Protocol of the Session on May 25, 2011

Zum Schluss sage ich Folgendes: Anstatt hier nur herumzuschimpfen, sollten wir uns vielleicht einmal gemeinsam darüber Gedanken machen, wie es mit diesen Leistungen nach dem Jahr 2013 weitergeht. Das ist für mich der entscheidende Punkt an der ganzen Sache. Es nützt niemandem, wenn wir hier in Form von dreijährigen Modellprojekten – ich nenne das jetzt einfach mal so – agieren und uns überhaupt keine Gedanken machen, wie es damit weitergeht.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Wir sind zu Gesprächen darüber bereit. Ich hoffe, Sie auch, und das geht dann über das Schimpfen hinaus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gibt es bei der SPDFraktion noch Redebedarf? – Frau Dr. Stange? –

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Nein!)

FDP? – Frau Abg. Schütz vom Saalmikrofon.

Ich möchte es an der Stelle kurz machen. Herr Schreiber, ich bedanke mich für die Anerkennung, weil ich jemand von denen bin, die seit 01.04.2011 im Landkreis Görlitz die Anträge abarbeiten.

Ich möchte an die Fraktion DIE LINKE und die SPD gewandt sagen: Zum Glück haben wir keine Stigmatisierung in den Kindertageseinrichtungen, zum Glück haben wir nicht die Erzieherin und die Leiterin, die einzelne Eltern anspricht und sagt: „Im Übrigen müssen Sie einmal einen Antrag stellen.“ Bei uns liegen die Broschüren aus und die Eltern können sich diese selbstverantwortlich nehmen. Sie können gegebenenfalls nachfragen, ob das

für sie auch zutrifft, und dann den Antrag stellen. Darauf, dass das in unseren Kindertageseinrichtungen so ist, bin ich sehr stolz.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir dürfen zudem nicht vergessen, dass es zusätzliches Geld ist. 2 Milliarden Euro stellt der Bund hier zur Verfügung, um diese Leistungen zusätzlich zu erbringen.

(Zurufe der Abg. Heike Werner, DIE LINKE, und von der SPD)

Natürlich ist das unser aller Geld.

Wir setzen diese Maßnahmen um, auch wenn wir noch nicht alles geschafft haben. Das Thema „Caterer“ ist heute noch gar nicht angesprochen worden. Diese haben jetzt einen enormen Bürokratieaufwand. Auch darüber werden wir uns noch grundsätzlich Gedanken machen müssen. Es darf natürlich nicht passieren, dass die Essenpreise für die Leistungsberechtigten steigen, weil es einen höheren Bürokratieaufwand gibt und damit Zusatzaufwendungen nötig werden.

Wir wollen gar nicht sagen, dass alles schon problemlos läuft, aber ich möchte an Rot-Grün gerichtet anmerken: Das SGB II ist 2004/2005 eingeführt worden. Es war handwerklich schlecht. Wir werden es in den zwei Jahren nicht so hinbekommen, dass es hundertprozentig passt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsministerin Christine Clauß)

Das war Frau Schütz für die FDP-Fraktion vom Saalmikrofon aus. Gibt es weiteren Redebedarf bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – Nein. NPD? – Auch nicht. Gibt es den Wunsch nach einer dritten Runde? – Frau Abg. Werner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Herr Schreiber, Dank zu sagen ist richtig, aber das heißt auch, die Kommunen tatsächlich ernst zu nehmen. Wenn die Kommunen kommen und sagen, dass es über 50 Einzelfragen zur Umsetzung des Gesetzes gibt, die geklärt werden müssen, damit es keine Rückforderungen vom Bundesministerium und keine Verhandlungen bei den Sozialgerichten gibt, dann muss man das ernst nehmen. Das kann man nicht erst in einem Jahr machen. Die Fragen liegen jetzt auf dem Tisch und müssen jetzt geklärt werden, damit die Kommunen handeln können.

Frau Schütz, wir sagen nicht einfach so, dass die Staatsregierung hier handeln muss. Das Bundesministerium hat gesagt, dass die Staatsregierung die Fach- und Rechtsaufsicht hat. Deswegen wenden wir uns an sie. Ich denke, dass das absolut legitim ist.

Was mich wirklich erschreckt hat, Frau Schütz, waren die Aussagen zur Aufgabe des Sozialstaates und dass es nicht darum geht, irgendetwas hinterherzutragen. Wir reden

hier von Kindern und Jugendlichen, bei denen es – weil das Gesetz momentan so gestrickt ist – von der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Eltern abhängt, welche Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben sie haben. Diese Kinder müssen unterstützt werden. Es ist nicht so, dass hier Geld vom Himmel geregnet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr gesagt: Es ist notwendig, dass diese Kinder unterstützt werden, damit sie Zugang zur Bildung bekommen und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben haben können. Deswegen musste die Bundesregierung tätig werden, um das zu ermöglichen.

Nun muss man fragen: Kann das Gesetz das ermöglichen? Momentan sieht es damit sehr schlecht aus. Wir haben dabei grundsätzliche Bedenken. Die haben nicht nur wir als DIE LINKE allein, sondern die hören wir auch von den Kommunen. Ich habe auf Landratsämtern gehört, dass gesagt wird, dass die wirklich benachteiligten Kinder und Jugendlichen nicht profitieren werden, sie seien im Gegenteil die Verlierer dieses Gesetzes. Man muss andere Möglichkeiten schaffen, um benachteiligte Kinder zu unterstützen. Da geht es um eine Infrastruktur, die am Ende allen Kindern zugute kommt. Wenn ich „alle Kinder“ sage, dann meine ich auch alle Kinder. Es gibt natürlich auch Eltern, die knapp über dem Sozialhilfesatz leben und eben nicht von diesem Bildungs- und Teilhabepaket profitieren können. Inzwischen gibt es Rückmeldungen, dass in manchen Klassen die Kinder an der Klassenfahrt teilnehmen können, deren Eltern reich sind oder die vom Teilhabepaket profitieren. Es gibt aber auch eine Reihe von Kindern, die genau dazwischen liegen und plötzlich an der Klassenfahrt nicht teilnehmen können. Das kann doch nicht der Sinn und Zweck der Förderung von Kindern in diesem Staat sein.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Was uns wirklich zu denken gibt und uns fragen lässt, ob die Gelder richtig angelegt sind, ist die Tatsache, dass 20 % der Gelder für das Bildungs- und Teilhabepaket in die Verwaltungsaufwendungen fließen werden. In Leipzig wurden 28 Stellen geschaffen, um die eingehenden Anträge anzunehmen und zu bewerten. Es ist aber noch gar nicht klar, wie viele Menschen noch eingestellt werden müssen, wenn die ersten Widersprüche kommen.

Wir haben das Problem, dass die Gelder 2014 auslaufen und Kinder im ländlichen Raum von diesen Geldern zum Teil nicht profitieren können, weil die Infrastruktur überhaupt nicht vorhanden ist, und wir haben das Problem, dass bestimmte Eltern nicht in der Lage sind, diese Anträge zu stellen, da sie bestimmte Hintergründe nicht haben. Auch hierzu sagen wir wieder: Es muss eine bestimmte Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, die allen Kindern und Jugendlichen zugute kommt. Es ist Aufgabe des Sozialstaates, dass alle Kinder Zugang zu Bildung haben und die Möglichkeit, durch Bildung vielleicht aus dem Armutskreislauf herauszukommen. Hier müssen wir tätig werden.

Unser Konzept wäre eine Kindergrundsicherung. Dabei geht es um Infrastruktur und entsprechende finanzielle Zuschüsse an die Familien. Es ist schon jetzt bekannt, dass der Regelsatz so, wie er zur Verfügung steht, nicht in der Lage ist, die sogenannte optimierte Mischkost für Kinder und Jugendliche sicherzustellen. Das wurde in entsprechenden Instituten ausgerechnet. Die Institute sagen, dass das Geld für drei Wochen reichen würde, wenn man den Kindern und Jugendlichen eine optimierte Mischkost zur Verfügung stellen würde; aber am Ende fehlt eine Woche. Hierbei gibt es sehr viel Handlungsbedarf. Das Teilhabepaket müssen wir umsetzen, wir haben keine andere Chance. Anliegen der Debatte war, einen Anstoß zu geben und auf das Dilemma der Kommunen hinzuweisen, das ist ganz klar. Dazu werden wir auch entsprechende Anträge einbringen und wir hoffen auf eine konstruktive Mitarbeit, auch der Koalition.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Frau Werner. – Meine Damen und Herren, gibt es weiteren Redebedarf? – Dies kann ich nicht feststellen. Bevor ich die Staatsregierung aufrufe, bitte ich jemanden von den Schriftführern, sich zur Ablösung bereitzuerklären. – Vielen Dank, Frau Falken. – Frau Clauß, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ein wenig überrascht hat mich das Thema, aber auch der Verlauf dieser Aktuellen Debatte schon; denn auf mich ist noch keine Kommune zugekommen und hat sich über mangelnde Unterstützung beschwert. Außerdem weise ich ausdrücklich eine organisierte Verantwortungslosigkeit der Sächsischen Staatsregierung zurück; denn die Unterschrift des Bundespräsidenten unter dem Gesetz war noch nicht einmal trocken, da haben wir hier im Freistaat Sachsen bereits die Zuständigkeit per Verordnung auf die Kommunen übertragen. Das war der Wunsch der Kommunen. Sie haben es ausdrücklich begrüßt.

So vollziehen nun die Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen das Bildungs- und Teilhabepaket im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung. Sehr wohl akzeptiert und respektiert die Staatsregierung die kommunale Selbstverwaltung. Gleichwohl begleiten und unterstützen wir aber die Kommunen bei der Umsetzung, und – ich wiederhole mich hier gern – bisher haben die Landkreise und kreisfreien Städte sehr intensiv an der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes gearbeitet. Antragsformulare und Hinweise für die Beantragung der Leistungen aus dem Paket wurden erarbeitet, Mitarbeiter wurden akquiriert und geschult, Büros und die entsprechende Ausstattung wurden zur Verfügung gestellt, und auch die technischen Voraussetzungen wurden geschaffen.

Außerdem haben die Kommunen sehr wohl eine intensive Öffentlichkeitsarbeit in der Presse und über das Internet

durchgeführt. Die Kommunen sind dabei, den gesamten Prozess in diesen wenigen Wochen anzugehen, wofür ich ihnen an dieser Stelle nochmals ausdrücklich danken möchte, wohl wissend, dass es Anlaufschwierigkeiten geben wird. Das hatten wir von vornherein gesagt.

Für mich gibt es knapp acht Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes noch offene Fragen und Herausforderungen bei der Umsetzung. Es gibt sehr wohl Lücken, die es zu schließen gilt. Wir kennen diese Lücken – unter anderem deshalb, da uns die Kommunen eine detaillierte Rückkopplung geben, aber nicht in dieser Intention, wie sie hier vorgetragen wurde.

So habe ich bereits am 19. April 2011 an die Bundesministerin Frau von der Leyen geschrieben und offene Fragen weitergegeben und außerdem am 21. April in Vorbereitung des Runden Tisches einen ausführlichen Brief an die Vorsitzende des Bund-Länder-Ausschusses zur Koordinierung zu SGB II, Frau Kollegin Özcan, gerichtet. Wir sprechen länderübergreifend miteinander. Da gibt es keine Geheimnisse. Wir sprechen auch unsere Probleme ohne ideologische Scheuklappen an, zum Beispiel solche Fragen: Wie sollen Zahlungen für Klassenfahrten ankommen? Aufgrund des Sachleistungsprinzips können die Berechtigten das Geld nicht direkt erhalten. Schulen sind aber keine juristischen Personen und unterhalten keine Konten. Was ist also zu tun? Oder: Wie verhält es sich grundsätzlich mit dem Sachleistungsprinzip bei rückwirkenden Zahlungen? Denn selten gehen Eltern bei Anbietern in Vorleistung. Sie können jedoch keine Rückzahlung bekommen, da das Sachleistungsprinzip gilt.

Mein drittes Beispiel: Wir haben gemeinsam eine Verlängerung der Antragsfrist für alle Länder erreicht. Ich sage nochmals: Die Staatsregierung taucht nicht ab. Wir hören sehr genau zu, an welchen Stellen es noch ungelöste Probleme gibt, so auch bei Bürgeranliegen, die täglich in meinem Haus ankommen, und prüfen diese im Rahmen unserer Aufsicht gegenüber den Kommunen. Dabei kommen wir sehr zügig – –

Frau Staatsministerin, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Frau Herrmann, bitte.

Danke, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin, Sie haben jetzt die Probleme genannt, die Sie aufgreifen. Wie sehen denn die Lösungsvorschläge für Sachsen bei diesen drei Problemen aus?

Darauf komme ich noch zu sprechen. Beim nächsten Runden Tisch werden wir diese Probleme noch behandeln. Deswegen sagte ich, die Gespräche finden länderübergreifend statt, und das sind zum Beispiel die entsprechenden Probleme, die noch

nicht hundertprozentig geklärt und bei denen wir im Gespräch sind.

Wir prüfen diese im Rahmen unserer Aufsicht gegenüber den Kommunen. Dabei bekommen wir auch Stellungnahmen aus den Jobcentern und den Kommunen und können so helfen, dass den Bürgern, die sich an uns wenden, die Leistungen schnellstmöglich gewährt werden im Interesse ihrer Kinder; denn das ist unser Anspruch und muss auch unser Ziel sein.

Aber es wurde auch schon deutlich gesagt, meine Damen und Herren Abgeordneten: Es liegt auch an den Eltern, jetzt die Anträge zu stellen und somit ihren Kindern weitere Chancen zu eröffnen, und dort, wo die Eltern dies nicht allein tun können, wird ihnen entsprechend geholfen.

Noch ein letzter Punkt. Auch mein Haus betreibt eine intensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und nimmt jede Gelegenheit wahr, um über dieses Thema zu informieren. Wir haben zu vier Besprechungen alle Kommunen ins Staatsministerium eingeladen. Es sind auch alle gekommen. Wir koordinieren weitere Gespräche, sprechen Multiplikatoren an und es wird ein Fragen- und Antwortenkatalog in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet, der die Leistungsträger bei der Umsetzung der Leistungen unterstützen wird.

Allein: Papier reicht nicht aus. Für uns ist sehr wichtig, hier im Dialog mit den Kommunen zu sein, und ich sage noch einmal deutlich: Wenn Sie etwas Negatives gehört haben, dann sollen Sie auch den Schneid haben, sich bei uns zu melden. Ich betone nochmals: Die Staatsregierung taucht nicht ab. Sie ist ihrer Verantwortung sehr wohl gerecht geworden und wird dies auch in Zukunft tun.

Herzlichen Dank.