Protocol of the Session on May 25, 2011

Wenn wir uns zum Beispiel Schulausflüge und mehrtägige Klassenfahrten ansehen, dann stellt sich die Frage: Bis zu welcher Höhe werden welche Kosten übernommen? Was ist mit Ausrüstung, die man vielleicht für eine Klassenfahrt braucht? Wird das auch übernommen? Wird das in besonderen Fällen übernommen? Und so weiter.

In diesen Zusammenhang gehören natürlich auch die Schulkonten. Diesbezüglich hat die Fraktion GRÜNE

einen Vorstoß in Richtung selbstständige Schulen unternommen. Es ist notwendig, dass die Schulen Konten haben, auf die diese Leistungen eingezahlt werden können, sonst wissen die Kommunen nicht, wie sie das klären sollen.

Oder nehmen wir das Schulbedarfspaket. Wie werden denn die Grenzen, bis zu denen man das in Anspruch nehmen kann, ganz konkret gezogen? Wollen wir eigentlich die Anbieter der Leistung zertifizieren, oder was ist das für ein Markt, der da plötzlich entsteht? Wollen wir da irgendwie eingreifen oder nicht?

Das sind Dinge, bei denen es andere Länder schon für nötig halten, das auf Landesebene zumindest in Form einer Arbeitshilfe den Kommunen zur Verfügung zu stellen. Ich denke, das ist die Aufgabe einer Staatsregierung, an dieser Stelle zu handeln und die Kommunen nicht mit diesem Gesetz im Regen stehen zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Deshalb bin ich dankbar für diese Debatte und ich hoffe einfach, dass die Staatsregierung sich das Papier von Nordrhein-Westfalen vielleicht einmal vornimmt und es mit den Kommunen berät. NRW hat übrigens auch eine Arbeitsgruppe auf Landesebene eingerichtet, in der die Kommunen unter anderem vertreten sind, aber auch die Sozialgerichtsbarkeit, die irgendwann damit zu tun haben wird, und ob man nicht vielleicht in Sachsen –

Bitte zum Schluss kommen!

– in vergleichbarer Art und Weise vorgehen könnte.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Herrmann. – Für die NPD-Fraktion spricht Herr Abg. Gansel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem sogenannten Teilhabe- und Bildungspaket will die Bundesregierung zeigen, dass Gutscheine statt Bargeld der Königsweg seien, um die Benachteiligung von Kindern aus einkommensschwachen Familien abzustellen. Union und FDP wollen uns weismachen, dass jene Eltern, die von der Bundesregierung letztendlich selbst für unmündig gehalten werden, nun auf diverse Ämter gehen, um für ihre Kinder nach einem komplizierten Antragsverfahren Gutscheine zu ergattern.

Aus Sicht der NPD wird so aber nicht nur die Diskriminierung von einkommensschwachen Landsleuten verfestigt, sondern die ohnehin schon wuchernde Sozialbürokratie weiter aufgebläht und die Abhängigkeit der Betroffenen von staatlicher Willkür vergrößert. Absurderweise

setzen die Regierungsparteien darauf, dass ausgerechnet jene Eltern, die nach ihrer Auffassung bislang zu wenig Initiative für die Bildung ihrer Kinder gezeigt haben, dies nun tun, indem sie sich einem regelrechten Antrags- und Behördenmarathon unterwerfen.

Nun, die Gelder aus dem Bildungspaket werden seit dem 1. April ausgezahlt und man hat den Eindruck, dass man es hier mit einem Aprilscherz von CDU und FDP auf Bundesebene zu tun hat, denn erwartungsgemäß floppt das Bildungspaket auf der ganzen Linie. Wie eine aktuelle Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab, werden bislang nur von einem Fünftel der Anspruchsberechtigten in Sachsen die Leistungen in Anspruch genommen bzw. hat gerade einmal ein Fünftel der Anspruchsberechtigten Anträge gestellt.

Im Landkreis Meißen sind insgesamt 12 400 Kinder und Jugendliche anspruchsberechtigt. Die „Leipziger Volkszeitung“ zitierte am 14. Mai einen Sprecher des Landratsamtes Meißen mit den Worten: „Von einem Ansturm merken wir nichts. Die Nachfrage ist verhalten.“ Bislang gingen dort lediglich 1 500 Anträge ein. Das sind gerade einmal 12 % aller Anspruchsberechtigten im Landkreis Meißen. Auch in den sächsischen Großstädten sieht es nicht besser aus. In Dresden etwa stehen 20 500 anspruchsberechtigten Kindern und Jugendlichen gerade einmal 6 200 gestellte Anträge gegenüber.

Um die Nachfrage zu erhöhen, ist die Stadt Dresden jetzt dazu übergegangen, alle bedürftigen Familien anzuschreiben und das Bildungspaket regelrecht zu bewerben. So zieht nun ein Verwaltungsakt den nächsten nach sich und das leidige Behördenkarussell dreht sich munter weiter und weiter. Hauptsache, die Sozialbürokratie im Lande kann suggerieren, etwas für die Armen zu tun. Laut der „Leipziger Volkszeitung“ fallen allein in Dresden jährlich Zusatzkosten von 1,4 Millionen Euro an, und zwar für mehr Personal, das nötig wird, um die Bildungspakete überhaupt zu bearbeiten. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag rechnet damit, dass in den ersten beiden Jahren im schlimmsten Fall bis zu 120 Millionen Euro für 2011 und 85 Millionen Euro für 2012 nicht vom Bund übernommen werden und somit als Finanzlast an den sächsischen Kommunen hängen bleiben.

Für die NPD will ich auf das Wesentliche der Debatte zu sprechen kommen und mich nicht länger bei der Mogelpackung des sogenannten Bildungspaketes aufhalten. Dass es nur die Bürokratie wuchern lässt, höhere Personalkosten verursacht und von den Betroffenen nicht angenommen wird, haben wir bereits gehört. Es ist übrigens auch pikant, dass ausgerechnet eine „bürgerliche“ Bundesregierung die Eltern über ein starres Gutscheinsystem staatlich bevormunden will. Das ist eine Maßnahme, die man eigentlich nur von linken Zwangsbeglückern kennt. Die Bundesregierung hat jedenfalls deutlich gemacht, worauf es ihr wirklich ankommt. Am 4. Mai teilte die Bundesarbeitsministerin von der Leyen eine wichtige Neuerung auf den Antragsformularen mit. „Es gibt die Anschreiben schon auf Türkisch und Eng

lisch“, sagte sie stolz. Man sieht also, dass die Hauptsorge der Bundesarbeitsministerin zu sein scheint, dass auch orientalische Großfamilien endlich in den Genuss dieser sozialstaatlichen Großtat kommen.

Was auch in dieser Debatte hinter einer Wand von Absichtserklärungen, Phrasen und Ignoranz verschwunden ist, ist die Kinderarmut in diesem Land, die Armut an Kindern und die Armut von Kindern. Fast jedes vierte Kind in Sachsen ist arm. Das ist übrigens nicht die Zahl des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die angeblich vor Kurzem nach unten korrigiert werden musste. Dass jedes vierte sächsische Kind in Armut lebt, ist vielmehr das Ergebnis einer Studie der BertelsmannStiftung. Demnach gibt es im Freistaat, verglichen mit anderen Flächenländern, besonders viele arme Kinder. Am größten ist die Kinderarmut in Leipzig. Hier lebt jedes dritte Kind unter 15 Jahren von Sozialhilfe, was einer Quote von 33,4 % entspricht. Es folgen die Landkreise Görlitz und die Stadt Chemnitz.

Kinderarmut in einem eigentlich reichen Land ist eine Schande. Die etablierten Parteien machen die Gründung einer Familie regelrecht zu einem Armutsrisiko und wundern sich dann noch über Geburtenmangel, den sie dann wiederum durch Zuwanderung ausgleichen wollen. Für uns als NPD ist das eine regelrecht perverse Logik.

Bitte zum Schluss kommen!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Geld ist in diesem Land genug vorhanden. Es muss nur endlich wieder gerecht verteilt werden und deutschen Familien zugute kommen und das heißt nach NPD-Auffassung: –

Herr Gansel, bitte!

– Schluss mit Milliardenzahlungen an Pleitestaaten in der Europäischen Union! Schluss mit der Geldverschwendung für Auslandseinsätze der Bundeswehr – –

Herr Gansel, bitte!

(Der Präsident schaltet das Mikrofon ab. – Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Es gibt den Wunsch nach einer zweiten Runde. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Klepsch. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zurück zur sachlichen Auseinandersetzung. Vor sechs Jahren, 2005, erschien der 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, und schon dort hat die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen feststellen lassen, dass sozialpolitisch „die inakzeptable Abhängigkeit der Bildungs- und Qualifizierungschancen der Kinder von ihrer sozialen Herkunft verringert und der

Zusammenhang von Einkommensarmut, Kinderarmut und Bildungsarmut durchbrochen werden soll“. Man wollte vermeiden, dass eine neue Generation von Benachteiligten aufwächst, und es sollten alle die gleichen Bildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten erhalten.

Jetzt, fünf bzw. sechs Jahre später, haben wir das Bildungs- und Teilhabepaket und ich sage dazu: knapp vorbei und doch daneben. So kurz könnte man die SGBII-Novellierung zusammenfassen. Ich sage auch: Aus unserer Sicht ist es die größte Mogelpackung, die es seit Hartz IV gibt und seit Frau von der Leyen Ministerin ist. Ich glaube, bei der Elterngeldeinführung und beim Krippenausbau konnte sie ernsthaft noch den Eindruck erwecken, dass sie wirklich etwas für die gemeinten Zielgruppen erreichen möchte. Beim Bildungs- und Teilhabepaket kann man genau das nicht einmal behaupten. Man kann es nicht anders sagen, es ist – wenn man sich die Auswirkungen und die Umsetzung anschaut und die Frage, wer denn am Ende wirklich erreicht werden und davon profitieren wird – gewissermaßen ein sozialpolitisches Versagen.

Frau von der Leyen hat in dem Vorwort zum Kinder- und Jugendbericht 2005 auch gesagt: „Betreuung, Erziehung und Bildung müssen sich an den Entwicklungsbedürfnissen der Kinder orientieren und nicht etwa an den Grenzen der Institution.“ Doch genau das Gegenteil passiert gerade. Es wird Geld für Leistungen bereitgestellt, die die Kommunen teilweise schon selber finanzieren, wie das kostenfreie Mittagessen, die aber jetzt plötzlich einen Euro von den Eltern verlangen müssen. Das Bildungs- und Teilhabepaket greift in kommunale Unterstützungssysteme ein und es führt zur Umgestaltung dieser Systeme, aber nicht immer zu einem besseren Unterstützungssystem für die Betroffenen.

Ein einziger Lichtblick, den man vielleicht feststellen kann, ist, dass die SPD zumindest herausverhandeln konnte, dass die Bildungslotsen in den Jobcentern nicht eingesetzt werden, was noch einmal extra 135 Millionen Euro gekostet hätte. Gut zu wissen, dass die Kommunen zumindest in der Umsetzung die Verantwortung tragen.

Frau Schütz, die Staatsregierung kann sich eben nicht herausreden, das sei Sache des Bundes und der Kommunen, denn auch die Staatsregierung hat in Form der Staatskanzlei im Vermittlungsausschuss gesessen und war beteiligt. Da fragt man sich jetzt hinterher schon: Wen hat denn dort der Vertreter der Staatsregierung eigentlich vertreten? Die von Armut betroffenen Kinder? Daran haben wir unsere Zweifel. Sie wissen es. Wir hatten im August 2009 allein im Altersbereich der unter 15-Jährigen über 109 000 Kinder, die in Bedarfsgemeinschaften gewohnt haben. Hat der Vertreter der Staatsregierung die Kommunen und Landkreise vertreten? Da habe ich auch so meine Zweifel. Hat er denn die Landräte mit CDUParteibuch vertreten?

Dann hätte aber mehr herauskommen müssen, was die Umsetzung vereinfacht. Ich denke schon, es wäre an der

Stelle auch die Pflicht der Staatsregierung gewesen, im Ausschuss auf eine andere Gesetzesgestaltung hinzuwirken.

Sich hinterher mit dem Feuerlöscher hinzustellen und den Jobcentern sowie Kommunen im Nachgang zu erklären, wie es funktioniert und das Gesetz umzusetzen ist, stellt ein Versagen in der politischen Steuerung dar. Stattdessen hat man zugesehen, wie ein schlechter Kompromiss zusammengezimmert wurde.

Frau Neukirch hatte bereits darauf hingewiesen, dass nicht alle Eltern informiert werden. Die Kommunen gehen damit sehr unterschiedlich um. Es gibt Kommunen, die alle Familien anschreiben. Dort gibt es Familien, die sich stigmatisiert fühlen. Die Kinder dieser Familien sollen nicht erfahren, dass sie von Hartz IV leben. Die anderen Schülerinnen und Schüler sollen das auch nicht erfahren. Es gibt auch Landkreise, die nicht alle anschreiben, weil es zu viel Geld kostet. Das müsste aus Sicht der Kommune nicht sein und viele würden es nicht nutzen. Es gibt andere, die es über die Kitas und Schulen steuern. Der Beratungsaufwand bleibt bei den Kitas und Schulleitern hängen.

Wir haben vor allen Dingen bei der Schulsozialarbeit das Problem – darüber werden wir morgen sprechen –, dass eine Konkurrenzsituation vorliegt: Finanzierung der Schulsozialarbeit oder Bezuschussung des Mittagessens?

Vielleicht nenne ich noch einen Aspekt aus dem Bereich des Hortes: Wir haben im Osten eine Sonderrolle inne. Im Bereich des Hortes frisst die Finanzierung des Mittagessens die Gelder für die Schulsozialarbeit auf.

Es gäbe noch viele andere Punkte. Leider ist die Zeit zu Ende.

Bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich möchte an dieser Stelle an die Staatsregierung appellieren: Sie haben noch viel zu tun, um eine Einheitlichkeit in der Umsetzung zu erreichen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Schreiber das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Ich höre mir diese Debatte an und frage mich: Warum heute? Die Frage stelle ich mir in Anlehnung an eine Debatte, die wir vor Kurzem zum Bundesfreiwilligendienst geführt haben. Es wurde gefragt, warum wir diese Debatte führen, nachdem der Bundesfreiwilligendienst eingeführt ist bzw. das Gesetz dazu beschlossen wurde.

Heute stelle ich mir die Frage allerdings nicht: Warum führen wir die Debatte erst jetzt? Ich stelle mir vielmehr die Frage: Warum führen wir die Debatte jetzt schon? Es finden Vorverurteilungen über die Wirkungsweisen und

letztendlich den Erfolg des Themas „Teilhabe- und Bildungspaket“ statt. Diese Debatte können wir erst dann führen, wenn wir valide Aussagen treffen können. Wir dürfen nicht, wie es hier häufig so üblich ist, den Teufel an die Wand malen. Wir dürfen nicht zusehen, dass diese Negativprophezeiungen hoffentlich eintreten, um sie später zu rechtfertigen.

Ich will mit ein paar Vorurteilen aufräumen. Insgesamt beinhaltet das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung 1,6 Milliarden Euro. Davon sind explizit 400 Millionen Euro für das Mittagessen und die Schulsozialarbeit vorgesehen. In diesem Zusammenhang muss man der Opposition einmal recht geben, wobei die SPD maßgeblich mit am Verhandlungstisch saß.