Wenn Sie sich hier lauthals bekennen, die rechte und nationale Opposition sei so friedlich, lassen Sie mich eines anmerken: Gestern wurde im Landgericht Dresden ein Täter verurteilt, der aus reinem Ausländerhass und Islam-Phobie – die er zugegeben und eingeräumt hat –
eine junge Mutter vor den Augen ihres eigenen Kindes im Gerichtssaal erstochen hat und der sich als NPD-Wähler bekannt und nur bedauert hat, dass Sie nicht mehr zu sagen haben.
Wie viele Tote brauchen Sie noch, um zuzugeben, dass das, was Sie betreiben, tödliche Folgen haben kann?
Lassen Sie mich wieder zum Antrag zurückkommen, zu den Handlungsbedürfnissen im Bereich des Versammlungsrechtes.
Hochverehrter Herr Kollege Dr. Martens! Natürlich harre ich aus, um die Gelegenheit zu nutzen, hier eine Frage zu stellen.
Inwiefern halten Sie es für notwendig, den Gesetzentwurf, den Sie offenbar auch als Mitglied der FDP-Fraktion unterstützen – auch wenn Sie hier als Justizminister sprechen –, mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in Übereinstimmung zu bringen, nämlich bezüglich des nicht ganz unwesentlichen Details, dass das Bundesverfassungsgericht die Grenzen der zulässigen Meinungsäußerungen mit denen zulässiger Versammlungen für identisch erklärt hat? Sicher hatten Sie meinem Redebeitrag unschwer entnommen, dass ich dort einen Hauptkritikpunkt sehe. Können Sie bitte darauf eingehen?
Darauf kann ich sehr gern eingehen. Ich habe im weiteren Teil meiner Rede genau diese Punkte vorgesehen, diese Einwände, die bereits bekannt sind. Im Zuge meiner Rede werde ich sie weiter beantworten. Sie dürfen dann auch nachfragen, wenn es Ihnen nicht reichen sollte.
Wie gesagt, wir haben es nicht nur mit dem Phänomen der rechtsextremistischen Demonstrationen zu tun, die unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit daherkommen, sondern dort treten dann auch jeweils Gegendemonstranten auf, die zumindest in Teilen nicht von einem demokratischen Widerwillen gegen rechte Geschichtsklitterung getrieben werden, sondern wohl eher vom Wunsch nach einer möglichst aktiven Auseinandersetzung mit Rechtsextemisten oder – so dies nicht zu haben ist – mit den eingesetzten Polizeikräften. Hier kommt es regelmäßig zu massiven Gewalttätigkeiten gegen Polizisten und zu anderen Straftaten. Die Teilnehmer der rechtsextremen Demonstrationen fallen dafür dann während der An- oder Abreise durch schwere Gewalttaten auf. Weder die einen noch die anderen Gewalttaten wollen wir hinnehmen.
Auf der Strecke, jedenfalls im Februar in Dresden, bleibt ansonsten das stille Gedenken und die würdige Erinnerung an die Opfer der Zerstörung im Februar 1945 wie auch an alle zivilen Opfer des Zweiten Weltkrieges.
Mit dem genannten Gesetzentwurf soll dieses Gedenken geschützt und nicht die Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden. Dies verkennt der Antrag.
Die Versammlungsfreiheit – das ist immer gesagt worden – ist ein hohes Gut. Darüber besteht hier Einigkeit zwischen der Staatsregierung und wahrscheinlich fast allen Fraktionen im Haus. Das Recht des Bürgers, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess teilzunehmen, gehört zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens. Das hat das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Brokdorf-Beschluss im Jahre 1985 festgestellt. Für die Sächsische Staatsregierung gilt dies uneingeschränkt.
Meine Damen und Herren! Es gilt aber auch, dass das Selbstbestimmungsrecht der Träger des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinsichtlich Ziel und Gegenstand sowie über Ort, Zeitpunkt und Art der Versammlung nicht auch die Entscheidung umfasst, welche Beeinträchtigungen die Träger kollidierender Rechtsgüter hinzunehmen haben. Auch dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vom 24.10.2001, Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 104, 92 festgestellt. Das blenden die Antragssteller aus. Die Frage kollidierender Rechtsgüter und die Frage, eine tatsächliche Konkordanz zwischen kollidierenden Rechtsgütern herzustellen, ist eine Aufgabe, der man sich vielleicht auf der politischen Bühne noch entziehen kann, nicht aber in der praktischen Politik, wenn man Verantwortung für den Schutz der Grundrechte in diesem Land trägt.
Die Sächsische Staatsregierung – lassen Sie mich das so deutlich sagen – tritt entschieden für den Schutz der verfassungsgemäßen Ordnung und aller Grundrechte – dies vorbehaltlos und uneingeschränkt – ein. Dies gilt auch für das Recht auf Versammlungsfreiheit. Das möchte ich für mich persönlich auch als Liberaler ausdrücklich betonen.
Wer den Versuch macht, dieses ohne Grund hier streitig zu machen, der muss sich Unredlichkeit vorwerfen lassen. Einen wirklich ernst zu nehmenden Grund, dies zu bestreiten, sieht die Staatsregierung nicht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht annähernd die Chance, in den drei Minuten, die ich für das Schlusswort habe, darauf einzugehen. Wir haben aber im Ausschuss dazu Gelegenheit.
Ich will vorab eines sagen: Sie sagen, der Bund sei nicht mehr zuständig. Wenn die Entscheidung im Rahmen der Föderalismusreform, den Ländern die Zuständigkeit für das Versammlungsrecht zu geben, dazu führt, dass wir in Zukunft in Bremen, in Bayern, in Sachsen, in Thüringen und in Sachsen-Anhalt ein unterschiedliches Versammlungsrecht haben, dieses Grundrecht gewissermaßen lokalspezifisch ist, dann muss es schnellstens wieder in die Zuständigkeit des Bundes zurückgeführt werden.
Herr Kollege Bartl, stimmen Sie mit mir überein, dass Staatsminister Dr. Martens entgegen seiner Zusage mir gegenüber nicht auf meine Frage eingegangen ist,
ob der Gesetzentwurf mit der rechtsstaatlichen Position zur Meinungsfreiheit als Grenze der Versammlungsfreiheit – –
Ich stimme Ihnen zu. Wenn er dazu ernsthaft und nachprüfbar hätte Fakten nennen wollen, hätte er gut und gern 15 Minuten Redezeit benötigt, denn diesen Gesetzentwurf kann man nicht wegreden. Es ist das Gegenteil von dem, was im Grunde genommen Ihre Frage war. – Sie, Herr Staatsminister, sind vor Beantwortung der entscheidenden Frage des Kollegen
Warum geht mit dem jetzigen Versammlungsrecht nicht das, was Sie vorgeben zu bezwecken? Die Bekämpfung von Gewalt können Sie auch mit dem derzeitigen Versammlungsrecht bezwecken. Die Bundesrepublik Deutschland ist zu keiner Zeit ohne diese Einschränkung des Versammlungsrechts, die Sie jetzt wollen, in irgendeiner Form in Gefahr geraten, untergegangen oder in sonstiger Weise in Misskredit geraten. Nein, sie brauchte es nie. Sie wollen jetzt, wie man so schön sagt, Ruhe, Ordnung und Stille schaffen, wie der verehrte Kollege von der FDP sagte. Das ist im Verhältnis zur Meinungsfreiheit und zum Versammlungsrecht ausgesprochen bedenklich.
Die Zwischenfrage ist beantwortet. – Kollege Schiemann, ich habe gedacht, dass Sie den Antrag gelesen haben und ich ihn nicht im Detail erläutern muss. Ich denke aber, dass Sie noch nicht einmal den Gesetzentwurf gelesen haben. Sie haben bezüglich des Verfassungsgerichts immer wieder davon gesprochen, dass Schranken gesetzt werden, wenn eine unmittelbare Gefährdung für die Sicherheit eintrete. Richtig. In Ihrem Gesetzentwurf steht aber auch, dass dem so ist, wenn eine unmittelbare Gefährdung für die Ordnung eintritt. Die Ordnung ist für Sie das Merkmal, um Versammlungsrecht suspendieren zu können. Im Gesetzentwurf steht: Sicherheit und Ordnung – obwohl im Brokdorf-Urteil steht: Ordnung kann in aller Regel nie Grund sein, Versammlungsrecht einzuschränken.
Herr Kollege Bartl, haben Sie mich richtig verstanden, als ich gesagt habe: Ich möchte für die Dresdner gern wieder die Möglichkeit schaffen, still und in Ruhe zu gedenken, und nicht, Stille und Ruhe in Dresden am 13. Februar herzustellen.
Kollege Biesok, ich bin ausgesprochen angenehm überrascht, dass Sie in Ihrer ersten Rede Fragen beantworten.
Es ist in diesem Haus inzwischen eine Unsitte geworden, dass dies Abgeordnete, die inzwischen seit fünf Wahlperioden hier sind, nicht mehr tun – auch Minister nicht. Es gehört im Parlament dazu, dass man Fragen stellt und dass Fragen beantwortet