Herr Brangs, Sie waren das wahrscheinlich weniger – aber ein paar Sozialpolitiker der SPD auf jeden Fall.
Fakt ist: Die SPD hat genau so mit am Tisch gesessen. Es ist ein Manko, dass beispielsweise die Verwendung der Gelder in Höhe von 400 Millionen Euro für die Schulsozialarbeit nicht explizit als ein Muss festgeschrieben wurde.
Letzten Endes ist es eine Kann-Formulierung. Den Kommunen ist es nun überlassen, ob sie das Geld für die Schulsozialarbeit zur Verfügung stellen.
Danke, Herr Präsident. – Herr Kollege, Sie haben soeben von einem Manko gesprochen. Ich stelle Ihnen folgende Frage: Sind Sie der Meinung, dass es in der Debatte um eine Vorverurteilung oder um eine Miesmachung dieses Gesetzes geht? Geht es nicht vielmehr um die Ergreifung der Chance, die Umsetzung gemeinsam – Staatsregierung und Kommunen – auf einen guten Weg zu bringen? Am Ende darf es nicht so sein, dass Sie erst einmal abwarten, bis es sich zeigt. Besser ist es, am Ende eine positive Bilanz ziehen zu können.
Sie hatten damit eingeleitet, dass alles schlechtgemacht werden würde. Sie verkennen die stattfindende Debatte.
Das muss nichts Schlechtes sein. Es ist eher das Gegenteil. Ich arbeite lieber konstruktiv an der Lösung eines Problems, als mir populistisches Geschwätz anzuhören.
Sie müssen mir schon Folgendes zugestehen: Wenn man sich einmal den gesamten Zeitablauf der Verhandlung anschaut und überlegt, sollte es einmal darum gehen, dass Kinder und Jugendliche – die Anspruchsberechtigten – möglichst schnell in den Genuss der Leistung kommen sollen. Es ging nicht um einen monatelangen Verhandlungsmarathon, der hinten angehängt wurde. Die Leistungen können nun abgerufen werden und werden auch abgerufen – allerdings nicht in vollem Umfang.
Dass sie abgerufen werden, ist ein Fakt. Wir sollten uns jetzt – gern auch gemeinsam – die Probleme, die es geben wird oder die offenkundig sind, anschauen und überlegen, wie wir auf Bundesebene und mit den Kommunen diese Probleme aus dem Weg räumen können. Das bringt allen Betroffenen mehr, als wenn wir uns teilweise in ideologischen Grabenkämpfen darüber unterhalten, ob es sinnvoll oder nicht sinnvoll ist.
Weil Frau Hermann mich darauf ansprach, möchte ich noch einmal etwas Grundsätzliches sagen. Sie sagten, dass der Zugang zu dem Bildungs- und Teilhabepaket bzw. zu deren Leistungen zu wenig niederschwellig oder nicht niederschwellig genug sei.
Ich muss einmal etwas ganz deutlich sagen, auch wenn es sozialpolitisch kalt klingt: Vor mir liegt der Antrag des Landkreises Bautzen. Diesen muss man stellen, um Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket abzurufen. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel: Es ist eine A-4Seite, die vorne und hinten bedruckt ist. Man muss zwischen vier und fünf Kreuze setzen. Es ist keine soziale Kaltschnäuzigkeit. Bei demjenigen, der nicht dazu in der Lage ist, selbst – oder mit Hilfe – solch ein Dokument auszufüllen, muss man sich fragen, ob es dann nicht an viel mehr fehlt. Am Ende kann man nicht jeden Sozialhilfe-, Hartz-IV- oder Wohngeldempfänger in einen Topf werfen. Man kann nicht allen unterstellen, dass sie nicht in der Lage sind, mit einem solchen Dokument umzugehen. Wer von diesem Staat Leistungen beziehen möchte, muss in der Lage sein – das sagte meine Kollegin Frau Schütz bereits –, diese Leistungen beim Staat abzurufen. Das ist eine Selbstverständlichkeit, wie sie überall gang und gäbe ist. Das gilt unabhängig davon, in welches Land Sie gehen.
Danke, Herr Präsident! Herr Schreiber, ich habe nicht dieses Formular kritisiert. Geben Sie mir recht, dass man unter Niederschwelligkeit verschiedene Dinge verstehen kann? Ich habe in meiner Rede das SGB II zitiert. Darin kommt zum Ausdruck, was das SGB II unter Niederschwelligkeit versteht. Das liegt noch vor diesem Formular.
Geben Sie mir recht, dass es nicht um ein Formular geht? Wir müssen uns die Frage stellen, wie die Leute damit bekannt gemacht und dann unterstützt werden können, dieses Formular überhaupt in die Hand zu nehmen.
Ich gebe Ihnen dahin gehend recht, dass wir noch große Anstrengungen unternehmen müssen, um weiterhin die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket – ich möchte nicht sagen anzupreisen – an die Betroffenen – Mann und Frau bzw. Kinder – zu bringen. Das ist keine Frage.
Ich bitte Sie, an dieser Stelle einfach auch einmal anzuerkennen, welche Anstrengungen diesbezüglich schon unternommen wurden. Ich weiß es beispielsweise aus der Landeshauptstadt Dresden. Die Bundesministerin hat einen Brief an alle Anspruchsberechtigten geschrieben. Bei diesem wundert man sich zuerst, warum man Post von der Bundesministerin bekommt. Sie schreibt im Zweifel auch in einem Deutsch, das vielleicht nicht jeder – mangels entsprechender Bildungskenntnisse – versteht. In Dresden hat die Kommune nachgelegt. Ich weiß es auch von anderen Kommunen. Sie haben sich über die Jugendämter und andere Stellen noch einmal an die Anspruchsberechtigten gewandt. Wenn es in der Schule bekannt ist, sollte es gang und gäbe sein, dass – im Zweifel – die Klassenlehrerin oder der Schuldirektor noch einmal mit den Eltern sprechen. Das ist keine Frage.
Dazu bedarf es aber einer gewissen Transparenz. Dass man diese Transparenz in eine Art der Stigmatisierung steckt, tut mir leid. Wenn wir es so definieren, dass jemand, der aus diesem Bildungs- und Teilhabepaket Leistungen bezieht, stigmatisiert wird, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass sich Leute nicht dazu bekennen, Leistungen aus diesem Paket abzurufen.
Es muss eher der andere Weg sein, dass wir deutlich machen, dass es keine Schande ist, Leistungen aus diesem Paket zu bekommen, weil es den Kindern und Jugendlichen zugute kommt.
Deswegen ist die Diskussion, die die LINKE hier als eine sozialpolitische Demagogendiskussion führt, einfach irreführend und bringt uns nicht dazu, dass sich noch
Vielen Dank. – Herr Schreiber, stimmen Sie mir zu, dass der Hintergrund oder die Motivation für diese Gesetzesänderung eigentlich war, dass die Leistung statt einer Regelsatzerhöhung direkt beim Kind und beim Jugendlichen ankommen soll, dass also die Leistungen in Sachform bei den jungen Menschen ankommen und es nicht Sinn der Sache ist, neue bürokratische Hürden aufzubauen und es davon abhängig zu machen, wie begabt und engagiert betroffene Eltern sind, solche Anträge auszufüllen?
Frau Klepsch, da muss ich Ihnen widersprechen. In Deutschland gibt es keine Sozialleistung, die man nicht in irgendeiner Weise beantragen muss. Und ich sage Ihnen: Das ist auch gut so. Wenn man Hilfe von diesem Staat erwartet, der sehr, sehr viel Hilfe leistet – da kann man sich manchmal auch darüber streiten, ob jede Hilfe so gerechtfertigt ist –, wenn man also Leistungen von diesem Staat will, dann muss man auch zu diesem Staat hingehen und sagen: Jawohl, ich möchte diese Leistung. Dieser Staat ist weder in der Lage noch ist es seine Aufgabe, irgendwem etwas hinterherzuwerfen. Und es widerspricht auch nicht Ihrem Ansatz, dass es eben genau so konzipiert ist, dass es in Form von Sachleistungen direkt beim Kind ankommt, dass es eine Unterstützung bei der Finanzierung des Mittagessens gibt. Dazu betone ich noch einmal: Der Eigenanteil beim Mittagessen liegt bei einem Euro. Jetzt frage ich Sie ganz deutlich: Welchem Elternteil muss es nicht täglich einen Euro wert sein, dass das eigene Kind, das eigene Fleisch und Blut, am Tag wenigstens ein ordentliches Mittagessen bekommt? Es geht um einen Euro. In Dresden war der Eigenanteil vorher 1,53 Euro.
Selbst das ist in Anspruch genommen worden. Also kann es doch nicht verkehrt sein, wenn der Anteil jetzt nur noch einen Euro beträgt. Die Leistungen kommen bei den Kindern an und werden das künftig noch stärker tun.
Wir reden über ein Maßnahmenpaket, bei dem seit dem 01.04., seit einem Monat und 25 Tagen, mit der Bescheidung bzw. der Auszahlung begonnen wurde. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel – ich spreche Sie nicht direkt an –, aber wenn ich das mit Hartz IV vergleiche, wo die Rege
lungen seit dem 01.01.2005 in Kraft sind, was mittlerweile sechs Jahre sind, dann gibt es dort noch einige Baustellen zu beheben, wobei sich die Politik sehr schwer tut. Deshalb können Sie doch nicht erwarten, dass es bei einer solchen großen gesellschaftlichen Leistung binnen eines Monats überhaupt keine Probleme mehr gibt. Wir werden am Ende sehen, wenn das Ganze auch evaluiert wurde, wie gut die Umsetzung erfolgt ist. Aber stellen Sie sich bitte nicht hier hin und kritisieren Sie ein Antragsverfahren oder die Stigmatisierung von Kindern. Das geht absolut am Ziel vorbei.
Als vorletzten Gedanken möchte ich noch eines sagen: Vielleicht sollten wir auch einmal die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die seit dem 01.04.2011 Antrag um Antrag abarbeiten, loben und ihnen Dank sagen.