderem konstitutiv auch dahin gehend ausgerichtet, dass, wenn eine Demonstration angemeldet ist und einem Teil der Bevölkerung das bekannt wird, dann der andere Teil sagen kann: Dazu will ich mich, indem ich präsent bin, und zwar in Wort und Reichweite, genau mit dieser öffentlichen Meinungsäußerung positionieren.
Dass das nicht still und ruhig geht und dass Erinnerungskultur – das habe ich eingangs gesagt – nicht das Verfassungsgut sein kann, welches ich gegen das Versammlungsrecht setze, geht nicht.
Ich kann nicht Erinnerungskultur als Verfassungswert gegen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit setzen. Das halte ich als Ansatz für nicht statthaft. Wir werden sehen, ob es die Verfassungsgerichtsexperten so sehen wie wir oder ob sie es so sehen wie Sie.
Herr Staatsminister, worüber Sie in einem fort reden: In Ihrem Gesetzentwurf wimmelt es nur so von unbestimmten Rechtsbegriffen. Es ist ein Gesetzentwurf, in dem steht:... insbesondere,... insbesondere,... insbesondere. Sie sagen zunächst in § 15 Abs. 1 Satz 2: Eine Versammlung, ein Aufzug kann insbesondere verboten werden oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn... Dann zählen Sie auf: wenn die Versammlung an dem Ort und der Zeit stattfindet...
Was heißt das? Was darf ich noch hinzufügen? Welche Anlässe gibt es denn noch, bei denen Plauen, Chemnitz oder Görlitz sagen kann, dass diese das so ähnlich sehen? Was ist denn das? Was ist das im Zusammenhang mit „Schranken setzen“ für das Versammlungsrecht für ein
Weg, wenn ich sage:... insbesondere. Dann bringe ich betreffs des Anlasses, des Ortes und der Zeit Regelfallbeispiele und lasse zu, dass das jede Behörde nach ihrem Ermessen auffüllt. Damit Ruhe, Ordnung und Stille bei Gedenkveranstaltungen ist, wird gnadenlos aufgefüllt werden. Das wird ein Flickenteppich werden. Deshalb werden wir die absolute Suspendierung von Versammlungsrecht in der bisherigen traditionellen Handhabung in der Bundesrepublik Deutschland in Sachsen befürchten müssen.
Herr Präsident, ich bedanke mich für die Geduld betreffs der Überziehung meiner Redezeit um 10 Sekunden.
Vielen Dank, Herr Bartl. – Meine Damen und Herren! Wir kommen zu dem Antrag, vorliegend in Drucksache 5/402. Hierbei handelt es sich um einen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte um Einbringung. Herr Lichdi, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, jeder in diesem Haus, der sich die Ohren und das Hirn nicht ganz fest mit Ideologie zugestopft hat, konnte bemerken, mit welcher geistigen und rhetorischen Brillanz – das möchte ich ihm zugestehen – unser neuer Justizminister hier einen Popanz aufgebaut hat.
Ich bin schon in der Zwischenfrage darauf eingegangen, dass er auf die entscheidende Frage, nämlich die Frage der Grenzen der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit dem Versammlungsrecht, nicht eingegangen ist. Sie, Herr Dr. Martens, sind ein zu kluger Jurist, als dass Sie nicht wüssten, warum Sie genau das unterlassen haben.
Ich nehme Ihnen darüber hinaus übel – darauf richtet sich unser Änderungsantrag –, dass Sie hier in Ihrem Redebeitrag so getan haben – das war eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit –, als ob das bisherige Versammlungsrecht nicht ausreiche, um Gewalt von Rechts, von Links oder von wem auch immer zu unterbinden. Das nehme ich Ihnen persönlich übel, denn Sie müssten es besser wissen; ich weiß, Sie wissen es besser.
Wir wollen mit unserem Änderungsantrag genau wissen, welches die Rechtsgründe sind, die es jetzt verbieten, am 13. und 14. Februar räumliche und zeitliche Beschränkungen in Dresden, beispielsweise an der Synagoge oder in der Umgebung der Frauenkirche, anzuordnen. Ich bin in meinem Redebeitrag darauf eingegangen. Seit über zehn Jahren gibt es die Allgemeinverfügung – leider von
den Gerichten gehalten. Ich möchte von Ihnen bzw. von der Staatsregierung wissen, inwieweit die bisherige Rechtslage nicht ausreicht, die Menschenwürde zu schützen. In der Begründung habe ich davon nichts gelesen.
Es ist ja wohl offensichtlich, dass § 15 Abs. 1 Satz 2, in dem auf „vergleichbare Versammlungen oder Aufzüge“ in der Vergangenheit Bezug genommen wird, aufgrund der aktuellen Ereignisse in Leipzig hereingerutscht ist. Die dortigen Übergriffe der Nazis sind natürlich zu verurteilen und zu bekämpfen. Solch ein Umstand kann bei der Beurteilung, ob Auflagen bezüglich künftiger Nazidemonstrationen anzuordnen sind, herangezogen werden. Aber sagen Sie uns doch bitte, warum Sie dafür ein neues Gesetz brauchen. Die geltende Rechtslage ist insoweit ausreichend.
Herr Dr. Martens, Sie widersprechen sich auch selbst. Sie haben hier ausgeführt, das sei alles nichts Neues, sondern nur eine Konkretisierung der bisherigen Schranken. Was denn nun? Wenn es eine Konkretisierung der bisherigen Schranken ist, dann ist es eine schädliche symbolische Gesetzgebung. Ich erinnere mich, wie sich der verflossene Justizminister Mackenroth hier in seiner unnachahmlichen Art hinstellte und sagte: „Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, ist es nötig, kein Gesetz zu machen.“
Was Sie hier tun, ist Symbolgesetzgebung. Sie befriedigen Ihren Koalitionspartner in seinem schädlichen Tun.
Ich wiederhole: Mit einer freiheitlichen, liberalen, grundrechtsorientierten Politik hat das überhaupt nichts zu tun. Deswegen bitte ich Sie, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Tun Sie das nicht, werden wir uns in Leipzig und Karlsruhe wiedersehen. Dort werden wir Erfolg haben.
Danke, Herr Präsident. – Zuerst zu dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN! Diesem möchten wir gern zustimmen. Wir finden es gut, dass von der Fraktion die Konkretisierung kommt, dass die Veränderung der geltenden Rechtslage zur Erreichung der erklärten Ziele im Prinzip nicht nötig ist. Wir sind in der Debatte auch darauf eingegangen, dass wir Ihre Auffassung vielleicht nicht teilen, wonach in den dort genannten Städten immer schon die entsprechenden Sicherheitsbereiche nach Polizeigesetz, das heißt Kontrollbereiche, eingerichtet worden seien, und dass deshalb schon in der Vergangenheit das Versammlungsgesetz immer ausgehebelt wurde. Aber das ist der Fall. Das ist ein weiterer Grund, warum wir nicht sehen, dass es eine solche Neufassung des Versammlungsgesetzes geben muss. Deshalb stimmen wir dem Änderungsantrag zu. Ich denke, er komplettiert den ursprünglichen Antrag in günstiger Weise.
Vielen Dank, Frau Bonk. – Gibt es weitere Wortmeldungen zu dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – Ich kann keine feststellen.
Wir können zur Abstimmung kommen. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei zahlreichen Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist der Änderungsantrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 5/299. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Gleiches Stimmverhalten: Bei zahlreichen Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.